OGH 4Ob76/97y

OGH4Ob76/97y22.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Wolfgang B*****, vertreten durch die Eltern Dr. Franz B***** und Elisabeth B*****, vertreten durch Dr. Friedrich Oedl und Dr. Rudolf Forstenlechner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 93.000,-- sA, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 20. Jänner 1997, GZ 53 R 341/96w-28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 3. Mai 1996, GZ 25 C 591/95-19, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagte betreibt in A***** eine Niederlassung, in der sie (ua) Sportartikel verkauft und Schibindungen einstellt. Am 2.1.1993 ließ der Kläger bei der Beklagten seine nicht neue, aber funktionstüchtige Schibindung der Marke "L*****" einstellen.

In der Filiale der Beklagten wird ein Schibindungseinstellprüfgerät der Wintersteiger GmbH verwendet. Dieses Gerät entsprach im Jänner 1993 dem neuesten Stand der Technik. Es wurde von der Herstellerfirma regelmäßig gewartet und auch durch die Mitarbeiter der Beklagten laufend überprüft.

Die Bindung des Klägers wurde von einem erfahrenen langjährigen Mitarbeiter der Beklagten eingestellt. Der Kläger gab sein Gewicht und sein Größe an; seine Angaben wurden auf der Bindungseinstellungskarte festgehalten. Sein Fahrkönnen bezeichnete der Kläger als durchschnittlich.

Am 21.3.1993 erlitt der Kläger einen Schiunfall. Er fuhr zuerst auf dem präparierten Übungshang und geriet dann außerhalb der Piste in matschigen sulzigen Schnee. Der Kläger stürzte und zog sich dabei einen Außendrehbruch des linken Schienbeines mit vorderem Drehkeil zu.

In der Zeit vom 2.1.1993 bis 21.3.1993 war der Kläger an drei oder vier Halbtagen Schi gefahren; er hatte auch an einem einwöchigen Schulschikurs teilgenommen. Seine Schischuhe, die er zu Weihnachten 1992 erhalten hatte, waren zwar etwas abgenützt; die Abnützung und auch eine etwaige Verschmutzung haben die Auslösefunktion der Bindung aber nicht beeinflußt.

Der Kläger begehrt S 93.000,-- sA.

Die Beklagte habe seine Schibindung zu fest eingestellt. Dadurch habe sich der Kläger bei einem Sturz einen Außendrehbruch des Schienbeines zugezogen. Seine erlittenen Schmerzen rechtfertigten ein Schmerzensgeld von S 90.000,--; ihm seien Unkosten von S 3.000,-- entstanden.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Sie habe die Bindung ordnungsgemäß eingestellt. Die Verletzung des Klägers sei darauf zurückzuführen, daß seine Schischuhe verschmutzt und abgenutzt gewesen seien. Auch eine ordnungsgemäß eingestellte Bindung hätte sich beim Sturz des Klägers nicht öffnen können. Der Kläger habe die Verletzung selbst verschuldet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Weder die Beklagte noch ihre Mitarbeiter hätten den Schaden des Klägers verursacht. Die Beklagte habe auch keine Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt. Ihre Mitarbeiter seien gemäß der ÖNORM S 4055 vorgegangen. Sie hätten ein der ÖNORM S 4039 entsprechendes Prüfgerät verwendet; das Prüfergebnis habe innerhalb des in der ÖNORM S 4004 geregelten Toleranzbereiches gelegen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Erstgericht habe jene Beweisergebnisse, die auf eine fehlerhafte Einstellung der Bindung hindeuteten, im wesentlichen außer acht gelassen; dies sei jedoch aus rechtlichen Erwägungen nicht maßgebend. Daß die Bindung nicht aufgegangen sei, lasse noch nicht auf ihre fehlerhafte Einstellung schließen. Der Geschädigte müsse den Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens bis zu einem gewissen Grad wahrscheinlich machen. Hätte das Erstgericht die für eine fehlerhafte Einstellung der Bindung sprechenden Beweisergebnisse berücksichtigt und hätte es - nach allfälligen weiteren Beweisaufnahmen - festgestellt, daß die Bindung falsch eingestellt war, so wäre dies für die Entscheidung dennoch unerheblich. Der Kläger habe immer nur behauptet, daß die Bindung eines Schis falsch eingestellt gewesen sei; er habe aber nicht bewiesen, diesen Schi am verletzten Bein verwendet zu haben. Selbst wenn dies aber für wahrscheinlich erachtet würde, scheiterte der Anspruch des Klägers am mangelnden Verschulden der Beklagten. Die Beklagte habe ein Prüfgerät verwendet, das dem neuesten Stand der Technik entsprochen habe, regelmäßig gewartet und laufend kontrolliert worden sei. Der Kläger habe in erster Instanz nicht behauptet, daß dem Mitarbeiter der Beklagten ein Eingabefehler unterlaufen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung des Klägers gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, er habe den Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Einstellung der Bindung und seiner Verletzung nicht bewiesen. Bei einem Schi seien am Vorderbacken die Soll-Auslösewerte nach links und rechts um 25,6 bzw. 23,3 % zu hoch gelegen. Dies hätte das Berufungsgericht feststellen und daraus schließen müssen, daß die fehlerhafte Einstellung der Bindung für die Verletzung kausal war. Nach § 1298 ABGB treffe die Beklagte die Beweislast für das von ihr behauptete mangelnde Verschulden. Dazu gehörten auch die Behauptung und der Beweis, daß ihrem Personal kein Bedienungsfehler unterlaufen sei.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich schon wiederholt mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen der Händler wegen der fehlerhaften Montage und Einstellung von Schisicherheitsbindungen für Schadenersatzforderungen des verletzten Schifahrers haftet. Aus diesen Entscheidungen lassen sich folgende Grundsätze ableiten:

Der Händler, der den Auftrag zur Montage und Einstellung einer Schibindung übernimmt und ausführt, haftet für die unsachgemäße Ausführung des Werkes nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzes. Mit der Übernahme des Auftrages gibt der Händler zu erkennen, dieses Geschäft zu verstehen und es wie ein Fachmann ausführen zu wollen. Er ist daher als Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB anzusehen. Der Kläger hat neben der fehlerhaften Montage oder Einstellung der Bindung durch den Händler auch zu beweisen, daß diese für den Schadenseintritt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ursächlich gewesen ist (ZVR 1996/96; 1 Ob 2139/96g mwN). Diesen Beweis kann er nach den Regeln des prima facie-Beweises erbringen: Es genügt, wenn er beweist, daß die fehlerhafte Montage oder Einstellung der Bindung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet ist, beim Schifahren typischerweise solche Sturzverletzungen, wie sie der Kläger beim festgestellten Bewegungsablauf erlitt, zu verursachen. Der Beklagte kann den Beweis durch den Nachweis erschüttern, daß ein anderer verletzungskausaler Geschehnisverlauf zumindest gleich wahrscheinlich ist (1 Ob 2139/96g mwN). Gelingt dies dem Beklagten nicht, so kann er den Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB führen; er kann beweisen, daß weder er noch seine Gehilfen die fehlerhafte Montage oder Einstellung verschuldet haben (7 Ob 639/81; 2 Ob 533/84;

ZVR 1996/96; 1 Ob 2139/96g; RIS-Justiz RS0022867; s auch Pichler, Haftungsfragen rund um die Schibindung, ÖJZ 1976, 421, 458 [459ff];

Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts 121ff).

Der Kläger hat einen Schienbeindrehbruch und damit eine typische Verletzung erlitten, wie sie durch die Sicherheitsbindung verhindert werden sollte (s 2 Ob 533/84). Er hat behauptet, daß die Bindung an einem Schi zu hart eingestellt gewesen sei. In seiner Beweisrüge in der Berufung hat er die entgegenstehenden Feststellungen bekämpft und auf die Verfahrensergebnisse hingewiesen, die für die Richtigkeit dieser Behauptung sprechen. Das Berufungsgericht ist auf die Beweisrüge nicht eingegangen. Es folgt Pichler/Holzer (aaO 123), die die Auffassung vertreten, daß der Kausalitätsbeweis nicht erbracht sei, wenn die Bindung nur an einem Ski zu hart eingestellt war und der Geschädigte nicht nachweisen kann, daß er den Ski mit der zu harten Bindungseinstellung am sodann verletzten Bein verwendet hat. Diese Auffassung kann aber jedenfalls dann nicht überzeugen, wenn der Geschädigte eine Verletzung erlitten hat, wie sie für eine zu hart eingestellte Bindung typisch ist. In diesem Fall ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bewiesen, daß er den Ski mit der zu hart eingestellten Bindung am verletzten Fuß getragen hat.

Die Beklagte hat eingewandt, daß der Unfall auch bei korrekt eingestellter Bindung passiert wäre, weil der Kläger gestanden und dann gefallen sei. Dies wurde ebensowenig geprüft wie die Frage, ob die Unstimmigkeiten in den Bindungswerten auf eine falsch eingestellte Bindung schließen lassen.

Stellt sich heraus, daß die Bindung falsch eingestellt war, kann die Beklagte ihre Schuldlosigkeit nicht schon dadurch beweisen, daß sie die Funktionstüchtigkeit ihres Prüfgerätes nachweist. Sie wird in diesem Fall auch behaupten und beweisen müssen, daß ihrem Personal kein Eingabefehler unterlaufen ist. Dafür ist nicht der Kläger behauptungs- und beweispflichtig, ist es doch die Beklagte, die nach § 1298 ABGB den Entlastungsbeweis zu erbringen hat.

Da das Erstgericht demnach wesentliche Fragen nicht erörtert hat, war der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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