OGH 5Ob48/97p

OGH5Ob48/97p22.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin Berufsvereinigung *****, vertreten durch Dr.Michael Witt, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin S***** BetriebsGmbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 29.Oktober 1996, GZ 41 R 455/96g-11, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 28.März 1996, GZ 4 Msch 72/95w-7 aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Sachbeschluß des Erstgerichtes wird wiederhergestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte - nach vorausgegangenen Verfahren vor der Schlichtungsstelle - fest, die Antragsgegnerin habe gegenüber der Antragstellerin durch die Vorschreibung eines erhöhten Hauptmietzinses ab 1.1.1995 das zulässige Zinsausmaß um S 1.862,53 und ab 1.1.1996 das zulässige Zinsausmaß um S 4.138,23 überschritten; es stellte ferner fest, die von der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin vorgenommene schrittweise Anhebung des Mietzinses gemäß § 46a (Abs 4) MRG sei unzulässig.

Diesem Sachbeschluß liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragsgegnerin ist Fruchtgenußberechtigte des S*****. Die Antragstellerin ist seit 31.12.1950 Mieter von Räumlichkeiten im S*****. Die Vermietung dieser Räumlichkeiten erfolgte damals durch die Republik Österreich zu Bürozwecken. Seit Beginn des Mietverhältnisses im Dezember 1950 ist ein Wechsel der Mehrheit der Vereinsmitglieder der Antragstellerin eingetreten.

Vereinszweck der Antragstellerin ist, alle bildenden Künstler zu vereinigen und als Standesvertretung die künstlerischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Mitglieder können Personen sein, die haupt- oder nebenberuflich auf dem Gebiete der bildenden Künste tätig sind und die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Dieser Zweck wird satzungsgemäß erreicht durch Veranstaltung und Förderung von österreichischen Kunstausstellungen und Kunstveranstaltungen in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland, durch Veranstaltung, Förderung und Unterstützung von in- und ausländischen Kunstausstellungen in Wien, Niederösterreich und Burgenland, durch die Schaffung und Förderung von sozialen Einrichtungen für die Mitglieder, durch die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder bei Behörden, öffentlichen Anstalten und Einrichtungen, durch die Vermittlung und Beschaffung von Aufträgen durch Behörden, öffentliche Anstalten und Einrichtungen, sowie durch die Vertretung von Interessen ihrer Mitglieder über die Berufsvereinigung der bildenden Künstler, Zentralverband, im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Gemeinschaft der Urheber Österreichs, der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler Österreichs. Gemäß § 8 der Satzung der Antragstellerin sind die Organe der Antragstellerin die Generalversammlung der Mitglieder, der Präsident der Antragstellerin, die Vizepräsidenten, der Vorstand, die Sektionsausschüsse und die Kontrolle.

Der Präsident wird von der Generalversammlung gewählt. Der Vorstand setzt sich aus dem Präsidenten, den Vizepräsidenten und den Leitern der verschiedenen Sektionen zusammen. Die Vereinsmitglieder üben daher im Wege der Wahl des Präsidenten, durch die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge und sonstige Gebühren, durch die Auftragserteilung an den Vorstand zur Änderung der Satzungen, durch die Genehmigung des Jahresberichtes der Jahresrechnung und durch die Erteilung der Entlastung rechtlichen und wirtschaftliche Einfluß auf den Verein aus.

Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses war keine Möglichkeit zur Vereinbarung eines freien Mietzinses gegeben. Seit Beginn des Bestandverhältnisses im Dezember 1950 wurde mit dem Vermieter keinerlei weitere oder nue Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 7 aF oder MRG oder ähnliche Bestimmungen getroffen. Inhaltlich hat sich das Bestandverhältnis seit dessen Beginn nicht geändert. Es gab zwischen den Vertragsparteien nie eine Veranlassung, andere Vereinbarungen über den Mietzins zu treffen.

Seit 1.10.1993 ist kein Wechsel der Mehrheit der Vereinsmitglieder eingetreten. Per 30.12.1950 hatte die Antragstellerin 1.467 Mitglieder. Per 1.10.1993 gab es 530 Mitglieder. Per 13.12.1995 wies der Verein einen Stand von 490 Mitgliedern auf. Seit 1.10.1993 hat der Verein höchstens 10 Mitglieder dazugewonnen. Die Differenz auf 490 Mitglieder per 13.12.1995 ist auf Austritte aus Altersgründen und auf den Tod von Vereinsmitgliedern zurückzuführen.

Die Antragsgegnerin geht von einem angemessenen Hauptmietzins von S 120,-- pro m**2, somit von insgesamt S 28.798,80 für das gegenständliche Bestandobjekt aus und schrieb per 1.1.1995 einen um S 1.862,53 erhöhten Hauptmietzins, somit statt des bisherigen Hauptmietzinses von S 860,-- nunmehr S 2.723,33 zuzüglich eines unbestrittenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages von S 2.508,45 (insgesamt somit S 5.231,78) vor. Per 1.1.1996 wurde von der Hausverwaltung ein um S 4.138,23 erhöhter Hauptmietzins zuzüglich eines unbestrittenen Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages von S 232,75 (insgesamt S 5.231,78) vorgeschrieben.

Rechtlich führte das Erstgericht folgendes aus:

§ 46a Abs 4 MRG sei auch auf idelle Vereine, welche nicht gewinnorientiert seien, anwendbar. Aus den Materialen ergebe sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des Wortlautes juristische Person. Nach § 46a Abs 4 MRG seien jene Änderungen der Machtverhältnisse bei juristischen Personen nicht zu berücksichtigen, die vor dem 1.10.1993 erfolgt seien. Daher sei nur der Wechsel der Mehrheit der Vereinsmitglieder seit dem 1.10.1993 maßgeblich. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluß auf, trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, daß § 46a Abs 4 MRG auch idelle Vereine erfasse. Dies ergebe sich aus dem Bericht des Bautenausschusses (1268 BlgNR 18. GP), weil dort ausdrücklich auch von der Bestellung neuer Vereinsorgane im Zusammenhang mit der Frage der Bedeutung eines Organwechsels die Rede sei (AB 11).

Es sei auch irrelevant, welche Tätigkeit in der gemieteten Geschäftsräumlichkeit ausgeübt werde. Es komme nicht auf die Absicht, dort eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Auch Tätigkeiten im öffentlichen Interesse oder Tätigkeiten, die humanitären, geistigen und kulturellen Zwecken dienten, seien "geschäftliche" Tätigkeiten (Bernat in Korinek/Krejci, HBzMRG 105; MietSlg 34.371; JBl 1990, 48 = WoBl 1989/73).

Die Frage der Ertragsmöglichkeit der im Mietobjekt ausgeübten Geschäftstätigkeit sei nur für die Höhe des Hauptmietzinses, nicht aber für die vorausgehende Frage von Bedeutung, ob überhaupt ein Anhebungsrecht des Vermieters gemäß § 46a Abs 4 MRG bestehe.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes seien bei Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 4 MRG nicht nur Änderungen der Einflußmöglichkeiten nach dem 1.10.1993 zu berücksichtigen. Die Bestimmung des § 46a Abs 1 ZPO beziehe sich nämlich ausschließlich auf § 12 Abs 3 MRG, wogegen nach § 46a Abs 4 MRG nur gesellschaftsrechtliche Veränderungen bis 1.3.1994 berücksichtigt werden könnten (5 Ob 2073/96f). Folgte man der Auffassung des Erstgerichtes, dann wäre § 46a Abs 4 MRG sinnlos, weil der Vermieter im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Änderung nach dem 1.10.1993 ohnehin gemäß § 12a Abs 3 MRG das Recht auf sofortige volle Anhebung des Hauptmietzinses hätte.

§ 12a Abs 3 und § 46a Abs 4 MRG stellten ihrem Wortlaut nach bloß auf die entscheidende Änderung der Einflußmöglichkeiten ("Machtwechsel") ab und nicht darauf, wer den Vorteil aus dem günstigen Mietrecht erziele. Grünwald zeige aber mit zutreffender Begründung auf, daß diese Formulierung, die bloß auf die Änderung der Einflußmöglichkeiten abstelle, mißglückt sei (JBl 1995, 273 [280f]). Durch die Neuregelung in § 12a und § 46a MRG sollte der Schutz des Vermieters davor, daß ein anderer und nicht er selbst den wirtschaftlichen Vorteil aus der Verwertung des Mietrechtes erzielt, ausgedehnt werden, "indem gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, die eine Unternehmersveräußerung im engeren Sinn ersetzten und damit eine Mietzinserhöhung durch den Vermieter bisher ausgeschlossen hätten, nunmehr durch eine generelle Regelung ... der Veräußerung des Unternehmens durch eine natürliche Person gleichgestellt werden" (AB 10f). Das in § 12a Abs 3 MRG geregelte typische Beispiel für eine Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten, die Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, bedeute in der Regel auch eine Neuzuordnung der Herrschafts- und Vermögensrechte. Daher sei die Auffassung Grünwalds zutreffend, daß es sachgerecht sei, Vermögensrechte (Gewinn- und Verlustbeteiligung) zumindest gleichwertig bei der Umschreibung des gesetzlichen Tatbestandes zu berücksichtigen, weil es in Wahrheit über diese Vermögensrechte zur Verwertung des günstigen Mietrechts kommen könne.

§ 12a MRG (und damit auch § 46a Abs 4 MRG) seien daher teleologisch zu reduzieren: Nur jene Fälle einer entscheidenden Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten seien tatbestandsmäßig, die auch "mit einer entscheidenden Änderung der Vermögensverhältnisse in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht Einhergehen". Der Umgehungstatbestand des § 12a Abs 3 Satz 3 MRG solle vor allem jene Fälle erfassen, in denen es ohne eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten durch eine Neuordnung der Vermögensrechte zu einer wirtschaftlichen Verwertung des günstigen Mietrechtes gekommen sei. Es sei also darauf abzustellen, ob der wirtschaftliche Nutzen, den das billige Mietrecht repräsentiere, durch die jeweiligen Transaktionen nunmehr mehrheitlich anderen Personen zukomme (Grünwald in JBl 1995, 282; aA Schauer in GesRZ 1994, 15ff und RdW 1994, 170ff, sowei Reich-Rohrwig in Mietzinserhöhung , 64ff).

Wende man die dargelegten Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Fall an, so sei davon auszugehen, daß der Wechsel der Mehrheit der Vereinsmitglieder seit Dezember 1950 neben einer entscheidenden Änderung der Einflußmöglichkeiten auch eine Neuzuordnung des wirtschaftlichen Vorteils, den das billige Mietrecht verschaffe, bewirkt habe. Der Vorteil bestehe darin, daß die Auslagen des Vereins wegen des billigen Mietrechtes geringer seien und dementsprechend von den Mitgliedern ein niedrigerer Beitrag zu bezahlen sei. Daraus folge, daß das Anhebungsrecht des Vermieters nach § 46a Abs 4 MRG zu Recht bestehe.

Da das Erstgericht - ausgehend von einer vom Rekursgericht nicht geteilten Rechtsansicht - das Anhebungsrecht der Vermieters verneint und deshalb keine Feststellungen zum zulässigen Ausmaß der Anhebung getroffen habe, müsse der Sachbeschluß des Erstgerichtes aufgehoben und diesem eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung - unter Berücksichtigung der vom Rekursgericht zur Frage der Höhe der zulässigen Hauptmietzinserhöhung überbundenen Rechtsansicht - aufgetragen werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu grundsätzlichen Fragen der Anwendung des § 46a Abs 4 MRG fehle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben und den antragsstattgebenden erstgerichtlichen Sachbeschluß wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in der in WoBl 1997, 90/16 (zustimmend glossiert von Würth) veröffentlichten Entscheidung mit dem Anwendungsbereich des § 46a Abs 4 MRG auf eine juristische Person (dort: Körperschaft des öffentlichen Rechtes) befaßt, die zwar in den gemieteten Räumlichkeiten eine geschäftliche Tätigkeit ausübt, jeodch kein veräußerbares Unternehmen betreibt; er kam darin zu folgenden Ergebnissen:

1.) Die in § 46a MRG enthaltenen Regelungen betreffend den Hauptmietzins bei bestehenden Mietverträgen über Geschäftsräumlichkeiten stellen eine teilweise Verknüpfung der in § 12a MRG mit dem Tatbestand der Veräußerung oder Verpachtung eines Unternehmens verbundenen Rechtsfolgen mit bestimmten, jeweils näher umschriebenen bei schon bestehenden Mietverträgen dar.

2.) Die Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG, auf die in § 46a Abs 4 MRG ausdrücklich Bezug genommen wird, knüpft die primär nur mit einer Unternehmensveräußerung iSd § 12a Abs 1 MRG verbundenen Rechtsfolgen auch an entscheidende Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten in einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft des Handelsrechtes. Diese Erweiterung des in § 12a Abs 1 MRG normierten Grundtatbestandes wurde vorgenommen, um rechtlichen Umgehungskonstruktionen zu begegnen, wie sich auch aus der in § 12a Abs 3 letzter Satz MRG angeordneten Beweislastumkehr ergibt.

3.) Aus dem bisher Gesagten folgt, daß die Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten in einer juristischen Person nur dann die Rechtsfolgen einer Unternehmensveräußerung (§ 12a Abs 1 und 2 MRG) und demgemäß auch die des Mietzinsanhebungsrechtes nach § 46a Abs 4 MRG nach sich zieht, wenn der Hauptmieter im Mietgegenstand ein veräußerbares Unternehmen betreibt.

Diese anläßlich der Beurteilung des Mietzinsanhebungsrechtes des Vermieters nach § 46a Abs 4 MRG bei Vorliegen eines Mietverhältnisses mit einer Körperschaft öffentlichen Rechtes entwickelten Grundsätzen gelten uneingeschränkt auch dann, wenn es sich bei dem Mieter um einen Verein handelt, der in den gemieteten Räumlichkeiten kein veräußerbares Unternehmen betreibt. Ein solches Unternehmen wird von dem antragstellenden Verein, der mit der Vertretung der Interessen seiner Mitglieder befaßt ist, zweifellos nicht betrieben.

Es war daher - aus den dargelegten Gründen - im Ergebnis der Sachbeschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

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