OGH 8ObA90/97m

OGH8ObA90/97m17.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Amtsdirektor Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Doris K*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei V***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Janko Tischler jun. und Mag.Kurt Oberleitner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 98.318,20 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.November 1996, GZ 7 Ra 266/96h-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 29.Mai 1996, GZ 32 Cga 80/95s-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird teils bestätigt, teils dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 1.8.1994 bei der beklagten Partei als Assistentin der Geschäftsleitung sowie als gewerberechtliche Geschäftsührerin tätig. Für die Monate Jänner bis März 1995 wurde der Klägerin von der beklagten Partei kein Gehalt überwiesen. Mit Schreiben vom 3.2.1995 teilte sie der beklagten Partei mit, daß sie ab 14.4.1995 ihren restlichen Urlaub bis zum Beginn der Mutterschutzfrist in Anspruch nehme. Sie wies darauf hin, daß eine eventuelle Nachfolgerin spätestens am 1.4.1995 mit der Arbeit beginnen müsse, damit eine entsprechende Einschulung durchgeführt werden könne. In der weiteren Korrespondenz verwies sie auf im Büro befindliche Schriftstücke und darauf, daß sie die Büroschlüssel der Mutter des Geschäftsführers eingeschrieben übermitteln werde.

Am 3.5.1995 erhielt die Klägerin die Monatsgehälter Jänner bis März 1995 überwiesen; nicht erhielt sie das Gehalt vom 1.4. bis 13.5.1995 und die anteiligen Sonderzahlungen für 1995. Sie bekam auch eine Arbeitsbescheinigung, in der ausgeführt wurde, daß sie sich vom 15.9.1995 bis 14.9.1997 in Karenzurlaub befinde.

In der Tagsatzung vom 29.1.1996 erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis. Ihre Ansprüche auf Kündigungsentschädigung für die Verwendungszeit nach dem Karenzurlaub sowie die anschließende Zeit samt aliquoten Sonderzahlungen betragen der Höhe nach S 53.442,20 netto.

Mit ihrer am 4.4.1995 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin zunächst die Zahlung des Betrages von S 56.145,-- netto sA als offenes Gehalt der Monate Jänner bis März 1995. Nach Zahlung dieses Betrages schränkte sie ihr Begehren ein und dehnte es gleichzeitig auf Zahlung von S 44.876,-- sA aus, wobei sie das Gehalt vom 1.4. bis 13.5.1995 sowie die aliquoten Sonderzahlungen begehrte. Nach Erklärung des Austritts erfolgte eine weitere Ausdehnung um S 53.442,20 an Kündigungsentschädigung inklusive Sonderzahlungsanteilen (für den Zeitraum bis 30.9.1997).

Mit Schreiben vom 13.12.1994 teilte die Klägerin der beklagten Partei mit, daß sie aufgrund ihrer Schwangerschaft die Pflichten einer gewerberechtlichen Geschäftsführerin in Zukunft nicht mehr ausüben könne und die im Juli 1994 dahingehend abgeschlossene Vereinbarung kündige. Gleichzeitig bot sie an, bis zu Beginn der Mutterschutzfrist Mitte Mai 1995 für die beklagte Partei als Assistentin der Geschäftsleitung tätig zu sein. Sie wollte das Arbeitsverhältnis nicht beenden. Sie hat vielmehr vereinbart, ab 15.9.1995 ihren zweijährigen Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen, wobei Gespräche über einen kürzeren Karenzurlaub stattfanden. Der beklagten Partei war bekannt, daß die Mutterschutzfrist der Klägerin Mitte Mai 1995 beginne.

Die Klägerin begehrte schließlich nach Einschränkung und Ausdehnung ihres Klagebegehrens (nach Teilzahlung am 3.5.1995, ON 9, und nach Erklärung ihres vorzeitigen Austrittes am 29.1.1996, ON 15) den der Höhe nach unstrittigen Klagsbetrag mit dem Vorbringen, die beklagte Partei habe ihr das Entgelt aus dem Zeitraum 1.4. bis 13.5.1995 (Beginn der Schutzfrist) vorenthalten, weshalb sie am 29.1.1996 ihren vorzeitigen Austritt erklärte, sodaß ihr nach Ende ihres Karenzurlaubes unter Berücksichtigung einer vierwöchigen Verwendungszeit und der Kündigungsmöglichkeit zum 30.9.1997 eine Kündigungsentschädigung gebühre (AS 45).

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte ihrerseits vor, es sei die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Ende März 1995 vereinbart worden. Der Austritt der Klägerin sei verspätet, sodaß sie ihr Austrittsrecht verwirkt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 44.876,-- sA - dies entspricht dem restlichen Entgelt aus dem Zeitraum 1.4.1995 bis 13.5.1995 (Beginn der Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz) - statt und wies das Mehrbegehren von S 53.442,20 sA - dies entspricht der Kündigungsentschädigung zufolge des am 29.1.1996 erklärten vorzeitigen Austrittes für den Zeitraum Ende des Karenzurlaubes bis 30.9.1997 - ab. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt, der Klägerin gebühre für den Zeitraum April bis Mai 1995 Entgelt aus dem noch aufrechten Arbeitsverhältnis bis zu Beginn des Mutterschutzurlaubes. Eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei nicht erfolgt. Der vorzeitige Austritt der Klägerin hingegen sei verspätet und unberechtigt erfolgt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und gab ihrem Klagebegehren zur Gänze statt; der Berufung der beklagten Partei hingegen gab es nicht Folge. Es verneinte die von der beklagten Partei behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz und billigte ausdrücklich die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung insbesondere zu dem Punkt, daß eine einvernehmliche Auflösung mit Wirkung 14.4.1995 nicht erfolgt sei. Die von der beklagten Partei behauptete einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses müsse überdies an der Nichterfüllung des Formgebotes des § 10 Abs 7 MSchG scheitern. Durch das Vorenthalten des Entgeltes sei ein rechtswidriger Dauerzustand geschaffen worden. Durch ihre Verfahrensführung habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß hier auf ihre Ansprüche nicht verzichten wolle. Das Vorenthalten des Entgelts seitens der beklagten Partei beruhe nicht auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, weil eine wirksame einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses (mangels Schriftlichkeit) nicht zustandegekommen sei, weshalb der Klägerin die der Höhe nach unstrittige Kündigungsentschädigung gebühre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässige Revision ist teilweise berechtigt.

Soweit sich die beklagte Partei gegen den Entgeltanspruch der Klägerin aus dem Zeitraum 1.4.1995 bis Mitte Mai 1995 wendet, ist jedoch die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den getroffenen und vom Berufungsgericht ausdrücklich gebilligten Feststellungen ausgeht (siehe Feststellungen S 3 f des Urteils erster Instanz = AS 71 f). Es ist daher nicht erforderlich zu erörtern, ob die für die Wirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung des besonders geschützten Arbeitsverhältnisses erforderliche Schriftform (§ 10 Abs 7 MSchG) eingehalten wurde.

Hingegen ist die Revision berechtigt, soweit sie sich gegen den Teil der Klagsforderung wendet, der auf dem vorzeitigen Austritt der Klägerin beruht.

Sämtlichen Gründen, die zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigen, ist gemeinsam, daß die Wichtigkeit des Grundes nach der damit verbundenen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses) beurteilt wird (ZAS 1978/7, 50 [Winkler]; DRdA 1989/7, 114 [Dirschmied] ua; Martinek ua, AngG7, 546).

Während des Karenzurlaubes, bei dem die charakteristischen Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis aufgehoben sind (vgl Knöfler, Mutterschutzgesetz11, 266 ff, insb 277) und der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sich lediglich in der Fortsetzungsoption des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses (und allenfalls der begünstigten Anrechnung für den Erwerb einer Abfertigungsanwartschaft, vgl 8 ObS 88/97t), der Zugehörigkeit zum Kreis der Wahlberechtigten (§ 52 ArbVG; vgl Knöfler aaO 278) und anderem erschöpft, werden die maßgeblichen Wertungen für die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses erkennbar beeinflußt, indem kein laufenden Entgelt geschuldet wird und sich damit erneut ein Austrittsgrund gemäß § 26 Z 2 AngG ebensowenig ereignen kann wie ein Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 4 AngG mangels Arbeitspflicht. Es ist zwar während des Karenzurlaubes kein laufendes Entgelt zu zahlen, sodaß sich der Austrittsgrund nicht aufs neue ereignen kann, wohl aber wirkt der durch den Verzug der beklagten Partei vor Antritt des Karenzurlaubes geschaffene rechtswidrige Zustand als Dauerzustand (vgl Martinek ua AngG7, 576 mwN) weiter, dem der Arbeitgeber durch Zahlung leicht abhelfen könnte. Durch die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wegen des rückständigen Entgelts hat die Klägerin zwar nicht auf die Geltendmachung ihres Austrittsrechtes verzichtet, wohl aber zu erkennen gegeben, daß sie sich - bis auf weiteres - mit der milderen Sanktion des Verfahrensrechtes begnügen wolle. Die Erklärung ihres Austritts in der Verhandlung vom 29.1.1996 (AS 45) ohne vorausgehende Mahnung mit Androhung des Austrittes erfolgte für den beklagten Arbeitgeber überraschend, denn er mußte in dieser Verfahrenslage nicht damit rechnen, daß die Klägerin wegen eines mehrere Monate zurückliegenden Entgeltrückstandes (Einleitung des Verfahrens am 4.4.1995) plötzlich ihren Austritt erklären werde.

Dazu kommt noch überdies der Umstand, daß wegen der Anrechnung gemäß § 29 AngG zum Zeitpunkt des Austrittes die Forderung noch nicht fällig war (vgl 8 ObS 2260/96b, 8 ObS 21/95 zum APSG; 8 ObA 268/94); der Dreimonatszeitraum (der Pauschalierung) beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, während der Karenzurlaub noch bis 14.9.1997 (laut Arbeitsbescheinigung) dauerte, sodaß im Zeitpunkt des Austrittes noch nicht annähernd abschätzbar war, ob nach Ende der Dreimonatspauschalierung (29.4.1996) überhaupt ein Schadenersatzanspruch bestehen werde und in welchem Ausmaß.

Mangels vorausgehender Mahnung und mangels Fälligkeit erweist sich daher die Forderung der Klägerin aus dem vorzeitigen Austritt als unberechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO; der geringfügige Unterschied im Prozentsatz des Obsiegens und Unterliegens von weniger als 10 % kann zur Vermeidung artifizieller Ergebnisse vernachlässigt werden (vgl Fucik-Rechberger, Komm ZPO Rz 3 und 4 zu § 43).

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