OGH 8ObS2260/96b

OGH8ObS2260/96b13.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Mag.Christa Marischka als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Marion L*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundesozialamt W*****, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 44.166,- sA), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Juni 1996, GZ 7 Rs 148/96b-12, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die bei der späteren Gemeinschuldnerin seit 9.7.1990 als Angestellte beschäftigte Klägerin erklärte am 14.12.1994 gemäß § 25 KO ihren vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis wegen der am 14.10.1994 erfolgten Konkurseröffnung über das Vermögen ihrer Dienstgeberin. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Klägerin auf Karenzurlaub nach dem MSchG, der am 25.3.1995 geendet hätte.

Ab 3.4.1995 war die Klägerin wieder berufstätig und verdiente bis 22.6.1995 insgesamt S 44.166,-, die sie mit der vorliegenden Klage in zwei Instanzen erfolglos geltend machte. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Erstgerichtes unter Hinweis auf die E 8 ObS 21/95 mit der Begründung, daß die in § 29 Abs 2 AngG genannte Dreimonatsfrist auch im Fall einer entgeltfreien Periode bereits mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, somit mit dem Zeitpunkt des berechtigten vorzeitigen Austritts beginne, und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu.

Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision bringt die Klägerin vor, es fehle oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, wie der anrechnungsfreie Teil der Kündigungsentschädigung einer gemäß § 25 KO ausgetretenen, besonders kündigungsgeschützten Arbeitnehmerin zu bemessen sei, wenn auf Grund der Karenzierung des Dienstverhältnisses während der fiktiven Kündigungsfrist kein Entgeltanspruch bestehe. Bisher lägen nur Entscheidungen vor, die sich auf nicht besonders geschützte Arbeitsverhältnisse bezögen bzw zu besonders geschützten Arbeitsverhältnissen, in denen keine Anrechnungsproblematik bestanden hätte.

Zur Berechtigung ihrer außerordentlichen Revision bringt die Klägerin vor, es sei die Ansicht der Vorinstanzen verfehlt, daß bei einer "entgeltfreien Periode" einer besonders geschützten Person die Dreimonatsfrist bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginne, zumal dies dann auch bei ungerechtfertigter Entlassung gelten würde.

Rechtliche Beurteilung

Es trifft zwar zu, daß es trotz neuerer Judikatur zu verwandten Problemen, nämlich einerseits zum Zeitraum, für den einer karenzierten Mutter die Kündigungsentschädigung gebührt (vom Zeitpunkt ihres Austrittes bis zum Verstreichen der gesetzlichen Kündigungsfrist für den Masseverwalter, die mit Betriebsstillegung beginnt, 8 Ob 2092/96x vom 12.9.1996) und andererseits zur vollen Anrechnung des anderweitig Verdienten bei Schadenersatzansprüchen von durch den Masseverwalter nach § 25 KO gekündigten Dienstnehmern (8 ObS 2080/96g vom 29.8.1996, JBl 1996, 494) keine Entscheidung gibt, die exakt den vorliegenden Sachverhalt trifft. Im vorliegenden Fall steht nämlich - anders als in dem der Entscheidung 8 Ob 2092/96x zugrundeliegenden Sachverhalt - nicht fest, wann der Masseverwalter den Betrieb stillgelegt hat und somit ab wann er die Klägerin gemäß § 25 KO iVm § 15 Abs 4 und § 10 Abs 3 letzter SatzMSchG hätte kündigen können; dort wurde der Anspruch der Klägerin auf Kündigungsentschädigung verneint, weil ihr in der Zeit zwischen ihrem Austritt und dem Ende der gesetzlichen Kündigungsfrist infolge Karenzurlaubes keine vertragsmäßigen Ansprüche zustanden.

Allerdings gibt es zum gleichen Problemkreis wie hier einschlägige Entscheidungen, die andere besonders kündigungsgeschützte Personen, nämlich Präsenzdiener betreffen (8 ObS 20/95 vom 24.5.1995 und 8 ObS 21/95 vom gleichen Tag), in denen klargelegt wurde, daß der Dreimonatszeitraum, in dem eine Kündigungsentschädigung jedenfalls anrechnungsfrei zu bezahlen ist und hiefür Insolvenz-Ausfallsgeld gebührt, auch bei solchen besonders geschützten Arbeitsverhältnissen mit dem Zeitpunkt des vorzeitigen Austritts beginnt, auch wenn dieser Zeitpunkt in eine entgeltfreie Periode fällt. Es besteht kein Zweifel, daß diese Grundsätze in den zu Präsenzdienern ergangenen Entscheidungen, auf deren nähere Begründung verwiesen wird, auch auf in Karenzurlaub befindliche Personen zu übertragen sind.

Da die Klägerin am 14.12.1994 ausgetreten ist, endete die anrechnungsfreie Periode für sie mit 14.3.1995, sodaß sie sich das ab 14.3.1995 Verdiente jedenfalls anrechnen lassen muß. Es kann daher dahingestellt bleiben, wann der Masseverwalter den Betrieb stillgelegt hat und somit ab wann er die Klägerin hätte kündigen können und zu welchem Zeitpunkt ihre Ansprüche auf die Kündigungsentschädigung daher endeten.

Soweit die Revisionswerberin argumentiert, der Ablauf des anrechnungsfreien Dreimonatszeitraumes während der entgeltfortzahlungsfreien Periode biete für den Arbeitgeber einen Anreiz, während der Karenzierung des Arbeitsverhältnisses eine ungerechtfertigte Entlassung auszusprechen, ist ihr zu erwidern, daß eine derartige Entlassung das Arbeitsverhältnis einer besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genießenden Arbeitnehmerin nicht beendet (SZ 65/30), sodaß der Arbeitgeber durch seine Entlassungserklärung nicht einseitig den Lauf des anrechnungsfreien Dreimonatszeitraumes auslösen kann. Lediglich dann, wenn sich die Arbeitnehmerin dafür entscheidet, auf den besonderen Bestandschutz zu "verzichten" und statt der Rechtsunwirksamkeit der Entlassung (und damit statt des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses) die Ansprüche nach § 29 AngG bzw § 1162 b ABGB geltend macht (zum Wahlrecht der Arbeitnehmerin siehe RdW 1992, 244 sowie RdW 1996, 273), wird das Arbeitsverhältnis sofort und damit allenfalls noch während der Karenzierung beendet und auch die anrechnungsfreie Dreimonatsfrist in Lauf gesetzt.

Da somit kein Grund besteht, von dieser zu anderen besonders geschützten Arbeitsverhältnissen ergangenen Rechtsprechung abzugehen, ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Stichworte