OGH 8ObA2254/96w

OGH8ObA2254/96w13.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter OSR Dr.Friedrich Weinke (Arbeitgeber) und Mag.Kurt Retzer (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton P*****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P***** AG, *****, vertreten durch Dr.Schönherr, Barfuß, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 98.090,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1996, GZ 7 Ra 123/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.Juli 1995, GZ 32 Cga 255/94z-10, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 15.6.1955 bis zum 31.12.1991 bei der beklagten Partei bzw deren Rechtsvorgängerin als Angestellter beschäftigt.

Am 10.7.1956 wurden von der beklagten Partei interne Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zu den aus der Sozialversicherung gezahlten Renten der Angestellten aufgestellt, wobei im Punkt 1. festgehalten wurde, daß "Angestellte mit mindestens 15-jähriger Dienstzeit Anspruch auf einen Zuschuß zu ihrer Pension" haben. In diesem Vorstandsbeschluß war weder von einer Freiwilligkeit noch von einer jederzeitigen Widerrufbarkeit der Zuschußzahlungen die Rede. In der Folge wurde vorerst nur von "Freiwilligkeit" der Zuschüsse gesprochen, später wurden diese Zuschüsse auch als "widerruflich" bezeichnet. Der Betriebsrat wußte bereits seit den 70er Jahren wie die Firmenpensionszuschüsse zu berechnen waren.

Dem Kläger war bekannt und er betrachtete es als "ungeschriebenes Gesetz", daß Mitarbeiter, die bei der beklagten Partei in Pension gingen, eine Firmenpension erhielten. Ihm war auch bekannt, daß die Firmenpensionshöhe von der Lohnhöhe bzw der Betriebszugehörigkeitsdauer abhängig war. Erst mit dem Pensionsschreiben erhielt der Kläger die Mitteilung, daß die Pension "freiwillig und jederzeit widerruflich" war, was ihn sehr erstaunte, da ihm niemand bekannt war, der in Pension gegangen war und nicht eine solche Firmenpension erhalten hätte. Der Kläger hatte bei seinem Ausscheiden keinen Antrag auf Bezahlung der Firmenpension gestellt, sondern diese wurde automatisch von der beklagten Partei abgerechnet. Deshalb reagierte er auch nicht auf den Zusatz "freiwillig und widerruflich", obwohl er darüber sehr erbost war.

Von seiten des Personalleiters wurde verschiedenen Mitarbeitern eine Zusage über eine Firmenpension gegeben, teils bei ihrer Einstellung, teils zu Zeitpunkten, als sie die Firma verlassen wollten, wobei dies als Motivation gelten sollte, daß sie bei der Firma blieben. Erst in den Pensionszuerkennungsschreiben wurde den Mitarbeitern erstmalig mitgeteilt, daß die Pension nur freiwillig und jederzeit widerruflich bezahlt werden soll.

Mitte 1993 wurde dann dem Kläger sowie auch anderen Angestellten die Pension entzogen. Dazu kam es aus folgenden Gründen: Im Geschäftsjahr 1990/91 erwirtschaftete die beklagte Partei noch einen Gewinn von S 100,000.000,--. 1991/92 war die Bilanz ausgeglichen und 1992/93 kam es zu einem großen Einbruch mit einem Verlust von ca S 100,000.000,--. Deshalb wollte der Vorstand die Firmenpensionen kürzen. Es kam zu massiven Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und dem Vorstand, in deren Verlauf den Arbeitnehmern Abstandszahlungen angeboten wurden; ca 99 % der Aktiven und Pensionisten nahmen schlußendlich Abschlagszahlungen im Betrag um oder knapp über S 100.000,-- an. 1993/94 erwirtschaftete die beklagte Partei bereits wieder einen Gewinn von S 25,000.000,--, von dem angenommen wurde, daß er im folgenden Geschäftsjahr weiter erheblich ansteigen werde.

Der Kläger begehrt als einer jener Pensionisten, die das Angebot einer Abschlagszahlung nicht angenommen haben, die monatliche Firmenpension von S 5.770,-- für den Zeitraum Juli 1993 bis Oktober 1994 im unbestrittenen Gesamtbetrag von S 98.090,-- (richtig wäre wohl: S 92.320,--) mit dem Vorbringen, die beklagte Partei, habe ihm die Pension ohne Hinweis auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Leistung zugesagt, weshalb er einen unwiderruflichen Anspruch auf den Pensionszuschuß erworben habe.

Die beklagte Partei wendete ein, eine bindende Pensionszusage sei niemals erfolgt und es sei stets klar gewesen, daß die gewährten Pensionszahlungen freiwillig und widerruflich seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht dieses Urteil dahingehend ab, daß es das Klagebegehren abwies und überflüssigerweise (§ 46 Abs 3 Z 3 ASGG) aussprach, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, weder im Dienstvertrag noch während seines Dienstverhältnisses bis zu seiner Pensionierung sei dem Kläger von der beklagten Partei eine bestimmte Pensionsleistung zugesagt worden. Erst mit der Pensionierung habe er eine solche Zusage, allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis auf deren Freiwilligkeit und jederzeitliche Widerruflichkeit erhalten. Die Richtlinien von 1956 seien von der Geschäftsleitung der beklagten Partei mit niemanden ausgehandelt und auch nicht veröffentlicht worden. Es schade daher nicht, daß in der ursprünglichen Fassung dieser Richtlinien ein Hinweis auf Freiwilligkeit und Widerruflichkeit nicht aufscheine. Soweit sich der Kläger auf eine Betriebsübung oder auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen wolle, müsse er gegen sich gelten lassen, daß die beklagte Partei in den Pensionszuerkennungsschreiben an die Mitarbeiter ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionsleistung hingewiesen habe. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sich bei den in Pension gehenden Mitarbeitern über die genauen Modalitäten der Pensionsgewährung zu erkundigen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß im vorliegenden Fall - anders als in einigen der Parallelverfahren - eine individuelle Pensionszusage nicht vorliegt; der vorliegende Sachverhalt ist vielmehr in allen entscheidungswesentlichen Punkten mit dem der Entscheidung 8 ObA 2253/96y zugrundeliegenden völlig ident und deckt sich in den wesentlichen Punkten auch mit dem der Entscheidung 8 ObA 2258/96h zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Kläger kann daher seinen Anspruch nicht auf eine Individualvereinbarung, sondern nur auf eine betriebliche Übung gründen.

Ob ihm unter diesem Titel eine Zusatzpension zusteht, hängt - wie der Oberste Gerichtshof in den genannten Parallelfällen ausgeführt hat - davon ab, ob in den jeweiligen Pensionszuerkennungsschreiben der beklagten Partei im maßgeblichen Zeitraum auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit hingewiesen worden ist:

Mag zwar auch erst in der Zusammenfassung der intern ergangenen Richtlinien vom 18.12.1974 ein Hinweis auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit der Zuschußpensionen enthalten sein, so darf aber ein allfälliger in den einzelnen Pensionszuerkennungsschreiben enthaltener Hinweis bei der Konkretisierung der Betriebsübung keinesfalls außer Acht gelassen werden. Die Berechnungsweise der Pensionen ist dem Betriebsrat offenbar gerade aufgrund dieser konkreten Pensionszuerkennungsschreiben bekannt geworden. Ihm ist daher der gesamte Inhalt der einzelnen ihm zugekommen Pensionszuerkenntnisschreiben nicht verborgen geblieben; daher muß der Gesamtinhalt zur Beurteilung herangezogen werden; eine "selektive" Kenntnisnahme von Teilen des Erklärungsverhaltens der beklagten Partei bei gleichzeitiger Nichtbeachtung anderer Teile (allfälliger Hinweis auf Widerruflichkeit) scheidet aus und könnte zu keiner Betriebsübung im Sinn der Einräumung unwiderruflicher Pensionszusagen führen.

Bloße Individualzusagen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern begründen noch keine "Betriebsübung". Da es an einer generellen Absprache zwischen Betriebsrat und der Unternehmensleitung fehlt, ist somit entscheidend, ob schon seit jeher grundsätzlich anläßlich der tatsächlichen Gewährung der einzelnen Zusatzpensionen von der beklagten Partei auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit dieser Leistungen hingewiesen wurde. War dies allgemein der Fall, dann bilden diese Kriterien einen wesentlichen Inhalt der Betriebsübung. Demnach bedarf es aber eindeutiger Feststellungen, wann erstmals und mit welchem Wortlaut die einzelnen Pensionszuerkennungsschreiben ergangen sind und ob durch ihren maßgeblichen Gesamtinhalt in der Folge während einer gewissen Dauer eine Betriebsübung in der einen oder anderen Weise begründet wurde.

Da der Kläger bereits Mitte 1970 die Pensionsanwartschaft erreicht hat und ein damals bereits allfällig entstandener unwiderruflicher Rechtsanspruch nicht mehr einseitig (vgl 9 ObA 2231/96w und 9 ObA 2232/96t), auch nicht durch später abweichende betriebliche Übung (nämlich Hinweis auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionszusage in den Pensionszuerkennungsschreiben) beseitigt werden konnte, kommt es daher darauf an, welchen Inhalt bis zu diesem Zeitpunkt die Pensionszuerkennungsschreiben der beklagten Partei haben und auf welche Betriebsübung hieraus geschlossen werden kann.

Eine abschließende Beurteilung der Anspruchsgrundlage ist daher noch nicht möglich; vielmehr bedarf das Verfahren der Ergänzung durch das Erstgericht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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