OGH 9ObA2231/96w

OGH9ObA2231/96w30.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Manfred Dafert und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alfred G*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P***** AG, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 122.400,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1996, GZ 7 Ra 121/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.Juli 1995, GZ 32 Cga 253/94f-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.713,46 (darin S 2.285,58 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 20.855,-- (darin S 1.267,50 USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 15.8.1954 bis 31.12.1989 bei der beklagten Partei bzw deren Rechtsvorgängerin als Angestellter beschäftigt. Nach seiner Pensionierung bezog er eine Betriebszuschußpension in monatlicher Höhe von S 7.200,--, deren Zahlung die beklagte Partei ab Juli 1993 einstellte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 122.400,-- brutto sA an bis Oktober 1994 aushaftenden Zuschußzahlungen. Nach den im Jahre 1956 ergangenen Pensionsrichtlinien habe die beklagte Partei ihren Arbeitnehmern einen Pensionsanspruch ohne Hinweis auf dessen Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit zuerkannt. Erst in der Richtlinie vom 18.12.1974 und in den Pensionszuerkennungsschreiben sei ein solcher Widerrufsvorbehalt aufgenommen worden. Dessen ungeachtet habe aber der bereits erworbene Pensionsanspruch nicht mehr einseitig zunichte gemacht werden können.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Es seien keinerlei Pensionszusagen abgegeben worden, ohne daß jeweils ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerrufbarkeit der Zusage hingewiesen worden wäre. Zufolge der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung sei 1993 ein Kostensenkungsprogramm umgesetzt worden, das auch eine Verringerung der Personalkosten enthalten habe. Zur Vermeidung sozialer Härten seien den Arbeitnehmern und Pensionisten Abschlagszahlungen angeboten worden, die vom Großteil auch angenommen worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei stellte am 10.7.1956 Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zu den aus der Sozialversicherung gezahlten Renten der Angestellten auf. Nach Pkt 1 der Richtlinien sollten Angestellte mit mindestens 15-jähriger Dienstzeit Anspruch auf einen Zuschuß zu ihrer Pension haben. Dieser Zuschuß wurde derart berechnet, daß er für jedes Dienstjahr 1 % des letzten Monatsgehalts betrug, jedoch 30 % des Gehalts nicht übersteigen durfte. Im ursprünglichen Vorstandsbeschluß über die Richtlinien war weder von einer Freiwilligkeit noch von einer jederzeitigen Widerrufbarkeit der Zuschüsse die Rede. Der Betriebsrat wußte bereits seit den "70iger Jahren" wie die Pensionszuschüsse zu berechnen waren und prüfte die Pensionsberechnungen nach.

Der Personalchef Dr.Weber gab verschiedensten Mitarbeitern eine Zusage über die Firmenpension; dies teils schon bei ihrer Einstellung, teils zu der Zeit als sie die beklagte Partei verlassen wollten, um sie zum Bleiben zu motivieren. Es war allgemein bekannt, daß es eine solche Firmenpension gab und daß diese von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig war. Diskussionen gab es diesbezüglich nicht. Anläßlich diverser Gehaltserhöhungen wurde von Dr.Weber bzw dessen Nachfolger Dr.Huber dem Kläger immer wieder mitgeteilt, daß mit dem Gehalt auch die Firmenpension, die er zu erwarten habe, steigen konnte. Von einer Freiwilligkeit oder Widerruflichkeit war nicht die Rede. Er erfuhr aber die grundlegenden Voraussetzungen für die Höhe der Firmenpension.

Dem Kläger war niemals mitgeteilt worden, daß die Zuschußpension nur freiwillig oder jederzeit widerruflich sein sollte. Die beklagte Partei teilte den Mitarbeitern erst in den Pensionszuerkennungsschreiben erstmalig mit, daß die Pension nur freiwillig und jederzeit widerruflich gezahlt werde. Aufgrund der Zusage, die er erhalten hatte, maß der Kläger dem keine große Bedeutung zu.

Die beklagte Partei erwirtschaftete im Geschäftsjahr 1990/91 noch einen Gewinn von S 100 Mio. 1991/92 war die Bilanz ausgeglichen. 1992/93 kam es zu einem Einbruch mit einem Verlust von ca S 100 Mio. Der Vorstand schlug vor, die 1987 auf 75 % der maximal 30 % gekürzten Firmenpensionen auf nunmehr maximal 15 % zu kürzen. In den Verhandlungen mit dem Betriebsrat kam es letztlich zu keiner Einigung. Die beklagte Partei bot den Arbeitnehmern Abschlagszahlungen an, die von 99 % der Aktiven und Pensionisten angenommen wurden. 1993/94 erwirtschaftete die beklagte Partei bereits wieder einen Gewinn von S 200 Mio, der im laufenden Geschäftsjahr auf ca S 20 Mio ansteigen wird.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger eine mündliche Pensionszusage ohne Hinweis auf die Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit der Leistung gemacht worden sei. Da diese Zusage in der Folge nie in Frage gestellt worden sei, sei sie Teil des Arbeitsvertrages geworden und der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, daß er die zugesagte Zuschußpension auch erhalte. Dieser Anspruch habe durch neue schlechtere Richtlinien nicht mehr abgeändert werden können. Die beklagte Partei sei demnach nicht berechtigt gewesen, dem Kläger die Zuschußleistungen einseitig vorzuenthalten.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies und sprach überflüssigerweise (§ 46 Abs 3 Z 3 ASGG) aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts mit der Einschränkung, daß in Pensionszuerkennungsschreiben schon vor 1988 auf die Widerruflichkeit der Zuschüsse hingewiesen worden war, als unbedenklich. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger nur nebenbei im Rahmen von Gesprächen über die Gewährung einer Dienstwohnung oder über Gehaltserhöhungen von der Praxis der Gewährung einer Firmenpension Mitteilung gemacht worden sei. Derartige Erklärungen könnten aber als reine Wissenserklärungen nicht als verpflichtungsbegründend angesehen werden. Da der Kläger offensichtlich weder die Anspruchsgrundlage noch die ungefähre Berechnung der zu erwartenden Pension gekannt habe, sei keine die Leistung klar und deutlich umschreibende Erklärung vorgelegen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sich bei den in Pension gehenden Mitarbeitern über die genauen Modalitäten der Pensionsgewährung zu erkundigen. In den Schreiben mit denen eine Zuschußpension zuerkannt wurde, sei aber ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionsleistung hingewiesen worden. Schließlich weise auch die hohe Akzeptanz der von der beklagten Partei gebotenen Abschlagszahlung und der Umstand, daß der Kläger gegen den Hinweis der Freiwilligkeit und Widerruflichkeit im Zuerkennungsschreiben nicht remonstriert habe, daraufhin, daß die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionszahlungen allgemein bekannt gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, daß dem Kläger nur beiläufige Wissenserklärungen über eine Pensionspraxis bei der beklagten Partei zugekommen seien und im übrigen die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionszahlungen allgemein bekannt gewesen sei, entfernt es sich von den als unbedenklich übernommenen Feststellungen des Erstgerichts. Diesen ist vielmehr eine Kombination der Anspruchsgrundlagen betriebliche Übung (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 189 f mwH; Tomandl, ArbR3 1 219

ff) und Einzelzusage hinsichtlich der begehrten Zuschußpension zu entnehmen (vgl DRdA 1995/25 [Runggaldier]). Einerseits gab es im Betrieb die im Jahre 1956 erstellten Richtlinien und es war allgemein bekannt, daß eine solche Firmenpension gewährt wird und daß diese von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig war. Der Betriebsrat wußte bereits seit den "70iger Jahren" wie diese Pensionszuschüsse zu berechnen waren und prüfte die Pensionsberechnungen nach. Damit war aber das Wissen um die jeweilige Höhe der Zuschüsse von der beklagten Partei bereits in die Sphäre der Arbeitnehmer gelangt. Dazu kommt, daß nicht irgendein Personalsachbearbeiter (DRdA 1990/2 [Grillberger] mwH), sondern der Personalchef Dr.Weber selbst verschiedenen Mitarbeitern schon bei der Einstellung eine individuelle Pensionszusage machte und Mitarbeiter auf diese Weise auch zum Verbleiben im Betrieb bewog. Soweit diese Zusagen demnach dazu dienten, ein höheres Entgelt in Form einer nachmaligen Betriebspension zu versprechen, um Mitarbeiter zum Eintritt oder Bleiben zu veranlassen, gehen diese Zusagen über einen bloßen Hinweis auf eine bestehende Praxis hinaus (vgl Grillberger aaO 43).

Andererseits ist es auf dem Boden dieser bestehenden betrieblichen Übung (vgl auch Schwarz, Der OGH hat recht! ÖJZ 1995, 201 ff; 9 Ob A 261/92 uva) auch noch zu individuellen Zusagen an den Kläger direkt gekommen. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen teilte Dr.Weber bzw dessen Nachfolger Dr.Huber dem Kläger immer wieder mit, daß mit dem Gehalt auch die Firmenpension, die er zu erwarten hatte, steigen konnte. Von Freiwilligkeit oder - was wesentlich ist - Widerruflichkeit war bei diesen, unmittelbar das Entgelt betreffenden und der beklagten Partei zuzurechnenden Erklärungen keine Rede.

Da der Kläger am 15.8.1954 bei der beklagten Partei eingetreten ist, hatte er die Pensionsanwartschaft nach 15 Jahren bereits im Jahr 1969 - sohin noch vor der "Neufassung" der Richtlinien vom 18.12.1974 - erreicht. Selbst wenn er sich den übrigen Inhalt der Richtlinien vom 10.7.1956 entgegenhalten lassen müßte - die beklagte Partei bestreitet deren Bekanntheit (interne Richtlinien, geheime Kommandosache) - wäre für die beklagte Partei nichts gewonnen, weil in diesen Richtlinien noch kein Widerrufsvorbehalt enthalten war. Nach den Feststellungen war es dem Kläger auch nicht bekannt, daß die "freiwilligen" Zuschußpensionsleistungen jederzeit widerruflich sein sollten. Soweit erst in den jeweiligen Pensionszuerkennungsschreiben von Freiwilligkeit und Widerrufbarkeit die Rede ist, ist dies unbeachtlich, da der bereits entstandene Rechtsanspruch dadurch nicht einseitig beseitigt werden konnte (Rummel, Betriebspension in der Krise - Widerruf wegen Dürftigkeit, DRdA 1989 366 f; DRdA 1989/30 = SZ 62/4). Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß bei der beklagten Partei für den maßgeblichen Zeitraum bereits eine betriebliche Übung bestand, aus der der Kläger entnehmen durfte, daß auch er einen Pensionszuschuß erhalten werde, den der Betriebsrat für die Arbeitnehmer der Höhe nach ermitteln und überprüfen konnte und daß der Kläger in der solcherart entstandenen Vertrauenslage noch dadurch bestärkt wurde, daß ihm maßgebliche Vertreter der beklagten Partei ausdrücklich und vorbehaltlos eine hohe Firmenpension in Aussicht stellten.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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