OGH 8ObA2253/96y

OGH8ObA2253/96y12.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann W*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P***** AG, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 118.830,-- brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1996, GZ 7 Ra 124/95-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.Juli 1995, GZ 32 Cga 252/94h-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 1.3.1954 bis 1.10.1985 bei der beklagten Partei bzw deren Rechtsvorgängerin als technischer Angestellter beschäftigt. Er hatte einen schriftlichen Dienstvertrag, in dem eine Betriebspension nicht erwähnt war. Nach seiner Pensionierung bezog er eine Betriebszuschußpension in monatlicher Höhe von S 6.990,--, deren Zahlung die beklagte Partei ab Juli 1993 einstellte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt er den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 118.830,-- brutto sA betreffend die bis Oktober 1994 aushaftenden Pensionszuschußleistungen. Nach den im Jahre 1956 ergangenen Pensionsrichtlinien habe die beklagte Partei ihren Arbeitnehmern einen Pensionsanspruch ohne Hinweis auf dessen Freiwilligkeit und Widerruflichkeit zuerkannt. Erst in der Richtlinie vom 18.12.1974 und in den einzelnen Pensionszuerkennungsschreiben sei ein solcher Widerrufsvorbehalt aufgenommen worden. Dessen ungeachtet habe aber der bereits erworbene Pensionsanspruch nicht mehr einseitig zunichte gemacht werden können.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Es seien keinerlei Pensionszusagen abgegeben worden, ohne daß jeweils ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit der Zusage hingewiesen worden wäre. Zufolge der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung sei 1993 ein Kostensenkungsprogramm umgesetzt worden, das auch eine Verringerung der Personalkosten enthalten habe. Zur Vermeidung sozialer Härten seien den Arbeitnehmern und Pensionisten Abschlagszahlungen angeboten worden, die vom Großteil auch angenommen worden seien.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die beklagte Partei stellte am 10.Juli 1956 Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen zu den aus der Sozialversicherung gezahlten Renten der Angestellten auf. Nach Pkt 1 der Richtlinien sollten Angestellte mit mindestens 15-jähriger Dienstzeit Anspruch auf einen Zuschuß zu ihrer Pension haben. Dieser Zuschuß wurde derart berechnet, daß er für jedes Dienstjahr 1 % des letzten Monatsgehalts betrug, jedoch 30 % des Gehalts nicht übersteigen durfte. Im ursprünglichen Vorstandsbeschluß über die Richtlinien war weder von einer Freiwilligkeit noch von einer jederzeitigen Widerruflichkeit der Zuschüsse die Rede. Der Betriebsrat wußte bereits seit den "70iger Jahren" wie die Pensionszuschüsse zu berechnen waren und prüfte die Pensionsberechnungen nach.

Der Personalchef Dr.W***** gab verschiedensten Mitarbeitern eine Zusage über die Firmenpension; dies teils schon bei ihrer Einstellung, teils zu der Zeit als sie die beklagte Partei verlassen wollten, um sie zum Bleiben zu motivieren. Es war allgemein bekannt, daß es eine solche Firmenpension gab und daß diese von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig war. Bereits während der 60iger Jahre wurde dem Kläger von Oberingenieur S***** mitgeteilt, daß es eine Betriebspension gebe und auch er, sollte er bei der Firma in Pension gehen, eine solche erhalten werde. Von seiten der Firmenleitung wurde dies dem Kläger jedoch nicht mitgeteilt. Als Kollegen des Klägers in den 60iger Jahren in Pension gingen wurde darüber gesprochen und der Kläger erfuhr, daß diese die Pension erhielten. Allgemein war in dem Unternehmen der beklagten Partei bekannt, daß bei Ausscheiden aus der Firma wegen Pensionierung eine Betriebspension bezahlt werde, abhängig von der Dienstzeit und der Höhe des Gehaltes. Anläßlich der Pensionierung des Klägers wurde ihm von Direktor S***** mitgeteilt, daß er eine Firmenpension bekommen werde. Der Kläger wurde auch zur Pensionierung beglückwünscht. Dabei erfuhr er erstmalig, daß die Pension freiwillig, aber auch widerruflich sein sollte. Für den Kläger war es jedoch selbstverständlich, daß eine Firmenpension gezahlt werde und deswegen maß er dem Wortlaut "freiwillig und widerruflich" keinerlei Bedeutung zu.

Die beklagte Partei erwirtschaftete im Geschäftsjahr 1990/91 einen Gewinn von S 100 Mio.; 1991/92 war die Bilanz ausgeglichen. 1992/93 kam es zu einem Einbruch mit einem Verlust von ca S 100 Mio. Der Vorstand schlug vor, "die - 1987 auf 75 % der maximal 30 % gekürzten Firmenpensionen - auf nunmehr tatsächlich maximal 15 % anstatt der 30 % zu kürzen". In den Verhandlungen mit dem Betriebsrat kam es zu keiner Einigung. Die beklagte Partei bot den Arbeitnehmern Abschlagszahlungen an, die von 99 % der Aktiven und Pensionisten angenommen wurden. 1993/94 erwirtschaftete die beklagte Partei wieder einen Gewinn von S 25 Mio, der im laufenden Geschäftsjahr auf ca S 200 Mio ansteigen wird.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger zwar nicht von einer hiezu befugten Person eine Pensionszusage gemacht worden sei, zufolge der Betriebsübung bei der beklagten Partei wäre es jedoch gleichheitswidrig bzw gleichbehandlungswidrig, dem Kläger nicht ebenso eine Pension wie seinen Kollegen auszubezahlen. Ein einseitiges Abgehen von dieser Regelung sei nicht möglich, sondern es seien die günstigeren Richtlinien auch für den Kläger weiterhin anzuwenden.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies und sprach überflüssigerweise (§ 46 Abs 3 Z 3 ASGG) aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich mit der Einschränkung, daß nach dem Akteninhalt in Pensionszuerkennungsschreiben auch schon vor 1988 auf die Widerruflichkeit der Zuschüsse hingewiesen worden sei. Das Berufungsgericht ging davon aus, daß dem Kläger eine ausdrückliche Pensionszusage nicht gemacht wurde. Die Kenntnis einer Betriebsübung sei von ihm hinsichtlich der genaueren Anspruchsvoraussetzungen weder behauptet noch festgestellt worden. Eine diesbezügliche Mitteilung an den Kläger sei nicht erfolgt; ein anspruchsbegründendes Erklärungsverhalten der beklagten Partei ergebe sich aus den Feststellungen nicht. Oberingenieur S***** sei zur Abgabe von die beklagte Partei verpflichtenden Erklärungen nicht berechtigt gewesen, überdies wären seine Aussagen über eine Pensionsgewährung inhaltlich zu unbestimmt.

Die Richtlinien vom 10.7.1956 seien von der Geschäftsleitung der beklagten Partei mit niemandem ausgehandelt und nicht veröffentlicht worden. Es schade daher nicht, daß in der ursprünglichen Fassung dieser Richtlinien ein Hinweis auf Freiwilligkeit und Widerruflichkeit nicht aufscheine. Soweit sich der Kläger auf eine Betriebsübung oder auf den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen wolle, müsse er gegen sich gelten lassen, daß die Beklagte in den Schreiben an die Mitarbeiter ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionsleistungen hingewiesen habe. Da der Kläger offensichtlich weder die Anspruchsgrundlage noch die ungefähre Berechnung der zu erwartenden Pension gekannt habe, sei keine die Leistung klar und deutlich umschreibende Erklärung vorgelegen. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sich bei den in Pension gehenden Mitarbeitern über die genauen Modalitäten der Pensionsgewährung zu erkundigen. In den Schreiben, mit denen eine Zuschußpension zuerkannt wurde, sei aber ausdrücklich auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionsleistung hingewiesen worden. Schließlich weise auch die hohe Akzeptanz der von der beklagten Partei gebotenen Abschlagszahlung und der Umstand, daß der Kläger gegen den Hinweis der Freiwilligkeit und Widerruflichkeit im Zuerkennungsschreiben nicht remonstriert habe, daraufhin, daß die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit der Pensionszahlungen allgemein bekannt gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Revisionswerber gründet seinen Anspruch auf eine bindende Pensionszusage, der Inhalt der Pensionsrichtlinien (1956) sei Gegenstand von Gesprächen mit dem Betriebsrat gewesen. Ihm sei die Berechnungsweise (1974) dargelegt worden. Die Richtlinien 1956 hätten einen Anspruch auf Pension nach 15-jähriger Dienstzeit enthalten, ein Widerrufsvorbehalt habe dabei gefehlt. Bei einer betrieblichen Übung sei es unerheblich, wann diese dem einzelnen Arbeitnehmer zur Kenntnis gelangt sei oder wann ihm gegenüber ein (gesondertes) anspruchsbegründendes Verhalten gesetzt worden sei. Der aufgrund der Betriebsübung einmal entstandene Anspruch könne nicht durch eine im Pensionszuerkennungsschreiben enthaltene Einschränkung rückgängig gemacht werden. Der Kläger habe schon in den 60iger Jahren durch Dir.M***** bzw Vorstandsdirektor T***** individuelle Hinweise auf einen Ruhegenuß erhalten.

Dem ist zu erwidern:

Eine individuelle Zusage eines Organs der beklagten Partei, der Kläger werde eine Firmenpension erhalten, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Oberingenieur S***** war zu solchen Zusagen nicht legitimiert, eine Vertretungsbefugnis für die beklagte Partei wurde nicht festgestellt. Das Vorbringen des Klägers in der Revision betreffend eine individuelle Pensionszusage an ihn - eine solche mag allenfalls gegenüber einigen Kollegen des Klägers erfolgt sein - ist aktenwidrig.

Versagt somit der Rechtsgrund der Individualvereinbarung, so ist weiters das behauptete Vorhandensein einer anspruchsbegründenden Betriebsübung zu prüfen. Dabei ist davon auszugehen, daß nach dem ausdrücklichen Vorbringen der beklagten Partei (insbesonders ON 4, zuletzt in der Revisionsbeantwortung AS 267) bei jedem einzelnen Pensionsantritt eines Arbeitnehmers in dem jeweiligen Pensionszuerkennungsschreiben der beklagten Partei auf die jederzeitige Widerruflichkeit und Freiwilligkeit hingewiesen worden sei. Die Feststellungen des Erstgerichtes erwähnen im Zusammenhang mit den Zuschüssen zunächst die "Freiwilligkeit" (S 3 ON 12). Mag zwar auch erst in der Zusammenfassung der bisher intern ergangenen Richtlinien vom 18.12.1974 ein Hinweis auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit der Zuschußpensionen enthalten gewesen seien, so darf aber der in den einzelnen Pensionszuerkennungsschreiben enthaltene Hinweis bei der Konkretisierung der Betriebsübung keinesfalls außer Acht gelassen werden. Die Berechnungsweise der Pensionen ist dem Betriebsrat "schon seit den 70-iger Jahren" offenbar gerade aufgrund dieser konkreten Pensionszuerkennungsschreiben bekannt geworden (S 3 in ON 12). Es ist ihm daher der gesamte Inhalt der einzelnen ihm zugekommenen Pensionszuerkennungsschreiben nicht verborgen geblieben. Eine "selektive" Kenntnisnahme von Teilen des Erklärungsverhaltens der beklagten Partei bei gleichzeitiger Nichtbeachtung anderer Teile (Widerruflichkeit) verstieße gegen § 869 ABGB bzw wäre der Verständnishorizont eines redlichen Erklärungsempfängers in einem solchen Fall nicht schützenswert (vergleichbar der "Rosinentheorie" 8 ObA 214/96). Bloße Individualzusagen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern begründeten noch keine "Betriebsübung". Da es an einer generellen Absprache zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung fehlt, ist somit entscheidend, ob nicht erst ab dem Jahre 1988 (erstgerichtliches Urteil S 3), sondern schon seit jeher grundsätzlich anläßlich der tatsächlichen Gewährung der einzelnen Zusatzpension von der beklagten Partei auf die Freiwilligkeit und Widerruflichkeit dieser Leistung hingewiesen wurde. War dies allgemein der Fall, dann bilden diese Kriterien einen wesentlichen Inhalt der Betriebsübung. Demgesmäß bedarf es aber eindeutiger Feststellungen, wann erstmals und mit welchem Wortlaut die einzelnen Pensionszuerkennungsschreiben ergangen sind und ob durch ihren maßgebenden Gesamtinhalt in der Folge, während einer gewissen Dauer eine Betriebsübung in der einen oder anderen Richtung begründet wurde.

Eine abschließende Beurteilung der Betriebsübung als Anspruchsgrundlage ist daher noch nicht möglich, vielmehr bedarf das Verfahren der Ergänzung durch das Erstgericht.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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