OGH 8ObA214/96

OGH8ObA214/9613.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Dr.Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter A*****, vertreten durch Dr.Christian Flick, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei FC *****, vertreten durch Dr.Werner Masser, Dr.Ernst Grossmann, Dr.Eduard Klingsbigl, Dr.Robert Lirsch, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 369.750,-- brutto s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.November 1995, GZ 9 Ra 136/95-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 5.Juli 1995, GZ 12 Cga 12/95-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war in der Zeit vom 1.7.1987 bis 30.6.1993 bei der Beklagten als Vertragsspieler beschäftigt. Sein Dienstverhältnis unterlag gemäß Punkt 2 des zwischen den Parteien abgeschlossenen und im Sommer 1990 modifizierten Vertrages dem Angestelltengesetz. Gemäß Punkt 8 a dieser Vereinbarung garantierte die Beklagte dem Kläger für die Dauer des Vertrages ein monatliches Mindesteinkommen von S 100.000,-- netto, 12 x jährlich. Darüber hinaus standen dem Kläger die in den Punkten 6 - 8 einzeln aufgezählten, ebenfalls mit Nettobeträgen vereinbarten Entschädigungen und Prämien zu. Das garantierte Mindesteinkommen sollte nur für jene Monate Gültigkeit haben, in denen die Ansprüche des Klägers aus den Punkten 6 - 8 des Vertrages den Betrag von S 100.000,-- netto nicht überstiegen. Das jeweilige Bruttoentgelt sollte vom Verein so berechnet werden, daß der Kläger - nach Abzug aller seiner Steuern und Abgaben (inkl. Lohnsteuer) - alle Entgelte effektiv netto ausbezahlt erhält. Diese Berechnungsart sollte auch für die im Punkt 27 ebenfalls mit Nettobeträgen festgesetzte Leistungsprämie im Falle der Qualifikation der Beklagten für die Teilnahme am UEFA-Cup gelten.

Aus dem Titel "Abfertigung" bezahlte die Beklagte, nachdem der Kläger den zweiten Senat der Bundesliga angerufen hatte, S 311.191,76 und am 24.5.1995 S 69.058,24, insgesamt daher S 380.250,--.

Mit seiner am 17.1.1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger zuletzt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 369.750,-- brutto s.A. schuldig zu erkennen. Er habe Anspruch auf Abfertigung in Höhe von 3 Monatsgehältern. Ausgehend von einem Entgelt von S 250.000,-- brutto ergebe sich ein Betrag von S 750.000,-- brutto, worauf die von der Beklagten geleisteten Teilzahlungen anzurechnen seien. Der Standpunkt der Beklagten, es liege eine Nettolohnvereinbarung in geringerer Höhe vor, treffe nicht zu, da sich aus dem Vertrag eindeutig ergebe, daß der Entlohnung ein Bruttobetrag zu Grunde liege. Die Beklagte habe den Anspruch des Klägers schlüssig dadurch anerkannt, daß sie auf ein entsprechendes Schreiben des Klagevertreters vom 11.4.1994 bis 11.11.1994 nicht reagiert habe.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Zwischen den Parteien sei eine originäre Nettolohnvereinbarung zustande gekommen. Der Kläger habe in der Zeit vom 1.7.1992 bis 30.6.1993 insgesamt S 1,521.000,-- zuzüglich Familienbeihilfe erhalten, was einem monatlichen Durchschnittseinkommen von S 126.750,-- entspreche. Der Abfertigungsanspruch im Ausmaß von drei Monatsentgelten errechne sich daher mit insgesamt S 380.250,--.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Vereinbarung, es seien S 100.000,-- garantiert, nur dahin verstanden werden könne, daß der Arbeitgeber das Bruttogehalt so anzusetzen habe, daß genau dieser Betrag dem Kläger ausbezahlt werden könne. Geschuldet werde jedoch immer nur der Bruttobetrag.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Dem gegenständlichen Vertrag liege eine sogenannte Nettolohnvereinbarung zugrunde. Durch den Vertrag sei die lohnsteuerrechtliche Vermögenszuordnung, die sonst zum Arbeitnehmer hin erfolge, zwischen den Partnern des Arbeitsvertrages verschoben worden. Derartige Verträge seien, solange die Mindestentgelte nicht berührt würden, grundsätzlich zulässig, allerdings müsse beachtet werden, daß § 23 AngG unabdingbar den Anspruch auf Abfertigung an das "gebührende Entgelt" knüpfe. Es biete sich an, dem Grunde nach als Entgelt jedenfalls den "Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis" anzusehen, wie ihn auch das Einkommenssteuergesetz verstehe. Daraus ergebe sich aber dann, daß in einer "Auf 100-Rechnung" für die Ermittlung der Abfertigung das Bruttogehalt heranzuziehen sei. Auch rein arbeitsrechtlich betrachtet werde nach neuerer Rechtsprechung das "gebührende Entgelt" nicht nur als jenes verstanden, auf das ein Anspruch des Arbeitnehmers bestehe, sondern vor allem darunter sämtliche Leistungen des Arbeitgebers, die als Entgelt verstanden werden können und die dem Arbeitnehmer ausbezahlt wurden, wie etwa freiwillige Sonderzahlungen. Daß die Höhe des Entgelts - wie etwa bei Überstundenleistungen - nicht von Anfang an feststehe, ändere nichts daran, daß das tatsächlich geleistete Entgelt für die Berechnung der Abfertigung heranzuziehen sei. Grundlage für die Berechnung der Abfertigung müsse daher der laufende tatsächliche Vermögenszuwachs aus dem Arbeitsverhältnis sein. Dieser tatsächliche Wert liege aber im Bruttoentgelt, weil ein Zufluß von Vermögensvorteilen aus dem Arbeitsverhältnis in seiner Bewertung nur unter Berücksichtigung des Einkommenssteuergesetzes gesehen werden könne. Dem Arbeitnehmer könnten Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis immer nur versteuert zukommen, weshalb der ihm tatsächlich zugehende Geldbetrag in seiner vermögensrechtlichen Bewertung auf den Bruttobetrag hochzurechnen sei. Es sei nicht entscheidend, welche Ansprüche vertraglich gebührten, sondern nur ausschlaggebend, welche Werte tatsächlich zukämen. Unter diesem Aspekt sei es nicht erheblich, ob das Bruttogehalt tatsächlich schon im Arbeitsvertrag bestimmt oder Schwankungen - im Hinblick auf Änderung der steuerrechtlichen Regelungen - unterworfen sei. § 23 Abs 1 AngG stelle bei Verwendung des Ausdruckes "gebührendes Entgelt" auf den dem Arbeitnehmer tatsächlich verschafften Vorteil ab. Dieser sei unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, weshalb das jeweilige Bruttoentgelt maßgeblich sei. Eine davon abweichende Vereinbarung sei gemäß § 40 AngG unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Der Lohnanspruch des Arbeitnehmers richtet sich grundsätzlich auf einen Bruttobetrag; der Arbeitgeber schuldet daher eine Bruttovergütung (Mayer-Maly/Marhold Österreichisches Arbeitsrecht I 124). Es steht den Parteien des Arbeitsvertrages jedoch frei, zu vereinbaren, daß die vom Arbeitgeber zu leistende Vergütung netto geschuldet werden soll. Eine solche Vereinbarung, durch die der Arbeitgeber die sonst vom Arbeitnehmer zu tragenden Abgaben übernimmt, ist zulässig und rechtswirksam (Mayer-Maly/Marhold aaO;

Dungl, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechts5 105; Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser3 I, 187; Arb 10.213; WBl 1988, 124;

SZ 63/36). Arbeitsrechtlich ist zwischen der abgeleiteten (unechten) Nettolohnvereinbarung, bei der zunächst der Bruttobetrag ermittelt wird und der originären (echten) Nettolohnvereinbarung, bei welcher sich die Parteien überhaupt nicht im Klaren sind, welcher Bruttobetrag dem Nettolohn zuzuordnen ist, zu unterscheiden (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch7, 461; SZ 63/36). Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß gegenständlich eine originäre (echte) Nettolohnvereinbarung vorliegt, da zwischen den Parteien gar nicht erörtert wurde, von welcher Größe der Nettobetrag zu errechnen sei.

Liegt aber eine originäre Nettolohnvereinbarung vor, richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers aus der Lohnvereinbarung auf den Nettolohn. Das Steuerrisiko trifft in einem derartigen Fall den Arbeitgeber, der nicht nur den Wegfall individueller Steuervorteile, sondern auch generelle Steuererhöhungen zu tragen hat. Andererseits muß er allerdings auch nicht für bestimmte Bezüge gewährte Steuervorteile weitergeben (Arb 11.227; Marhold, Nettolohnvereinbarung und Steuerreform RdW 1989, 101).

Ist aber Schuldinhalt des Arbeitsvertrages der Nettolohn, sind Lohnzuschläge, Urlaubsabgeltungen, Lohnerhöhungen usw. vom Nettolohn zu berechnen (Schaub aaO 462; 9 ObA 48-53/90 = SZ 63/36 = ArbSlg 10.885 = ZRS 1991, 19 mit zustimmender Glosse von Zeiler). Auch für die Abfertigung kann nichts anderes gelten, stellt doch § 23 Abs 1 AngG lediglich auf das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt ab, als welches im Fall einer echten Nettolohnvereinbarung das Nettoentgelt gesehen werden muß (ArbSlg 11.227).

Dem Kläger steht daher aufgrund der von ihm abgeschlossenen Vereinbarung die Abfertigung auf der Bemessungsgrundlage des Nettoentgeltes zu. Es geht nicht an, daß ein Vertragspartner die getroffene Vereinbarung jeweils so auslegt, wie es für ihn vorteilhaft ist ("Rosinentheorie").

Das Erstgericht hat aufgrund seiner unrichtigen Rechtsansicht allerdings über die Höhe der auf der Basis des Nettoentgeltes berechneten Abfertigung keine Feststellungen getroffen, sodaß derzeit nicht verläßlich beurteilt werden kann, ob das Klagebegehren tatsächlich zur Gänze abzuweisen ist. Auch blieb im Verfahren ungeprüft, inwieweit für den zu Recht bestehenden Abfertigungsbetrag die begehrten Zinsen zustehen. Dem Obersten Gerichtshof ist es daher verwehrt, in der Sache selbst zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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