OGH 5Ob10/97z

OGH5Ob10/97z28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Dr.Karl Heinz R*****, *****, 2. Adelheid W*****, *****, beide vertreten durch Ekardt Blahut, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Anna Luise R*****, 2. Mag.Heinrich P*****, 3. Mag.Michael P*****, alle vertreten durch Dr.Bernhard Gittler, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 46 a Abs 3 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. September 1996, GZ 39 R 666/96x-35, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3.Mai 1996, GZ 46 Msch 5/95v-31, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft *****, die Antragsgegner Mieter eines in diesem Haus gelegenen Bestandobjekts, in dem ein - seit 1969 verpachtetes - Cafe-Restaurant betrieben wird.

Das gemäß § 40 Abs 2 MRG angerufene Erstgericht steellte fest, daß der angemessene Hauptmietzins "im Sinne des § 46 a Abs 3 MRG idF des

3. WÄG "für dieses Geschäftslokal per 25.5.1994 S 72.000 monatlich betrage. Es war rechtlich ua der Ansicht, daß die Antragsteller als Eigentümer der Liegenschaft berechtigt seien, eine schrittweise Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zur Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG innerhalb von 15 Jahren für das gegenständliche Geschäftslokal zu begehren, da die Antragsgegner ihr im Objekt betriebenes Gastgewerbeunternehmen im Sinne des § 46 a Abs 3 MRG verpachtet hätten. Welcher Zeitpunkt für die Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 MRG heranzuziehen sei, werde in § 46 a Abs 3 MRG zwar nicht geregelt, er ordne jedoch an, daß "im übrigen § 12 a Abs 7 MRG auf die in Abs 2 bis 5 geregelten Fälle sinngemäß anzuwenden" sei. Danach wären die Verhältnisse bei Beginn des Pachtverhältnisses zugrunde zu legen. Das 3. WÄG habe jedoch die Absicht verfolgt, eine wirtschaftliche Gleichstellung zwischen Neu- und jenen Altmietern herzustellen, denen aufgrund des nicht mehr auf eigene Rechnung erfolgten Betreibens des Unternehmens kein schützenswertes eigenes Unternehmerinteresse mehr zukomme. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, ein gleichmäßiges Zinsniveau zu erreichen, wobei bei Veränderungen vor dem 1.3.1994 - im vorliegenden Fall der Pachtvertragsabschluß - keine sofortige Anhebung auf den angemessenen Hauptmietzins, sondern vielmehr eine Anhebung in Fünfzehntel-Schritten normiert worden sei. Diese vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung würde nicht erreicht werden, wenn man vom Zeitpunkt der Verpachtung (hier: 1969) ausginge. Aus diesem Grund sei bei der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses vom Stichtag der Zustellung des Anhebungsbegehrens des Vermieters an den Mieter auszugehen. Zu diesem Stichtag ergebe sich ein angemessener Mietzins von monatlich S 72.000.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus:

Richtig sei, daß § 46 a Abs 3 MRG keinen Hinweis darauf gebe, auf welchen Zeitpunkt für die Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses nach § 16 Abs 1 MRG abzustellen sei. § 46 a Abs 6 MRG ordne jedoch an, daß im übrigen § 12 a Abs 7 MRG auf die in Abs 2 bis 5 geregelten Fälle sinngemäß anzuwenden sei. Dem Wortlaut des §12 a Abs 7 MRG folgend wäre demnach im Falle der Verpachtung gemäß § 12 a Abs 5 MRG der Zeitpunkt des Beginns des Pachtvertrages heranzuziehen. Zu beachten sei aber, daß § 12 a Abs 5 MRG Mietzinsanhebungen bei Verpachtung eines Unternehmens regle, die nach dem 28.2.1994 vorgenommen werde, sodaß dem Vermieter sogleich, jedenfalls aber auch rückwirkend mit dem Zeitpunkt der Verpachtung die Möglichkeit der Mietzinsanhebung eröffnet werde. Anders verhalte es sich aber bei den unter § 46 a Abs 3 MRG zu subsumierenden Verpachtungen, die vor dem 1.3.1994 erfolgt sein müßten und demnach Jahre oder Jahrzehnte lang vor dem ehestmöglichen Zeitpunkt der Geltendmachung der Mietzinsanhebung - wie auch im vorliegenden Fall - lägen. Die Fälle des § 46 a Abs 2 bis 5 MRG verfolgten das Ziel, den früher gesetzlich beschränkten Hauptmietzins schrittweise dem geltenden Mietzinsniveau anzupassen. Zutreffend führe das Erstgericht in diesem Zusammenhang aus, daß im Falle der Verpachtung der Mieter das Unternehmen nicht mehr auf eigene Rechnung betreibe, kein eigenes schützenswertes Interesse an der Beibehaltung des Mietzinses habe und daher vom Gesetz eine wirtschaftliche Gleichstellung dieser Mietzinse angestrebt werde. Es sei also zu fragen, welchen Mietzins der Vermieter für das Bestandobjekt am Markt erzielen könnte, wenn nicht Jahre zuvor eine Verpachtung des im Objekt betriebenen Unternehmens erfolgt wäre. Fraglich könnte in diesem Zusammenhang auch sein, ob für die Angemessenheit des Mietzinses auf den Zeitpunkt der Stellung (Zustellung) des Anhebungsbegehrens oder auf den darauffolgenden 1. Jänner abzustellen sei. Da im allgemeinen die wirtschaftliche Entwicklung und damit im Zusammenhang stehend auch jene des Mietzinses nicht vorhergesehen werden könne, werde dem Zeitpunkt des Anhebungsbegehrens für die Feststellung der Angemessenheit der Vorzug zu geben sein.

Im Hinblick darauf, daß eine Rechtsprechung zur Frage, auf welchen Zeitpunkt die Angemessenheit eines Mietzinses im Falle seiner Anhebung im Sinne des § 46 a Abs 3 MRG bezogen werden solle, nicht vorliege, seien die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO gegeben gewesen.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Feststellung abzuändern, daß der angemessene Hauptmietzins per 28.4.1969 monatlich S 35.000 bzw bei Neufestsetzung nicht über S 35.000 betrage; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefaßt geltend, nach dem Wortlaut des Gesetzes seien für die Mietzinsanhebung die Verhältnisse bei Beginn des Pachtverhältnisses maßgeblich. Die gegenteiligen Erwägungen des Rekursgerichtes seien auch methodologisch verfehlt. Sein Ergebnis wäre verfassungsrechtlich bedenklich.

Hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist, daß wegen Verpachtung des Unternehmens vor dem 1.3.1994 eine "Fünfzehntel-Anhebung" des Mietzinses gemäß § 46 a Abs 3 MRG erfolgen kann; auf andere Anhebungstatbestände sind die Parteien im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurückgekommen. Die Vorinstanzen sind bei der Beurteilung der Frage, auf welchen Zeitpunkt bei der Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses abzustellen ist, auch richtig davon ausgegangen, daß im Übergangsrecht § 46 a Abs 6 MRG auf § 12 a Abs 7 MRG (Dauerrecht) verweist, wonach bei Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzinses im Falle der Unternehmensverpachtung (§ 12 a Abs 5 MRG) die Verhältnisse bei Beginn des Pachtverhältnisses zugrunde zu legen sind.

Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes sind die Vorinstanzen aber unter Hinweis auf den Gesetzeszweck einer schrittweisen Anpassung an das geltende Hauptmietzinsniveau zum Ergebnis gelangt, daß für die Feststellung der Angemessenheit auf den Zeitpunkt des Anhebungsbegehrens abzustellen sei. Dieses Ergebnis kann im Wege der teleologischen Interpretation schon deshalb nicht herbeigeführt werden, weil damit der äußerst mögliche Wortsinn als Grenze jeglicher Auslegung (Koziol/Welser I10 20 mwN) überschritten würde. Abgesehen davon, hat die Bestandsgarantie für Verträge in der Rechtsordnung einen so hohen Stellenwert, daß Gesetzesbestimmungen, die vertragliche Vertragspositionen verändern, eher einschränkend - und nicht ausdehnend - auszulegen wären (vgl zu § 46 a Abs 4 MRG 5 Ob 11/96 und 5 Ob 2363/96b).

Die Bestimmung des § 46 a Abs 6 iVm § 12 a Abs 7 MRG kann aber auch im Wege der teleologischen Reduktion nicht ausgeschaltet werden. Eine solche Korrektur des Gesetzeswortlautes würde einen klaren Nachweis des Gesetzeszweckes erfordern. Dieses Problem ist im Mietrecht besonders schwierig zu lösen, weil sich den gesetzlichen Regelungen kaum einheitliche Wertungsprinzipien entnehmen lassen. Rechtsänderungen stellen meist mühevoll zustandegekommene Kompromisse mit den sich daraus nahezu notwendig ergebenden Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten dar, sodaß der Wille des Gesetzesgebers nur allzu leicht verfehlt werden kann, wenn sich der Rechtsanwender vom Wortlaut entfernt (vgl 5 Ob 2329/96b; WoBl 1992, 79/63; Würth, Zur Anwendung des MRG, WoBl 1990, 33 f).

Im vorliegenden Fall ist keineswegs gesichert, daß der Gesetzgeber mit § 46 a MRG "Altmieten" schlechthin - wenn auch nur schrittweise - dem derzeitigen Niveau angleichen wollte; dieses Ziel hätte er viel einfacher erreichen können. Das immer wieder genannte Anliegen des Gesetzgebers, die Regelungen über die Mietzinsbildung bei Geschäftsraummieten zu vereinheitlichen, wurde in den Gesetzesmaterialien nur im Zusammenhang mit einer Gleichstellung von Geschäftsraummieten natürlicher Personen mit Geschäftsraummieten von juristischen Personen und Gesellschaften des Handelsrechtes hinsichtlich der Unternehmensveräußerung im weiteren Sinn formuliert (5 Ob 2329/96b mit Hinweis auf 1268 BlgNr 18. GP, 10). Demgegenüber kann es als Sinn der in Rede stehenden Bestimmungen auch für "Altverträge" angesehen werden, daß für die Bemessung des angemessenen Mietzinses die Verhältnisse im Zeitpunkt des die Anhebung auslösenden Ereignisses maßgebend sein sollen (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht 94, § 12 a MRG Anm 15). Der erkennende Senat hält daher am Wortlaut des § 46 a Abs 6 iVm § 12 a Abs 7 MRG fest, demzufolge es auch bei der Verpachtung eines Unternehmens vor dem 1.3.1994 bei der Ermittlung des nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Hauptmietzinses auf die Verhältnisse bei Pachtbeginn ankommt (vgl Ostermayer, Mietrecht, § 46 a MRG Anm 3; Tades/Stabentheiner, Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz, ÖJZ-Sonderheft 1 A/1994, 17; Stabentheiner in Rainer, Handbuch des Miet- und Wohnrechts 221; aM Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete 176 f).

Daß dieses Ereignis unter Umständen schon lange zurückliegt, kann nach Auffassung des erkennenden Senates gesetzeskonform folgendermaßen Berücksichtigung finden: § 46 a Abs 6 MRG ordnet an, § 12 a Abs 7 MRG (nur) sinngemäß anzuwenden. Zu den danach maßgeblichen Verhältnissen bei Beginn des Pachtverhältnisses zählt im Falle von "Altverträgen" auch die Möglichkeit, bei Neuvermietung des Geschäftslokals zum damaligen Zeitpunkt eine Wertsicherung zu vereinbaren. 1969 wäre eine Wertsicherung grundsätzlich zulässig gewesen (vgl Zingher, MG18 § 16 Anm 7). Die Bedachtnahme auf die Verhältnisse bei Pachtbeginn erlaubt es daher, den damals angemessenen Hauptmietzins bis zur Zeit des nunmehrigen Anhebungsbegehrens entsprechend den damals in Mietverträgen üblichen Wertmessern (Indexklauseln) zu valorisieren. Damit wird für die Anwendung des § 46 a Abs 3 MRG eine Ausgangslage hergestellt, die in etwa einer potentiellen Neuvermietung durch die Hauseigentümer (zB an den Pächter) zur Zeit der tatsächlichen Verpachtung des Unternehmens durch die Mieter entspricht.

Feststellungen zum nach den Verhältnissen bei Pachtbeginn angemessenen Hauptmietzins sowie zu dessen Valorisierung im obigen Sinne fehlen, weshalb die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben, ohne daß auf weitere Argumente der Rechtsmittelwerber eingegangen werden müßte.

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