OGH 4Ob2384/96h

OGH4Ob2384/96h28.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Thomas Höhne, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 14.November 1996, GZ 6 R 176/96s-9, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16.Juli 1996, GZ 17 Cg 160/96h-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 19 StmkKAG als verfassungswidrig aufzuheben.

Eventualiter wird beantragt auszusprechen, daß § 19 StmkKAG verfassungswidrig war.

Mit der Fortführung des Revisionsrekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung

Die Beklagte ist Medieninhaberin, Herausgeberin und Verlegerin des Magazins "X*****". Das Magazin wird als Postwurfsendung an alle Haushalte der Steiermark versandt. In der Ausgabe vom 15.1.1996 erschien unter der Überschrift "Der Zahn der Zeit ... Die 'Dritten' gibt es auch in den Zahnambulatorien der S*****" ein Artikel über die Zahnambulatorien der Beklagten. Darin sind die Kosten für Totalprothesen und Teilprothesen angeführt und zwar aufgegliedert nach Gesamtkosten, Patientenanteil und Kassenanteil. Der Artikel lautet auszugsweise:

"Wer nicht mehr alle oder überhaupt keine eigenen Zähne mehr hat, braucht in der Regel einen Zahnersatz. Dann stellen sich dem Betroffenen u.a. folgende Fragen:

Welcher Zahnersatz ist für mich geeignet?

Sind noch genügend 'feste' Zähne vorhanden, kann deren Tragkraft mit einer Metallgerüstprothese ausgenützt werden.

Fehlen alle Zähne oder müssen Zähne sofort nach ihrer Entfernung ersetzt werden, wird eine Kunststoffprothese benötigt.

Wer berät mich und wo bekomme ich die benötigte Prothese?

Sowohl für Beratungen als auch für die Herstellung von Prothesen stehen die frei praktizierenden Zahnärzte und Dentisten sowie die Zahnärzte in den Zahnambulatorien der S*****zur Verfügung. Unverbindliche Beratungen führt darüber hinaus auch der Chefzahnarzt der Kasse, Prim. Univ.Doz.Dr.Peter P*****, durch.

Mit welchen Kosten muß ich für den Zahnersatz rechnen?

Für S*****-Versicherte (Angehörige) übernimmt die Kasse zur Zeit 60 % der tarifmäßigen Kosten bei Kunststoff- bzw. Totalprothesen (auch bei Reparaturen) und 50 % bei Metallgerüstprothesen (auch bei Reparaturen) sowie bei Klammerzahnkronen.

Aufzahlungen, wie sie in Zahnarztpraxen vereinbart werden können, sind in den G*****Zahnambulatorien nicht vorgesehen.

Sind die in Zahnambulatorien hergestellten Prothesen genau so gut wie andere?

Ja! In den G*****Ambulatorien werden in Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Techniker nur geprüfte und ausgewählte Materialien nach modernen Methoden verarbeitet - zu einem hochwertigen Zahnersatz.

..."

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung jede Information im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes durch

a) Nennung von Preisen für in den von ihr betriebenen Ambulatorien erbrachte Leistungen, insbesondere dort hergestellte Prothesen, und/oder

b) vergleichende Bezugnahmen auf Standesangehörige der Ärztekammer mit Worten wie "Aufzahlungen, wie sie in Zahnarztpraxen vereinbart werden können, sind in den G*****Zahnambulatorien nicht vorgesehen" oder sinngemäß gleichen Aussagen, und/oder

c) Erteilung medizinischer Auskünfte und Ratschläge in aufdringlicher und reklamehafter Weise, insbesondere in einer Zeitschrift, welche nicht nur an eigene Patienten der beworbenen Zahnambulatorien verbreitet wird,

zu verbieten.

Im Artikel werde für ärztliche Leistungen geworben. Die Werbebeschränkungen des Ärztegesetzes seien auf jede Information im Zusammenhang mit ärztlicher Tätigkeit anzuwenden. Die Nennung von Preisen und die vergleichende Bezugnahme auf Standesangehörige seien standeswidrig. Die Information sei aufdringlich und reklamehaft.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Sie habe nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt. Der Artikel enthalte sachliche und nützliche Information. § 25 ÄrzteG sei nicht anzuwenden; für Ambulatorien gälten die Regelungen der Krankenanstaltengesetze. Das Werbeverbot für Ärzte sei strenger. Der Artikel über die Zahnambulatorien wäre aber selbst nach den Regeln des ärztlichen Standesrechts nicht rechtswidrig. Es handle sich dabei um Information und nicht um Werbung.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung.

Ärzte und Kliniken stünden in einem Konkurrenzverhältnis; daraus folge, daß sowohl das Ärztegesetz als auch die Richtlinien der Ärztekammer anzuwenden seien. Mit ihrer Werbung für die Zahnambulatorien habe die Beklagte massiv für die von Ärzten angewendeten Heilmethoden und Heilbehelfe geworben. Sie habe damit gegen § 25 ÄrzteG und auch gegen die Richtlinien der Ärztekammer verstoßen. Sowohl die Nennung der Preise als auch der Hinweis auf die fehlende Möglichkeit, Aufzahlungen zu vereinbaren, seien standeswidrig. Durch die Gratiszustellung des Magazins "X*****" und die Angabe der Adressen ihrer Zahnambulatorien im Artikel habe die Beklagte medizinische Auskünfte und Ratschläge in aufdringlicher und reklamehafter Weise verbreitet.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Aus § 25 ÄrzteG und aus der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" gehe hervor, daß den Ärzten im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit jede Werbung schlechthin untersagt sei. Damit stehe der Artikel der Beklagten in offenkundigem Widerspruch. Er enthalte eine massive Werbebotschaft auch an nicht bei der Beklagten Versicherte. Die Wettbewerbsabsicht sei offenkundig. Daß § 25 ÄrzteG und damit auch die Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" anzuwenden seien, ergebe sich aus § 25 Abs 3 ÄrzteG. Danach seien die gemäß § 25 Abs 1 ÄrzteG verbotenen Tätigkeiten auch sonstigen physischen und juristischen Personen untersagt. Die Beklagte könne sich nicht auf § 19 StmkKAG berufen, weil danach jede Art der Werbung für bestimmte Behandlungsmethoden sowie für die Anwendung bestimmter Arzneimittel oder bestimmter Heilbehelfe grundsätzlich verboten sei. Auch aus § 81 ASVG lasse sich für die Beklagte nichts gewinnen. Die Berechtigung zur Aufklärung, Information und Öffentlichkeitsarbeit vermöge die durch § 25 ÄrzteG auferlegten Schranken nicht zu beseitigen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten.

Bei der Entscheidung über dieses Rechtsmittel hat der Oberste Gerichtshof § 19 StmkKAG anzuwenden, weil selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen) Krankenanstalten im Sinne des § 1 Abs 1 StmkKAG sind (§ 1 Abs 3 StmkKAG; s auch § 1 KAG). Die Zahnambulatorien der Beklagten unterliegen damit dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz. Der Oberste Gerichtshof hat gegen die Anwendung dieses Gesetzes aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit folgende Bedenken:

Das Steiermärkische Krankenanstaltengesetz ist ein Ausführungsgesetz zum Krankenanstaltengesetz des Bundes, BGBl 1957/1, dessen erster Teil (§§ 1 bis 42) Grundsatzbestimmungen enthält, im zweiten Teil ist unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthalten.

§ 13 KAG enthielt bis zur KAG-Novelle BGBl 1993/801 ein auf § 25 ÄrzteG aF abgestimmtes absolutes Werbeverbot. Seit der KAG-Novelle 1993 lautet § 13 Abs 1 KAG:

"Dem Träger einer Krankenanstalt ist es verboten, selbst oder durch andere physische oder juristische Personen unsachliche oder unwahre Informationen im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Krankenanstalt zu geben."

Nach § 19 StmkKAG ist hingegen nach wie vor

"jede Art der Werbung für bestimmte medizinische Behandlungsmethoden sowie für die Anwendung bestimmter Arzneimittel oder bestimmter Heilbehelfe in Krankenanstalten ... verboten".

Den Ländern wurde für die Ausführungsgesetzgebung zur KAG-Novelle 1993 eine einjährige Frist gesetzt, die keines der Länder und - jedenfalls was die Anpassung des § 19 StmkKAG betrifft - auch die Steiermark nicht eingehalten hat (s Haslinger in Radner/Haslinger/Reinberg, Krankenanstaltenrecht 7). Ist eine landesgesetzliche Regelung vorhanden und werden Grundsätze durch den Bund neu erlassen, so wird ein nicht angepaßtes Gesetz verfassungswidrig (VfSlg 10.176 mwN; Mayer/Walter, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, 123f Rz 266 und 268 mwN; Mayer, B-VG 92 mwN). Ob die Kompetenz damit an den Bund devolviert, ist strittig (so VfSlg 10.176 mwN; aM Walter/Mayer aaO; s auch Mayer,

Zur Devolutionskompetenz nach Art 15 Abs 6 B-VG, ÖJZ 1985, 545 [549f]), im vorliegenden Fall aber ohne Bedeutung. Mit Fristablauf ist § 19 StmkKAG jedenfalls verfassungswidrig geworden.

Das uneingeschränkte Werbeverbot des § 19 StmkKAG ist aber auch davon unabhängig verfassungsrechtlich bedenklich. Der Verfassungsgerichtshof hat das absolute Werbeverbot in § 25 Abs 1 und 2 ÄrzteG aF für verfassungswidrig erkannt, weil damit auch für den Patienten nützliche und sachliche Informationen unterbunden waren. Der Verfassungsgerichtshof könne keine Umstände erkennen, die nach Art 10 Abs 2 EMRK ein Werbeverbot für Ärzte, wie es § 25 ÄrzteG aF enthielt, erlauben würden. Im Interesse des Schutzes der Gesundheit, der Moral, des guten Rufes wie der Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten sei ein derart weitreichendes Werbeverbot nicht erforderlich (VfSlg 13.554).

Diese Erwägungen treffen auch für das in § 19 StmkKAG enthaltene absolute Werbeverbot zu. Sie waren auch der Grund dafür, daß § 13 KAG geändert und das Werbeverbot für Krankenanstalten auf unsachliche oder unwahre Informationen beschränkt wurde (1080 BlgNR 18. GP 21).

Eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne der Meinungsfreiheit - auch juristische Personen sind geschützt (Mayer aaO 450 mwN) - ist bei einem generellen Verbot ausgeschlossen (s VfSlg 13.554).

§ 19 StmkKAG ist anzuwenden, weil für die Zahnambulatorien der Beklagten geworben wurde. Auch wenn in den Zahnambulatorien Ärzte tätig sind und damit auch für ärztliche Leistungen geworben wird, schließt dies die Anwendung dieser Bestimmung nicht aus. Wäre - wie die Vorinstanzen meinen - die Werbung für Leistungen, die in Ambulatorien erbracht werden, nach § 25 ÄrzteG zu beurteilen, so hätte das Werbeverbot im Krankenanstaltengesetz wenn überhaupt, so nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich. Auch in den anderen Krankenanstalten sind Ärzte tätig; letztlich wird daher immer für ärztliche Leistungen geworben, wenn Behandlungsmethoden angepriesen werden. Die Beklagte wirbt in der beanstandeten Einschaltung im übrigen für Prothesen und damit für bestimmte Heilbehelfe. Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 2228/96t war hingegen die Werbung für ein Zahnambulatorium, in der die Leistungen der dort tätigen Ärzte herausgestrichen wurden. Das Begehren war auch darauf gerichtet, der beklagten Betreiberin des Ambulatoriums und den beklagten Ärzten das reklamehafte Herausstellen ärztlicher Tätigkeit zu untersagen.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 19 StmkKAG bestehen sowohl wegen Nichtanpassung des Ausführungsgesetzes an das Bundesgesetz als auch wegen Verstoßes gegen Art 10 MRK Bedenken. Der Oberste Gerichtshof hat im Anlaßfall einen Sachverhalt zu beurteilen, der im Kernbereich der angefochtenen Norm liegt, und stellt daher den

Antrag,

§ 19 StmkKAG als verfassungswidrig aufzuheben.

Für den Fall, daß das Gesetz noch vor dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geändert werden sollte, wird beantragt auszusprechen, daß § 19 StmkKAG verfassungswidrig war.

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