OGH 2Ob567/95

OGH2Ob567/9523.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Rosemarie W***** in Obsorsge der Mutter Elisabeth W*****, diese vertreten durch Dr.Anton Frank, Rechtsanwalt in Wels, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 5.Juli 1995, GZ 21 R 281/95-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 7.Juni 1995, GZ 2 P 26/92-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des am 24.6.1986 geborenen Kindes wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 20.12.1991 gemäß § 55a EheG geschieden. In dem anläßlich der Scheidung abgeschlossenen, insoweit pflegschaftbehördlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge für die Minderjährige künftig alleine der Mutter zustehe und der Vater für das Kind ab 1.1.1992 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.150 zu leisten habe.

Das Kind stellte am 29.3.1995 den Antrag, den vom Vater zu leistenden Unterhalt von ab 1.9.1992 von S 2.150 auf S 3.500 zu erhöhen.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater unter Abweisung des Mehrbegehrens, zum Unterhalt seiner Tochter für die Zeit vom 1.9.1992 bis 28.2.1994 S 3.280, für die Zeit vom 1.3. bis 31.12.1994 S 3.500 sowie beginnend ab 1.1.1995 bis auf weiteres S 2.370 jeweils im Monat zu bezahlen. Es traf dazu nachstehende Feststellungen:

Das Kind ist einkommenslos. Es wächst im Haushalt seiner Mutter auf und wird von dieser betreut.

Der taube und blinde Vater hat gesetzlich nur für das antragsgegenständliche Kind zu sorgen. Er war bis 21.3.1994 als Badewärter beschäftigt. In der Zeit vom 1.9.1992 bis 28.2.1994 erzielte er einschließlich der Sonderzahlungen und Zulagen ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 18.227. Bei seinem Ausscheiden im März 1994 erhielt er insgesamt einen Betrag von S 268.290,37 netto ausbezahlt, in welchem ua sechs Monatsgehälter gesetzliche Abfertigung sowie drei Monatsgehälter freiwillige Abfertigung sowie eine Urlaubsentschädigung in Höhe von S 42.493,94 brutto enthalten waren. Seit 1.4.1994 bezieht der Vater von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eine Invaliditätspension, die ab dem 1.1.1995 nach Abzug des Pflegegeldes S 11.298 netto monatlich, sohin unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen S 13.181 beträgt.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß nach der herrschenden Rechtsprechung der Kindesunterhalt in Prozentsätzen auszumessen sei und Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren dabei einen Unterhaltsanspruch im Ausmaß von 18 % der Bemessungsgrundlage hätten. Für die Zeit ab 1.1.1995 ergebe sich daher ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 2.370. Diese Unterhaltsleistung sei dem Vater zumutbar, da dessen krankheitsbedingter Mehraufwand durch Ausscheidung der Blindenbeihilfe bzw des Pflegegeldes entsprechend berücksichtigt worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte infolge Rekurses des Kindes diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Auch das Rekursgericht vertrat die Ansicht, daß die Berechnung der Unterhaltspflicht nach der Prozentsatzmethode zu erfolgen habe; dadurch werde ein sachlicher Ausgleich zwischen der Deckung der Bedürfnisse der Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsschuldners erreicht. Aus Gründen der Gleichbehandlung zwischen Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem sei es daher generell abzulehnen, einem Kind einen Unterhaltsbetrag in Höhe des Regelbedarfes zuzusprechen, wenn dem Unterhaltspflichtigen nur mehr ein Einkommensrest verbliebe, der etwa der Höhe der Mindestpension entspreche. Bedenke man, daß im vorliegenden Fall das unterhaltsberechtigte Kind nur auf etwa 21 % des Regelbedarfes verzichten müsse, wobei dieser Prozentsatz in etwa auch der Relation zwischen dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters und dem doch etwas höheren Durchschnittsnettoeinkommen in Österreich entspreche und dem Vater nach Abzug des vom Erstgericht zuerkannten Unterhaltsbeitrages von S 2.370 zur Deckung seiner eigenen Bedürfnisse im Monatsschnitt auch nur ein um rund S 1.800 den Richtssatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage übersteigender Einkommensrest verbleibe, so nehme die Minderjährige mit dem Unterhaltsbetrag von S 2.370 angemessen an den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten des Vaters teil.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unterhaltsbemessung nicht einheitlich sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen dahingehend abzuändern, daß die Unterhaltspflicht ab 1.1.1995 auf S 3.020 monatlich erhöht werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß ein konkretes Berechnungssystem dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibe, nicht entnommen werden könne. Es sei daher dem Obersten Gerichtshof verwehrt, Regeln der Unterhaltsbemessung derart zu einem System zu verdichten, daß als Ergebnis geradezu eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall zur Verfügung stünde (2 Ob 512/95, 2 Ob 548/94 mwN). Insbesondere stehe die Bemessung des Unterhaltes bloß in Höhe des Regelbedarfes ohne Bedachtnahme auf die konkreten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil sie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht berücksichtige. Hingegen stelle die Bemessung des Unterhaltes nach bestimmten nach Altersgrenzen abgestuften Hundertsätzen des Einkommens des Unterhaltsschuldners, durch die die Gleichbehandlung gleichartiger Fälle gewährleistet werden soll, an sich für durchschnittliche Fälle eine brauchbare Handhabe dar, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners angemessen teilhaben zu lassen (RZ 1991/26 und 50; SZ 63/88).

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 548/94 ausgesprochen, daß die Gefahr einer Unteralimentierung trotz vorhandener Leistungsfähigkeit bei undifferenzierter Handhabung der Prozentsatzmethode dann gegeben sei, wenn den Unterhaltsschuldner keine weiteren Unterhaltspflichten treffen. In derartigen Fällen sei primär auf die Bedürfnisse des Kindes (Regelbedarf) abzustellen. Es sei daher der Unterhalt eines 15-jährigen Kindes eines S 15.000 netto im Monatsdurchschnitt verdienenden Vaters, der keine weiteren Sorgepflichten habe, mit S 4.000 auszumitteln.

Diese Auffassung wurde in der Entscheidung 2 Ob 512/95 bekräftigt.

Die zuvor genannte Entscheidung des erkennenden Senates ist allerdings in der Entscheidung 7 Ob 503/95 (JBl 1996, 176) abgelehnt worden. Die generelle Anwendung der darin vertretenen Ansicht würde zum Ergebnis führen, daß sich Unterhaltspflichtige mit leicht unterdurchschnittlichen Einkünften Abzüge bis nahe an die Grenze des Existenzminimums gefallen lassen müßten, während ihrem Kind ein Unterhaltsbeitrag zur Verfügung stünde, der durchschnittlichen Einkommensverhältnissen und damit besseren Einkommensverhältnissen entspreche. Dadurch gehe die Koppelung des Unterhaltsanspruches des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern beim Einzelkind ohne konkurrierende Sorgepflichten verloren. Darüber hinaus wären die Bezieher leicht unterdurchschnittlicher Einkommen gegenüber den Beziehern mittlerer und höherer Einkommen grob benachteiligt, weil vom ohnehin schon geringen Einkommen ein höherer Prozentsatz abgetreten werden müßte als von einem besseren Einkommen.

Bei neuerlicher Prüfung der Sachlage vermag der erkennende Senat seine bisher geäußerte Rechtsmeinung nicht aufrecht zuerhalten.

Bei der Unterhaltsbemessung kommt es zwar vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an, es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (JBl 1991, 40 ua). Allein der Zuspruch des Unterhaltes jeweils in Höhe des Regelbedarfes ohne Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eltern steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang (SZ 63/88; RZ 1991/26; RZ 1991/50 ua). Aus der Tatsache allein, daß im konkreten Fall der Kindesvater nur für ein Kind sorgepflichtig ist, läßt sich entgegen der bisherigen Rechtsansicht des erkennenden Senates nicht ableiten, daß der Zuspruch des Regelbedarfes für das Kind gerechtfertigt wäre. Es würde dies tatsächlich zu einer groben Benachteiligung Bezieher unterdurchschnittlicher Einkommen führen. Der erkennende Senat vertritt in Abkehr seiner bisherigen Rechtsprechung die Meinung, daß auch bei Vorhandensein nur einer Unterhaltsverpflichtung der Unterhalt des Kindes im allgemeinen nach der Prozentsatzmethode zu bemessen ist. hat. Der angefochtene Beschluß war daher zu bestätigen.

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