Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Adolf G***** war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 6.8.1990 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.550,-- für seine bei der Mutter aufwachsende uneheliche Tochter Christina verpflichtet. Am 29.6.1994 beantragte die Bezirkshauptmannschaft G***** als Unterhaltssachwalter, die Unterhaltsbeiträge ab 1.7.1994 auf S 3.450,-- monatlich zu erhöhen. Der Vater sprach sich gegen jede Unterhaltserhöhung aus.
Das Erstgericht erhöhte die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1.7.1994 auf S 3.070,-- und wies das Mehrbegehren von S 380,-- ab. Es stellte fest, daß der Vater als Beamter der Post- und Telegraphendirektion L***** ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von S 15.339,-- verdient, vermögenslos ist und keine weiteren Sorgepflichten hat. Die Mutter hat am 31.7.1994 ihren Arbeitsplatz gewechselt. Sie bezog bei der Firma K***** in G*****, bei der sie bis dahin beschäftigt war, S 14.161,-- netto im Monat; seit 1.8.1994 arbeitet sie bei der Firma K***** in G*****. Sie hat ebenfalls kein Vermögen und keine weiteren Sorgepflichten. Nach ständiger Rechtsprechung stünden einem Kind im Alter von 10 bis 15 Jahren 20 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen zu, sodaß der aktuelle Unterhaltsbeitrag mit S 3.070,-- auszumessen sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe zwar in zahlreichen (auch den Sprengel des Landesgerichtes Wels betreffenden) Entscheidungen der Prozentsatzmethode gegenüber der Unterhaltsbemessung nach dem Regelbedarf den Vorzug gegeben. In seiner Entscheidung 2 Ob 548/94 habe der Oberste Gerichtshof jedoch in einem durchaus vergleichbaren Fall, in dem ebenfalls über ein Rechtsmittel gegen einen Beschluß des Landesgerichtes Wels entschieden worden sei, den Unterhalt nach dem Regelbedarf bemessen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist aus dem vom Gericht zweiter Instanz angeführten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof seit der Eröffnung der Möglichkeit, ihn gemäß § 14 Abs.3 AußStrG auch in Unterhaltsbemessungsfragen anzurufen, in einer Vielzahl von veröffentlichten und nicht veröffentlichten Entscheidungen ausgesprochen hat, kommt es bei der Unterhaltsbemessung vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an. Es ist aber auch - wie sich aus § 140 ABGB unmißverständlich ergibt - die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Der Zuspruch des Unterhaltes jeweils in der Höhe des Regelbedarfes ohne Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Eltern steht daher mit dem Gesetz nicht im Einklang (RZ 1991/50; ÖAV 1993, 20, U 71 mwN; SZ 63/88). Die Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzkomponente stellt für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe dar, um einen sachlichen Ausgleich zwischen der Deckung der Bedürfnisse des oder der Unterhaltsberechtigten und des Unterhaltsschuldners zu erreichen (ÖAV 1994, 69, F 77). Diese Methode ist insbesondere auch im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle heranzuziehen (RZ 1991/50; RZ 1993/43). Der Oberste Gerichshof hat auch selbst bereits mehrfach die Unterhaltsbemessung nach Hundertsätzen vom Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen vorgenommen (RZ 1992/24 ua).
Ungeachtet dessen erfordern besonders atypische Fälle eine den tatsächlichen Verhältnissen angepaßte individuelle Berücksichtigung der Bemessungskriterien (ÖAV 1994, 69, U 93). So wird etwa bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine Obergrenze beim Unterhaltsbeitrag gezogen, um eine Überalimentierung zu vermeiden (RZ 1991/26 ua). Andererseits ist bei einem sehr geringen Einkommen und womöglich zahlreichen konkurrierenden Sorgepflichten zu berücksichtigen, daß auch dem Unterhaltspflichtigen noch ein gewisser Mindestbetrag verbleiben muß (vgl RZ 1991/50; SZ 63/88).
Der vorliegende Fall weicht jedoch weder in der einen noch in der anderen Richtung erheblich vom Durchschnittsfall ab und birgt auch sonst keine Besonderheiten in sich.
In der Entscheidung 2 Ob 548/94 wird ausgesprochen, daß bei undifferenzierter Handhabung der Prozentsatzmethode die Gefahr der Unteralimentierung trotz vorhandener Leistungsfähigkeit dann gegeben sei, wenn den Unterhaltsschuldner keine weiteren Unterhaltspflichten träfen. In derartigen Fällen sei primär auf die Bedürfnisse des Kindes (Regelbedarf) abzustellen. Es sei daher der Unterhalt eines 15jährigen Kindes eines S 15.000,-- netto im Monatsschnitt verdienenden Vaters, der keine weiteren Sorgepflichten habe, mit S 4.000,-- (die Prozentsatzmethode ergäbe S 3.300,--) auszumitteln.
In dieser Allgemeinheit vermag sich der erkennende Senat dieser bislang vereinzelt gebliebenen Entscheidung nicht anzuschließen. Sie widerspricht dem in den oben zitierten Entscheidungen zum Ausdruck kommenden, durchaus erstrebenswerten Ziel einer Vereinheitlichung der Unterhaltsjudikatur und dem der Rechtssicherheit dienenden Grundsatz, daß annähernd gleichgelagerte und vergleichbare Fälle auch zu einer Gleichbehandlung der von der Entscheidung Betroffenen führen sollen. Sie vernachlässigt weiters das vom Gesetzgeber gewollte Bestreben nach einer angemessenen Abwägung dessen, was einerseits dem Unterhaltspflichtigen verbleiben und andererseits dem Unterhaltsberechtigten zukommen soll. Dem erkennenden Senat ist kein überzeugender Grund ersichtlich, warum die Prozentsatzmethode zwar bei mehreren konkurrierenden Sorgepflichten als geeignete Methode zur Ermittlung des konkreten Unterhaltsbetrages, nicht aber bei einer einzigen Sorgepflicht als geeignet angesehen werden sollte.
Der Bedarf eines Kindes hängt ja nicht von der Anzahl der Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen ab, insbesondere wenn es nicht im selben Haushalt mit mehreren Geschwistern wohnt und gebrauchte Kleidung usw. verwenden kann. Im übrigen wird sich ein Unterhaltspflichtiger auch bei intakten Familienverhältnissen umso mehr selbst einschränken müssen, je mehr Personen auf sein Einkommen angewiesen sind. Die generelle Anwendung der in 2 Ob 548/94 vertretenen Ansicht würde zum Ergebnis führen, daß sich Unterhaltspflichtige mit leicht unterdurchschnittlichen Einkünften Abzüge bis nahe an die Grenze des Existenzminimums, also ein nahezu existenzgefährdendes Einkommen gefallen lassen müssen, während ihrem Kind - vorausgesetzt, es ist das einzige - ein Unterhaltsbeitrag zur Verfügung stünde, der durchschnittlichen Einkommensverhältnissen und damit besseren Einkommensverhältnissen als im konkreten Fall entspricht. Die durchaus sachgerechte Koppelung des Unterhaltsanspruches des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern ginge hiedurch beim Einzelkind ohne konkurrierende Sorgepflichten verloren.
Im vorliegenden Fall muß das unterhaltsberechtigte Kind ohnehin nur auf etwa 10 % des Regelbedarfes verzichten. Dieser Prozentsatz entspricht durchaus der Relation zwischen dem Einkommen des hier unterhaltspflichtigen Vaters und des etwas höheren Durchschnittsnettoeinkommens in Österreich.
Zudem wären die Bezieher leicht unterdurchschnittlicher Einkommen gegenüber den Beziehern mittlerer und höherer Einkommen grob benachteiligt. Vom ohnehin schon - in absoluten Zahlen - geringen Einkommen müßte ein höherer Prozentsatz abgetreten werden als vom besseren Einkommen. Bei besseren, aber immer noch als durchschnittlich zu bezeichnenden Einkünften fiele die Bemessung nach dem Regelbedarf gegenüber der Prozentsatzmethode bei immer weniger prozentueller Belastung des immer besser verdienenden Unterhaltspflichtigen immer mehr zu Lasten des Kindes aus.
Nach Ansicht des erkennenden Senates ist der hier vorliegende Fall einer jener Durchschnittsfälle, bei denen die von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebilligte Prozentsatzmethode durchaus sachgerechte Ergebnisse bietet. Der erkennende Senat sieht trotz der nunmehr vorliegenden Entscheidung 2 Ob 548/94 aus den dargelegten Gründen im gegenständlichen Unterhaltsbemessungsverfahren keinen Anlaß, von der von den Untergerichten gewählten Art der Unterhaltsermittlung abzugehen, auch wenn es immer wieder Fallkonstellationen geben mag, bei denen die Prozentsatzmethode die Interessenslage zugunsten bzw. zum Nachteil des einen oder anderen von der Unterhaltsbemessung betroffenen Teiles verschiebt und daher entsprechender Korrekturen bedarf.
Der angefochtene Beschluß war daher zu bestätigen.
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