Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Vater Franz K***** schuldig ist, für die mj.Silvia S***** ab 1. November 1993 eine monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.000 zu Handen der Bezirkshauptmannschaft W***** zu bezahlen.
Text
Begründung
Der Vater der mj.Silvia S***** zahlt seit 1.Jänner 1991 einen monatlichen Unterhalt von S 3.020.
Nunmehr beantragt der Unterhaltssachwalter, den Unterhalt ab 1. November 1993 auf monatlich S 4.000 zu erhöhen, weil mit den derzeitigen Unterhaltszahlungen die Bedürfnisse der Minderjährigen nicht mehr zu decken seien. Der Vater verdiene monatlich S 14.450 netto und habe keine weiteren Sorgepflichten. Der Vater stimmte einer Unterhaltserhöhung auf S 3.300 monatlich zu und führte aus, lediglich S 12.000 monatlich netto zu verdienen; nach der Prozentsatzberechnung betrage seine Unterhaltsverpflichtung nur S 3.300.
Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltes von S 3.300 und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte fest, daß den Vater keine weiteren Unterhaltspflichten treffen und er unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen und des Überstundenentgeltes rund S 15.120 netto monatlich verdient; er besitzt kein Vermögen und hat auch keine Schulden.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Berechnung der Unterhaltspflicht habe nach der Prozentsatzmethode zu erfolgen weshalb der Vater für seine im 16.Lebensjahr stehende Tochter monatlich 22 % der Bemessungsgrundlage zu bezahlen habe, das seien rund S 3.300.
Das vom Unterhaltssachwalter angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Auch das Rekursgericht vertrat die Ansicht, daß im vorliegenden Fall die Berechnung der Unterhaltspflicht nach der Prozentsatzmethode zu erfolgen habe. Zu bedenken sei zwar, daß der Regelbedarf für Kinder in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren seit 1.Juli 1993 S 4.000 monatlich betrage, sodaß der nach der Prozentsatzmethode ermittelte Unterhalt die Bedürfnisse des Kindes nicht zur Gänze decken könne. Würde man dem Vater den vom Sachwalter begehrten monatlichen Betrag von S 4.000 auferlegen verblieben ihm noch immer rund S 11.000 zur Deckung seiner eigenen Bedürfnisse. Im Interesse der gleichen Behandlung gleichgelagerter Fälle bei durchschnittlichen Verhältnissen sei jedoch nach der Prozentsatzmethode vorzugehen und die Unterhaltspflicht des Vaters mit rund 22 % seines Nettoeinkommens zu bemessen.
Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unterhaltsbemessung doch nicht ganz einheitlich sei. Wenngleich eine Präferenz für die Anwendung der Prozentsatzmethode zu erkennen sei, seien doch in den meisten jener Fälle, in denen diese Methode herangezogen wurde, mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden gewesen.
Gegen diesen Beschluß richtete sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen dahingehend abzuändern, daß die Unterhaltspflicht auf S 4.000 monatlich erhöht werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht durch die starre Anwendung der Prozentsatzmethode von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, er ist auch berechtigt.
Der Unterhaltssachwalter vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, maßstabsgerechte Eltern würden in der Regel danach trachten, die durchschnittlichen Bedürfnisse ihrer Kinder zu befriedigen. Die Bestimmung des § 140 ABGB, wonach der Unterhalt "nach Kräften" zu leisten sei, sei dahingehend auszulegen, daß an den "maßstabsgerechten Eltern" der Anhaltspunkt zur Unterhaltsbemessung zu suchen sei.
Hiezu wurde erwogen:
Gemäß § 140 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes anteilig beizutragen. Bei der Unterhaltsbemessung kommt es vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an; es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern (JBl 1991, 40; 1 Ob 588/93 ua). Ein konkretes Berechnungssystem kann dem Gesetz, das die Bemessungskriterien nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe umschreibt, nicht entnommen werden. Es ist daher auch dem Obersten Gerichtshof verwehrt, Regeln der Unterhaltsbemessung derart zu einem System zu verdichten, daß als Ergebnis gerade zu eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall zur Verfügung stünde. Es können nur jene Umstände aufgezeigt werden, auf die es im Einzelfall ankommt (8 Ob 605/93). Die Bemessung des Unterhalts bloß in Höhe des Regelbedarfs ohne Bedachtnahme auf die konkreten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners steht mit dem Gesetz nicht im Einklang weil sie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht berücksichtigt (RZ 1991/26 und 50; 1 Ob 512/94 uva). Hingegen stellt die Bemessung des Unterhalts nach bestimmten nach Altersgrenzen abgestuften Hundersätzen des Einkommens des Unterhaltsschuldners, durch die die Gleichbehandlung gleichartiger Fälle gewährleistet werden soll, an sich für durchschnittliche Fälle eine brauchbare Handhabe dar, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners angemessen teilhaben zu lassen (RZ 1991/26; 1 Ob 512/94 ua). So wie aber bei überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltsschuldners die undifferenzierte Handhabung der Prozentkomponente die Gefahr einer Überalimentierung in sich birgt und ein solches Einkommen nicht etwa dazu führen darf, daß der Unterhaltsberechtigte über die im § 140 ABGB verankerte Angemessenheitsgrenze hinaus alimentiert wird (RZ 1991/26; 1 Ob 512/94 ua), ist die Gefahr einer Unteralimentierung trotz vorhandener Leistungsfähigkeit bei undifferenzierter Handhabung der Prozentsatzmethode dann gegeben, wenn den Unterhaltsschuldner keine weiteren Unterhaltspflichten treffen. In derartigen Fällen ist daher primär auf die Bedürfnisse des Kindes (Regelbedarf) abzustellen. Nach Ansicht des erkennenden Senates kann kein Zweifel daran bestehen, daß im Normalfall der über S 15.000 netto monatlich verdienende Vater einer im 16.Lebensjahr stehenden Tochter jedenfalls dann, wenn ihn keine weiteren Unterhaltspflichten treffen, bemüht sein wird, jene Bedürfnisse seines Kindes zu befriedigen, die jedes Kind dieser Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse hat. Berücksichtigt man nun im vorliegenden Fall, daß der Unterhaltsschuldner netto S 15.120 verdient und nach Abzug von S 4.000 ihm noch S 11.120, sohin rund 74 %, verbleiben, dann kann nicht gesagt werden, daß er durch die Deckung des durchschnittlichen Bedarfes eines Kindes zwischen 15 und 19 Jahren unzumutbar belastet wäre; vielmehr nimmt die Antragstellerin durch den Zuspruch eines Unterhaltes in dieser Höhe angemessen an den Lebensverhältnissen des Antragsgegners teil sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.
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