Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Unterhaltsverpflichtung des Vaters Geza D*****, gegenüber dem Minderjährigen von monatlich 4.000 S ab 1. Oktober 1992 auf monatlich 3.200 S herabgesetzt wird. Das auf eine weitere Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 1.500 S gerichtete Mehrbegehren des Vaters wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der eheliche Vater des jetzt 16jährigen Minderjährigen ist von Beruf Starkstrommonteur, derzeit aber als Magazinarbeiter mit einem monatlichen Nettoeinkommen von rund 16.100 S tätig; er lebt von seiner Gattin - die Ehe ist nach der Aktenlage noch aufrecht - und dem Minderjährigen seit Mai 1990 getrennt. Das Erstgericht verpflichtete den Vater mit dessen Einverständnis - ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von 20.000 S (vgl ON 7) - mit rechtskräftigem Beschluß vom 1. August 1990 ON 9 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 4.000 S ab 1. Juli 1990 an den Minderjährigen, der im Schuljahr 1992/93 die 5. Klasse des Bundes-Oberstufenrealgymnasiums in Eisenerz besucht. Während der Woche lebt er im Internat, weil keine tägliche Heimfahrmöglichkeit besteht; an den Wochenenden und während der Ferien lebt er im Haushalt der Mutter und wird von dieser betreut. Nach dem Inhalt der Auskunft des Wohnsitz-Gemeindeamtes bezieht die Mutter Arbeitslosenunterstützung von monatlich 5.555 S sowie Familienbeihilfe (für den Minderjährigen) von 1.650 S.
Das Erstgericht hat über - mit vermindertem Einkommen begründeten - Antrag des Vaters vom 13. November 1992 dessen Unterhaltspflicht von monatlich 4.000 S auf monatlich 2.600 S herabgesetzt und das Herabsetzungsmehrbegehren von 1.100 S abgewiesen. Es stellte noch fest, daß der Vater aufgrund Anerkenntnisurteiles vom 14. Jänner 1993 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 4.400 S an die Mutter verpflichtet sei, und folgerte rechtlich: Der Unterhalt minderjähriger Kinder sei im Rahmen der sogenannten Prozentkomponente festzusetzen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vaters sei gegeben; nach Abzug der Unterhaltsleistung an seine Gattin von monatlich 4.400 S verbleibe im Durchschnitt ein Einkommen von 11.683,71 S, das mit 22 % für die Unterhaltsleistung belastbar sei, woraus sich ein Betrag von 2.570,42 S (gerundet 2.600 S) ergebe. Dieser Unterhalt entspreche der Leistungsfähigkeit des Vaters und sei zur Deckung der Unterhaltsbedürfnisse des Minderjährigen auch unbedingt erforderlich, zumal der Regelbedarfssatz für ein Kind seiner Altersgruppe derzeit 3.690 S betrage.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des durch seine Mutter vertretenen Minderjährigen und des Vaters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Es vertrat, soweit hier relevant, noch die Auffassung, ein höherer als der vom Erstgericht zuerkannte Unterhalt würde den angemessenen Unterhalt des Vaters gefährden (§ 140 Abs 2 zweiter Satz ABGB).
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Minderjährigen ist gemäß § 14 Abs 1 und 3 AußStrG zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur hier maßgebenden Frage der Berücksichtigung konkurrierender Unterhaltspflichten abweicht; er ist teilweise auch berechtigt.
Die wesentliche Einkommensminderung des Vaters ist ein im Rahmen der für jede Unterhaltsverpflichtung geltenden (EFSlg 65.742 uva) Umstandsklausel relevanter Umstand. Bei der Unterhaltsbemessung kommt es vor allem auf die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten an; es ist aber auch die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag der Eltern zu ermitteln ist, gibt das Gesetz durch Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern (JBl 1991, 40; RZ 1991/50, RZ 1991/26; 4 Ob 512/92 ua). Auch andere gesetzliche Unterhaltspflichten des in Anspruch genommenen Unterhaltsschuldners - mögen sie bereits tituliert sein oder nicht - sind demnach so zu berücksichtigen, daß zunächst zur Wahrung der Gleichmäßigkeit aller im Prinzip gleichberechtigten gesetzlichen Unterhaltsansprüche von der für alle Unterhaltspflichten zur Verfügung stehenden gemeinsamen Unterhaltsbemessungsgrundlage auszugehen ist. Die Beteiligung der konkurrierenden Unterhaltsansprüche an den - oft zur Deckung der Regelbedarfssätze nicht ausreichenden - verfügbaren Unterhaltsmitteln richtet sich dann nach dem Stand der einzelnen Unterhaltsberechtigten (Ehegatten, Eltern, Kinder, Enkelkinder) und - bei gleichem Stand - nach Alter, Bedarf etc. Nur eine solche, auf diese Prinzipien Bedacht nehmende gerechte Verteilung der für alle Unterhaltsverpflichtungen insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel läßt eine angemessene Teilnahme aller Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu (EFSlg 64.956; 4 Ob 512/92; Pichler in Rummel 2, Rz 3a zu § 94 ABGB, Rz 5a zu § 140 ABGB). In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß die Unterhaltsbemessung nach Prozentkomponenten im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle erfolgen kann und für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe gibt, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (JBl 1991, 40; RZ 1991/50, RZ 1991/26; 4 Ob 512/92; Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 15). Diese Methode trägt auch den Grundsätzen einer angemessenen Berücksichtigung konkurrierender Unterhaltspflichten Rechnung, bestimmt sich doch der Unterhalt von Kindern nach den in der Rechtsprechung entwickelten und vom Schrifttum gebilligten Berechnungsformeln; für den hier relevanten Altersbereich für Kinder ab 15 Jahre sind es rund 22 % des Nettoeinkommens. Von diesem Prozentsatz sind Abzüge für konkurrierende Unterhaltspflichten (für jedes weitere Kind, je nach dessen Alter, 1 bis 2 %, und für einen Ehegatten, je nach dessen Eigenverdienst, 0 bis 3 %) vorzunehmen (4 Ob 512/92; Pichler aaO Rz 5a zu § 140 ABGB; Schlemmer-Schwimann in Schwimann, Rz 13 f zu § 140 ABGB, Purtscheller-Salzmann aaO Rz 14). Bei einer solchen Berechnungsmethode ist bei jeder zu ermittelnden Unterhaltsverpflichtung zugunsten mehrerer unterhaltsberechtigter Kinder der entsprechende Prozentsatz für konkurrierende Unterhaltspflichten abzuziehen. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, - innerhalb eines Quotensystems für Durchschnittsfälle - die konkurrierende Unterhaltsverpflichtung des Vaters für die Mutter durch Abzug eines absoluten Betrages von der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, wird vom Obersten Gerichtshof abgelehnt (ÖA 1992, 160; 3 Ob 517/93).
Da die Mutter derzeit nicht berufstätig ist, aber Arbeitslosenunterstützung bezieht, erscheint ein Abzug von 2 % als angemessen. Dies ergibt für den Minderjährigen eine Prozentkomponente von 20 %, die beim festgestellten Nettoeinkommen des Vaters von rund 16.100 S 3.220 S oder (geringfügig) abgerundet 3.200 S ergibt. Die Belastbarkeitsgrenze des Vaters wird damit noch nicht überschritten. Der Hinweis im Rechtsmittel auf einen Sonderbedarf des Minderjährigen (Internatsunterbringung) geht deshalb fehl, weil sich der Unterhalt bei Berücksichtigung eines Sonderbedarfs im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu halten hat (Schlemmer-Schwimann aaO Rz 30 zu § 140 ABGB). Der unterhaltspflichtige Vater hat zwar kein „beneficium competentiae“, doch muß ein zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse entsprechender Betrag verbleiben (SZ 63/121 = EFSlg 61.850; 8 Ob 1504/91 ua; Schlemmer-Schwimann aaO Rz 19 zu § 140 ABGB).
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Minderjährigen ist teilweise Folge zu geben.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)