OGH 9Ob2138/96v

OGH9Ob2138/96v15.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer, Dr. Steinbauer, Dr. Spenling und Dr. Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Steger, Rechtsanwalt in St.Johann im Pongau, wider die beklagte Partei ***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 180.000 sA (Revisionsstreitwert S 90.000 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 18. April 1996, GZ 3 R 72/96z-43, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Jänner 1996, GZ 12 Cg 10/94k-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde von der P***** GesmbH & Co KG mit der Lieferung einer zum Einbau in eine Pulvermühle bestimmten Prallscheibe beauftragt. Da die Klägerin über diesen Teil nicht selbst verfügte, beauftragte sie die Beklagte mit der Lieferung der Scheibe. Die Lieferung erfolgte am 1.6.1992. Anläßlich der Übergabe der Prallscheibe wurden bei einer in Anwesenheit des technischen Leiters der Klägerin und des mit technischen Abwicklungen betrauten Mitarbeiters der Beklagten vorgenommenen Überprüfung zahlreiche Lunker- und Spannungsrisse im Gußgefüge festgestellt. Auf Kosten der Beklagten wurde eine Reparatur der Prallscheibe vereinbart. Der nicht das nötige Fachwissen besitzende technische Leiter der Klägerin hatte dann keine Bedenken gegen die Auslieferung der verbesserten Prallscheibe. Nachdem ein Drittunternehmen, das die Verbesserungsarbeiten vorgenommen hatte, bestätigt hatte, daß die Reparatur ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, unterließ er eine weitere Rüge gegenüber der Beklagten. Das Ausschweißen von Lunkern, das im vorliegenden Fall erfolgte, war aber zur Schadensbehebung nicht geeignet. Die ordnungsgemäß eingebaute Prallscheibe verursachte durch einen Bruch einen Schaden von zumindest S 180.000 an der Pulvermühle. Schadensursache war nicht die mangelnde Qualität des Grundmaterials, sondern der dort vorhandene Lunker und die Schweißarbeiten an diesem. Die Klägerin zahlte am 18.10.1993 an die P***** GesmbH & Co KG Schadenersatz in der Höhe von S 180.000.

Die Klägerin nimmt in der vorliegenden Klage Regreß gegenüber der Beklagten auf Grund der Bestimmungen des ABGB und des PHG in Höhe des von ihr geleisteten Schadenersatzes. Der Schade sei auf einen von der Beklagten zu vertretenden Fehler des gelieferten Produktes zurückzuführen. Die Beklagte hafte gemäß § 1 Abs 2 PHG wegen Nichtbekanntgabe des Herstellers bzw auch gemäß § 1313 a ABGB. Der Regreßanspruch nach dem PHG unterliege keiner Rügepflicht.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie treffe kein Verschulden am Schadenseintritt. Die Klägerin habe nach der Mängelbehebung keinerlei weitere Mängelrüge erhoben.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 90.000 und wies das Mehrbegehren ab.

In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Erstgericht den Regreßanspruch der Klägerin nach § 12 PHG als zu Recht bestehend. Er sei als außervertraglicher Anspruch nicht der Rügepflicht nach § 377 HGB unterlegen, selbst wenn vertragliche Ansprüche aus dem zweiseitigen Handelsgeschäft durch Unterlassung der Mängelrüge verwirkt worden seien. Beide Streitteile treffe jedoch ein Mitverschulden am Schaden, weil sie in Kenntnis des Bestimmungszweckes und des Erfordernisses der Lunkerfreiheit ein diesbezüglich mangelhaftes Produkt lieferten. Infolge der leichten Fahrlässigkeit sei eine Schadensteilung von 1 : 1 gerechtfertigt.

Das Gericht zweiter Instanz gab den Berufungen der Streitteile keine Folge.

Es führte rechtlich aus, daß die Beklagte für das Inverkehrbringen einer mit technischen Mängeln behafteten Sache einzustehen hätte. Dieser Rückgriffsanspruch sei nach den Regeln des § 896 ABGB auszumessen und als interner Ausgleichsanspruch ein dem Aufwandsersatzanspruch nach § 1042 ABGB ähnlicher eigener Anspruch des Regreßberechtigten, der sich primär nach den besonderen Verhältnissen unter den Mitschuldnern richte. Dabei sei insbesondere die Schwere des Verschuldens und die Anteile am Ursachenzusammenhang zu betrachten. Dies habe zur Folge, daß eine allfällige, den Verlust eigener Schadenersatzansprüche der Klägerin bewirkende Rügepflichtverletzung im Sinne des § 377 Abs 2 HGB der Klägerin nicht schade und der Anspruch im Ausmaß der vom Erstgericht angenommenen Schadensteilung zu Recht bestehe. Er entspreche dem im § 12 Abs 2 PHG angeführten Aufteilungsgrundsatz, nach dem das besondere Verhältnis im Sinne des § 896 ABGB zu beachten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob die Verletzung der Rügepflicht gemäß § 377 HGB Regreßansprüche nach dem Produkthaftpflichtgesetz vernichte, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob und inwieweit die Klägerin einen Fehler des Produktes durch mangelndes Fachwissen des Zeugen K***** mitverursacht hat, ist genauso ohne Bedeutung wie die Frage, ob § 12 Abs 1 PHG oder § 12 Abs 2 PHG zur Anwendung gelangt, weil dies nur auf den Umfang des Regreßanspruches Auswirkungen zeitigt. Ohne Bedeutung ist ferner, ob der festgestellte Schaden an der Pulvermühle auch Sachfolgeschäden beinhaltet, weil hiezu schon das Berufungsgericht zutreffend ausführte, daß die Beklagte in erster Instanz die Einwendung, der Ersatzbetrag betreffe nicht nur die Kosten der Wiederherstellung der beschädigten Pulvermühle oder den Ersatz deren Wertes nicht erhoben hat. Die Vorinstanzen haben auf Grund eines Mitverschuldens der Klägerin eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 vorgenommen.

Entscheidend ist die Frage, ob ein Regreßanspruch der Klägerin deshalb ausgeschlossen ist, weil sie ihre Rügeobliegenheit nach § 377 HGB nicht nachgekommen ist. Dies hängt davon ab, ob die Verletzung der Rügepflicht, die zu einer Fiktion der Genehmigung des Produktes und nach der Rechtsprechung auch zum Verlust aller aus dem Mangel der Ware abgeleiteten Rechte führt (Kramer in Straube, HGB, Rz 50 zu § 377, 378; SZ 50/93, SZ 63/197) den parallel dazu bestehenden Regreßanspruch nach § 12 PHG vernichtet.

Der interne Rückgriffsanspruch eines im Rahmen der Produkthaftung Ersatzpflichtigen gegen Mithaftende beruht nicht in einer Schadenersatzpflicht, sondern auf dem Gemeinschaftsverhältnis (SZ 60/55 ua). Der Ausgleichsanspruch des in Anspruch genommenen Solidarschuldners ist ein selbständiger Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Mitschuldnern bestehenden Verhältnis richtet (= besonderes Verhältnis: SZ 60/55; 8 Ob 27/94). Er ist vom Ersatzanspruch des Geschädigten verschieden und ein dem Aufwandsersatz nach § 1042 ABGB ähnlicher selbständiger Anspruch (Wolff in Klang Komm2 VI, 56; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 79 zu § 1302; JBl 1983, 202; 8 Ob 611/91). Das besondere Verhältnis zwischen den Streitteilen kann im konkreten Fall die endgültige Schadenstragung im Innenverhältnis zu gleichen Teilen hindern und richtet sich nach dem Ausmaß der Beteiligung (Verursachungs-, Rechtswidrigkeits- und Schuldanteil: JBl 1983, 202) und den Eigentümlichkeiten der zwischen den Mitschuldnern bestehenden Rechtsbeziehung, die wieder ein Arbeitsverhältnis, Gesellschaftsverhältnis oder auch ein sonstiger Vertrag - wie hier - ein beiderseitiges Handelsgeschäft und ein in diesem Rahmen geschlossener Kauf- oder Werklieferungsvertrag sein kann (Gamerith in Rummel, ABGB2 Rz 6 zu § 896; 5 Ob 64/94 mwN). Daß Vereinbarungen bestanden hätten, die einen Rückgriff vertraglich beschränkten oder ausschlossen, ist nicht hervorgekommen.

Ein nach dem PHG Ersatzpflichtiger hat nach § 12 PHG einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch ähnlich wie der Bürge nach § 1358 ABGB, der nach Lage des Falles mit einem Anspruch auf Grund des besonderen (hier Vertrags-)verhältnisses zwischen mehreren Haftenden konkurrieren, durch dieses besondere Verhältnis aber auch beschränkt oder überhaupt ausgeschlossen sein kann (Spielbüchler, Schuldverhältnis, 60; Gschnitzer, Schuldrecht Allg Teil2, 273; Mayerhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht Allg Teil, 142; Gamerith in Rummel ABGB2 Rz 11 zu § 1358; Mertens in Münchner Kommentar BGB Rz 285 zu § 823; JBl 1988, 253). Bei Unvereinbarkeit zwischen Innenverhältnis und dem Anspruch nach der grundsätzlich dispositiven Bestimmung (Reindl in Fitz/Pfurtscheller/Reindl, PHG Rz 8) des § 12 PHG geht das Innenverhältnis vor und verdrängt den gesetzlichen aber dispositiven Anspruch nach § 12 PHG. Eine Unvereinbarkeit ist mangels einer vertraglichen Beschränkung des Rückgriffsanspruches nicht gegeben, sodaß der Anspruch aus dem vertraglichen Innenverhältnis, der durch Verletzung der Rügeobliegenheit erloschen ist, keine Auswirkungen auf den selbständigen Anspruch nach § 12 PHG aufweist.

Der Regreßanspruch als außervertraglicher Anspruch unterliegt auch dann, wenn der Regreßberechtigte Kaufmann im Sinne des HGB ist, nicht der Rügepflicht nach § 377 HGB, weil der mit der Verletzung der Rügepflicht verbundene Rechtsverlust nur alle aus dem Mangel der Ware abgeleiteten Rechte (SZ 50/93, SZ 63/197), die sich aus der Verletzung des Vertrages und die dadurch bestimmte Beschaffenheit der Ware gründen, betrifft (Kramer in Straube aaO Rz 50 zu § 377, 378 mwN; Reindl aaO, Rz 9 zu § 12 mwN auch aus der deutschen Judikatur; Welser PHG Rz 17 zu § 1 mwN, vgl 1 Ob 555/95). Beim Anspruch nach § 12 PHG handelt es sich aber um einen aus dem Gesetz abgeleiteten, von einem Vertragsverhältnis insoweit unabhängigen Rückgriffsanspruch, der nicht auf einer Schadenersatzpflicht, sondern auf dem Gemeinschaftsverhältnis mehrerer nach dem PHG Haftender beruht.

Da der Rückersatzanspruch der Klägerin nur ein dem Aufwandersatzanspruch nach § 1042 ABGB ähnlicher aber selbständiger Anspruch ist, der schon in§ 12 PHG iVm §§ 896, 1302 ABGB begründet ist, ist es ohne Bedeutung, ob der subsidiäre allenfalls in Konkurrenz dazu bestehende und hiedurch auch nicht ausgeschlossene ergänzende (Preslmayr, Handbuch zum PHG, 45) Bereicherungsregreßanspruch nach § 1042 ABGB (JBl 1996, 48 = WoBl 1996/27) deshalb nicht geltend gemacht werden könnte, weil der Aufwand in Erfüllung eigener Vertragspflicht erfolgte (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 1042; Koziol/Welser, Grundriß10 I, 422; SZ 52/79; EvBl 1996/108).

Zu Recht haben daher die Vorinstanzen den Anspruch der Klägerin bejaht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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