OGH 7Ob2377/96a

OGH7Ob2377/96a15.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Hermann P*****, vertreten durch Dr.Rudolf Watschinger, Rechtsanwalt in Ried, wider die beklagte Partei I***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Ludwig Pramer und Dr.Peter Lindinger, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse S 119.078,64), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27.Juni 1996, GZ 6 R 95/96z-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2.Jänner 1996, GZ 1 Cg 199/95w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605,-- (darin S 1.267,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Zivilingenieur. Seine Interessensvertretung, die Ingenieurkammer für O***** und S*****, hat bei der beklagten Partei eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen, durch die er Versicherungsnehmer wurde.

Artikel 3.1.1. der Versicherungsbedingungen bestimmt, daß sich der Versicherungsschutz auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus der für die Versicherten ausgeübten beruflichen Tätigkeit jener Personen, die als ihre Angestellten in leitender oder beaufsichtigender Position tätig sind, erstreckt. Artikel 6.1.2. regelt den Ausschluß vom Versicherungsschutz bei Schadenersatzverpflichtungen infolge bewußten Zuwiderhandelns gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften, sowie infolge bewußten Zuwiderhandelns gegen Anweisungen oder Bedingungen des Auftraggebers oder dessen Bevollmächtigten.

Unter Punkt 6. im Artikel 6 ist bestimmt, daß die Ausschlußgründe 1.2 bis 5. gegen alle Personen wirken, auf die sich der Versicherungsschutz dieses Vertrages erstreckt, auch wenn er in einem Versicherungsfall nur hinsichtlich einer oder eines Teiles dieser Personen gegeben ist.

Ing.Albert R***** war vom 1.4.1991 bis 29.2.1992 im Zivilingenieurbüro des Klägers als Prüfingenieur tätig; er war im Sinne des Punktes 3.1.1. der Vertragsbedingungen mitversichert.

Am 6.9.1991 führte er als Dienstnehmer des Klägers im Auftrag der Firma Jörg M***** eine routinemäßige Überprüfung eines Bauaufzuges durch. Bei der Durchführung der Belastungsprobe kam es zu einem Unfall, weil er anstelle geeigneter Belastungsgegenstände mit (dem auf dieser Baustelle anwesenden) Christian S*****, einem Neffen des Bauherrn, im Transportkorb des Aufzuges in die Höhe fuhr, wobei sich in weiterer Folge das oberste Stahlelement des Aufzugturmes löste und der Transportkorb mit den beiden Männern zu Boden stürzte und Christian S***** schwer verletzt wurde.

Wegen dieses Vorfalles wurde Ing.Albert R***** zu ***** des Bezirksgerichtes R***** rechtskräftig wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 1.Fall StGB verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes R***** vom 20.4.1994 wurde Ing.Albert R***** schuldig erkannt, Christian S***** S 93.637,50 sA zu bezahlen; außerdem wurde einem Feststellungsbegehren im Umfang von 75 % Folge gegeben und Ing.R***** zum Kostenersatz in der Höhe von S 36.677,-- an Christian S***** verurteilt. An eigenen Kosten sind Ing.R***** S 17.390,-- erwachsen. Der Kläger ist diesem Verfahren trotz Aufforderung des Ing.R***** in der Klagebeantwortung nicht als Nebenintervenient beigetreten. In der Folge wurde der Kläger von Ing.R***** zur Schadloshaltung im Sinne des DHG aufgefordert. Der Kläger forderte die beklagte Partei auf, in den Schadensfall einzutreten, diese lehnte jedoch die Haftung ab. Der Kläger wurde letztlich mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes R***** zu ***** schuldig erkannt, dem Ing.Albert R***** einen Betrag von S 114.454,41 samt 4 % Zinsen seit 31.5.1994 und die mit S 29.069,40 bestimmten Prozeßkosten zu bezahlen. Außerdem wurde in diesem Urteil festgestellt, daß der Kläger für alle künftigen gegen Ing.Albert R***** gerichteten Ansprüche des Christian S***** aus dem genannten Unfall im Umfang von 75 % zu haften habe. Dem Kläger sind in diesem Verfahren Kosten in der Höhe von S 37.121,20 erwachsen.

Die Haftpflichtversicherung sieht einen Selbstbehalt in der Höhe von S 65.000,-- vor.

Der Kläger begehrt gegenüber der beklagten Versicherung die Übernahme der Deckung für die ihn treffenden Verpflichtungen aus dem Unfall vom 6.9.1991 in W*****. Art.6 Z 1.2 der Versicherungsbedingungen sei sittenwidrig, weil damit jegliche Haftung des Haftpflichtversicherers ausgeschlossen werde.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen, und wendete Leistungsfreiheit ein, weil der Mitversicherte Ing.R***** bewußt gegen für seine berufliche Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften zuwidergehandelt habe. Dieser Ausschlußgrund wirke gegen alle Personen, auf die sich der Versicherungsschutz des Vertrages erstrecke, auch wenn er in einem Versicherungsfall nur hinsichtlich einer oder eines Teiles dieser Personen gegeben sei. Der Ausschließungsgrund gegenüber Ing.R***** wirke somit auch gegenüber dem Kläger. Im übrigen bestehe für den geltenden Anspruch kein Versicherungsschutz; es handle sich nämlich nicht um eine Schadenersatzverpflichtung, sondern um einen Vergütungsanspruch nach § 3 DHG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil nur die Folgen von Schadenersatzverpflichtungen vom beklagten Versicherer zu decken seien, nicht aber Vergütungsansprüche nach § 3 DHG, wie sie in der Klage erhoben würden. Selbst wenn aber dieser Vergütungsanspruch vom Versicherungsschutz umfaßt wäre, läge der Ausschließungsgrund gemäß Art.6 Z 1.2. der Allgemeinen Bedingungen vor, weil Ing.Albert R***** die Mitbenützung des dann abgestürzten Bauaufzuges durch Christian S***** gestattet habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß mit einem derartigen Bauaufzug der Personentransport verboten sei. Er habe damit bewußt gegen eine für den Betrieb des Klägers geltende Vorschrift verstoßen, und zwar gegen § 68 Abs 4 der Bauarbeiterschutzverordnung, wonach die Beförderung von Personen mit Vorrichtungen, die nur für den Transport von Lasten bestimmt seien, verboten sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil und bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Ein Vergütungsanspruch nach § 3 DHG setze eine solidarische Schadenersatzverpflichtung des Dienstgebers mit seinem Dienstnehmer gegenüber dem Dritten voraus. Dem Vergütungsanspruch liege daher regelmäßig eine eigene Schadenersatzverpflichtung des in Anspruch genommenen Dienstgebers zugrunde. Der Vergütungsanspruch nach § 3 DHG sei sohin eine Folge von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Kläger aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privaten Inhaltes erwachsen seien. Allerdings sei zweifelhaft, ob Christian S***** zum Kreis jener Personen zähle, die in den Schutzbereich des zwischen dem Kläger und dem Eigentümer des Aufzuges geschlossenen Prüfvertrages fallen. Nehme man keine Solidarhaftung des Klägers mit Ing.R***** gegenüber S***** an, so liege keine Schadenshaftung des Klägers aus Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes vor. Nach Artikel 6.6. der für diesen Versicherungsfall geltenden Bedingungen wirkten die Ausschließungsgründe 1.2 bis 5. gegen alle Personen, auf die sich der Versicherungsschutz dieses Vertrages erstrecke, auch wenn er in einem Versicherungsfall nur hinsichtlich einer oder eines Teiles dieser Personen gegeben sei. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß ein allfälliges bewußtes Zuwiderhandeln des Ing.R***** im Sinne des Artikel 6.1.2. dem Versicherungsnehmer zuzurechnen sei, sodaß ein Risikoausschluß vorliege. Der Vorsatz des Versicherungsnehmers oder des ihm zuzurechnenden Mitarbeiters müsse sich nur auf das Zuwiderhandeln, nicht aber auch auf die damit möglicherweise verbundenen Schadensfolgen erstrecken; selbst wenn der Versicherungsnehmer bzw. der ihm nach den Bedingungen Zuzurechnende den Eintritt des Schadens nicht billige, sondern im Gegenteil hoffe, daß er nicht eintreten werde, reiche der bewußte Verstoß für sich allein aus, die Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken. Art.6 Z 1.2 der Versicherungsbedingungen sei auch nicht sittenwidrig, weil einerseits mit der Deckung für unbewußtes fahrlässiges Verhalten des Versicherungsnehmers ein Gutteil von Schadensfällen abgedeckt sei, andererseits es dem Versicherungsnehmer bei bewußtem Zuwiderhandeln gegen berufsspezifische Vorschriften am entsprechenden Rechtsschutzinteresse mangle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Kläger hat sich zur Erfüllung der eigenen vertraglichen Verpflichtung zur Prüfung eines Bauaufzuges seines Mitarbeiters Ing.R***** bedient. Wie die zweite Instanz zutreffend ausgeführt hat, ist allgemein anerkannt, daß Schutz- und Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten des Schuldners nicht nur gegenüber seinem Vertragspartner, sondern auch gegenüber dritten Personen bestehen, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluß vorhersehbar und denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet war. In diesen Fällen wird den dritten Personen die Geltendmachung eines eigenen Schadens aus fremdem Vertrag zuerkannt. Die Vorhersehbarkeit der Kontaktmöglichkeit darf nicht zu eng verstanden werden. Es muß genügen, daß dem Vertragspartner generell erkennbar ist, daß möglicherweise dritte Personen im Gefahrenbereich sein werden (JBl 1985, 295). Bei einem Delikt des Erfüllungsgehilfen innerhalb des vom Geschäftsherrn vertraglich übernommenen Pflichtenkreises haftet der Geschäftsherr nach § 1313a ABGB für den durch den Erfüllungsgehilfen verschuldeten Schaden (SZ 32/153). Daß bei der Aufzugsüberprüfung der Auftraggeber des Klägers, der Mieter des Aufzuges oder ein von diesen Personen mit ihrer Vertretung Beauftragter anwesend sein würde, war für den Kläger vorhersehbar. Zum Kreis der von den Schutzpflichten des Klägers erfaßten Personen gehörte daher auch Christian S*****. Es lag sohin auch eine Solidarhaftung des Klägers mit Ing.R***** gegenüber Christian S***** vor, sodaß diese Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Ing.R***** iS des § 3 Abs 2 DHG und damit eine Verschuldenshaftung des Klägers aus Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegeben wäre.

Damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen, weil die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen sind, daß Ing.R***** bewußt gegen für seine beruflichen Tätigkeiten geltende Gesetze, Verordnungen oder behördliche Vorschriften iS des Art 6 Pt.1.2 der Vertragsbedingungnen zuwidergehandelt hat und daß damit ein Ausschluß des Klägers vom Versicherungsschutz gegeben ist, weil der genannte Ausschlußgrund sich gemäß Art 6 Pt 6 iVm Art 3 Pt 1.1 auch auf Ing.R***** als mitversicherten Angestellen des Klägers erstreckt. Es steht fest, daß dem Ing.R***** bekannt war, daß bei einem Bauaufzug wie bei dem von ihm zu prüfenden der Personentransport verboten ist; dies ergibt sich ausdrücklich aus § 68 Abs 4 der Bauarbeiterschutzverordnung in der zur Zeit des Unfalls geltenden Fassung (BGBl 1954/267):"Die Beförderung von Personen mit Vorrichtungen, die nur für den Transport von Lasten bestimmt sind, ist verboten". Die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung gelten für die Ausführung von Bauarbeiten aller Art, einschließlich der Bauneben- und der Bauhilfsarbeiten auf Baustellen von Betrieben iS der Bestimmungen des Arbeitsinspektoratsgesetzes (§ 1 Abs 1). Der Anwendungsbereich einer Schutznorm erstreckt sich auf den Schutz solcher Personen, die befugterweise in den Gefahrenbereich gelangen (SZ 43/132). Ing.R***** hatte daher auch die genannte Bestimmung dieser Verordnung zu beachten. Er hat im übrigen die Kenntnis dieser Bestimmung nie bestritten (vgl. seine Angaben auf AS 14 unten in 3 U 178/91 des Bezirksgerichtes R***** und AS 21 in 2 Cg 136/93 des Landesgerichtes R*****, auf die in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen wurde).

Daß die Bestimmung des Art 6 Pt 1.2 der Vertragsbedingungen entgegen der Ansicht des Klägers nicht sittenwidrig ist, hat die zweite Instanz in zutreffender Weise begründet; die Revisionsausführungen sind nicht stichhältig (§ 510 Abs 3 ZPO). Im übrigen erachtet auch der Revisionswerber einen Haftungsausschluß bei absichtlichem oder grobfahrlässigem Zuwiderhandeln gegen Vorschriften für gerechtfertigt und will lediglich leichte Fahrlässigkeit von einem Ausschluß ausnehmen. "Bewußtes" Zuwiderhandeln geht aber über leichte Fahrlässigkeit ganz unzweifelhaft hinaus.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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