OGH 9ObA2254/96b

OGH9ObA2254/96b4.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayr und Anton Degen in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mieczyslaw Z*****, Arbeitnehmer, ***** vertreten durch Dr.Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Renate W*****, Transportunternehmerin, ***** vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 91.734,09 brutto sA (Revisionsstreitwert: S 88.733,72 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.April 1996, GZ 7 Ra 7/96w-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.August 1995, GZ 30 Cga 50/94w-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat richtig das Vorliegen eines Entlassungsgrundes verneint, sodaß es ausreicht, auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

In der Mängelrüge macht die Revisionswerberin vor allem geltend, das Erstgericht habe sich mit ihrem in erster Instanz erhobenen Prozeßvorbringen nicht oder nicht ausführlich genug auseinandergesetzt, die getroffenen Feststellungen seien unrichtig oder mangelhaft. Sie wiederholt damit ihre bereits vom Berufungsgericht nicht als stichhaltig angesehenen Behauptungen über das Vorliegen der Mängel des Verfahrens erster Instanz, sowie teilweise die in der Berufung erhobene Beweisrüge und die Darstellung dort geltend gemachter Aktenwidrigkeiten. Zu ihren den Sachverhaltsbereich betreffenden Ausführungen kann schon deshalb nicht Stellung genommen werden, weil der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist. Soweit vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz oder Aktenwidrigkeit neuerlich gerügt werden, ist dies im Revisionsverfahren nicht mehr möglich. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung gezogene Schlußfolgerungen können im übrigen keine Aktenwidrigkeit begründen.

Gemäß der nach § 376 Z 47 GewO 1973 und 1994 weiterhin in Geltung stehenden Bestimmung des § 82 lit f GewO 1859 (9 ObA 193/94, 8 ObA 325/94) kann ein Arbeiter entlassen werden, wenn er die Arbeit unbefugt verlassen hat oder beharrlich seine Pflichten vernachlässigt. Die Pflichtwidrigkeit eines Dienstversäumnisses liegt vor, wenn der Arbeiter die vertragliche kollektivvertragliche gesetzliche Arbeitszeit ohne einen die Pflichtwidrigkeit ausschließenden Rechtfertigungsgrund nicht eingehalten hat (Kuderna Entlassungsrecht2, 105). Die Nichtbefolgung einer Anordnung von Arbeitsleistungen, die gegen die Bestimmungen des Arbeitzeitschutzrechtes verstößt, bildet keinen Entlassunggrund (Martinek/M.W.Schwarz AngG7, 326, 639 mwN). Selbst wenn man den Ausführungen der Revisionswerberin folgt und der Kläger nach einer Ruhepause von 10 Stunden um 10.00 Uhr am 11.9.1993 von Rüdenhausen weggefahren wäre, hätte er unter Berücksichtigung des in Österreich geltenden Wochenendfahrverbotes und der zurückzulegenden Strecke innerhalb der höchstzulässigen Wocheneinsatzzeit von 72 Stunden am 11.9.1993 bis 15.00 Uhr das Fahrziel Wien nicht erreichen können, weil die Revisionswerberin ja selbst, zugesteht, daß er bei Fahrtbeginn am 12.9. um 22.00 Uhr in Österreich erst in den Morgenstunden des 13.3. gerade dann angekommen wäre, wenn er bei der Verzollung hätte sein müssen. Seine ununterbrochene Wochenruhe von 36 Stunden hätte begonnen, die nach Ansicht der Revisionswerberin bis 2.00 Uhr und nach Ansicht der Vorinstanzen bis 0.00 Uhr des 13.9.1993 gedauert hätte.

Im übrigen ist den Vorinstanzen zuzubilligen, daß es auch bei einem pflichtwidrigen Verlassen des Fahrzeuges, um die Wochenruhe anzutreten, im vorliegenden Fall einer Ermahnung bedurft hätte, um einen Entlassungsgrund zu verwirklichen, weil das Zurücklassen des LKW am Rastplatz in Rüdenhausen (östlich von Würzburg) zumindest nicht unüblich war. Ein gravierender Verstoß gegen die Vertragspflichten hätte daher nur dann vorgelegen, wenn der Arbeitgeber zu erkennen gegeben hätte, daß von dieser üblichen Gepflogenheit abgegangen werden muß.

Weiters darf nicht vernachlässigt werden, daß auch ohne sofortige Ankündigung des Klägers, deren Unterlassung daher nicht relevant ist, daß er seinen Heimatort aufsuchen und den LKW in Rüdenhausen zurücklassen werde, noch zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Beklagten von diesem Umstand am 11.9.1993 die Möglichkeit bestanden hätte, Dispositionen zur pünktlichen Verzollung am 13.9.1993 um 6.00 Uhr früh, die auch noch bis 10.00 Uhr ohne Anmeldung erfolgen hätte können, zu treffen und den Kläger anzuweisen, den Fahrtauftrag unverzüglich auszuführen, was zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre, wenn die Beklagte schon der Ansicht war, daß der Kläger pflichtwidrig seine Arbeitszeit und den Arbeitsauftrag nicht eingehalten hat. Selbst wenn der Kläger daher auch ohne Verletzung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften am 11.9.1993 die Fahrt fortsetzen hätte können, hätte er das Ziel vor Eintritt der Wochenendruhe nicht erreicht. Sein Verhalten verletzte seine Dienstpflichten nicht so schwer, daß die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zum Entlassungszeitpunkt gegeben war, zumal dem Kläger nicht einmal Gelegenheit gegeben wurde, seinen Arbeitsauftrag vielleicht doch zu erfüllen.

Was die unbezahlte Mittagspause von einer Stunde betrifft, hat bereits das Erstgericht eine Stunde bei Berechnung seiner Einsatzzeiten ab 6.9.1993 mit Ausnahme des 9. und des 10.9.1993 berücksichtigt. Daß die Essenspause an diesen letzteren Tagen in Anspruch genommen wurde, steht nicht fest.

Da nach den allein entscheidenden Feststellungen, der Kläger unter fortlaufender Übernahme der Urlaubsansprüche von der Beklagten nach der Betriebsübernahme von ihrem Vater ohne Vorbehalt weiter beschäftigt wurde, ist die Annahme, daß der Kläger von der Beklagten mit allen Rechten und Pflichten übernommen wurde, nicht rechtsirrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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