OGH 7Ob2369/96z

OGH7Ob2369/96z13.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Karl N***** (vormals Dr.Josef G*****) als Landesgrundverkehrsreferent beim Amt der Tiroler Landesregierung, 6010 Innsbruck, Landhaus, vertreten durch Dr.Ernst Offer und Dr.Wolfgang Offer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Adolf S*****, 2.) Firma A*****gesellschaft mbH in Liquidation, vertreten durch den Liquidator Ing.Karl M*****, 3.) Hans-Eberhard J*****, und 4.) Maria-Margareta J*****, alle vertreten durch Dr.Manfred Trentinaglia und Dr.Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes (Streitinteresse S 150.000,-), aus Anlaß des Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10.Oktober 1995, GZ 1 R 260/95-17, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Juni 1995, GZ 17 Cg 19/95a-13, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird von amtswegen auf "Der Landesgrundverkehrsreferent der Tiroler Landesregierung, Dr.K***** N*****, 6010 Innsbruck, Landhaus" richtiggestellt.

2. Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG, Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auszusprechen, daß die §§ 35 und 40 Abs 6 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl für Tirol 1993 Nr 82, verfassungswidrig sind.

Mit der Fortführung des Rechtsmittelverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Anstelle des bei Klagseinbringung und auch bei Schluß der Verhandlung erster Instanz von der Tiroler Landesregierung gemäß § 14 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 LGBl 69 (in der Folge kurz: GVG 1983) zum Landesgrundverkehrsreferenten bestellten und auch im Klagsrubrum bis einschließlich des Rekursschriftsatzes stets gleichlautend genannten Dr.J*****G***** wurde mit Wirksamkeit vom 3.4.1996 gemäß § 30 Tiroler Grundverkehrsgesetz LGBl 1993/82 (im folgenden kurz: GVG 1993) OR Dr.K***** N***** mit Wirkungsbeginn ab 3.4.1996 für die restliche Funktionsperiode bis zum 1.1.1999 zum Landesgrundverkehrsreferenten bestellt. Gemäß § 235 Abs 5 ZPO war daher die Bezeichnung der klagenden Partei auf diesen geänderten Umstand richtigzustellen.

Zu 2.

3.) Mit der am 31.1.1995 beim Landesgericht Innsbruck überreichten

Klage stellte der Kläger - gestützt auf die Bestimmung des § 16a des

Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 - das Begehren auf Feststellung,

"1.) daß der Kaufvertrag vom 15.2.1982 samt Nachtrag vom 17.8.1983

abgeschlossen zwischen der Firma A***** Delta Entwurf- und

Planungsgesellschaft mbH..... als Verkäuferin einerseits und Herrn

Dr.Walter S***** geboren 14.4.1914...... als Käufer andererseits über

den Erwerb der 130/583 Anteile an der Liegenschaft EZ 429 GB 82101

A***** (Anteil 5), mit welchem das Wohnungseigentum an der Wohung W 3

verbunden ist und welcher zu GZ 1119/1984 des BG K***** 1119/1984

verbüchert worden ist, nichtig ist, 2.) daß die Vereinbarung vom

15.2.1982, abgeschlossen zwischen Herrn Dr.Walter S*****, geboren

14.4.1914....... einerseits und Herrn Hans-Eberhard J*****, geboren

27.9.1938........... andererseits, welche am 22.2.1982 beim Finanzamt

für Gebühren und Finanzsteuern Innsbruck unter PRP 4610 angezeigt wurde, nichtig ist;

3.) daß das Vermächtnis des Dr.Walter S*****, geboren 14.4.1914, vom 15.2.1982, kundgemacht zu 2 A 754/82 des BG S***** am 7.3.1983, mit welchem Dr.Walter S*****, geboren 14.4.1914, die Wohnung Nr. 4 im Dachgeschoß des auf der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** errichteten Wohnhauses einschließlich des Abstellraumes Nr. 4 und des Garagenabstellplatzes Nr. 4 bzw die auf diese Wohnung entfallenden Anteile an der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** samt Mitbenützungsrecht an allen Gemeinschaftseinrichtungen der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** an Herrn Hans-Eberhard J*****, geboren 27.9.1938 vermacht hat, nichtig ist;

4.) daß die Vereinbarung vom 7.10.1985, abgeschlossen zwischen Herrn

Hans-Eberhard J*****, geboren 27.9.1938................ einerseits

und Frau Maria-Margareta J*****, geboren 20.2.1955......., aufgrund

welcher zu GZ 4333/1985 des BG K***** ob den 130/583 Anteilen der Liegenschaft in EZ 429 GB ***** A*****, mit welchem das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 3 untrennbar verbunden ist, das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Maria-Margareta J*****, geboren 20.2.1955, einverleibt wurde, nichtig ist."

Nach dem Vorbringen des Klägers habe es sich bei diesen Rechtsgeschäften um vom Klagerecht erfaßte Schein- oder Umgehungsgeschäfte gehandelt.

Das Landesgericht Innsbruck wies mit Teilurteil vom 21.6.1995, 17 Cg 19/95-13, das Klagebegehren, soweit es gegen den Erstbeklagten gerichtet ist, ab, weil der Erstbeklagte nur das Vermächtnis seines Bruders Dr.Walter S***** erfüllt habe und darüber hinaus mit den angefochtenen Rechtsgeschäften und Vereinbarungen in keinerlei Zusammenhang gestanden sei.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Erstbeklagte sei als Erbe nach Dr.Walter S***** aufgrund der Universalsukzession in dessen Rechtsstellung eingetreten und daher entgegen der Ansicht des Erstgericht passiv legitimiert. Das Oberlandesgericht Innsbruck erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die erhebliche Rechtsfrage zu klären sei, ob seitens der Beklagten eine einheitliche Streitpartei vorliege.

Der dagegen gerichtete, auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs aller Beklagten wiederholt im wesentlichen den Prozeßstandpunkt, daß der Erstbeklagte weder Partei noch Beteiligter einer der angefochtenen Rechtsgeschäfte gewesen sei und daß er kein Streitgenosse der anderen Beklagten im Sinn einer einheitlichen Streitpartei aller Beklagter sei.

Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes hätte auf den zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt die durch die das (Tiroler Landes-)Gesetz vom 3.7.1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wurde, LGBl für Tirol Nr. 74/1991 geschaffene Bestimmung des § 16a ("Feststellungsklage des Landesgrundverkehrsreferenten") - welche sich nach Art II Abs 4 dieser mit 1.10.1991 in Kraft getretenen Novelle auch "auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Schein- oder Umgehungsgeschäfte erstreckt" - anzuwenden gehabt. Es bestanden hiegegen jedoch Bedenken der Verfassungswidrigkeit, weil die Kundmachung bloß durch den Landeshauptmann allein ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages als Gesetzgebungsorgan nach Verweigerung der Zustimmung durch die Bundesregierung erfolgte. Der Oberste Gerichtshof hat daher mit Beschluß vom 13.3.1996, 7 Ob 647/95, gemäß Art 89 Abs 2,140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, auszusprechen, daß der § 16a des GVG 1983 idF des Gesetzes vom 3.7.1991 (Art I Z 41), mit dem das GVG 1983 geändert wird, LGBl für Tirol Nr. 74/1991, sowie der Art II Abs 4 desselben (LGBl für Tirol Nr. 74/1991) verfassungswidrig sind. Auch die Senate 3 (zu 3 Ob 2068/96f) und 10 (zu 10 Ob 503/96) des Obersten Gerichtshofes haben in der Folge gleichlautende Gesetzesprüfungsanträge gestellt.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.9.1996, G 50/96-24 ua, beim Obersten Gerichtshof eingelangt am 4.11.1996, wurde zu Recht erkannt, daß das Gesetz vom 3.7.1991, mit dem das GVG 1983 geändert wird, LGBl für Tirol Nr. 74/1991, verfassungswidrig war und dieses Gesetz ua in dem beim Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 647/95 anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist. Der Verfassungsgerichtshof kam dabei - zusammengefaßt - zum Ergebnis, daß die in Prüfung genommenen Bestimmungen nach Verweigerung der Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung durch die Bundesregierung ohne neuerliche Beschlußfassung durch den Landtag kundgemacht wurden, damit Art 38 Abs 7 der Tiroler Landesordnung (TLO) 1989 widersprechen und demgemäß als verfassungswidrig aufzuheben waren.

Aufgrund dieses Erkenntnisses ist nunmehr die Klagelegitimation des Landesgrundverkehrsreferenten für Tirol in der gegenständlichen Rechtssache nicht mehr nach der aufgehobenen Bestimmung des § 16a GVG 1983 idF der Novelle LGBl 1991/74, sondern nach dem inhaltsgleichen § 35 (speziell Abs 2) GVG 1993 iVm der Übergangsbestimmung des § 40 Abs 6 leg cit zu beurteilen, zumal die Klage - wie bereits ausgeführt - am 31.1.1995, sohin nach Inkrafttreten (§ 41 Abs 1) dieser Bestimmungen, beim Erstgericht überreicht worden ist. Beide Bestimmungen sind daher nunmehr - seit Vorliegen des aufhebenden Erkenntnisses vom 28.9.1996 - für diesen Rechtsstreit (ebenfalls) präjudiziell geworden (Mayer, MKK B-VG Anm II 2 zu Art 89; Walter/Mayer, Grundriß des Österr Bundesverfassungsrechts7 Rz 1158), weil die Klage nur bei ihrer Anwendbarkeit von Erfolg sein kann und daher andernfalls das hinsichtlich des Erstbeklagten ergangene klagsabweisende Teilurteil des Erstgerichtes mangels eines klagbaren Anspruches des Klägers wiederherzustellen wäre, ohne daß es auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich gelöste Frage der Passivlegitimation ankäme. Die Frage, ob die angefochtenen Rechtsgeschäfte im Sinn des Klagsvorbringens nichtig sind, stellt sich im Fall der Unabwendbarkeit der betreffenden Bestimmungen nicht, sodaß damit auch die für das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei ins Treffen geführten Argumente des Klägers und des Oberlandesgerichtes Innsbruck, daß und warum die Frage der Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte für alle Beklagten einheitlich zu entscheiden sei, nicht ausschlaggebend sein kann. Auch gegen die zitierten Bestimmungen bestehen aus dem Grunde ihrer gleichfalls verfassungswidrig erfolgten Kundmachung bloß durch den Landeshauptmann allein ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages als Gesetzgebungsorgan nach Verweigerung der Zustimmung durch die Bundesregierung gemäß Art 97 Abs 2 B-VG verfassungsmäßige Bedenken.

Solche Bedenken hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28.6.1996, B 1522/95-7, in welchem ausgesprochen wurde, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs 1 und 2 samt Überschrift, einer konkreten Wortfolge in § 26 Abs 1 und des § 26 Abs 2 sowie der lit a des § 28 Abs 1 des GVG 1993 von amtswegen zu prüfen, wie folgt formuliert:

"3.1.1. Der Tiroler Landtag hat am 7.7.1993 einen Gesetzesbeschluß betreffend ein Gesetz über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz) gefaßt. § 38 sah - neben jener der Gemeinden - die Mitwirkung der Finanzämter an der Vollziehung des Gesetzes derart vor, daß diese verpflichtet sein sollten, den Grundverkehrsbehörden und dem Landesgrundverkehrsreferenten auf Verlangen Auskunft zu erteilen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt.

Die Bundesregierung beschloß jedoch in ihrer Sitzung vom 7.9.1993, ihre Zustimmung zur vorgesehenen Mitwirkung der Finanzämter an der Vollziehung des Landesgesetzes gemäß Art 97 Abs 2 B-VG zu verweigern.

In der Folge wurde der Gesetzesbeschluß des Tiroler Landtages vom 7.7.1993 in dem am 28.9.1993 herausgegebenen und versendeten 26. Stück des Landesgesetzblattes für Tirol Nr 82 in der Weise kundgemacht, daß in der Überschrift des § 38 sowie in § 38 Abs 1 die Nennung der Finanzämter unterblieb und in § 38 Abs 3 die vom Landtag beschlossene lit b weggelassen wurde.

3.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß die Kundmachung ohne neuerliche Beschlußfassung des Tiroler Landtages verfassungswidrig erfolgt ist. Die diesbezüglichen Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes ergeben sich aus seinem ... Beschluß vom 4.12.1995 zu B 266/94 betreffend die amtswegige Prüfung der Novelle zum TGVG 1983 LGBl für Tirol Nr 74/1991. Diese Bedenken bestehen hier um so mehr, als sich aus dem im Landesgesetzblatt kundgemachten Text keinerlei Hinweis darauf ergibt, daß die erwähnten Teile des Gesetzesbeschlusses des Landtages im Hinblick auf die Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung des Gesetzes der Kundmachung nicht zugeführt wurden. Vielmehr bedurfte es eines ins Detail gehenden Vergleiches des Wortlautes des Gesetzesbeschlusses des Landtages mit der Kundmachung im Landesgesetzblatt, um die Unterschiede zwischen beschlossenem und kundgemachtem Gesetzestext erkennen zu können."

Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes teilt diese verfassungsmäßigen Bedenken gegen die verfassungskonforme Kundmachung der angefochtenen Regelung. Sie entsprechen auch jenen Erwägungen, welche den Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 4.12.1995, B 266/94, zur amtswegigen Prüfung der Novelle zum GVG 1983 LGBl 1991/74 sowie schließlich im Erkenntnis vom 28.9.1996, G 50/96-24 ua, zur Feststellung deren Verfassungswidrigkeit bewogen haben.

Es war sohin erneut wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen. Die Anordnung der Innehaltung des Revisionsverfahrens bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf die zitierte Gesetzesstelle.

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