OGH 7Ob647/95

OGH7Ob647/9513.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Josef G***** als Landesgrundverkehrsreferent beim Amt der Tiroler Landesregierung, 6010 Innsbruck, Landhaus, vertreten durch Dr.Ernst Offer und Dr.Wolfgang Offer, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Adolf S*****, 2.) Firma A*****gesellschaft mbH in Liquidation, vertreten durch den Liquidator Ing.Karl M*****, 3.) Hans-Eberhard J*****, und 4.) Maria-Margareta J*****, alle vertreten durch Dr.Manfred Tentinaglia und Dr.Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes (Streitinteresse S 150.000,-), aus Anlaß des Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10.Oktober 1995, GZ 1 R 260/95-17, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21.Juni 1995, GZ 17 Cg 19/95-13, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG, Art 140 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, auszusprechen, daß der § 16 a des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983 LGBl für Tirol Nr 69 in der Fassung des Gesetzes vom 3.7.1991 (Art I Z 41), mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl für Tirol Nr 74/1991, sowie der Art II Abs 4 desselben (LGBl für Tirol Nr 74/1991) verfassungswidrig sind.

Mit der Fortführung des Rechtsmittelverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Der Kläger ist der von der Tiroler Landesregierung bestellte Landesgrundverkehrsreferent. Durch das (Tiroler Landes-)Gesetz vom 3.7.1991, mit dem das (Tiroler) Grundverkehrsgesetz (im folgenden kurz: GVG) 1983 geändert wird, LGBl 1991/74, wurde in Art I Z 41 dem Landesgrundverkehrsreferenten das Recht, bei Gericht Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes zu erheben, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt, eingeräumt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"§ 16a

Feststellungsklage

des Landesgrundverkehrsreferenten

(1) Der Landesgrundverkehrsreferent kann bei Gericht Klage auf Feststellung erheben, ob ein Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt. Die Erhebung der Klage auf Feststellung ist auf Antrag des Landesgrundverkehrsreferenten im Grundbuch anzumerken.

(2) Stellt das Gericht fest, daß ein solches Rechtgeschäft nichtig ist, so hat das Grundbuchsgericht eine bereits erfolgte Eintragung des Rechtserwerbes im Grundbuch zu löschen und den früheren Grundbuchsstand wiederherzustellen. Der Landesgrundverkehrsreferent hat dem Grundbuchsgericht die Entscheidung des Gerichtes über die Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes unverzüglich mitzuteilen."

2.) Ein inhaltlich im wesentlichen gleichlautendes Recht zur Erhebung einer derartigen Feststellungsklage hat der Tiroler Landesgesetzgeber dem Landesgrundverkehrsreferenten auch im weitestgehend am 1.1.1994 (§ 41 Abs 1) in Kraft getretenen Gesetz vom 7.7.1993 über den Verkehr mit Grundstücken in Tirol (Tiroler Grundverkehrsgesetz), LGBl 1993/82, eingeräumt (§ 35 leg cit), welches sich nach § 40 Abs 6 leg cit "auch auf die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Schein- oder Umgehungsgeschäfte erstreckt. Auf Verfahren nach § 35 Abs 2 [also Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit derartiger Rechtsgeschäfte], die ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes durchgeführtes Umgehungsgeschäft zum Gegenstand haben, ist das Grundverkehrsgesetz 1983 in der geltenden Fassung anzuwenden."

Nach Art II Abs 4 der zitierten Novelle "erstreckt sich das Recht des Landesgrundverkehrsreferenten, nach § 16 a Abs 1 Feststellungsklage zu erheben, auch auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehenden Schein- oder Umgehungsgeschäfte."

3.) Mit der am 31.1.1995 beim Landesgericht Innsbruck überreichten

Klage stellte der Kläger, gestützt auf diese Bestimmungen, das

Begehren auf Feststellung, "1.) daß der Kaufvertrag vom 15.2.1982

samt Nachtrag vom 17.8.1983 abgeschlossen zwischen der Firma

A*****gesellschaft mbH..... als Verkäuferin einerseits und Herrn

Dr.Walter S*****...... als Käufer andererseits über den Erwerb der

130/583 Anteile an der Liegenschaft EZ 429 GB 82101 A***** (Anteil

5), mit welchem das Wohnungseigentum an der Wohung W 3 verbunden ist

und welcher zu GZ 1119/1984 des BG K***** 1119/1984 verbüchert worden

ist, nichtig ist, 2.) daß die Vereinbarung vom 15.2.1982,

abgeschlossen zwischen Herrn Dr.Walter S*****....... einerseits und

Herrn Hans-Eberhard J*****........... andererseits, welche am

22.2.1982 beim Finanzamt für Gebühren und Finanzsteuern Innsbruck unter PRP 4610 angezeigt wurde, nichtig ist;

3.) daß das Vermächtnis des Dr.Walter S*****, vom 15.2.1982, kundgemacht zu 2 A 754/82 des BG S***** am 7.3.1983, mit welchem Dr.Walter S*****, die Wohnung Nr 4 im Dachgeschoß des auf der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** errichteten Wohnhauses einschließlich des Abstellraumes Nr 4 und des Garagenabstellplatzes Nr 4 bzw die auf diese Wohnung entfallenden Anteile an der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** samt Mitbenützungsrecht an allen Gemeinschaftseinrichtugungen der Liegenschaft EZ 429 II KG A***** an Herrn Hans-Eberhard J***** vermacht hat, nichtig ist;

4.) daß die Vereinbarung vom 7.10.1985, abgeschlossen zwischen Herrn

Hans-Eberhard J*****................ einerseits und Frau

Maria-Margareta J*****......., aufgrund welcher zu GZ 4333/1985 des BG K***** ob den 130/583 Anteilen der Liegenschaft in EZ 429 GB ***** A*****, mit welchem das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 3 untrennbar verbunden ist, das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Maria-Margareta J*****, einverleibt wurde, nichtig ist."

Nach dem Vorbringen des Klägers habe es sich bei diesen Rechtsgeschäften um vom Klagerecht erfaßte Schein- oder Umgehungsgeschäfte gehandelt.

Das Landesgericht Innsbruck wies mit Teilurteil vom 21.6.1995, 17 Cg 19/95-13, das Klagebegehren, soweit es gegen den Erstbeklagten gerichtet ist, ab, weil der Erstbeklagte nur das Vermächtnis seines Bruders Dr.Walter S***** erfüllt habe und darüber hinaus mit den angefochtenen Rechtsgeschäften und Vereinbarungen in keinerlei Zusammenhang gestanden sei.

Das Oberlandesgericht Innsbruck hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Der Erstbeklagte sei als Erbe nach Dr.Walter S***** aufgrund der Universalsukzession in dessen Rechtsstellung eingetreten und daher entgegen der Ansicht des Erstgericht passiv legitimiert. Das Oberlandesgericht Innsbruck erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil die erhebliche Rechtsfrage zu klären sei, ob seitens der Beklagten eine einheitliche Streitpartei vorliege.

Der dagegen gerichtete, auf den Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs aller Beklagten wiederholt im wesentlichen den Prozeßstandpunkt, daß der Erstbeklagte weder Partei noch Beteiligter einer der angefochtenen Rechtsgeschäfte gewesen sei und daß er kein Streitgenosse der anderen Beklagten im Sinn einer einheitlichen Streitpartei aller Beklagter sei.

Da die angefochtenen Rechtsgeschäfte vor dem Inkrafttreten des Tiroler Grundverkehrsgesetzes LGBl 1993/82 und auch vor Inkrafttreten der Novelle zum GVG 1983 LGBl 1991/74 getätigt wurden, hat der erkennende Senat auf den zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt die durch die Novelle 1991 LGBl 74 geschaffenen beiden Bestimmungen anzuwenden. Sie sind für den vorliegenden Rechtsstreit deshalb präjudiziell (Mayer, MKK B-VG Anm II. 2. zu Art 89; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7 Rz 1158), weil die Klage nur bei ihrer Anwendbarkeit von Erfolg sein kann und daher andernfalls das hinsichtlich des Erstbeklagten ergangene klagsabweisende Teilurteil des Erstgerichtes mangels eines klagbaren Anspruches des Klägers wiederherzustellen wäre, ohne daß es auf die von den Vorinstanzen unterschiedlich gelöste Frage der Passivlegitimation ankäme. Die Frage, ob die angefochtenen Rechtsgeschäfte im Sinn des Klagsvorbringens nichtig sind, stellt sich im Fall der Unanwendbarkeit der betreffenden Bestimmungen nicht, sodaß damit auch die für das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei ins Treffen geführten Argumente des Klägers und des Oberlandesgerichtes Innsbruck, daß und warum die Frage der Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte für alle Beklagten einheitlich zu entscheiden sei, nicht ausschlaggebend sein kann.

Gegen die zitierten Bestimmungen der Novelle 1991 LGBl 74 bestehen aus dem Grunde ihrer verfassungswidrig erfolgten Kundmachung bloß durch den Landeshauptmann allein ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages als Gesetzgebungsorgan nach Verweigerung der Zustimmung durch die Bundesregierung gemäß Art 97 Abs 2 B-VG verfassungsmäßige Bedenken.

5.) Während der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.9.1993, B 517/93, Slg 13.530 = ZfVB 1994/4/1523, gegen die Verfassungskonformität der neu eingeführten Möglichkeit einer Feststellungsklage des Landesgrundverkehrsreferenten gemäß § 16 a GVG 1993 aus Anlaß des damaligen Bescheidbeschwerdeverfahrens keine (auch ohne besondere Relevierung durch die Parteien allenfalls aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens entstandene) Bedenken hatte, hat er nunmehr mit Beschluß vom 4.12.1995, B 266/94, ausgesprochen, gemäß Art 140 Abs 1 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Z 28 und 32 bis 34 des Art I des Gesetzes vom 3.7.1994, mit dem das GVG 1983 geändert wird, LGBl 1991/74, von Amts wegen zu prüfen. Wenngleich sich das Gesetzesprüfungsverfahren damit - rein spruchmäßig - auf die im vorliegenden Zivilrechtsstreit relevanten Bestimmungen des GVG 1983 nicht unmittelbar bezieht, so ergibt sich doch aus den Gründen des Beschlusses (S 4 Z 1 aE und S 9/10 Z 4), daß der Verfassungsgerichtshof gegen die Verfassungsmäßigkeit der Novelle insgesamt Bedenken hegt, das Gesetzesprüfungsverfahren freilich bloß hinsichtlich der eben genannten, für ihn im konkreten Bescheidprüfungsverfahren präjudiziellen Bestimmungen derselben einzuleiten hatte.

Im einzelnen wurden diese Bedenken hierhin wörtlich wie folgt formuliert:

"3. In der Sache hegt der Verfassungsgerichtshof folgende Bedenken gegen die Novelle LGBl für Tirol 74/1991:

a) Der Tiroler Landtag hat am 3.Juli 1991 einen Gesetzesbeschluß über eine Novelle zum GVG 1983 gefaßt; mit diesem Gesetz sollte das GVG 1983 umfassend novelliert werden. Dabei sollte durch Z 37 der Novelle ua dem GVG 1983 auch ein § 14a eingefügt werden, durch den die Finanzämter verpflichtet werden sollten, den Grundverkehrsbehörden und dem Landesgrundverkehrsreferenten auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß ein Schein- oder Umgehungsgeschäft vorliegt.

Die Bundesregierung beschloß in ihrer Sitzung vom 3.September 1991, 'die in Art I Z 37 (§ 14a) des Gesetzesbeschlusses vorgesehene Mitwirkung der Finanzämter bei der Vollziehung des Gesetzes gemäß Art 97 Abs 2 B-VG zu verweigern'.

Im Gefolge dessen wurde der Gesetzesbeschluß des Tiroler Landtages vom 3.Juli 1991 in dem am 24.September 1991 herausgegeben 27.Stück des Landesgesetzblattes für Tirol als Nr 74 in der Weise kundgemacht, daß der Text des Gesetzesbeschlusses mit Ausnahme der Z 37 des Art I kundgemacht wurde; an Stelle der vom Landtag beschlossenen Z 37 wurde in Kleindruck folgender Satz in das Landesgesetzblatt aufgenommen:

'(Die Bestimmung darf nicht kungemacht werden, weil der Bund die Zustimmung hiezu verweigert hat.)'.

b) Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, daß die Kundmachung ohne neuerliche Befassung des Tiroler Landtages verfassungswidrig erfolgt ist. Er ist vorläufig der Ansicht, daß es Sache des Gesetzgebungsorgans sein muß, auf die Verweigerung der Zustimmung der Bundesregierung zu der im Gesetzesbeschluß des Landtages vorgesehenen Mitwirkung von Bundesorganen bei der Vollziehung des Landesgesetzes zu reagieren, um zu entscheiden, ob der Gesetzesbeschluß auch ohne die geplante, aber durch den Einspruch nicht mögliche Mitwirkung der Bundesorgane Gesetz werden soll oder nicht, oder ob er eine entsprechende Ergänzung des verbleibenden Teiles des Gesetzesbeschlusses für sinnvoll erachtet. Es scheint, daß diese Gesetzesprärogative des Landtages durch die ohne neuerliche Befassung des Landtages erfolgte Kundmachung unterlaufen würde.

Dem möglichen Einwand, daß eine Kundmachung dann ohne neuerliche Befassung des Landtages zulässig sein muß, wenn die Vorschriften, denen die Zustimmung versagt wurde, vom übrigen Inhalt des Gesetzesbeschlusses trennbar sind und der Gesetzesbeschluß auch ohne die strittige Bestimmung als Gesetz wirksam und vollziehbar werden kann (so der Sache nach OGH 27.6.1995, Z 4 Ob 535/95), dürfte folgendes entgegenzuhalten sein: Die Frage, ob ein Gesetzesbeschluß auch ohne eine einzelne Vorschrift Gesetz werden soll oder nicht, scheint eine politische, nicht ausschließlich nach logischen Kriterien eines erkennbaren Sachzusammenhanges (so der OGH in der genannten Entscheidung) lösbare Frage zu sein. Derartige Fragen im Gesetzgebungsverfahren zu entscheiden, dürfte aber dem Landtag vorbehalten sein. Wollte man dem zur Kundmachung befugten Verwaltungsorgan diese Entscheidung übertragen, könnte es seine politische Intention an die Stelle der politischen Willensbildung im Landtag setzen. Das aber dürfte dem Art 95 Abs 1 erster Satz B-VG und dem Art 15 der Tiroler Landesordnung 1989 widersprechen. Damit scheint auch Art 38 Abs 7 der Tiroler Landesordnung 1989 übereinzustimmen, dessen Formulierung 'Bedarf ein Gesetzesbeschluß der Zustimmung der Bundesregierung, so darf er nur kundgemacht werden, wenn die Zustimmung erteilt wurde oder als erteilt gilt' ersichtlich von der Einheit des Gesetzesbeschlusses ausgeht.

Der Verfassungsgerichtshof teilt daher vorläufig die Auffassung von Jabloner, Die Mitwirkung der Bundesregierung an der Landesgesetzgebung, 1989, 234 ff; es scheint berechtigt, wenn Jabloner auf S 237 seiner Monographie ausführt:

'Der Umfang der Mitwirkung ergibt sich nicht allein aus jener Vorschrift - bzw aus jenem Teil einer Vorschrift - in dem die Bundesorgane zur Vollziehung berufen werden, sondern auch aus jenen Vorschriften - bzw Teilen von Vorschriften - in denen die Sachaufgaben umschrieben sind. Wenn man im Sinne der Praxis die Verweigerung der Zustimmung bloß auf jene Vorschriften (fragmente) bezieht, in denen die Bundesorgane 'vorkommen', so ist die Veränderung des normativen Gehaltes des Gesetzesbeschlusses des Landtags nicht ausgeschlossen. Zumindest werden bestimmte vom Landtag beschlossene Bestimmungen unanwendbar, in vielen Fällen könnte sich aber auch der Gehalt der Vorschriften völlig verändern, indem etwa auf Grund der gegebenen Textierung nunmehr eine andere Behörde für jene Akte zuständig wird, die nach dem Willen des Landtags von Bundesorganen gesetzt werden sollten. Dies ist im Hinblick auf Art 95 Abs 1 B-VG ('Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt') verfassungswidrig.'

Es dürfte auch nicht gerechtfertigt sein, die Vorgangsweise, die der Landeshauptmann von Tirol gewählt hat, als durch das Erkenntnis VfSlg 2598/1953 gedeckt anzusehen. Denn die häufig zitierte Formulierung:

'Versagt aber die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Mitwirkung von Bundesorganen an der Vollziehung eines Landesgesetzes, so erscheinen alle Bestimmungen des Gesetzes, die die Mitwirkung von Bundesorganen zur Voraussetzung haben - aber auch nur diese Bestimmungen - verfassungswidrig und dürfen nicht kundgemacht werden' spricht nur aus, daß eine Kundmachung dieser Bestimmungen des Gesetzesbeschlusses unzulässig wäre, beschäftigt sich aber überhaupt nicht mit der Frage, ob vor der Kundmachung neuerlich der Landtag zu befassen ist. (Das Problem stellte sich im Falle dieses Erkenntnisses auch gar nicht, da die Bundesregierung überdies auch Einspruch nach Art 98 Abs 2 B-VG erhob und der Landtag daher ohnedies neuerlich zu befassen war.)

Die Kundmachung der Novelle LGBl für Tirol 74/1991 dürfte daher den Art 15 und 38 Abs 7 der Tiroler Landesordnung 1989 und dem Art 95 Abs 1 erster Satz B-VG widersprechen.

4. Ungeachtet der Tatsache, daß sich die Bedenken auf die Verfassungsmäßigkeit der Kundmachung der Novelle LBGl für Tirol 74/1991 insgesamt beziehen, waren nur die im Bescheidprüfungsverfahren präjudiziellen Bestimmungen in Prüfung zu nehmen. Im Gesetzesprüfungsverfahren wird jedoch zu erwägen sein, ob im Falle des Zutreffens der Bedenken nach Art 140 Abs 3 zweiter Satz B-VG vorzugehen wäre."

6.) Der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes teilt diese vom Verfassungsgerichtshof wie vor wörtlich formulierten verfassungsmäßigen Bedenken gegen die verfassungskonforme Kundmachung der angefochtenen Regelung. Soweit der 4.Senat des Obersten Gerichtshofes in seiner Entscheidung 4 Ob 535/95 vom 27.6.1995 und ebenso bereits zuvor der 6.Senat in seiner zwischenzeitlich in ImmZ 1994, 351 veröffentlichten Entscheidung 6 Ob 608/94 eben diese verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer nicht gehörigen Kundmachung der Novelle zum GVG 1983, LGBl 1991/74, noch mit dem - zusammengefaßten - Argument der Trennbarkeit des Sachzusammenhanges (der vom Willen des Landtages gedeckten Bestimmungen einerseits sowie der vom Kundmachungshindernis der Beeinspruchung erfaßten Regelungen andererseits) verworfen hatten, ist diesen der Verfassungsgerichtshof - wie aus der vorstehend wörtlich wiedergegebenen Begründung ersichtlich - in seinem zeitlich späteren Beschluß bereits mit beachtlichen Argumenten entgegengetreten, welche sich auch der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofes für seinen Entscheidungsanlaßfall zu eigen macht und sich diesen (wenngleich vorerst noch "vorläufigen") Bedenken anzuschließen erachtet.

7.) Es war sohin wie aus den Spruch ersichtlich vorzugehen. Die Anordnung der Innehaltung des Revisionsverfahrens bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes stützt sich auf die zitierte Gesetzesstelle.

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