Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung, der Kläger habe am 24.4.1995 seine Pflichten als Fahrverkäufer (Gebäckausführer) und aus dem ihm zusätzlich erteilten Auftrag, seine Nachfolgerin einzuschulen, nicht beharrlich im Sinne des § 82 lit f GewO verletzt, ist zutreffend (§ 48 ASGG).
Den Revisionsausführungen ist entgegenzuhalten:
Eine beharrliche Pflichtenverletzung im Sinne des § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO erfordert regelmäßig eine vorausgehende Ermahnung durch den Arbeitgeber - ausgenommen eine dermaßen entschlossene Weigerung des Arbeitnehmers, die die Ermahnung zu einer sinnlosen Formalität machte (9 Ob A 94/88), oder ein außergewöhnlich gewichtiger Pflichtenverstoß in Kenntnis dieses Umstandes seitens des Arbeitnehmers (9 ObA 176/94: weisungswidriges Unterlassen des Bonierens durch einen Kellner = Arb 11.281 = ecolex 1995, 119 = RdW
1995, 112; 9 Ob A 34/95 = DRdA 1995, 420 = infas 1995 A 109 = WBl
1995, 464 = RdW 1995, 483, Alkoholgenuß eines Bus-Lenkers) - oder
eine Wiederholung durch den Arbeitnehmer. Diese "Wiederholung" muß aber unter Umständen erfolgen, die auf eine neuerliche Willensbetätigung des Arbeitnehmers, gegen arbeitsvertragliche Pflichten zu verstoßen, schließen lassen. Die Weigerung des Klägers, die erste "Erklärung" (Beil 2) zu unterfertigen, war der Sache nach gerechtfertigt, denn der Kläger konnte annehmen, durch diese Erklärung gegenüber allfälligen Schadenersatzansprüchen seiner Beifahrerin, für die keine Insassenversicherung bestand, nur unzureichend abgesichert zu sein. Daraus oder aus der Erkundigung des Klägers bei der Arbeiterkammer auf eine Widersetzlichkeit oder beharrliche Pflichtenverletzung zu schließen ist verfehlt. Die Erkundigung könnte zufolge der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht einmal eine Kündigung rechtfertigen (vgl SZ 66/186). Wegen der erhöhten Risken bei Mitnahme einer Beifahrerin beim Ausführen von Waren verbietet es sich, die Bedenken des Klägers als Vorwand abzutun.
Inwiefern ein der Entlassung nachfolgendes Verhalten des Arbeitnehmers - hier ein von der beklagten Partei in Zweifel gezogener Krankenstand sowie das vorbereitende Tätigwerden für einen neuen Arbeitgeber - rückwirkend die Entlassung rechtfertigen können sollte, vermag die Revisionswerberin nicht darzutun. Möglicherweise wird dabei das "Nachschieben" von Entlassungsgründen, die sich vor der Entlassung ereigneten, jedoch erst nach dieser dem Arbeitgeber zur Kenntnis gelangten, mißdeutet. Soweit die beklagte Partei aus dem nachfolgenden Verhalten des Klägers seinem vorausgehenden Verhalten ein zusätzliches Element der Pflichtwidrigkeit unterstellen möchte, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach die fehlerhafte und nachlässige Arbeit des Klägers vor der Entlassung zum Teil durch den Zeitverlust infolge Erörterung der Frage der Haftung für die Beifahrerin, zum Teil aber durch die Sorge des Klägers um seinen Arbeitsplatz und eine dadurch ausgelöste "Verwirrung" (im Sinne einer außergewöhnlichen psychischen Belastung) zu erklären ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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