Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der zweit- und der viertbeklagten Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin S 406,08 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist organschaftlicher Vertreter der Wilhelm P***** GmbH & Co KG und der Wilhelm P***** GmbH. Über das Vermögen beider Gesellschaften wurde zu S ***** und S ***** des Kreisgerichtes (nunmehr Landesgericht) Wels der Konkurs eröffnet; das Verfahren wird nunmehr beim Handelsgericht Wien zu ***** für die KG und zu ***** für die GmbH geführt. Die Rechnungslegungsverfahren sind in beiden Konkursverfahren noch anhängig. Zu S ***** des Landesgerichtes Wels läuft noch das Konkursverfahren über das persönliche Vermögen des Klägers.
Mit der Behauptung, daß bei der Erstbeklagten Konten geführt würden, auf welche in den Jahren 1985 und 1986 Beträge aus den Konkursmassen der beiden Gesellschaften eingezahlt und gutgebucht worden seien, diese Konten aber nunmehr in der Schlußrechnung des Masseverwalters nicht aufschienen, sondern die Beklagten darüber verfügten, begehrte der Kläger 1. festzustellen, daß die bei der Erstbeklagten eingerichteten Hauptbuchkonten 94102420000 und 94100280000 Treuhandkonten und ehemalige Massekonten seien, über welche der Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte mittels Treuhandvereinbarung verfügungsberechtigt seien, sowie 2. die Beklagten zur ungeteilten Hand zu verurteilen, ihm alle Buchungsunterlagen und Urkunden betreffend die beiden Konten herauszugeben.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei als Gemeinschuldner und Vertreter der insolventen Gesellschaften nicht aktiv legitimiert, weil er seine zivilrechtliche Verfügungsfähigkeit verloren und keine Zustimmungserklärungen der Masseverwalter beigebracht habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Kläger mangle die Aktivlegitimation, weil Ansprüche auf Herausgabe von hinterzogenen oder sonst verbrachten Massegeldern behauptet würden, deren Geltendmachung ausschließlich dem Masseverwalter zustehe, wogegen der Gemeinschuldner hinsichtlich der Masse nicht verfügungsberechtigt sei. Außerdem gehöre die Herausgabe der Unterlagen zur Rechnungslegung in den Konkursverfahren, welche nach § 121 Abs 1 KO allein Sache des Masseverwalters auf Anordnung des Konkursgerichtes sei. Insoweit sei der Rechtsweg nach § 122 Abs 2 KO ausgeschlossen.
Aus Anlaß der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung erklärte das Berufungsgericht (das angefochtene Urteil und) das bisherige Verfahren ab der Zustellung der Klage für nichtig und wies die Klage zurück. Zu Handlungen hinsichtlich des Konkursvermögens, die auch den Gläubigern gegenüber wirksam seien, sei der Gemeinschuldner (nur) insoweit befugt, als diese Rechtshandlungen den Interessen der Konkursgläubiger nicht widerstreiten, sondern der Erhaltung der Masse dienten. Durch die vorliegende Prozeßführung würden aber die Interessen der Konkursgläubiger sehr wohl berührt, werde doch die Masse mit einem allfälligen Prozeßkostenrisiko belastet. Der Kläger behaupte eine Masseschädigung. Ansprüche wegen Masseschädigung könnten aber nach der Rechtsprechung während des Konkursverfahrens nicht vom Gemeinschuldner geltend gemacht werden.
Dem Kläger fehle aber nicht nur die Aktivlegitimation; vor Abschluß des Prüfungsverfahrens sei auch der ordentliche Rechtsweg unzulässig. Für Ansprüche, die die Masse betreffen, sei das Konkursgericht im Verfahren über die Genehmigung der Rechnungslegung gemäß § 122 Abs 2 KO unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges zuständig.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Mangel der Verfügungsfähigkeit des Gemeinschuldners ebenso wie der Mangel der Prozeßfähigkeit gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. Gemäß §§ 7, 477 Abs 1 Z 5 ZPO hat das Gericht erster oder höherer Instanz, bei dem die Rechtssache anhängig ist, die Nichtigkeit des von dem Mangel betroffenen Verfahrens durch Beschluß auszusprechen (SZ 34/124; JBl 1972, 578; RZ 1979/90 ua). Das über einen vom Gemeinschuldner selbständig erhobenen, jedoch zur Konkursmasse gehörigen Anspruch abgeführte Verfahren ist daher nichtig (JBl 1955, 479; EvBl 1961/152; 1 Ob 530/93 uva; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 8 zu § 477). Gemäß § 1 Abs 1 KO wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt, dessen freier Verfügung entzogen. Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung, welche die Konkursmasse betreffen, sind gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam (§ 3 Abs 1 KO). Es ist allein Aufgabe des Masseverwalters (ua) Rechtsstreitigkeiten, welche die Masse ganz oder teilweise betreffen, zu führen (§ 81 Abs 1 KO).
Nach einem Teil der Lehre (Bartsch/Pollak3 I 49 § 3 Anm 5) und nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist allerdings der Gemeinschuldner zu solchen auch gegenüber den Gläubigern wirksamen Rechtshandlungen in bezug auf das Konkursvermögen (nur) insoweit befugt, als diese Rechtshandlungen den Interessen der Konkursgläubiger nicht widerstreiten, sondern vielmehr der Erhaltung der Masse dienen (SZ 16/64; SZ 19/68; EvBl 1966/99; RdW 1994, 398).
In der Entscheidung EvBl 1966/99 hat der Oberste Gerichtshof den vom Rekursgericht aufgehobenen Beschluß des Erstgerichtes auf Nichtigerklärung des Verfahrens ab Klagezustellung und Zurückweisung der Klage wiederhergestellt, weil von der Klageführung, mit welcher die Gemeinschuldner ohne Billigung der Konkursgläubiger und ohne daß es zu einer Überlassung der geltend gemachten Forderung an die Gemeinschuldner gemäß § 119 Abs 5 KO gekommen wäre, außerordentlich hohe Schadenersatzansprüche gegen dem Gläubigerausschuß angehörende Konkursgläubiger und gegen die beiden Masseverwalter geltend machten, nicht mit Grund gesagt werden könne, daß sie die Interessen der Konkursgläubiger nicht berühre. Abgesehen davon, daß in diesem Prozeß die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Einflußnahme des Gläubigerausschusses auf die Klageführung nicht zur Geltung kommen könnte, müßten die von den Gemeinschuldnern in Anspruch genommenen, dem Gläubigerausschuß angehörenden Konkursgläubiger zur Führung des Prozesses beträchtliche Kosten aufwenden, die sie auch im Falle des Obsiegens von den überschuldeten Gemeinschuldnern nicht hereinbekommen würden. Wollte man die Ansicht vertreten, daß im Falle einer solchen Prozeßführung des Gemeinschuldners die Masse mit dem Prozeßkostenrisiko belastet wäre, würde sich erst recht eine Gefährdung der Interessen der Konkursgläubiger ergeben.
Aus den gleichen Gründen bestätigte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung RdW 1994, 398 die Zurückweisung eines Sicherungsantrages, mit welchem Gemeinschuldner zur Sicherung einer Geldforderung von mehr als S 46,000.000 eine einstweilige Verfügung durch Drittverbot begehrt hatten. Es bestehe eine Gefährdung der Gläubigerinteressen auf Grund der Belastung der Masse mit einem allfälligen Prozeßkostenrisiko.
Shamiyeh (Schadenersatzprozesse des Gemeinschuldners gegen den Masseverwalter, RdW 1995, 462 ff) lehnt die vom Obersten Gerichtshof vertretene "Erhaltungstheorie" ab. Die Prozeßführung des Gemeinschuldners könne, soweit sie sich auf die Konkursmasse bezieht, keinesfalls seinem konkursfreien Vermögen zugerechnet werden. Wollte man dem Gemeinschuldner die Klagelegitimation zuerkennen, müßte die Masse für die von ihm verursachten Prozeßkosten haften, wodurch die Interessen der Gläubiger jedenfalls beeinträchtigt seien, und zwar unabhängig von der Höhe der geltend gemachten Schadenersatzansprüche (aaO 464). Die Differenzierung nach der Streitwerthöhe sei unverständlich (aaO FN 22). Der Gemeinschuldner müsse während des Konkursverfahrens von jeder die Masse betreffenden Rechtshandlung ausgeschlossen sein.
Hiezu hat der erkennende Senat erwogen:
Der Oberste Gerichtshof hat zwar in den Entscheidungen EvBl 1966/99 und RdW 1994, 398 hervorgehoben, daß der Gemeinschuldner außerordentlich hohe Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß dies das entscheidende Kriterium wäre. In EvBl 1966/99 hat der Oberste Gerichtshof auch andere Gründe für die Zurückweisung der Klage angeführt und im Zusammenhang mit dem hohen Streitwert nur das besondere Prozeßkostenrisiko herausgestrichen. Auch RdW 1994, 398 referiert nur, daß außerordentlich hohe Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, läßt aber nicht erkennen, daß nur deshalb die Interessen der Gläubiger gefährdet werden. Diese Entscheidungen sind vielmehr dahin zu verstehen, daß der Gemeinschuldner - von der Überlassung einer Forderung an ihn gemäß § 119 Abs 5 KO abgesehen - zwar Maßnahmen zur Erhaltung der Masse ergreifen darf, damit aber nicht die Interessen der Konkursgläubiger beeinträchtigen darf.
Mit der Führung eines Prozesses durch den Gemeinschuldner ist aber - wie Shamiyeh zutreffend ausführt - immer ein Prozeßkostenrisiko für die Masse und damit eine Gefährdung der Interessen der Gläubiger verbunden, sofern nicht ausnahmsweise ein Dritter die Haftung für die Kosten übernommen hat. Ob es sich dabeim um die Geltendmachung einer Schadenersatzforderung oder anderer Ansprüche handelt, ist entgegen der offenbar vom Kläger vertretenen Auffassung rechtlich ohne Bedeutung.
Der Kläger rügt zwar das Berufungsverfahren als mangelhaft, weil er von der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes überrascht worden sei, macht aber nicht geltend, daß er im Falle einer Erörterung im Zuge einer Berufungsverhandlung irgend etwas zur Abwehr der Nichtigerklärung hätte ins Treffen führen können. Er behauptet insbesondere nicht, daß eine Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ausgeschlossen sei, weil eine Kostenbelastung der Masse aus irgendwelchen Gründen nicht in Frage komme. Er hat also die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht dargelegt (Kodek aaO Rz 6 zu § 471).
Schon mangels Verfügungsfähigkeit des Klägers hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht das Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen. Ob auch Unzulässigkeit des Rechtsweges vorliegt, braucht daher nicht mehr geprüft zu werden.
Auf die Kostenrüge des Klägers war nicht einzugehen, weil die Kostenentscheidung des Gerichtes zweiter Instanz in jedem Fall unanfechtbar ist (§ 519 Abs 1 ZPO für das Berufungsgericht: Kodek aaO Rz 2 zu § 519; § 528 Abs 2 Z 3 ZPO für das Rekursgericht).
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.
Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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