OGH 4Ob2160/96t

OGH4Ob2160/96t17.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Unterbringungssache J***** D*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Patientenanwalts Mag.Wolfgang Reinthaler, Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Gst. NÖ Landesnervenklinik Gugging, Maria Gugging, Hauptstraße 2, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29.Mai 1996, GZ 44 R 400/96s-13, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Patientenanwaltes wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Unterbringung nach § 3 UbG setzt unter anderem das Vorliegen einer psychischen Krankheit voraus. Eine geistige Behinderung rechtfertigt für sich allein keine derartige Maßnahme. Treten jedoch neben einer vorhandenen geistigen Behinderung auch Symptome einer psychischen Erkrankung auf, ist nach Lehre und ständiger Rechtsprechung eine Unterbringung im Sinn dieser Bestimmung unter der weiteren Voraussetzung der Selbst- oder Fremdgefährlichkeit zulässig (NZ 1992, 270; 7 Ob 590/91; 3 Ob 552/92; 6 Ob 546/95 ua; Hopf/Aigner, UbG Rz 4 und 5 zu § 3; Kopetzki Unterbringungsrecht II 490). Das Unterbringungsgesetz umschreibt den Rechtsbegriff "psychische Krankheit" nicht näher, sein Inhalt ist im Wege der Auslegung nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft und somit nach Erfahrungssätzen zu ermitteln (Hopf/Aigner, UbG Rz 4 zu § 3; 3 Ob 552/92 ua).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Das Rekursgericht hat ergänzende Erhebungen durchgeführt und festgestellt, daß beim Betroffenen erst seit wenigen Wochen eine psychische Labilität mit Erregungszuständen und unmotivierten Aggressionsdurchbrüchen beobachtet werde, die zu tätlichen Angriffen gegen Mitpatienten und Pfleger, teilweise mit gravierenden Verletzungen geführt habe. Im Vergleich zum früheren Verhalten - Impulsdurchbrüche seien davor nicht beobachtet worden - beurteilte das Rekursgericht die auftretenden massiven Störungen der emotionalen, sozialen und kognitiven Funktionen als psychische Veränderung, deren Ausmaß Krankheitswert erreiche und bejahte das Vorliegen einer psychischen Erkrankung im Rechtssinn. Der Betroffene weise neben der geistigen Behinderung zusätzlich Symptome einer psychischen Erkrankung auf, so daß eine Unterbringung gerechtfertigt sei.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG liegt nicht vor.

Das Rekursgericht hat ergänzende Erhebungen durchgeführt, die Krankengeschichte beigeschafft, Äußerungen der behandelnden Ärzte eingeholt und daraus entsprechende Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung darüber zulassen, ob hier neben der geistigen Behinderung in letzter Zeit auch Symptome einer psychischen Erkrankung vorliegen. Eine (auffallende) Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes ist mit Rücksicht auf diese Sachverhaltsgrundlage nicht zu erkennen.

Ob die Sachverhaltsgrundlage zur Beurteilung des Vorliegens einer psychischen Störung ausreicht oder hiefür ein (weiteres) Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Der vom Revisionsrekurswerber aufgeworfenen Frage, ob ein ergänzendes Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen, kommt daher keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG zu.

Stichworte