OGH 4Ob2202/96v

OGH4Ob2202/96v12.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Hofstätter & Isola Kommandit-Partnerschaft in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialver- fahren S 500.000), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 26.April 1996, GZ 6 R 57/96-13, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30.Jänner 1996, GZ 18 Cg 267/95z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

21.375 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin S 3.562,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Zulasssungsinhaberin und Vertreiberin des von der Eli Lilly & Co Ltd, Basingstoke, England, hergestellten Medikaments "Fluctine 20 mg Kapseln". Bis zum 1.Oktober 1995 legte sie den Medikamentenpackungen folgende Gebrauchsinformation bei:

Die Beklagte ist Herstellerin und Zulassungsinhaberin des Medikaments "Mutan 20 mg Kapseln". Sie benützt hiebei die mit Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 15. Februar 1995, GZ 934.266/2-II/10/16a/94 genehmigte Gebrauchsinformation in folgender Gestaltung:

Die Gebrauchsinformation der Beklagten weicht von derjenigen der Klägerin also dahin ab, daß das Medikament der Beklagten als "Mutan 20 mg Kapseln" oder als "Fluoxetin" bezeichnet wird, wogegen dasjenige der Klägerin als "Fluctine 20 mg Kapseln", "Fluctine" oder auch "Fluoxetin" bezeichnet wird. Sonst ist die von der Beklagten verwendete Gebrauchsinformation ab der Überschrift "Zusammensetzung" der (bis 1.Oktober 1995 benützten) Gebrauchsinformation der Klägerin mit Ausnahme geringfügiger Änderungen nachgemacht.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr dem Medikament "Mutan 20 mg-Kapseln" eine Gebrauchsinformation beizupacken, welche der Gebrauchsinformation zum Medikament "Fluctine 20 mg-Kapseln" im Inhalt nachgebildet ist. Das einfache Kopieren der Gebrauchsinformation der Klägerin bedeute die sklavische Nachahmung einer fremden Leistung, da es sich bei dem Beipacktext zu einem Medikament um ein auch im Sinne des Urheberrechts geschütztes Werk handle. Die Beklagte habe daher § 2 UrhG verletzt, aber auch gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen. Die Gebrauchsinformation zu "Fluctine" enthalte weit mehr Angaben als eine bloße Beschreibung des Produktes und seiner Eigenschaften sowie der Dosierung. Schon allein die umfangreiche Aufzählung der möglichen Nebenwirkungen zeige, daß weitreichende und kostenintensive Forschungstätigkeiten notwendig waren, um zu diesen Ergebnissen zu kommen. Die Beklagte habe sich mit dem einfachen Kopieren dieses Textes eigene klinische und nichtklinische Untersuchungen erspart und damit einen Wettbewerbsvorteil erzielt.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Das Arzneimittelgesetz (AMG) und die Verordnung über Fachinformation und Gebrauchsinformation für Arzneispezialitäten gäben die inhaltliche Gestaltung einer Gebrauchsinformation bis ins Detail vor. Um eine Zulassung gemäß AMG zu erlangen, sei es erforderlich, die Gebrauchsinformation gemäß diesen Vorgaben zu gestalten. Handle es sich - wie bei den "Mutan 20 mg-Kapseln" - um eine abgeleitete Zulassung im Sinne des § 15a AMG, habe das zwingend eine Gleichschaltung der Gebrauchsinformationen der bioäquivalenten Präparate zur Folge. Die Beklagte habe sich bei der Gestaltung der Gebrauchsinformation auch an die Empfehlungen der Fachliteratur gehalten. Der von ihr verwendete Text gleiche daher naturgemäß in Aufbau, Struktur und Inhalt den Gebrauchsinformationen anderer in Österreich zugelassener Medikamente. Die Beklagte habe die Gebrauchsinformation der Klägerin nicht einfach kopiert, sondern im Rahmen des Zulassungsverfahrens vor dem zuständigen Bundesministerium erstellt. Da die Textierung in Absprache mit der Zulassungsbehörde erfolgt sei, fehle es an einer der Beklagten subjektiv vorwerfbaren Mißachtung einer wettbewerbsrechtlich relevanten Vorschrift. Gebrauchsinformationen und Beipackzettel dienten nicht der Verwendung oder Werbung im Wettbewerb der Hersteller, sondern nur der Information der Patienten. Im übrigen sei der Inhalt eines Beipackzettels oder einer Gebrauchsinformation durch die Ware, deren Beschaffenheit und Zweckbestimmung völlig vorgegeben und weise selbst keine eigenständige Bedeutung auf. Das Sicherungsbegehren sei auch zu weit gefaßt. Hilfsweise werde beantragt, der Klägerin eine Sicherheit in der Höhe von S 500.000 aufzuerlegen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte noch fest:

Das von der Klägerin in Österreich vertriebene und für sie zugelassene Medikament "Fluctine 20 mg-Kapseln" ist ein Fluoxetinprodukt, welches Fluoxetinhydrochlorid in seinem Herstellungsverfahren für die Muttergesellschaft der Klägerin patentrechtlich in Österreich geschützt ist.

Die Beklagte vertreibt das für sie zugelassene Medikament "Mutan 20 mg-Kapseln", das gleichfalls ein Fluoxetinprodukt ist, seit dem 1. Juli 1995. Die Verpackung des Produkts der Beklagten weicht in der optischen Gestaltung stark von derjenigen der Klägerin ab.

Die beiden Medikamente der Streitteile dienten ua der Behandlung schwerer Verstimmungszustände. In Ansehung des Verfahrens zur Herstellung des im Medikament enthaltenen Wirkstoffes wird vor dem Handelsgericht Wien ein Patentstreit zwischen den Parteien ausgetragen.

Die Gebrauchsinformation der Beklagten wurde von ihrer Mitarbeiterin Dr.Silvia W***** verfaßt. Grundlage war eine veröffentlichte Anleitung zur patientenfreundlichen Gestaltung von Packungsbeilagen unter Berücksichtigung der EG-Richtlinie 92/27 . Die Gebrauchsinformation der Beklagten wurde im Zuge des Zulassungsverfahrens von der Behörde in einzelnen Punkten ergänzt.

Rechtlich meinte der Erstrichter, die Beklagte habe die Leistungen der Klägerin nicht sklavisch nachgeahmt und auch nicht in urheberrechtlich geschützte Werkleistungen der Klägerin eingegriffen, weil sich die textliche Gestaltung in den wesentlichen Belangen aus der angeführten EG-Richtlinie ergebe. Weitere Übereinstimmungen im Text seien die Folge der Übereinstimmung der Medikamente. Die Beklagte habe für die Erstellung der Gebrauchsinformation auch eigene Leistungen, insbesondere auch medizinische Eigenleistungen, erbracht. Sie habe daher weder gegen das Urheberrechtsgesetz noch gegen das UWG verstoßen. Die Gebrauchsinformation der Klägerin weise keine besondere Eigenart auf.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Gebrauchsinformation der Beklagten beruhe auf unmittelbarer Übernahme (Aneignung) fremder Leistung durch identisches Nachmachen bzw sklavisches Nachahmen (Abschreiben) der Gebrauchsinformation der Klägerin. Wenn auch das von der Klägerin vertriebene Medikament auf einem patentierten Verfahren beruhe, stehe die dazugehörige Gebrauchsinformation nicht unter Sonderrechtsschutz. Es sei aber nicht zweifelhaft, daß das Verfassen einer Gebrauchsinformation - auch unter Bedachtnahme auf die EG-Richtlinie 92/27 vom 31.März 1992 und den darin vorgeschriebenen Inhalt einer "Packungsbeilage von Humanarzneimitteln" - einen eigenen, ins Gewicht fallenden, mit Kosten und Mühen verbundenen Schaffensvorgang bedeute. Das Nachahmen solcher Produkte verstoße aber nur dann gegen die guten Sitten, wenn ihnen eine wettbewerbliche Eigenart zukomme. Alltägliche Leistungen verdienten keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz, selbst wenn für sie Mühe und Kosten aufgewendet wurden. Die Gebrauchsinformation der Klägerin bestehe trotz der Verwendung einiger medizinischer Fachausdrücke aus gängigen Wörtern und Wendungen. Sie sei demnach keine "eigenartige Leistung", deren unmittelbare Übernahme sittenwidrig wäre. Aus demselben Grund sei auch Sonderrechtsschutz nach dem Urheberrechtsgesetz zu verneinen. Maßgebend für die Eigenartigkeit des nachgeahmten Erzeugnisses sei die Eignung, im Verkehr als kennzeichnend für die Herkunft und Güte gewertet zu werden. Die Klägerin müsse sich damit abfinden, daß die Ergebnisse ihrer Arbeit in Form der von ihr entworfenen Gebrauchsinformation der Allgemeinheit und somit auch der Beklagten zukommen. Sie werde sich daher mit dem Vorteil im Wettbewerb begnügen müssen, der in ihrem natürlichen Vorsprung gegenüber der Beklagten liege, welche die Gebrauchsinformation weitgehend übernommen hat. Im Hinblick auf die Dauer der Verwendung der Gebrauchsinformation durch die Klägerin sei davon auszugehen, daß ihr die Früchte ihrer Arbeit bereits in hinreichendem Maß zugute gekommen sind. Durch den Gebrauch des eigenen Produktnamens "Mutan" werde eine - von der Klägerin ohnehin nicht geltend gemachte - Gefahr von Verwechslungen zwischen den Produkten der Streitteile verhindert, zumal ja für die Produkte Rezeptpflicht bestehe und bei den Ärzten ein höheres Maß an Aufmerksamkeit anzunehmen sei als bei den auf das Medikament angewiesenen Patienten.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Richtig ist freilich, daß der Inhalt einer Gebrauchsinformation für eine Arzneispezialität weder durch die Richtlinie 92/27/EWG des Rates vom 31.März 1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, ABl L 113/8, noch durch § 8 AMG oder die Verordnung über die Fachinformation für Arzneispezialitäten BGBl 1984/403 idF BGBl 1995/570 so determiniert wird, daß sie für gleichartige Medikamente wörtlich gleich sein müßte. Derartiges hat aber das Rekursgericht ohnehin nicht angenommen. Vorgegeben ist dem Verfasser einer solchen Gebrauchsinformation nur, welche Angaben - wie Bezeichnung der Spezialität, Zulassungsnummer, Hersteller, Zusammensetzung, Eigenschaften und Wirksamkeit, Anwendungsgebiete, Art der Anwendung, Dosierung, Gegenanzeigen, Nebenwirkungen udgl - enthalten sein müssen. Die Wortwahl im einzelnen ist aber dem Verfasser überlassen. Damit ist aber für die Klägerin nichts zu gewinnen.

Soweit sie auch in dritter Instanz daran festhält, daß ihre Gebrauchsinformation - als wissenschaftliches Werk - urheberrechtlichen Schutz genieße, kann ihr nicht zugestimmt werden. Werke im Sinn des Urheberechtsgesetzes - also auch Werke wissenschaftlicher oder belehrender Art - sind eigentümliche geistige Schöpfungen ua auf dem Gebiet der Literatur (§ 1 Abs 1 UrhG). Für die Beurteilung, ob eine "eigentümliche" geistige Schöpfung vorliegt, ist allein die individuelle Eigenart, also die auf der Persönlichkeit seines Schöpfers beruhende Individualität des Werkes, maßgebend. Die individuell eigenartige Leistung muß sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abheben; sie setzt voraus, daß beim Werkschaffenden persönliche Züge zur Geltung kommen (ÖBl 1992, 181 - City-Gemeinschaft Klagenfurt mwN; ÖBl 1996, 56 - Pfeildarstellung; 4 Ob 2085/96p uva). Die Gebrauchsinformation der Beklagten läßt jedoch keine individuelle Eigenart im dargestellten Sinn erkennen. Sie kann im Gegensatz zur Meinung der Klägerin nicht als wissenschaftliches Sprachwerk gewertet werden. Ein solches Werk ist nämlich eine sich durch individuelle Darstellung auszeichnende sprachliche Schöpfung auf wissenschaftlichem Gebiet, deren äußere Form und/oder inhaltliche Gestaltung sich von vergleichbaren Werken deutlich abhebt (Vinck in Nordemann/Vinck/Hertin, Urheberrecht, Rz 30 zu § 2 dUrhG). Die Gebrauchsin- formation der Klägerin beantwortet nur in einer keineswegs originellen Form die jeweils - im Sinne der Verordnung BGBl 1984/403 (§§ 7 ff) - gestellten Fragen. Der Klägerin kann auch darin nicht beigepflichtet werden, daß die von ihr gebrauchte Definition des Begriffs der "Gegenanzeigen" eine besondere Originalität aufweise, die sich als eigentümliche geistige Schöpfung im Sinn des § 1 Abs 1 UrhG einstufen ließe. Sie bringt ja nur mit klaren, der Alltagssprache angehörenden Worten das zum Ausdruck, was in der Medizin und Pharmazie unter diesem Begriff verstanden wird. Daß wohl kaum zwei Autoren unabhängig voneinander die gleiche Formulierung gefunden hätten, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer eigentümlichen geistigen Schöpfung; die "statistische Einmaligkeit" genügt hiefür nicht (ÖBl 1986, 27 - Tagebücher; Kucsko Österreichisches und europäisches Urheberrecht4, 21).

Mit Recht hat daher das Rekursgericht der Gebrauchsinformation der Klägerin den urheberrechtlichen Schutz versagt.

Aber auch ein Verstoß der Beklagten gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) liegt nicht vor. Grundsätzlich ist das Nachahmen eines fremden Produktes, das keinen Sonderschutz - etwa nach dem Urheberrechtsgesetz, dem Markenschutzgesetz, als Unternehmenskennzeichen udgl - genießt, an sich nicht wettbewerbswidrig (ÖBl 1991, 213 - Cartes Classiques; MR 1993, 72 - Programmzeitschrift uva); aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen folgt ja zwingend, daß die wirtschaftliche Betätigung des einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll. An diese sowohl im Interesse der Mitbewerber als auch im Interesse der Allgemeinheit getroffene Entscheidung ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gebunden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht18, 592 Rz 439 zu § 1 dUWG; MR 1993, 72 - Programmzeitschrift). Jeder muß daher die Ergebnisse seiner Arbeit, mag er sie mit noch so viel Mühe und Kosten erreicht haben, der Allgemeinheit im Interesse des Fortschritts zur Verfügung stellen, soweit kein Sonderrechtsschutz besteht. Sein Vorteil im Wettbewerb liegt in dem natürlichen Vorsprung, den er vor seinen Mitbewerbern dadurch gewinnt, daß sie ihn erst wieder durch eine nachahmende Leistung ausgleichen müssen, was keineswegs immer so einfach ist und oftmals ebenfalls Mühe und Kosten erfordert (Baumbach/Hefermehl aaO 620 Rz 495; MR 1993, 72 - Programmzeitschrift). Ein Verstoß gegen § 1 UWG ist aber (nur) dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (Baumbach/Hefermehl aaO 593 Rz 440; ÖBl 1991, 213 - Cartes Classiques; MR 1993, 72 - Programmzeitschrift uva).

Sittenwidrig im Sinn des § 1 UWG handelt nach ständiger Rechtsprechung, wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen; er macht sich in diesem Fall schmarotzerischer Ausbeutung fremder Leistung schuldig (ÖBl 1993, 156 - Loctite; ÖBl 1995, 116 - Schuldrucksorten mwN). Eine solche glatte Übernahme wurde nicht nur in Fällen der Verwertung fremder Arbeitsergebnisse durch Vervielfältigungsmethoden (SZ 53/35 = ÖBl 1980, 97 - Österreichisches Lebensmittelbuch; ÖBl 1987, 95 - Dentsoft-Computerprogramm), sondern auch dann angenommen, wenn die Leistung des Geschädigten - zB mit Mühen und Kosten entwickelte AGB - einfach durch Abschreiben übernommen wurde (ÖBl 1993, 156 - Loctite). Trotzdem läßt sich aber nicht ganz allgemein der Rechtssatz aufstellen, daß die unmittelbare Aneignung eines fremden Arbeitsergebnisses wettbewerbswidrig sei (Baumbach/Hefer- mehl aaO 622 Rz 500 mit Hinweisen auf Rechtsprechung des BGH und Schrifttum). Entscheidend ist nicht, welches Mittel zur Vervielfältigung angewendet wird, sondern ob die Anwendung dieses Mittels unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bewirkt, daß der Schöpfer des Originaldrucks in unbilliger Weise um die Früchte seiner Arbeit gebracht wird (Baumbach/Hefermehl aaO 623 Rz 500). Bei der gebotenen Interessenabwägung (Baumbach/Hefermehl aaO 624 Rz 505; ÖBl 1991, 217 - Umweltspezialist für Tiefbauprodukte; ÖBl 1994, 22 - System der Besten) ist wohl zu berücksichtigen, daß das Originalerzeugnis - hier also die Gebrauchsinformation der Klägerin - nur mit Aufwand an Zeit, Mühe und Kosten geschaffen werden konnte, der Übernehmer - die Beklagte - sich dagegen unter Ersparung eigener Aufwendungen einen Vorteil verschafft hat. Daß aber die Klägerin damit "um die Früchte ihrer Arbeit" gekommen wäre, hat sie selbst nicht behauptet und ist auch nicht zu erkennen. Ein solcher Sachverhalt liegt dann vor, wenn der Nachahmer das nachgeahmte Produkt im Hinblick auf seine Kostenersparnis preisgünstiger abgeben kann, so daß er dem Erzeuger des Originals schmerzhaft Konkurrenz macht. Gerade das kann aber beim (weitgehenden) Abschreiben der Gebrauchsinformation eines Medikaments nicht zutreffen, weil das Umformulieren der Gebrauchsinformation keinen wesentlichen Kostenfaktor bildet.

Daß die Gebrauchsinformation der Beklagten im Text (nicht auch in der graphischen Gestaltung) weitgehend mit derjenigen der Klägerin übereinstimmt, hat demnach für den Wettbewerb keine Bedeutung. Allein der Umstand, daß sich die Beklagte Mühe und Kosten einer eigenen Textierung (großteils) erspart hat, rechtfertigt nicht ein Verbot der Nachahmung. Es ist kein vernünftiger Grund dafür einzusehen, warum die Beklagte, die ein Medikament vertreibt, das - wie sich aus der Zulassung beider Medikamente und deren Gebrauchsinformationen durch das zuständige Ministerium ergibt und auch gar nicht bestritten wurde - die gleichen Eigenschaften und Wirkungen wie jenes der Klägerin aufweist, nur um nicht in den Vorwurf des Schmarotzens zu kommen, eigene Formulierungen finden müßte, also etwa die (äußerst zahlreichen) Nebenwirkungen in anderer Reihenfolge oder mit anderen Wörtern beschreiben und sich der Mühe unterziehen müßte, die (inhaltlich gleichen) Warnhinweise anders auszudrücken.

Da die Übernahme des Textes der Klägerin aus den dargestellten Gründen nicht geeignet ist, zu einer Herkunftstäuschung zu führen - die Klägerin macht eine solche mit Recht auch gar nicht geltend - , kommt es nicht darauf an, in welchem Ausmaß die Beklagte zumutbare Ausweichmöglichkeiten gehabt hätte. Selbst wenn die Gebrauchsinformation der Klägerin inhaltlich mit dem Beipacktext zu dem Fütterungsarzneimittel, welches Gegenstand der Entscheidung ÖBl 1986, 152 - Fütterungsarzneimittel war, nicht vergleichbar sein sollte, wäre daher für die Klägerin kein besseres Ergebnis zu erzielen. Sollte die an dieser Entscheidung geübte Kritik Wiltscheks (Wettbewerbs- und Markenrecht in Österreich - Eine Übersicht über die im Jahr 1986 veröffentlichten Entscheidungen, WRP 1987, 531 ff [532]) dahin zu verstehen sein, daß eine identische Übernahme immer dann sittenwidrig sei, wenn es dem Beklagten - im Sinn der Judikatur zur "vermeidbaren Herkunftstäuschung" - ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, ein Mindestmaß an eigener Mühe anzuwenden, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Das Aufwenden von Mühe und Kosten durch einen Unternehmer, der sich - auch im Interesse der Allgemeinheit an billigen Produkten - um Kostenminimierung bemühen muß, kann nur dann verlangt werden, wenn andernfalls die Interessen eines Mitbewerbers geschädigt werden könnten. Da dies hier nicht zutrifft, ist der Beklagten daraus, daß sie den Text fast wörtlich übernommen hat, kein Vorwurf zu machen.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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