OGH 1Ob2192/96a

OGH1Ob2192/96a25.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter R*****, vertreten durch DDr.Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 290.770,70 S sA und Feststellung infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14.September 1995, GZ 2 R 181/95-46, womit infolge von Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.März 1995, GZ 4 Cg 411/93-39, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

I. Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß es als Teil- und Zwischenurteil wie folgt zu lauten hat:

„1. Die Klagsforderung besteht dem Grunde nach zu Recht.

2. Es wird der beklagten Partei gegenüber festgestellt, daß diese der klagenden Partei für sämtliche kausalen und künftigen Schäden aus dem Dienstunfall vom 1.September 1990, bei dem ein Schuß aus der Dienstpistole den Kläger schwer verletzte, zu haften hat.“

3. Die Kostenentscheidung bleibt insoweit dem Endurteil vorbehalten.

II. 1. Im übrigen wird die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufungen beider Parteien gegen den erstinstanzlichen Ausspruch über die Höhe des Leistungsbegehrens aufgetragen.

2. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind in diesem Umfang weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Gendarmeriebeamte wurde am 1.September 1990 durch einen Schuß, der sich aus seiner Dienstpistole „F.N., Modell 1935, Kaliber 9 mm Parabellum, Nr ...“ (im folgenden Dienstpistole M 35) gelöst hatte, verletzt. Diese Dienstpistole war ihm 1969 beim Eintritt in den Gendarmeriedienst mit dazugehöriger Pistolentasche ausgehändigt worden. Für deren Gebrauch, Laden und Entladen, Verwahrung und Tragen besteht eine Dienstinstruktion der Gendarmerie („Gendarmeriedienstvorschrift“, im folgenden GDV). Der wie die übrigen Gendarmeriebeamten auch entsprechend instruierte Kläger hat entsprechend der Instruktion seine Dienstpistole M 35 tadellos gewartet und gehalten. Zuletzt wurde die Waffe durch den Waffenmeister des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg 1989 oder 1990 überprüft und für in Ordnung befunden. Bis zum Unfall vom 1.September 1990 traten mit der Dienstpistole des Klägers keine Probleme auf.

Am 31.August 1990 trat der Kläger um 08.00 Uhr seinen Dienst beim Gendarmerieposten an, nahm beim Dienstantritt seine Dienstpistole M 35 aus dem Waffenschrank, magazinierte sie, zog den Schlitten nach hinten (repetierte) und ließ ihn wieder nach vorne gleiten, sodaß er sich in der Endposition befand. Er legte den linken Zeigefinger zwischen den nach hinten gespannten Hammer und das Gehäuse, mit dem rechten Zeigefinger betätigte er den Abzug. Nach Entfernung des rechten Zeigefingers vom Abzug ließ er den linken Zeigefinger langsam nach vorne abrollen, sodaß sich der Hammer vermeintlich in die Sicherungsrast bewegte. Daß dies tatsächlich nicht der Fall, sondern der Hammer am Abzugstollen hängengeblieben war, war für den Kläger nicht erkennbar. Ihm war nicht bekannt, daß ein derartiges Hängenbleiben überhaupt möglich ist. Nachdem der Kläger seine Dienstpistole derart gebrauchsfähig gemacht hatte, brachte er sie in seiner Pistolentasche unter, in der er sie während des Dienstes vom 31.August auf den 1.September 1990 beließ und mit sich trug. Die Pistolentasche selbst legte er lediglich während einer Ruhepause in der Nacht ab. Nach Beendigung des Dienstes am Morgen des 1.September 1990 wollte der Kläger zum etwa 15 km entfernten benachbarten Gendarmerieposten fahren - wo er am nächsten Tag den Dienst verrichten sollte - und deshalb seine Dienstpistole M 35 dort in Verwahrung geben. Er bestieg seinen Privat-PKW mit der rechts an der Hüfte in der Pistolentasche befindlichen Dienstpistole M 35. Im PKW sitzend hob er mit der rechten Hand die Pistolentasche auf den rechten Oberschenkel, um den Sicherheitsgurt - der nicht über die Pistolentasche laufen sollte - anlegen zu können. Nachdem er die geschlossene Pistolentasche am rechten Oberschenkel mit leichter Schrägstellung nach links gebracht hatte, löste sich aus der darin befindlichen Dienstpistole M 35 ein Schuß, ohne daß der Abzug betätigt worden wäre. Das Projektil durchschlug den Boden der Pistolentasche, anschließend das Grundgelenk des in diesem Bereich angelegten rechten kleinen Fingers des Klägers von innen nach außen, drang in den linken Oberschenkel des linken Beins und ins Knie ein, wo es durch den Schienbeinkopf nach links außen abgelenkt wurde und unter der Haut steckenblieb. Ursache für das Lösen des Schusses war die Erschütterung der Dienstpistole M 35 beim Ablegen der Pistolentasche auf den Oberschenkel des Klägers, weil sich der Hahn nicht in der Spannrast befunden hatte und auch nicht in der Sicherheitsrast eingerastet war.

Die Dienstpistole M 35 hat eine relativ komplizierte Abzugsvorrichtung und mehr Schloßteile als die meisten äußerlich ähnlichen Handfeuerwaffen. Insgesamt sechs bewegliche Teile bewirken das Abfeuern eines Schusses: Abzug, Abzughebel, Abzugstollenhebel, Abzugstollen, Hahn und Schlagbolzen. An Sicherheitseinrichtungen weist sie a) eine Hebelsicherung, b) die Sicherheitsrast, c) die Magazinsicherung sowie d) den Schleuderzündstift auf. Die Hebelsicherung liegt links am Griffstück und wirkt auf den Abzugstollen. Wird die gespannte Dienstpistole M 35 gesichert, das heißt der Sicherungshebel nach oben gedrückt, ist der Abzugstollen blockiert und kann nicht so weit verdreht werden, daß er aus dem Hahn ausrastet. Bei der Dienstpistole M 35 des Klägers ist die Sicherung zwar funktionsfähig, sodaß im gesicherten Zustand durch Druck auf den Abzug kein Schuß abgefeuert werden kann, aber der Abzugstollen wird von der Sicherung nicht vollkommen festgelegt. Durch Druck auf den Abzug bei gespannter, gesicherter Pistole wird der Abzugstollen geringfügig verdreht, was sowohl hörbar als auch durch eine minimale Bewegung des Hahns sichtbar ist. Befindet sich der Hahn in der Sicherheitsrast, nimmt er eine Stellung zwischen vorderster Position (entspannt bzw abgeschlagen) und hinterster Stellung (Spannrast) ein. Die Sicherheitsrast ist derart hinterfeilt, daß der eingerastete Abzugstollen durch Druck auf den Abzug nicht aus ihr ausrastet. Ist der Hahn in der Sicherheitsrast, hat die Oberkante der Schlagfläche einen Abstand von knapp über 5 mm von ihrer Auflage auf der Halteplatte des Schlagbolzens. In dieser Stellung berührt der Hahn den Schlagbolzen nicht. Die Sicherheitsrast dient auch dazu, den Hahn ohne Berührung des Schlagbolzens aufzufangen, wenn er beim manuellen Spannvorgang vor Erreichen der Spannrast dem Daumen entgleitet. Die Stellung „Hahn in der Sicherheitsrast“ ist jene, in der die Dienstpistole M 35 bei der Gendarmerie geführt wird.

Die Sicherheitsrast stellt eine veraltete, mit mehreren Mängeln behaftete Sicherheitseinrichtung dar: Einerseits besteht wegen der Möglichkeit eines Rastbruchs keine vollkommene Fallsicherung, andererseits ist sie im Unterschied zu den selbsttätigen Rückspringtasten und Schlagbolzensicherungen keine automatische Sicherung. Darin liegt eine Fehlerquelle, die schon öfter zu Unfällen geführt hat. Während etwa bei der Dienstpistole Walther P 38 oder bei einem modernen „Smith & Wesson“ Revolver der Hahn in der Ruhestellung von selbst in die Rückspringrast bewegt wird, muß der Hahn bei einem Schloß mit Sicherheitsrast vom Schützen in diese Stellung gebracht werden. Dabei kann es vorkommen, daß der Abzugstollen nicht voll in der Sicherheitsrast einrastet, sondern am Ursprung vor dieser Rast hängenbleibt. In dieser zwar nachvollziehbaren, jedoch nur sehr schwer erkennbaren, gefährlichen Stellung kann der Hahn sowohl durch Betätigung des Abzugs als auch durch Druck, Schlag oder Erschütterung nach vorne abgeschlagen werden und auf den Schlagbolzen treffen.

Als Schleuderzündstift bezeichnet man bei einem Hahnschloß einen Zündstift (Schlagbolzen), der so kurz ist, daß er das Zündhütchen einer im Lauf befindlichen Patrone erst erreicht, wenn er vom Hahn so weit vorgeschleudert wurde, daß er mit seinem hinteren Ende nicht mehr in Kontakt mit dem Hahn steht. Bei der Dienstpistole des Klägers besteht keine Längendifferenz, sodaß die Schlagbolzenspitze mit der Stoßbodenfläche abschließt, wenn der Hahn gespannt ist. Dieser etwas zu lange Schlagbolzen beeinträchtigt zwar noch nicht die Fallsicherheit, erhöht aber das Risiko, wenn der Hahn aus der oben dargelegten Stellung (Abzugstollen nicht ganz in der Sicherheitsrast eingerastet) abrutscht. Bei der Dienstpistole M 35 des Klägers befand sich auch die Schlagbolzenfeder nicht im Originalzustand. Während Vergleichswaffen desselben Modells 47 mm lange Schlagbolzenfedern aufweisen, betrug die Länge in der Dienstpistole des Klägers nur 44,5 mm. Weiters endet die Schlagbolzenfeder im Originalzustand nicht in konstanter Steigung wie bei der Unfallwaffe, sondern das Federende ist schräg abgeschliffen und endet in flacherem Winkel, sodaß sich eine plane Auflagefläche ergibt. Während die Länge der Zündstiftfeder in der vorliegenden Maßabweichung keinen Einfluß auf die Funktion hatte, beeinflußte die Länge des Zündstifts die Zündwilligkeit der Patronen erheblich. Bei einem gegenüber der Dienstpistole M 35 des Klägers um 0,2 mm kürzeren Zündstift sank bei Versuchen die Zündhäufigkeit von über 77 % auf 50 % ab. Dieser längere Zündstift stellte einen neben der Konstruktion der Sicherungsrast weiteren Konstruktions- und Fertigungsfehler dar, der das Sicherheitselement „Impulszündstift“ ins Gegenteil verkehrte.

Zusammengefaßt sind die Sicherheitseinrichtungen der Dienstpistole M 35 veraltet und entsprechen nicht dem neuesten Stand der Technik. Nach heutigen hohen Anforderungen ist die Schützensicherheit der Dienstpistole M 35 als nicht mehr ausreichend anzusehen. Dies zu erkennen war für den Kläger praktisch unmöglich, er wußte über diese Risken auch nicht Bescheid und war darüber auch nicht unterrichtet worden. Insbesondere wußte er nichts über die Gefahr, daß der Hammer außerhalb der Sicherungsrast hängenbleiben kann und dann ein enormes Sicherheitsrisiko darstellt.

Punkt 26 der - insoweit auch bebilderten - GDV zur Pistole M 35 lautet:

„... 6. Laden der Pistole

Aus der Grundhaltung wird das rechte Handgelenk so gedreht, daß der Durchbruch im Griffstück der Pistole nach links zeigt; die linke Hand schiebt das gefüllte Magazin von unten in den Griff und drückt es mit dem Handballen kräftig nach oben, bis der Magazinhalter hörbar einschnappt; darauf wird wieder die Grundhaltung eingenommen. Die linke Hand umfaßt sodann mit Daumen und Zeigefinger fest die gegiffelten Handhaben des Verschlußstückes, zieht dieses rasch und kräftig bis zum Anschlag zurück und läßt es sofort los, so daß es vorschnellt. Nun wird der Hammer entspannt, das heißt, in die Sicherungsrast vorgelassen.

Hiezu wird ein Finger der linken Hand zwischen Hammer und Verschlußstück gelegt, der rechte Zeigefinger drückt auf das Züngel. Bei Freiwerden des Hammers wird das Züngel sofort losgelassen; erst jetzt läßt der Finger der linken Hand - dem Druck der Hammerfeder nachgebend - den Hammer langsam nach vorne in die Sicherungsrast gleiten. Sollte hiebei der Hammer dem Finger entgleiten und nach vorne schlagen, so kann sich trotzdem kein Schuß lösen, da der Hammer von der Sicherungsrast zuverlässig gefangen wird.“

Da der Kläger die mit seiner Dienstpistole M 35 verbundenen Gefahren nicht erkannte, konnte es bei deren Laden entsprechend der GDV geschehen, daß er entgegen dieser Vorschrift beim Entspannen des Hammers - offensichtlich am 31.August 1990 - das Züngel der Dienstpistole M 35 erst nach einiger Bewegung des Hammers losließ und deshalb der Hammer vom Abzugstollen nicht in der Sicherungsrast, sondern auf der die Abzugstollenbewegung verhindernden Nase gehalten wurde. Da äußerlich keine Umstände diesen gefährlichen Zustand anzeigten und in der GDV insoweit auch keine Kontrolltätigkeit vorgeschrieben ist, konnte und mußte der Kläger davon ausgehen, richtig gehandelt zu haben.

Die Dienstpistole M 35 wird seit 1956 bundesweit bei der Gendarmerie geführt. Es kam mehrmals vor, daß sich aufgrund der Probleme mit der Sicherheitsrast ungewollt ein Schuß löste. Wie oft dies bezogen auf ganz Österreich der Fall war, ist nicht feststellbar. In Vorarlberg ereigneten sich drei derartige Vorfälle: Im Dezember 1984 löste sich beim Sturz eines Gendarmeriebeamten auf einem vereisten Platz ebenso ein Schuß wie im Jänner 1989 beim Laufschritt eines Beamten; ein weiterer Vorfall ereignete sich, als ein Gendarmeriebeamter seine Dienstpistole M 35 mit dem Gurt auf ein Bett warf und sich dabei ein Schuß löste. Von diesen Vorfällen hatten die vorgesetzten Dienststellen in Vorarlberg jedenfalls Kenntnis. Es kann angenommen werden, daß die Vorfälle auch den betreffenden Zentralstellen bekannt waren, wie diese auch über die Probleme mit der Sicherheitsrast Bescheid wußten. Entsprechend den budgetären Mitteln erfolgt derzeit die Umrüstung der Gendarmerie auf die Dienstpistole „Glock“.

Nicht erwiesen ist, daß der Kläger die Wartung oder Pflege seiner Dienstpistole vernachlässigt bzw solches einen wie immer gearteten Einfluß auf den Unfall gehabt hätte oder der Kläger mit minderwertiger Munition ausgestattet, solche vom Kläger verwendet worden wäre und dies allenfalls als Unfallursache in Betracht käme.

Der Kläger begehrte vom beklagten Rechtsträger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes (Amtshaftung) a) nach Klagsausdehnung zuletzt (ON 37 AS 203, ON 38 AS 215) Zahlung von 343.022,06 S sA (Schmerzengeld von 220.000 S und Verdienstentgang von 123.022,06 S) sowie b) - bis zuletzt unbewertet - die Feststellung der Haftung der beklagten Partei aus dem Dienstunfall vom 1.September 1990 im Hinblick auf zukünftige unfallbedingte Schmerzen und Schäden. Dazu trug er im wesentlichen vor, der Unfall sei darauf zurückzuführen, daß die Dienstpistole M 35 über eine veraltete Sicherheitseinrichtung verfüge und zudem eine „zu kurze, zu dünne und nicht im Originalzustand endende Schlagbolzenfeder“ gehabt habe. Auch sei minderwertige Munition verwendet worden. Die Dienstpistole M 35 sei schon vor dem Unfall immer wieder öffentlich kritisiert worden, und es seien damit auch schon andere Unfälle passiert. Organe des Bundes, die für die Bewaffnung und deren Wartung zuständig seien, hätten die Gesetze mehrfach schuldhaft in deren Vollziehung verletzt. Der Kläger sei mit einer Dienstpistole M 35 ausgerüstet worden, deren Unsicherheit der Behörde selbst bekannt gewesen sei oder aufgrund vorheriger Unfälle hätte bekannt sein müssen. Die beklagte Partei hätte den Kläger nicht mit einer veralteten und für den Schützen gefährlichen Dienstpistole M 35 ausstatten bzw es nach den verschiedenen Unfällen mit dieser Ausrüstung nicht sein Bewenden lassen dürfen. Dadurch habe die beklagte Partei gegen die ihr als Dienstgeberin obliegende Fürsorgepflicht verstoßen.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, Unfallursache sei ausschließlich der Umstand gewesen, daß der Kläger seine Dienstpistole M 35 nicht instruktionsgemäß entspannt habe. Die Dienstpistole M 35 sei mechanisch in Ordnung gewesen und habe keinerlei Defekte oder Schäden aufgewiesen. Auch die Munition sei nicht mangelhaft gewesen. Das ausgedehnte Klagebegehren sei verjährt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 220.000 S als Schmerzengeld zu und erachtete das Feststellungsbegehren als gerechtfertigt, weil künftige Unfallfolgen noch nicht vorhersehbar seien, und wies das auf Ersatz von Verdienstentgang gerichtete Mehrbegehren aus derzeit nicht relevanten Erwägungen ab.

In rechtlicher Hinsicht unterstellte der Erstrichter den Organen der beklagten Partei einen schuldhaften Verstoß gegen § 3 BSG 1977. Der Kläger sei mit einer dem allgemeinen Stand der Technik nicht entsprechenden Dienstpistole ausgerüstet worden. Die Dienstpistole habe den Kläger einer ihm nicht erkennbaren und im übrigen auch nicht mitgeteilten permanenten Verletzungsgefahr ausgesetzt. Diese Gefahr drohe bei der Dienstpistole M 35 ständig; allein in Vorarlberg seien in den letzten zehn Jahren zumindest drei vergleichbare Vorfälle bekannt geworden. Die in der Überlassung solcher Dienstwaffen liegende auffallende Sorglosigkeit gegenüber der Gesundheit der Bediensteten könne nicht dadurch aufgehoben werden, daß die Dienstpistole M 35 seit nahezu 40 Jahren verwendet und einer großen Zahl von Gendarmeriebeamten ständig zugewiesen worden sei. Die Waffen seien aus dem Verkehr zu ziehen. Sollte eine entsprechende Umrüstung der Gendarmerie kostenmäßig „unzumutbar“ sein, wäre es jedenfalls Pflicht der zuständigen Dienststellen des Bundes, die Beamten speziell und gesondert auf die mit der Benützung der Dienstpistole M 35 gegebenen Risken aufmerksam zu machen und sie entsprechend zu schulen. Auch dies sei rechtswidrig unterblieben.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Lösung des Schusses gehe darauf zurück, daß der Kläger den Hahn seiner Dienstpistole M 35 unsachgemäß entspannt habe. Entgegen der in der GDV getroffenen Anordnung, das Züngel bei Freiwerden des Hammers sofort loszulassen - das Wort „sofort“ sei in der GDV gesperrt geschrieben - , habe es der Kläger erst nach einiger Bewegung des Hammers losgelassen und ein Einrasten des Hammers in der Sicherungsrast verhindert, somit entgegen Punkt 26 der GDV seine Dienstpistole unsachgemäß entspannt und damit gegenüber eigenen Gütern sorglos gehandelt. Demgegenüber liege ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten von Organen der beklagten Partei nicht vor: Das Lösen des Schusses sei nicht auf ein technisches Gebrechen der Dienstpistole M 35 oder auf minderwertige Munition zurückzuführen. Selbst wenn es nach heutigem Stand der Technik effizientere Sicherungssysteme gebe als das Hahn-Sicherungssystem der Dienstpistole M 35, könne daraus noch nicht abgeleitet werden, daß diese Dienstpistole insgesamt nicht mehr dem „allgemeinen Stand der Technik“ (§ 3 Abs 2 BSG) entspreche. Auch die Hahnsicherung der Dienstpistole M 35 sei nach den Urteilsfeststellungen grundsätzlich zwar keine moderne, aber doch eine taugliche Sicherungsart. Ob die Dienstpistole M 35 insgesamt eine nach dem allgemeinen Stand der Technik geeignete Dienstpistole für die Bundesgendarmerie sei, hänge auch von anderen Kriterien ab (so nach den Ausführungen des Sachverständigen: die gute Schußleistung, die große Magazinkapazität und die Funktionstüchtigkeit auch bei rauhem Einsatz); daß sie in einem dieser Punkte nicht dem allgemeinen Stand der Technik entspreche, sei weder behauptet worden, noch im Verfahren hervorgekommen. Berücksichtige man weiters, daß das Erstgericht trotz Verwendung dieser Dienstpistole bei der Bundesgendarmerie seit 1956 insgesamt nur drei ähnliche Vorfälle festgestellt habe, bei denen allerdings fraglich sei, ob sich der Schuß jeweils aus dem Grund gelöst habe, daß der Hammer nicht in der Sicherheitsrast eingerastet sei, so könne keine Rede davon sein, daß die Dienstpistole M 35 nicht dem allgemeinen Stand der Technik entsprochen und bei umsichtiger Verrichtung der dienstlichen Tätigkeit keinen wirksamen Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bediensteten gewährleistet habe. Die Umrüstung der gesamten Bundesgendarmerie auf eine neue Dienstpistole sei nicht nur mit erheblichen finanziellen Mitteln, sondern auch mit beträchtlichem Verwaltungsaufwand verbunden, weil bereits bei Auswahl einer neuen Dienstpistole naturgemäß zahlreiche Eignungskriterien zu beachten und zu überprüfen seien. Daß die Dienstpistole M 35 des Klägers bis zum Unfall von der beklagten Partei nicht außer Verkehr gezogen worden sei, sei daher weder auf ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten eines ihrer Organe zurückzuführen. Dies gelte auch für die unterlassene Belehrung des Klägers über die Gefahr, daß bei nicht sachgemäßem Entspannen des Hahns der Hammer nicht in der Sicherheitsrast einrastet: In Punkt 26 der GDV werde auf die besondere Notwendigkeit, das Züngel bei Freiwerden des Hammers sofort loszulassen, dadurch hingewiesen, daß das Wort „sofort“ in Sperrschrift geschrieben sei. Daß mit einem unsachgemäßen instruktionswidrigen Hantieren mit der Dienstpistole M 35, insbesondere ihrem nicht sachgemäß durchgeführten Sichern, besondere Gefahren verbunden seien, sei allgemein einleuchtend und bedürfe insbesondere angesichts der Tatsache, daß der Kläger ein im Waffengebrauch ausgebildeter Gendarmeriebeamter sei, keines besonderen Hinweises. Die Verletzung des Klägers sei somit ausschließlich auf sein instruktionswidriges Verhalten zurückzuführen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Dem Bundesminister für Inneres ist zur Besorgung des öffentlichen Sicherheitsdienstes ua die Bundesgendarmerie zugeordnet. Der Kläger ist als Gendarmeriebeamter öffentlich Bediensteter. Die im privaten Arbeitsvertragsrecht in § 1157 ABGB und in zahlreichen sondergesetzlichen Vorschriften enthaltenen Normen über die zugunsten des Dienstnehmers angeordnete Fürsorgepflicht trifft auch den öffentlichen Dienstgeber, und zwar nicht nur bei vertraglicher Gestaltung des Dienstverhältnisses (SZ 60/236; Arb 8418 = ZAS 1968, 105 [Dittrich]), sondern auch dann, wenn das Dienstverhältnis durch Ernennungsakt begründet wurde (SZ 60/236 mwN, SZ 59/68). In besonderer Weise wurde diese Fürsorgepflicht des Bundes gegenüber allen seinen Bediensteten im Bundesgesetz vom 23.März 1977 über den Schutz des Lebens und der Gesundheit der in Dienststellen des Bundes beschäftigten Bediensteten (Bundesbediensteten-SchutzG 1977, BGBl 1977/164 idF der hier nicht relevanten Novellen BGBl 1977/323 und BGBl 1994/631, im folgenden BSG 1977) ausgestaltet. Gemäß § 3 Abs 1 BSG 1977 - der § 2 ArbeitnehmerschutzG 1972 (neugefaßt durch das ArbeitnehmerInnenschutzG 1994, BGBl 1994/450) entspricht - obliegt dem Bund die Vorsorge für den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit seiner Bediensteten. Diese Vorsorge umfaßt alle Maßnahmen, die der Verhütung von beruflich bedingten Unfällen und Erkrankungen der Bediensteten dienen und sich sonst aus den durch die Berufsausübung bedingten hygienischen Erfordernissen ergeben oder die durch Alter und Geschlecht der Bediensteten gebotenen Rücksichten auf die Sittlichkeit betreffen. Dieser Vorsorge entsprechend müssen die Dienststellen eingerichtet sein sowie erhalten werden. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle muß durch Maßnahmen, die der Verhütung von Unfällen, Erkrankungen oder den sonstigen hygienischen Erfordernissen iSd Abs 1 dienen, für eine dem allgemeinen Stand der Technik und der Medizin entsprechende Gestaltung der Arbeitsvorgänge und der Arbeitsbedingungen Sorge getragen und dadurch ein unter Berücksichtigung aller Umstände bei umsichtiger Verrichtung der dienstlichen Tätigkeit möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bediensteten erreicht werden. Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Bediensteten während ihrer beruflichen Tätigkeit liegt in jedem Fall im Interesse des einzelnen Bediensteten, des Dienstgebers und im öffentlichen Interesse (RV, 408 BlgNR 14.GP, 4). Eine schuldhafte Verletzung der den Dienstgeber des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses treffenden Fürsorgepflicht durch Organe des zuständigen Rechtsträgers löst Schadenersatzpflichten nach dem Amthaftungsrecht aus (SZ 59/68). Nach herrschender Auffassung kann ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, auch in einer Unterlassung bestehen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (SZ 67/39 mwN, SZ 63/166, SZ 62/73 = JBl 1991, 172 [Rebhahn] uva; Schragel AHG2 Rz 131). Solche Unterlassungen sind hier zu beurteilen.

Daß § 3 BSG 1977 ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zugunsten des öffentlich Bediensteten ist, bedarf keiner weiteren Begründung. Nach ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung macht die Verursachung eines bloßen Vermögensschadens nur dann ersatzpflichtig, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts, die Übertretung eines Schutzgesetzes nach § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt (SZ 65/94 = JBl 1993, 399 = RdW 1993, 41 mwN ua). Der Kläger leitet seine Ansprüche aus der Verletzung eines absoluten Rechts ab, sodaß sich die Frage nach der eingrenzenden Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs gar nicht stellt (1 Ob 13/95 mwN).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sind die Sicherheitseinrichtungen der Dienstpistole M 35 veraltet und entsprechen nicht dem neuesten Stand der Technik; nach den heutigen hohen Anforderungen ist die Schützensicherheit der Dienstpistole M 35 als nicht mehr ausreichend anzusehen. Bedenken gegen diese Feststellungen hatte die zweite Instanz nicht; sie sind daher der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Davon ausgehend stellt sich die Rechtsfrage, ob die zu beurteilende Pistole dem „allgemeinen Stand der Technik“ entspricht. Wenngleich der öffentlich-rechtliche Dienstgeber seinen Bediensteten nach der ihm durch § 3 BSG 1977 auferlegten Verpflichtung nicht gerade eine dem „neuesten“ Stand der Technik entsprechende Waffe zur Verfügung stellen muß - ob dies gerade bei Berufsgruppen, die mit der Durchsetzung des Rechts „an vorderster Front“ betraut sind, wünschenswert wäre, muß hier nicht untersucht werden - entspricht die Dienstpistole M 35 nun auch nicht mehr dem „allgemeinen Stand der Technik“ iSd § 3 Abs 2 BSG 1977. Während nun der Begriff „Stand der Technik“ durch § 2 Abs 8 ArbeitnehmerInnenschutzG 1994 weitgehend in Übereinstimmung mit § 71a GewO 1994 bestimmt ist, fehlte im BSG 1977 ebenso wie im ArbeitnehmerschutzG 1972 eine ausdrückliche gesetzliche Determinierung. Nach dem Willen des Gesetzgebers (RV, aaO 7) sollte nach dem jeweiligen Stand der Technik und Medizin ein möglichst wirksamer Schutz der Bediensteten gewährleistet sein; diese Vorsorge soll sich nicht nur im Schutz vor und in der Verhütung von Gefahren, die sich unmittelbar aus der Beschäftigung ergeben, erschöpfen, sondern darüber hinaus zu einer menschengerechten Gestaltung der dienstlichen Tätigkeiten und des Dienstablaufs führen. Soweit es auf den „jeweiligen“ Stand der Technik ankommt, sind für die Beurteilung der sich aus einer technischen Einrichtung ergebenden Schützensicherheit einer Dienstpistole nicht die 1956 bei Einführung der Waffe, sondern ausschließlich die heute gestellten, gewiß höheren Anforderungen maßgeblich. Es entspricht auch sonst arbeitsnehmerschutzrechtlichen Grundsätzen, den Dienstnehmer nicht bloß auf einen historischen Stand des Arbeitnehmerschutzes zu verweisen.

Die Erwägung der Berufungsinstanz, die Umrüstung der gesamten Bundesgendarmerie auf eine neue Dienstpistole sei nicht nur mit erheblichen finanziellen Mitteln, sondern auch mit beträchtlichem Verwaltungsaufwand verbunden, „weil bereits bei Auswahl einer neuen Dienstpistole naturgemäß zahlreiche Eignungskriterien zu beachten und zu überprüfen“ seien, übergeht einerseits die Prognose des Gesetzgebers (RV aaO 5), sonstige Kosten könnten „für den Ankauf von Einrichtungen, für Schutzausrüstungen...“ erwachsen, und andererseits die gerichtsbekannte Tatsache, daß die Beamten der Bundespolizeidirektionen und der Zollwache bereits vor längerer Zeit auf die Dienstpistole „Glock“, Kaliber 9 mm Para, umgerüstet wurden und die Gendarmerie gleichfalls auf diese Waffe umgerüstet wird, sodaß ein weiteres Auswahlverfahren wohl entbehrlich ist.

Der Oberste Gerichtshof billigt auch die Auffassung des Erstrichters, die erforderliche Aufklärung des Klägers über die spezielle Gefährlichkeit der Dienstpistole M 35 sei rechtswidrigerweise unterlassen worden: Punkt 26. der GDV verlangt vom Waffenträger zur Entspannung des Hammers (Vorlassen in die Sicherungsrast) bei dessen Freiwerden das sofortige Loslassen des Züngels. Dabei handelt es sich um einen Handgriff, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, daß er im Zuge vermeintlicher Routine auch einmal langsamer vorgenommen wird. Auf die daraus entstehende Gefahr hätte besonders hingewiesen werden müssen, um der Verpflichtung nach § 3 BSG 1977 Genüge zu tun. Zu § 1157 ABGB wird im übrigen die Auffassung vertreten, bloße Anweisungen könnten technische Einrichtungen, die die Sicherheit des Arbeitnehmers gewährleisten, grundsätzlich nicht ersetzen (Arb 9835). Dieser Gedanke kann ohne weiteres auch für den Bereich des BSG 1977 fruchtbar gemacht werden und bedeutet, daß fehlende „technische Einrichtungen“ durch bloße Gefahrenhinweise nicht schlechthin ersetzt werden können.

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist damit der behauptete Verstoß des Rechtsträgers gegen die ihm durch § 3 Abs 2 BSG 1977 aufgegebene Fürsorgepflicht und damit die Rechtswidrigkeit seiner Unterlassungen, einerseits die als Dienstwaffen der Gendarmerie veralteten Pistolen nicht gegen den heutigen Anforderungen an die Schützensicherheit entsprechende Faustfeuerwaffen auszutauschen, andererseits seine Dienstnehmer nicht über die spezielle Gefährlichkeit dieser Waffen eingehend aufzuklären und entsprechend zu instruieren, zu bejahen. Bei Verletzung einer Schutznorm hat nach ständiger Rechtsprechung (Pirker/Kleewein, Amtshaftung wegen unterbliebener Gefahrenabwehr in ÖJZ 1995, 521 ff, 522 mwN in FN 8 f) der Geschädigte nur den Eintritt des Schadens und die Normverletzung durch Organe des Rechtsträgers streng zu beweisen, es bedarf jedoch keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs, weil die Pflichtwidrigkeit vermutet wird. Besteht die Schadensursache - wie hier - in Unterlassungen, hat der beklagte Rechtsträger zu beweisen, daß seine Organe die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben. Steht die Übertretung des Schutzgesetzes fest, kann sich der Rechtsträger von seiner Haftung nur dadurch befreien, daß er mangelndes Verschulden seiner Organe nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft macht (SZ 60/33 = JBl 1987, 386 ua). Letzteres hat die beklagte Partei nicht einmal versucht. Auf die Argumentation der zweiten Instanz, die beklagte Partei sei durch die Feststellung des Erstgerichts, daß sie über die Probleme mit der Sicherheitsrast Bescheid gewußt hätte, nicht beschwert, weil die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu unbestimmt seien und die genauen Unfallursachen offen ließen, kommt es demnach nicht an: Die beklagte Partei hat die Kausalität ihrer Pflichtwidrigkeit nicht ernstlich zweifelhaft gemacht.

c) Rechtsträger haften nach herrschender Auffassung nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe. Nicht schon jedes objektiv unrichtige Organverhalten stellt ein amtshaftungsbegründendes Verschulden dar. Im Amtshaftungsverfahren ist, anders als im Rechtsmittelverfahren, nicht bloß zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung oder Verhaltensweise des Organs richtig war, sondern - bei deren Unrichtigkeit - auch, ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, somit auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruhte (AnwBl 1994, 902; SZ 65/125, SZ 63/106 uva; Schragel aaO Rz 147). Je größer die - erkannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbare - potentielle Gefahr für Leib und Leben ist, desto rascher und desto energischer muß von den zuständigen Organen des Rechtsträgers zur Gefahrenabwehr eingeschritten werden und umso geringer ist das Gewicht, das der Zumutbarkeit von Abwehrmaßnahmen zukommt. Daß in Vorarlberg erst dreimal entsprechende Vorfälle mit der Dienstpistole M 35 unterliefen, ist - zugunsten des beklagten Rechtsträgers - wenig aussagekräftig, maßgeblich ist die permanente potentielle Gefahr, die - gerade bei einer Organisation wie der Gendarmerie - übrigens nicht nur für deren waffentragende Bedienstete selbst besteht, sondern auch für die Bevölkerung, die jederzeit woimmer mit einem Gendarmen in Kontakt kommen kann und dann ebenso potentiell gefährdet ist. Die Gendarmerie ist hierarchisch in der Weise gegliedert. daß dem Gendarmeriezentralkommando - im Rahmen der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres - die Landesgendarmeriekommandos, ua das für Vorarlberg unterstellt sind (Walter/Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts6 19). Daß für das BMI ein früherer Austausch durch moderne Waffen unmöglich oder nach den Umständen unangebracht gewesen wäre, hat die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz nicht konkret behauptet. Sie brachte dort vielmehr vor (ON 2 S 3 f), die in der Klage angeführten Vorfälle, bei denen Gendarmeriebeamte vor dem Unfall des Klägers durch Schüsse aus der Dienstpistole M 35 verletzt worden seien, seien gleichfalls auf die irreguläre Stellung der Schloßteile, bedingt durch ein nicht instruktionsgemäßes Entspannen, zurückzuführen. Damit ist aber in der Sache gar nicht strittig, daß die maßgeblichen Organe der beklagten Partei von Problemen mit der Sicherheitsrast wußten, weil jeder derartige Vorfall meldepflichtig ist. Nach dem Bekanntwerden dieser Vorfälle wären jedenfalls entsprechende, durch die zuständigen Organe des Rechtsträgers vorzunehmende Erhebungen über deren Ursachen anzustellen und - demnach weiterhin - mit der Dienstpistole M 35 ausgerüstete Gendarmen entsprechend und ausreichend zu instruieren gewesen, um die daraus drohenden Gefahren zu minimieren. Stichhältige Gründe für diese Unterlassungen wurden von der insoweit beweispflichtigen Partei weder vorgetragen noch bewiesen.

d) Da die Grundsätze des bürgerlichen Rechts im Amtshaftungsrecht zu gelten haben, stehen dem haftungspflichtigen Rechtsträger auch alle Einwendungen zu, die dem Anspruch des Klägers nach bürgerlichem Recht entgegengehalten werden können. Insbesondere kann ein Mitverschulden des Geschädigten geltend gemacht werden (1 Ob 37/93; SZ 64/126 = JBl 1992, 327 = EvBl 1992/14; ZVR 1992/57 mwN ua; Schragel aaO Rz 155). Nach herrschender Auffassung hat das Mitverschulden iS des § 1304 ABGB kein Verschulden im technischen Sinn zur Voraussetzung; nicht einmal Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nötig, sondern nur eine für den Schadenseintritt kausale Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (SZ 67/126, SZ 64/126, SZ 54/85 ua; Reischauer in Rummel 2, § 1304 ABGB Rz 1 mwN, Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 304 f). Der Einwand des Mitverschuldens des Geschädigten muß nicht ausdrücklich erhoben werden, es genügt, wenn sich dem Vorbringen des Schädigers eine entsprechende Behauptung entnehmen läßt (SZ 67/126; ZVR 1978/167; EvBl 1962/248; Harrer in Schwimann, § 1304 ABGB Rz 90). Das Vorbringen der beklagten Partei entsprach diesen Voraussetzungen.

Das Erstgericht stellte fest, der Kläger habe die mit dem Laden seiner Dienstpistole M 35 verbundenen Gefahren (Halten des Hammers nicht in der Sicherungsrast, sondern auf der die Abzugstollenbewegung verhindernden Nase) nicht erkannt; äußerlich hätten keine Umstände diesen gefährlichen Zustand angezeigt, in der GDV sei insoweit auch keine Kontrolltätigkeit vorgeschrieben und er sei insoweit auch nicht sonst belehrt worden. Deshalb habe der Kläger davon ausgehen können und müssen, richtig gehandelt zu haben. Damit bleibt selbst für ein bloßes Mitverschulden kein Raum. Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist nach herrschender Auffassung dann anzunehmen, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, und die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären. Das setzt aber voraus, daß der Geschädigte die Gefahr erkannte oder zumindest bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen müssen und dennoch nicht dieser Einsicht entsprechend handelte. Gerade das kann nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht unterstellt werden.

Da die Haftung der beklagten Partei damit dem Grunde nach feststeht und nach den Feststellungen künftige Schäden nicht auszuschließen sind, ist über das Leistungsbegehren mit Zwischenurteil zu erkennen und das erstinstanzliche Urteil im Ausspruch über das Feststellungsbegehren als Teilurteil wiederherzustellen. Zwar hat der Kläger sein Feststellungsbegehren erst in der Tagsatzung vom 9.Februar 1995 dahin ausgedehnt, daß die Haftung der beklagten Partei - unter Berücksichtigung eines bis dahin angenommenen Mitverschuldens des Klägers - nicht bloß zu vier Fünfteln, sondern zur Gänze festgestellt werden wolle. Den in erster Instanz erhobenen Verjährungseinwand hat die beklagte Partei aber in Ansehung des Feststellungsbegehrens in der Berufung nicht aufrecht erhalten, weil das Rechtsmittel dazu nichts enthielt.

Zur Höhe des Leistungsbegehrens muß sich das Berufungsgericht mit den Berufungen beider Parteien auseinandersetzen und neuerlich entscheiden.

Der Kostenvorbehalt fußt auf § 392 Abs 2, § 393 Abs 4 und § 52 Abs 2 ZPO.

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