OGH 1Ob13/95

OGH1Ob13/9522.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Margarete B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, wider die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch Dr.Wolfgang Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 69.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 12.Dezember 1994, GZ 14 R 221/94-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 3.Mai 1994, GZ 31 Cg 31/93-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.871,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 811,94 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Magistrat der Stadt Wien erteilte mit Bescheid vom 27.März 1990 eine Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf einer, der Liegenschaft der Klägerin benachbarten Liegenschaft (im folgenden Nachbargrundstück) in Wien in einem Kleingartengebiet.

Punkt 18.) dieses Bescheids lautet:

"Gemäß § 19 Bauordnung ist ein beleuchteter Zugang mit befestigter Oberfläche in entsprechender Breite bis zum bestehenden Straßennetz herzustellen und solange zu erhalten, bis die vor dem Bauplatz gelegene Verkehrsfläche ausgebaut ist."

Am 24.Februar 1991 brach auf diesem Nachbargrundstück ein Brand an einer Bauhütte aus. Beim Feuerwehreinsatz zur Löschung dieses Brands war es nicht möglich, mit den Einsatzfahrzeugen über den wegen seiner Breite nur für Pkw und leichte Lkw befahrbaren Zufahrtsweg zum Nachbargrundstück heranzufahren. Die Einsatzfahrzeuge parkten daher auf der K*****straße und legten von den dort befindlichen Hydranten die Löschschläuche zum Brandort, wobei das Grundstück der Klägerin betreten und ihr Gartenzaun beschädigt wurde. Der Einsatzbericht der Wiener Magistratsabteilung 68 Feuerwehr und Katastrophenschutz vom 24. Februar 1991 lautet: "Nach Zufahrtschwierigkeiten zur Einsatzadresse (Kleingartengruppe ...) wurde der Löschangriff ueber das Grundstueck ... vorgenommen. Die aus nicht feststellbarer Ursache in Brand geratene ca. 8m2 grosse Bauhuette mit 1 Rohr/ Tankwasser/Hydrant geloescht. ..."

Die Klägerin begehrte von der beklagten Stadt Wien 69.000 S sA aus dem Titel des Schadenersatzes, erkennbar aus dem Titel der Amtshaftung, als Reparaturaufwand für die durch eine "Feuerwehrübung" am 24.Februar 1991 herbeigeführten Schäden an ihrem Gartenzaun, ihrer Gartentür und ihren Gartenstiegen. Überdies habe die beklagte Partei rechtswidrig eine Baubewilligung für das Bauwerk am Nachbargrundstück erteilt, weil dieses keine Zufahrt habe.

Die beklagte Partei wendete, soweit jetzt noch relevant, ein, es habe sich um einen Feuerwehreinsatz und keine Feuerwehrübung gehandelt. Die Feuerwehr habe gemäß § 7 Abs 3 Wiener Feuerpolizei- und LuftreinhalteG das der Klägerin gehörige Grundstück berechtigterweise betreten und überquert. Der Einsatz habe auch dem Schutz des Eigentums der Klägerin gedient, sodaß ihr nach § 11 Abs 3 leg.cit. kein Entschädigungsanspruch zustehe. Der Großteil der behaupteten Schäden sei nicht auf den Feuerwehreinsatz zurückzuführen, weil das Grundstück der Klägerin nur von Feuerwehrleuten begangen, nicht aber befahren worden sei. Für eine Beschädigung am Gartenzaun habe sich die beklagte Partei zur Leistung einer Entschädigung von 7.500 S bereit erklärt, sie habe jedoch bisher von der Klägerin den verlangten Beleg über derartige Auslagen nicht erhalten.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens von Organen der beklagten Partei ab, verneinte damit die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und nahm zum Rechtsgrund der rechtswidrigen Baubewilligung nicht Stellung.

Die zweite Instanz bestätigte über Berufung der Klägerin die Entscheidung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision zu. Der Erstrichter habe zu Recht die Zulässigkeit des Rechtswegs bejaht. Eine Art 23 B-VG entsprechende, somit verfassungskonforme Auslegung des § 11 Wiener Feuerpolizei- und LuftreinhalteG verlange, daß darin nur der Ersatz jener Schäden geregelt werde, die durch ein nach § 7 leg.cit. rechtmäßiges Verhalten der Wiener Feuerwehr entstanden seien. Über solche "Vergütungen und Entschädigungen" habe nach § 11 Abs 4 leg.cit. die Behörde mit Bescheid zu erkennen, wogegen über aus

rechtswidrigem Organverhalten der Wiener Feuerwehr entstandene Schäden das Gericht nach den Regeln des AHG abzusprechen habe. Der erstgerichtlichen Rechtsansicht zum Rechtsgrund Feuerwehreinsatz sei zu folgen. Soweit das Klagebegehren auf eine fehlerhafte Baubewilligung gestützt werde, vertrat die zweite Instanz folgende Auffassung:

Ob die Erteilung der Baubewilligung vom 27.März 1990 durch die

zuständige Magistratsabteilung betreffend das Nachbargrundstück wegen

des Fehlens einer geeigneten, ausgebauten Zufahrt rechtswidrig

gewesen sei, lasse sich auf Grund der erstgerichtlichen

Feststellungen nicht verläßlich beurteilen. Auch aus dem verlesenen

Bauakt allein sei dies nicht zu entnehmen, weil der

Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22.Jänner 1991,

Zl.90/05/0160-12, zwar die Beschwerde der Klägerin gegen den ihre

Berufung gegen diese Baubewilligung abweisenden Bescheid der

Bauoberbehörde für Wien als unbegründet abgewiesen, hiebei aber

insbesondere ausgeführt habe: "Die Beschwerdeführerin hatte daher

unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Abweisung des

Bauansuchens der Mitbeteiligten, weshalb sie auch nicht dadurch in

ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt sein kann, daß

die Baubehörde erster Instanz und ihr folgend die belangte Behörde,

wenn auch unausgesprochen, iS des § 19 Abs 2 lit b Z 1 Wiener BauO

eine Ausnahme vom Bauverbot nach Abs 1 lit d dieser Gesetzesstelle

erteilt haben. Der Verwaltungsgerichtshof braucht daher im

Beschwerdefall auch nicht zu prüfen, ob die gesetzlichen

Voraussetzungen für eine Gewährung dieser Ausnahme vom Bauverbot

gegeben waren." Nach § 19 Abs 1 lit d Wiener BauO sei ein

Bauverbot auszusprechen, wenn das vor einem Baulos gelegene

Trennstück eines Aufschließungsweges oder der vom öffentlichen Gut zu

diesem Baulos zu schaffende Aufschließungsweg noch nicht befestigt

sei. Gemäß § 19 Abs 2 lit b Z 1 leg.cit. seien Ausnahmen von

diesem Bauverbot zu gewähren, wenn der Ausbau der Verkehrsflächen bis zum ausgebauten Straßennetz bereits beschlossen sei. Aus der Möglichkeit insbesondere dieser Ausnahme vom angeführten Bauverbot ergebe sich, daß auch ohne entsprechenden, bereits vorliegenden Ausbau der Verkehrsflächen die Baubewilligung erteilt werden könne, ein solches Bauverbot also nicht den Interessen der Anrainer an einer entsprechenden Zufahrt zum zu verbauenden Grundstück diene und keineswegs den Zweck und den Sinn habe, allfällige Schäden an Liegenschaften von Anrainern durch einen Feuerwehreinsatz auf dem zu verbauenden Grundstück hintanzuhalten. Nach der Begründung des Verwaltungsgerichtshofs seien durch solche Bauverbote subjektive öffentliche Rechte der Anrainer nicht geschützt. Hier habe überdies eine für Pkw und leichte Lkw geeignete Zufahrt ohnedies bestanden, die Feuerwehr werde und müsse auch jeweils den Einsatzweg wählen, auf dem sie am sichersten und schnellsten eine effiziente Brandbekämpfung durchführen könne. Es sei auch gar nicht zu einem Brand des Gebäudes, dessen Errichtung mit der angeführten Baubewilligung genehmigt worden sei, sondern zum Brand einer Bauhütte gekommen. Es fehle somit am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Erteilung der Baubewilligung und den von der Klägerin geltend gemachten Schäden des Feuerwehreinsatzes auf ihrer Liegenschaft, sodaß die vollständige Rechtsrichtigkeit der angeführten Baubewilligung nicht geprüft werden müsse.

Der Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

a) Über die im Verfahren erster Instanz von der beklagten Partei erhobene und im Berufungsverfahren als Berufungsgegnerin aufrecht erhaltene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs - wegen Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde - haben die Vorinstanzen bindend (§ 42 Abs 3 JN) im Sinn einer Verwerfung abgesprochen.

b) Soweit das Klagebegehren auf die "Feuerwehrübung" - tatsächlich

handelte es sich um einen Feuerwehreinsatz - vom 24.Februar 1991

gestützt wird, enthält die Revision dazu keinerlei Ausführungen,

sodaß der Oberste Gerichtshof auf diesen Rechtsgrund nicht mehr

eingehen kann. Damit erübrigt sich auch die Lösung der Frage, ob die

Bestimmung des § 11 Abs 4 Wiener Feuerpolizei- und LuftreinhalteG,

Wiener LGBl 1957/17 idF Wiener LGBl 1982/17, wonach über Vergütungen

für Dienst- oder Sachleistungen iS des § 7 leg.cit. ("Mitwirkung bei

Löscharbeiten") und Entschädigungen für Schäden, die durch Maßnahmen

iS des § 7 verursacht wurden, nach § 11 Abs 1 leg.cit. die

Behörde mit Bescheid zu erkennen hat, Art 6 Abs 1 MRK

widerstreitet: Danach hat über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen ein Tribunal zu entscheiden.

c) Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auch darauf gestützt, die beklagten Partei (erkennbar gemeint: ihre Organe) hätten rechtswidrig eine Baubewilligung für das Nachbargrundstück erteilt, weil dieses keine Zufahrt habe. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt - ua auch in einem die Klägerin betreffenden Erkenntnis - zu § 19 der Wiener BauO ausgesprochen hat, begründen Vorschriften über das Erfordernis des Zugangs oder einer Zufahrt keine subjektiv-öffentlichen Rechte, weil diese gesetzlichen Anordnungen ausschließlich dem öffentlichen Interesse und nicht dem Schutz der Nachbarn dienen. Die Klägerin als Anrainerin hat daher weder einen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Abwehr des Bauansuchens ihres Nachbarn noch darauf, daß die Baubehörde eine beantragte Ausnahme vom Bauverbot versagt (ZfVB 1992/2/276, 1990/2/501 ua). Die von der zweiten Instanz daraus abgeleiteten rechtlichen Folgerungen, damit fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden und der behaupteten Übertretung der maßgeblichen Vorschrift - ersichtlich § 19 der Wiener BauO - als Schutzgesetz hätte allerdings nach der Rechtsprechung des Amtshaftungssenats zur Voraussetzung, daß die Klägerin mit ihrem Schadenersatzanspruch einen bloßen Vermögensschaden geltend macht. Denn bei einem solchen macht die Schadensverursachung nach herrschender Auffassung ersatzpflichtig, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines absoluten Rechts oder eines Schutzgesetzes iS des § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt oder sich die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens sonst aus der Rechtsordnung unmittelbar aufgrund Gesetzes ableiten läßt (1 Ob 20/93 = JBl 1994, 695 = ecolex 1994, 534 mwN ua). Bei Schutzgesetzverletzungen gilt auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts der allgemeine Grundsatz, die übertretene Vorschrift müsse gerade auch den Zweck haben, den Geschädigten vor eingetretenen Vermögensnachteilen zu schützen (JBl 1994, 695 uva; Schragel AHG2 Rz 121; Kerschner in JBl 1984, 358 f). Hier indes wird der Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht aus einem reinen Vermögensschaden, sondern aus einem Sachschaden an ihrem Eigentum, somit aus der Verletzung eines absoluten Rechts abgeleitet.

Damit käme dem Umstand, ob die von Organen der beklagten Partei erteilte Baubewilligung rechtswidrig war, Bedeutung zu. Über Aufforderung durch den Erstrichter nach § 182 ZPO erklärte die Klägerin aber, "keine weiteren Vorbringen in Bezug auf ein behauptetes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen der beklagten Partei aufzustellen" (ON 14 AS 43). Das in ON 5 erstattete, unzureichende Vorbringen der Klägerin ist damit mangels ausreichender Substantiierung unschlüssig, weil nicht vorgetragen wird, durch welches konkrete Fehlverhalten die beklagte Partei ihren Baubewilligungsbescheid mit einer Rechtswidrigkeit belastete, zumal die Nachbarliegenschaft tatsächlich eine Zufahrt (für Pkw und kleine Lkw) hat.

Demnach kann der Revision kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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