OGH 3Ob2181/96y

OGH3Ob2181/96y19.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner Sch*****, vertreten durch Dr.Johann Angermann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Firma Sch*****, 2. Helmut Sch*****,

3. Mag.Othmar H*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 232.829,51 samt Anhang, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29.August 1994, und infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29.August 1994, je GZ 1 R 167/94-11, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landes- als Handelsgericht St.Pölten vom 11.März 1994, GZ 1 Cg 329/93-7, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der beklagten Parteien wird Folge gegeben. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das das Klagebegehren abweisende Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 30.755,09 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 3.125,85 USt und S 6.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Partei betreibt eine Wirtschaftstreuhandgesellschaft, der Zweit- und der Drittbeklagte sind offene Gesellschafter der erstbeklagten Partei. Der Kläger und seine Gattin, die ihre Ansprüche an den Kläger zediert hatte, waren Klienten der erstbeklagten Partei. Sie wurden von Alfred G*****, einem Mitarbeiter der erstbeklagten Partei, beraten.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 29.10.1984 wurde die Firma SL-***** mbH errichtet, deren Gesellschafter der Kläger, seine Gattin und Helmut L***** waren. Das Stammkapital der Gesellschaft von S 500.000,-- wurde von Helmut L***** zu S 250.000,--, vom Kläger zu S 120.000,-- und von seiner Gattin zu S 130.000,-- übernommen. Die Stammeinlagen wurden je zur Hälfte bar eingezahlt. Mit Notariatsakt vom 18.3.1986 trat Helmut L***** seinen Geschäftsanteil um den Abtretungspreis von S 180.000,-- an die Gattin des Klägers ab. In der Folge wurde über das Vermögen der SL-*****gesmbH der Konkurs eröffnet. Masseverwalter war Dr.Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien. Er forderte den Kläger und seine Gattin am 7.3.1989 zur Bezahlung der ausständigen Stammeinlagen von S 60.000,-- bzw. S 190.000,-- auf.

Mit der am 12.7.1990 zu 32 C 488/90 des Handelsgerichtes Wien eingebrachten Klage begehrte der Masseverwalter von den Gründungsgesellschaftern der Gesellschaft die Bezahlung der noch offenen Stammeinlagen, und zwar vom (nunmehrigen) Kläger in der Höhe von S 60.000,--, von dessen Gattin allein in der Höhe von S 65.000,-- und von der Gattin und Helmut L***** zur ungeteilten Hand den Betrag von S 125.000,--. Die Klage wurde dem (nunmehrigen) Kläger am 6.9.1990 zugestellt, eine Zustellung an seine Gattin erwies sich als nicht möglich, der jetzige Klagevertreter erstattete aber auch im Namen der Gattin des Klägers am 2.10.1990 die Klagebeantwortung, in der er behauptete, daß die Stammeinlagen längst eingezahlt worden seien. Eine direkte Einzahlung von S 150.000,-- bei der CA-BV am 19.10.1988 sei in der Buchhaltung verbucht worden. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 20.6.1991 wurde Alfred G***** als Zeuge einvernommen. Er gab dort unter anderem an, daß er jene Beträge, die über die (eingeforderte) Stammeinlage hinausgegangen seien, auf ein Verrechnungskonto verbucht habe. Eine Umbuchung hätte er erst nach Aufforderung vorgenommen, wenn ihm vom Registergericht mitgeteilt worden wäre, daß es zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrages gekommen sei. Mit Schriftsatz vom 9.10.1991 verkündeten der Kläger und seine Gattin der erstbeklagten Partei den Streit. Schon dort brachten sie vor, richtigerweise hätte Alfred G***** den Kläger entweder darüber aufklären müssen, daß eine Buchung auf die drückendste Schuld, nämlich das Stammkapital, geboten gewesen wäre, oder er hätte von sich aus diese Buchung durchführen müssen.

Der Vertreter der erstbeklagten Partei ersuchte daraufhin den Klagevertreter mit Schreiben vom 21.10.1991 um Übermittlung weiterer Unterlagen. Mit Urteil vom 1.6.1992, zugestellt am 11.9.1992, wurde der Kläger schuldig erkannt, an die Masse S 60.000,-- sA, seine Gattin allein S 65.000,-- sA und zur ungeteilten Hand mit Helmut L***** weitere S 70.000,-- sA zu zahlen. Der Vertreter der erstbeklagten Partei erkundigte sich mit Schreiben vom 22.9.1992 beim Klagevertreter, ob er Berufung gegen dieses Urteil erheben werde. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13.5.1993, 3 R 231/92-37, wurde aber nur der Berufung des Masseverwalters teilweise Folge gegeben und der Betrag, den die Gattin des Klägers und Helmut L***** zur ungeteilten Hand schuldig waren, auf S 70.517,95 sA erhöht. Eine außerordentliche Revision gegen dieses Urteil wurde nicht erhoben. Mit Schreiben vom 8.6.1993 teilte der Klagevertreter dem Vertreter der erstbeklagten Partei mit, daß der Berufung seiner Mandantin nicht Folge gegeben worden sei, eine Kopie der Berufungsentscheidung war angeschlossen. Er vertrat den Standpunkt, nach den Prozeßergebnissen stehe fest, daß Alfred G***** es verabsäumt habe, die Buchungen so vorzunehmen, wie er es selbst empfohlen und auf den Buchungsbelegen handschriftlich notiert habe. Mit Schreiben vom 11.6.1993 lehnte der Vertreter der erstbeklagten Partei jeglichen Ersatz ab.

Mit der am 22.10.1993 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von den Beklagten S 232.829,51 sA. Alfred G***** sollte Einzahlungen der Kläger auf die drückendste Schuld, nämlich auf die offene Stammeinlage widmen, er hatte einen entsprechenden Vermerk auf den Zahlungsbelegen angebracht, tatsächlich jedoch die entsprechende Buchung nicht vorgenommen. Er hätte den Kläger darüber aufklären müssen, daß es vorrangig sei, zunächst das Stammkapital voll einzuzahlen; ferner hätte er die von den Gesellschaftern geleisteten Zahlungen primär auf das Stammkapital buchen müssen, wie er dies in Aussicht gestellt habe. Alfred G***** sei dadurch ein Kunstfehler unterlaufen.

Die beklagten Parteien bestritten, daß ihrem seinerzeitigen Mitarbeiter Alfred G***** haftungsbegründende Fehler unterlaufen seien, in erster Linie wendeten sie aber Verjährung ein. Dem Kläger müsse bereits aus der mit dem Masseverwalter geführten Vorkorrespondenz klar gewesen sein, daß dieser die von Alfred G***** vorgenommenen Buchungen nicht als Einlagen wirksam anerkenne. Spätestens müßte ihnen aber dieser Umstand mit Zustellung der Klage des Masseverwalters bewußt gewesen sein.

Das Erstgericht wies das Begehren wegen Verjährung ab. Aufgrund des Schreibens des Masseverwalters vom 3.7.1989 habe dem Kläger bzw. seiner Gattin klar sein müssen, daß die Zahlungen nicht auf Stammkapital gebucht worden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Im Umfang der Abweisung eines Betrages von S 161.625,29 sA bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichtes als Teilurteil. Die ordentliche Revision erklärte es nicht für zulässig. Im Umfang der Abweisung des Betrages von S 71.204,22 sA hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Der Kenntnis des Schadens und des Schädigers sei zwar nicht der Fall des Kennenmüssens gleichzuhalten, es bestehe aber doch eine Verpflichtung des Beschädigten zu zumutbaren Erkundigungen, wenn ein Sachverhalt bekannt werde, der es dem Verletzten ermögliche, den Schaden und den Schädiger in zumutbarer Weise ohne besondere Mühe festzustellen. Der Kläger sei - ohne daß damit die Erkundungspflicht überspannt würde - schon nach der Klageeinbringung des Masseverwalters verpflichtet gewesen, zur Vorbereitung der Klagebeantwortung bei seinem Steuerberater Erkundigungen über das Schicksal seiner Zahlungen, von denen er annahm, daß sie als Stammeinlagen gebucht worden seien, einzuholen. Diese Erkundigungen seien weder zeit- noch kostenaufwendig und daher durchaus zumutbar gewesen. Bei Unterlassung der zumutbaren Erkundigung gelte die Kenntnis des Schadens und des Schädigers schon in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem dem Berechtigten die angemessene Erkundigung zuteil geworden wäre. Die Verjährungsfrist habe somit hier spätestens Ende September 1990 zu laufen begonnen, weil eine rund vierwöchige Frist für die Einholung der erforderlichen Erkundigungen als ausreichend angesehen werden könne. Die Kostenersatzpflicht des Klägers sei aber erst durch den gerichtlichen Zuspruch, also innerhalb der Verjährungsfrist entstanden. In der Entscheidung 1 Ob 601/93 vertrete der Oberste Gerichtshof nunmehr die Ansicht, daß die kurze Verjährungsfrist für Ersatzansprüche nach § 1489 erster Satz ABGB nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginne. Dieser Ansicht schließe sich das Berufungsgericht an. Der auf den Ersatz der Prozeßkosten gerichtete Klageanspruch sei daher nicht verjährt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist unzulässig, der Rekurs der beklagten Parteien ist hingegen berechtigt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schaden entstanden ist, sind zwei Vermögenslagen miteinander zu vergleichen: Die reale Vermögenslage, die aufgrund des schädigenden Ereignisses eingetreten ist, mit der hypothetischen, die bestünde, würde das schädigende Ereignis weggedacht (Differenzrechnung; SZ 65/117; JBl 1991, 220; SZ 53/107 mwN; Harrer in Schwimann, ABGB Rz 5 zu § 1293; Heinrichs in Palandt54, 253). Damit erweist sich aber das Klagebegehren, soweit der Kläger einen vermögensrechtlichen Nachteil darin erblickt, daß die Zahlungen an die Gesellschaft (vom 19.10.1988) nicht auf seine und seiner Gattin Schuld auf offene Stammeinlagen gebucht wurden, bereits als unschlüssig. Der Kläger, der die (einander ausschließenden) Haftungsgründe behauptet, einerseits hätte der Angestellte der erstbeklagten Partei die Einzahlungen des Klägers auf das Stammkapital als dringendste ("drückendste") Schuld widmen sollen, und andererseits sei eben diesem Angestellten deshalb ein Kunstfehler unterlaufen, weil er den Kläger nicht darüber aufgeklärt habe, daß diese Einzahlung auf das Stammkapital zu widmen sei, geht demnach selbst davon aus, daß er zwar aus verschiedenen Rechtsgründen aber doch zur Zahlung zweier gleich hoher Beträge an die GesmbH verpflichtet gewesen wäre. Selbst wenn entgegen seinem Auftrag oder mangels entsprechender Aufklärung der Betrag von S 150.000,-- als Gesellschaftereinlage gebucht worden wäre, wäre eine gleich hohe weitere, aus einem anderen Rechtsgrund offene Schuld nicht abgedeckt worden; diese wäre aber dann vom Masseverwalter im Konkurs der Gesellschaft gegen den Kläger und seine Gattin geltend gemacht worden.

Ein erster Schaden (und demnach kein Folgeschaden) kann daher nur in der Verpflichtung zum Ersatz von Prozeßkosten in der Höhe von S 71.204,22 samt Anhang erblickt werden. Dieser Schaden trat mit der Rechtskraft der Kostenentscheidung ein und konnte daher entgegen den Ausführungen im Rekurs der beklagten Partei nach der Entscheidung des verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 612/95 = JBl 1996, 311, wonach die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnen könne, nicht verjährt sein. Es fehlt aber an einem Haftungsgrund. Der Kläger berief sich im Verfahren 32 Cg 488/90 Handelsgericht Wien zum Beweis für die vollständige Einzahlung der Stammeinlage schon in seiner Klagebeantwortung auf einen Einzahlungsbeleg über S 150.000,-- vom 19.10.1988. Diese Urkunde wurde vom Kläger im dortigen Verfahren auch vorgelegt. Sie enthält zwar den Verwendungszweck "Gesellschaftereinlage", die vom Kläger getätigte Einzahlung erfolgte aber nicht auf das Konto der Gesellschaft, sondern auf sein Privatkonto bei der CA-BV. Der Kläger ließ sich somit ungeachtet des der erstbeklagten Partei vorgeworfenen Kunstfehlers in das Verfahren 32 Cg 488/90 Handelsgericht Wien ein, obwohl sich aus der von ihm vorgelegten Urkunde die von ihm aufgestellten Prozeßbehauptungen nicht nur nicht erweisen ließen, sondern das Gegenteil von dem ergaben, was er behauptete. In diesem Fall ist aber ein Schaden durch seine Prozeßeinlassung ausschließlich auf seinen eigenen Entschluß zurückzuführen. Selbst wenn der Angestellte der erstbeklagten Partei einem Auftrag zuwidergehandelt und nicht bloß seine Aufklärungspflicht verletzt hätte, hat sich der Kläger dann eben seine Vermögensschädigung selbst zuzuschreiben.

Damit kommt es aber auf die in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen Rechtsfragen nicht an, sodaß das Rechtsmittel des Klägers mangels Erheblichkeit zurückzuweisen ist. Dem Rekurs der beklagten Parteien ist, wenn auch aus Gründen, die in ihrem Rechtsmittel nicht releviert wurden, stattzugeben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Für das Berufungsverfahren konnte nur ein 15 %iger Streitgenossenzuschlag zuerkannt werden; die beklagten Parteien unterließen nämlich einen Antrag auf Zurückweisung der von der Gattin des Klägers erhobenen Berufung.

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