Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 4.4.1966 bis 30.5.1993 bei einem Bauunternehmen als Bauarbeiter beschäftigt. Die Arbeit endete dort saisonbedingt im Herbst. Während der gesamten Beschäftigungszeit des Klägers wurde mit ihm - wie auch mit den anderen Arbeitern des Unternehmens - jeweils vereinbart, im Frühjahr wieder mit der Arbeit zu beginnen. Der Kläger wurde ebenso wie die übrigen Bediensteten im Herbst bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet und bei Arbeitsbeginn im Frühjahr wieder angemeldet. Der Kläger war bemüht, auch im Winter eine Beschäftigung zu haben. Etwa seit 1978 arbeitete er regelmäßig in der Zeit vom 20.Dezember bis etwa Mitte März in einem Sporthaus als Schimonteur. Auch diese Tätigkeit wurde bei der Gebietskrankenkasse angemeldet. Der Kläger hätte, wenn ihn das Bauunternehmen vor März des jeweiligen Jahres benötigt hätte, seine Arbeit im Sporthaus jederzeit beenden können. Ob diesbezüglich mit dem Inhaber des Sporthauses eine konkrete Vereinbarung getroffen wurde, konnte das Erstgericht nicht feststellen.
Mit seiner am 5.10.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger an Abfertigung die Differenz zwischen den ihm ausbezahlten Entgelten für drei Monate auf jene für insgesamt sechs Monate. Das Dienstverhältnis beim Bauunternehmen sei über die Wintermonate unter gleichzeitiger Abgabe einer Wiedereinstellungszusage für das Frühjahr regelmäßig karenziert worden. Beide Teile seien davon ausgegangen, daß jeweils bei Besserung der Witterung das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortgesetzt werde und daß die beiderseitigen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag über den Winter nur ruhen sollten.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Die einzelnen Dienstverhältnisse des Klägers seien von vornherein saisonal befristet gewesen. Der Kläger sei während der Wintermonate nicht in dem Sinn "freigestellt" worden, daß er etwa Arbeitslosenunterstützung bezogen hätte, sondern sei jeweils ein anderes Dienstverhältnis eingegangen. Es könne deshalb keine bloße Karenzierung des Dienstverhältnisses vorliegen, weil der Kläger anderenfalls zwei Abfertigungsansprüche erwerben könnte.
Das Gericht erster Instanz gab dem der Höhe nach nicht strittigen Klagebegehren statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß zwischen den Parteien jeweils zu Saisonende ein Aussetzungsvertrag vereinbart worden sei. Es könne dem Kläger nicht schaden, daß er im Winter nicht Arbeitslosengeld bezogen habe, sondern einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgegangen sei. Bei Berechnung seiner Abfertigung seien dem Kläger daher alle Beschäftigungswochen anzurechnen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur rechtlichen Beurteilung aus, daß dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrages ihre vertragliche Bindung mit der formellen Beendigung des Dienstverhältnisses gerade nicht abbrechen, sondern für die auftragsarme Winterzeit suspendieren wollten, eine Aussetzung im eigentlichen Sinn, also eine Karenzierung, vorliege. Daraus, daß der Kläger im Winter ein anderes Dienstverhältnis eingegangen sei, könne nicht abgeleitet werden, daß er sein Arbeitsverhältnis zum Bauunternehmen habe aufgeben wollen. Nach den Feststellungen habe es sich nämlich bei der im Winter ausgeübten Arbeit nur um eine vorübergehende gehandelt, die als Überbrückung während der auftragsarmen Zeit im Baugewerbe gedacht gewesen sei. Es sei rechtspolitisch nicht bedenklich, daß es einem Dienstnehmer gelingen könne, durch gegenseitige Karenzierung mehrerer Dienstverhältnisse auch bei Saisonarbeitsverhältnissen zu mehreren Abfertigungsansprüchen zu kommen, die insgesamt einem Ganzjahresabfertigungsanspruch entsprächen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.
Der Abfertigungsanspruch des Klägers ist nach dem
Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz 1987 (BUAG) zu
beurteilen, wobei gemäß Art.V Abs.4 dieses Gesetzes auch die vor
dessen Inkrafttreten bei dem Arbeitgeber geleisteten
Beschäftigungszeiten für die dreijährige Anspruchsvoraussetzung sowie
für einen Abfertigungsanspruch anzurechnen sind, soferne diese in den
Sachbereich der Abfertigungsregelung fallenden Beschäftigungszeiten
unter Berücksichtigung kollektivvertraglicher Regelungen einem
Abfertigungsanspruch nach dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz
zugrundezulegen wären und noch nicht für eine Abfertigung
herangezogen wurden. Ebenso wie § 13b Abs.1 Z 2 BUAG sahen auch die
im Rahmen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes zu berücksichtigenden
kollektivvertraglichen Regelungen die Möglichkeit vor, unterbrochene
Beschäftigungszeiten beim selben Arbeitgeber, soferne diese
Unterbrechungen eine bestimmte Höchstdauer nicht überschritten, zur
Bemessung der Dauer des für einen Abfertigungsanspruch nach dem
Arbeiter-Abfertigungsgesetz erforderlichen ununterbrochenen
Arbeitsverhältnisses zusammenzurechnen. Bei Prüfung der
Anrechenbarkeit von Beschäftigungszeiten für die Feststellung der
Höhe eines Abfertigungsanspruches ist allerdings nur dann auf die
Dauer der jeweiligen Arbeitsunterbrechungen Bedacht zu nehmen, wenn
solche tatsächlich vorgelegen sind (vgl. 9 ObA 74/92 = WBl 1992, 302
= RdW 1992, 380).
Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt eine bloße Karenzierung (=
Aussetzung) des Arbeitsverhältnisses unter vorübergehender Sistierung
seiner Hauptpflichten, nämlich der Arbeits- und Entgeltpflicht, keine
Beendigung oder Unterbrechung desselben (SZ 62/46; ArbSlg 10.738,
10.772, 10.943, 11.074; 9 ObA 129/94; 9 ObA 209/94; 8 ObA 242/94 =
DRdA 1995/409; 9 ObA 27/95 = DRdA 1996, 135). Wegen der verschiedenen
Gestaltungsmöglichkeiten bei der Auslegung von Aussetzungsverträgen
ist entsprechend den Regeln des § 914 ABGB nicht am buchstäblichen
Sinn des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu
erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des
redlichen Verkehrs entspricht. Hiebei ist nicht so sehr auf die
Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung
der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen. Soll der
Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache nur vorübergehend mit der
Arbeit aussetzen, sodaß der Arbeitgeber auf diesen zu einem späteren
Zeitpunkt wieder zurückgreifen und der Arbeitnehmer ab diesem
Zeitpunkt an derselben Arbeitsstelle wieder weiterarbeiten kann, so
ist im allgemeinen eine Aussetzung im eigentlichen Sinn, also eine
Karenzierung anzunehmen, da die Parteien ihre vertragliche Bindung
gerade nicht abbrechen, sondern lediglich auf eine bestimmte Zeit
suspendieren wollten. Selbst wenn die Aussetzungsvereinbarung
ausdrücklich darauf gerichtet ist, daß der Arbeitsvertrag gelöst
wird, und zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Arbeitsvertrag
abgeschlossen werden soll, wird man, wenn die Parteien den
einvernehmlich gelösten Arbeitsvertrag nicht oder nur zum Teil
abwickeln und eine volle Anrechnung der Dienstzeiten und
Anwartschaften aus diesem Arbeitsvertrag auf den gleichzeitig
abgeschlossenen aufschiebend befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren,
die Vereinbarung nicht mehr als Lösung, sondern als echte
Karenzierung qualifizieren müssen. An einer Abwicklung des dem
Wortlaute nach gelösten Arbeitsvertrages fehlt es etwa dann, wenn dem
Arbeitnehmer die Endabrechnung nicht ausgehändigt wird und die
fälligen Zahlungen, so etwa die allfällige Urlaubsentschädigung, die
allfällige Abfertigung die anteiligen Sonderzahlungen, nicht
geleistet werden (ArbSlg 10.738 mwH). In diesem Zusammenhang ist auch
auf die Rechtsprechung zu dem durch BGBl 682/1991 mit Wirksamkeit vom
1.1.1992 novellierte Bestimmung des § 9 Abs.7
Arbeitslosen-Versicherungsgesetz 1977 (AlVG) zu verweisen. Danach
wird es für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung als unerheblich
erachtet, ob die Parteien von einer unechten oder echten
Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses ausgingen und es komme auch
nicht auf die Art der späteren Erklärung, die Arbeit nicht mehr
antreten zu wollen, an. Nur dadurch werde im Sinne des
Gleichheitsgrundsatzes eine Gleichbehandlung aller bei saisonalen
Schwankungen von Arbeitslosigkeit betroffener Arbeitnehmer
gewährleistet, weil es bei gleicher Ausgangslage nicht vom
Formulierungsgeschick der Arbeitsvertragspartner abhängen könne, eine
Karenzierung oder Unterbrechung der Arbeitsverhältnisse mit den damit
verbundenen unterschiedlichen Rechtsfolgen bei den verschiedenartig
gestaltbaren Saisonarbeitsverhältnissen anzunehmen (9 ObA 27/95 = RdW
1995, 481; 8 ObA 300/95 = ecolex 1996, 296).
Es kommt somit entscheidend auf den Zweck der zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages getroffenen Regelung an. Die Abmeldung bei der Sozialversicherung schließt als bloße Wissenserklärung die Qualifikation der Vereinbarung als echte Karenzierung ebensowenig aus wie die Art der Lösung des Dienstverhältnisses. Gerade der Umstand, daß die Parteien der Art der Lösung keine Beachtung schenkten und den in den Jahren 1989 und 1990 in der Krankenkassenabmeldung gebrauchten Beendigungsgrund "Kündigung durch den Dienstnehmer" auf "Kündigung durch den Arbeitgeber" berichtigten, zeigt, daß sie dieser Mitteilung eine völlig untergeordnete Bedeutung beimaßen und nicht daran dachten, das Arbeitsverhältnis zur Gänze zu beenden (vgl. den ähnlichen Sachverhalt in ArbSlg 10.738). Der Oberste Gerichtshof hat zwar in 9 ObA 27/95 = WBl 1995, 461 = DRdA 1996, 135 ausgesprochen, daß das aufrechte Arbeitsverhältnis durch den Antritt eines anderen Dienstpostens aufgelöst worden wäre und in diesem Falle die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht zu Recht bestünden. Diese dort nicht tragende Begründung kann jedoch in ihrer allgemeinen Formulierung nicht aufrecht erhalten werden. Vielmehr ist auch in dem Falle des Antritts eines neuen Dienstpostens im dargestellten Sinne auf die Parteienabsicht abzustellen. Dient - wie im gegenständlichen Fall - die Beschäftigung am neuen Arbeitsplatz lediglich der Überbrückung saisonaler Arbeitslosigkeit und gehen die Parteien des ursprünglichen Arbeitsvertrages trotz dieses neuen Dienstverhältnisses von einem Wiederantritt bei Saisonbeginn aus, ist der Dienstnehmer nicht anders zu stellen, als wäre er tatsächlich arbeitslos geblieben. Es wäre ein grober Wertungswiderspruch und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wollte man denjenigen, der bei sonst gleichen Voraussetzungen unter Entlastung der Allgemeinheit selbst initiativ wird und einen vorübergehenden Arbeitsplatz sucht, schlechter stellen als jenen, der es bei saisonaler Arbeitslosigkeit bewenden läßt. Die Tatsache der Aufnahme einer noch dazu ihrer Natur nach ebenfalls saisonal beschränkten Tätigkeit spricht daher für sich allein noch nicht gegen das Vorliegen einer sonst indizierten Karenzierungsvereinbarung.
Auch das Argument der Beklagten, der Kläger könne in einem derartigen Fall zwei Abfertigungen beziehen, vermag nicht durchzuschlagen. Einerseits ergibt schon eine bloß überschlägige Überprüfung der von der Beklagten vorgelegten Verrechnungsliste Beilage 1, daß der Kläger ohnedies für die Berechnung seines Abfertigungsanspruches gemäß § 13d Abs.1 BUAG nur die tatsächlich beim Bauunternehmen zugebrachten Beschäftigungswochen zugrundelegt (vgl. hiezu 8 ObA 242/94 = DRdA 1995, 409) und somit die beim anderen Dienstgeber verbrachten Karenzierungszeiten in Ansehung der Beklagten neutral verbleiben. Andererseits ergibt sich aus § 13b Abs.7 bis 9 BUAG, daß das Bestehen verschiedener Abfertigungsansprüche nebeneinander zumindest solange gebilligt wird, als die Beschäftigungszeiten jeweils den einzelnen Arbeitsverhältnissen klar zugeordnet werden und somit die Summe der Abfertigungsansprüche nicht höher ist als bei durchgehender Beschäftigung bei einem Arbeitgeber.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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