Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von 110.042,-- S netto samt 4 % Zinsen seit dem Klagstag zu zahlen und dem Kläger die mit 45.973,40 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 5.428,90 S Umsatzsteuer und 13.400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen".
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 14.733,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.449,60 S Umsatzsteuer und 6.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 11.4.1962 bis 28.12.1988 im Unternehmen einer Baugesellschaft als Bauarbeiter in einem Dienstverhältnis, das dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe unterlag. Zeiten der Nichtbeschäftigung lagen in den Zeiträumen vom 22.1.1968 bis 4.2.1968, vom 30.1.1978 bis 5.2.1978, vom 19.2.1979 bis 11.3.1979, vom 1.3.1982 bis 21.3.1982, vom 28.1.1985 bis 3.2.1985, vom 10.2.1986 bis 16.3.1986, und vom 1.2.1988 bis 10.4.1988. Es erfolgte dabei jeweils eine Dienstgeberkündigung, die durch saisonübliche witterungsbedingte Unterbrechungen der Arbeiten an verschiedenen Baustellen oder durch die Überstellung des Klägers von einer Arbeitsgemeinschaft zu einer anderen bedingt war. In diesen Zeiträumen bezog der Kläger Arbeitslosengeld; er war bei seinem Unternehmen Stammarbeiter. Dies bedeutete betriebsintern, daß der Kläger bei Besserung der Witterungslage oder Neuaufnahme einer Baustelle mit einer Wiedereinstellung rechnen konnte. Nach Beendigung seines jeweiligen Arbeitsverhältnisses war er daher nicht genötigt, eine andere Arbeitsstelle zu suchen. Wiedereinstellungszusagen hatte der Kläger nicht. Es stand auch von vornherein kein bestimmter Zeitpunkt fest, wann der Kläger wieder zur Arbeit zu erscheinen hatte.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 110.042 S netto sA und bringt vor, er sei vom 11.4.1962 bis 28.12.1988 im Unternehmen der Baugesellschaft als Bauarbeiter beschäftigt gewesen. Bei Berechnung des Abfertigungsanspruches habe die beklagte Partei lediglich die seit 1.4.1972 erworbenen Beschäftigungszeiten angerechnet und dem Kläger eine Abfertigung in der Höhe von 6 Monatsentgelten ausgezahlt. Tatsächlich müßten jedoch die Zeiten des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers seit 11.4.1962 berücksichtigt werden, weil das Dienstverhältnis immer nur kurz unterbrochen gewesen sei und er immer beim selben Dienstgeber gearbeitet habe. Ausgehend von der seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zurückgelegten Zeit stünden dem Kläger 6 weitere Monatsentgelte als Abfertigung zu.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer 6 Monatsentgelte bestehe nicht. Gemäß Art. V Abs.4 BGBl. 1987/618 (Novelle zum Bauarbeiter-Urlaubsgesetz, Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungsgesetz - BUAG) seien nur jene Zeiten für die Abfertigung heranzuziehen, die unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Regelungen einem Abfertigungsanspruch zugrunde zu legen seien. Mit Rücksicht auf die Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses des Klägers komme nach der zitierten Bestimmung (ausgehend von der kollektivvertraglichen Regelung) nur eine Anrechnung der Beschäftigungszeiten seit dem 1.4.1972 in Betracht. Es bestehe daher nur Anspruch auf eine Abfertigung im Ausmaß von 6 Monatsentgelten, die dem Kläger ohnehin gewährt worden sei.
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab, wobei es sich im wesentlichen dem Rechtsstandpunkt der beklagten Partei anschloß. Gemäß Art. V Abs.4 BGBl. 1987/618 könne die Zusammenrechnung unterbrochener Dienstverhältnisse nur ab 1.4.1972 erfolgen, weil nach dem damals in Geltung gestandenen Kollektivvertrag für bereits vor diesem Zeitpunkt liegende Beschäftigungsverhältnisse nur ununterbrochene Beschäftigungszeiten einem Abfertigungsanspruch hätten zugrundegelegt werden können. Das Dienstverhältnis des Klägers sei aber im Jahr 1968 unterbrochen gewesen, sodaß nur die seit 1.4.1972 erworbenen Beschäftigungszeiten Berücksichtigung finden könnten. Die Abfertigungsberechnung der beklagten Partei sei daher richtig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, erkannte ihm nur einen Betrag von 55.021 S sA zu und wies das Mehrbegehren in gleicher Höhe ab. Nach Art. V Abs.4 BGBl. 1987/618 seien vor dem 1.4.1972 liegende Beschäftigungsverhältnisse nur dann zu berücksichtigen, wenn sie keine Unterbrechung aufweisen. Danach seien bei Berechnung des Abfertigungsanspruches auch jene Beschäftigungszeiten heranzuziehen, die ununterbrochen vor dem 1.4.1972 gelegen seien. Dies betreffe hier die Zeit vom 5.2.1968 (Ende des Unterbrechungszeitraumes in diesem Jahr) bis 31.3.1972. Ab 5.2.1968 habe der Kläger 1066 Beschäftigungswochen zurückgelegt. Unter Abzug der festgestellten Unterbrechungen von insgesamt 23 Wochen ergebe sich eine Summe von 1043 Beschäftigungswochen. Gemäß § 13 d Abs 1 BUAG stehe ihm daher ein Abfertigungsanspruch von 9 Monatsentgelten zu, sodaß das Begehren in dieser Höhe berechtigt sei.
Gegen den abweislichen Teil dieses Urteils richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragt mit ihrer auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten, nur den dem Klagebegehren stattgebenden Teil des Berufungsurteiles bekämpfenden Revision die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung.
Beide Teile beantragen jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Die Revision des Klägers ist berechtigt; hingegen kommt der Revision der beklagten Partei keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß Art V Abs 4 BUAG sind Arbeitnehmern, die bei einem Arbeitgeber, der gemäß Art I Z 2 lit b sowie gemäß Abs 2 und 3 dieses Artikels dem Geltungsbereich des BUAG für den Sachbereich der Abfertigungsregelung unterliegt, am 1.Oktober 1987 in Beschäftigung standen, alle bisher bei diesem Arbeitgeber geleisteten und dem Bauarbeiter-Urlaubsgesetz 1972 unterlegenen Beschäftigungszeiten für die dreijährige Anspruchsvoraussetzung sowie für einen Abfertigungsanspruch (Art I Z 10) anzurechnen, sofern diese in den Sachbereich der Abfertigungsregelung fallenden Beschäftigungszeiten unter Berücksichtigung kollektivvertraglicher Regelungen einem Abfertigungsanspruch nach dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz zugrunde zu legen wären und noch nicht für eine Abfertigung herangezogen wurden. Nach dieser ab 1.10.1987 geltenden Regelung wurden nur jene Beschäftigungszeiten übernommen, die den bis 30.9.1987 für dieses Arbeitsverhältnis geltenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Abfertigungsregelungen entsprochen haben. Die gesetzliche Abfertigungsregelung für die nunmehr dem BUAG unterliegenden Arbeitnehmer war vor dem 1.10.1987 das Arbeiter-Abfertigungsgesetz. Danach bestand der Abfertigungsanspruch gegen den Arbeitgeber bei einer mindestens dreijährigen ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses zu diesem Arbeitgeber und erhöhte sich im weiteren entsprechend der Dauer der ununterbrochenen Dienstzeit. Das Arbeiter-Abfertigungsgesetz wurde vor allem wegen der Voraussetzung des Vorliegens eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses durch eine Reihe von kollektivvertraglichen Regelungen ergänzt. Diese befaßten sich durchwegs mit der Möglichkeit, unterbrochene Beschäftigungszeiten beim selben Arbeitgeber, sofern diese Unterbrechungen die im Kollektivvertrag festgesetzte Höchstdauer nicht überschritten, zur Bemessung der Dauer des für einen Abfertigungsanspruch nach dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz erforderlichen ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses zusammenzurechnen (Martinek-Widorn, Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, 308). Ein Zurückgreifen auf die kollektivvertraglichen Regelungen ist daher nur erforderlich, wenn (echte) Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses vorliegen.
Die Aussetzung von Arbeitsverträgen kann entweder dadurch herbeigeführt werden, daß eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsvertrages vereinbart wird, verbunden mit der Abrede, zu einem in der Zukunft liegenden bestimmten oder zumindest bestimmbaren Zeitpunkt einen neuen Arbeitsvertrag einzugehen, oder daß ein "echter" Aussetzungsvertrag (Karenzierungsvertrag) abgeschlossen wird, durch den der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet wird, sondern nur dessen Hauptpflichten, nämlich die Arbeits- und Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht werden (Arb 10.772). Bei der Auslegung von Aussetzungsverträgen ist entsprechend den Regeln des § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Hiebei ist nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen. Soll der Arbeitnehmer aufgrund der Absprache nur vorübergehend mit der Arbeit aussetzen, sodaß der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt auf ihn wieder zurückgreifen kann, und der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt in gleicher Weise weiterarbeitet, so ist im allgemeinen eine Aussetzung im eigentlichen Sinn, also eine Karenzierung anzunehmen (Arb 10.738 = SZ 61/94).
Der Kläger war seit 1962 beim selben Unternehmen beschäftigt. Die kurzfristigen Unterbrechungen seiner Tätigkeit ergaben sich ausschließlich aus saisonüblichen, witterungsbedingten Unterbrechungen der Arbeiten an verschiedenen Baustellen oder aus der Überstellung des Klägers von einer Arbeitsgemeinschaft zu einer anderen. Der Kläger konnte als "Stammarbeiter" bei Besserung der Witterungslage oder Neuaufnahme einer Baustelle mit seiner Wiedereinstellung rechnen und war auch nicht genötigt, nach Ausspruch der Kündigung eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Er hat dies auch tatsächlich nicht getan, sondern jeweils die Arbeit bei demselben Unternehmen nach einigen Wochen wieder aufgenommen.
Aus diesen Umständen und insbesondere aus der Tatsache, daß der Kläger als Stammarbeiter im erwähnten Sinne geführt wurde, ergibt sich, daß beide Teile davon ausgingen, daß das Arbeitsverhältnis entsprechend den Witterungsverhältnissen bzw. bei Bedarf nach Neueröffnung einer Baustelle zu den bisherigen Bedingungen wieder fortgesetzt werden sollte. Durch den Ausspruch der Kündigung wurde das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern es wurden lediglich die beiderseitigen Hauptleistungspflichten für die Zeit der Unmöglichkeit der Arbeit im Freien bzw. für die Zeit der Überstellung zu einer neuen Arbeitsgemeinschaft ausgesetzt (siehe auch DRdA 1988, 249 [zustimmend Csebrenyak]; SZ 61/94 = Arb 10.738; SZ 62/46; SZ 62/88 mwH; zuletzt 9 Ob A 193/90, 9 Ob A 118/91, 9 Ob A 23/92). Daß der Ausspruch einer Kündigung der Annahme einer echten Aussetzungsvereinbarung nicht entgegensteht, wurde bereits mehrfach ausgesprochen (SZ 62/46, 9 Ob A 118/91, zuletzt 9 Ob A 23/92; zur Problematik im Hinblick auf die arbeitslosenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld, aber dennoch für die Annahme einer gültigen Aussetzungsvereinbarung Csebrenyak aaO; 9 Ob A 23/92).
Auszugehen ist daher davon, daß der Kläger ab 11.4.1962 bis zu seinem Ausscheiden am 28.12.1988 in einem ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnis beim selben Dienstgeber stand. Die Zusammenrechnungsvorschriften des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe (§ 13) beziehen sich nur auf echte Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses, nicht aber auf infolge bloßer Karenzierung in ihrem Rechtsbestand ununterbrochene Arbeitsverhältnisse. Für diese ist, weil sie als Einheit zu betrachten sind, eine kollektivvertragliche Zusammenrechnungsvorschrift gar nicht erforderlich. Der Abfertigungsanspruch des Klägers ist vielmehr zufolge des seit dem Jahr 1962 ununterbrochen bestehenden Arbeitsverhältnisses nach dem gemäß Art. V Abs 4 BUAG iVm § 2 Arbeiter-Abfertigungsgesetz anzuwendenden § 23 AngG zu beurteilen. Da der Kläger (selbst unter Abzug der Karenzierungszeiten) eine Dienstzeit von mehr als 25 Jahren zurückgelegt hat, besteht sein Anspruch auf Abfertigung im Ausmaß von 6 weiteren Monatsbezügen (insgesamt 12 Monatsbezüge) zu Recht. Gegen die Höhe der (nach Einschränkung des ursprünglichen Begehrens) zuletzt geltend gemachten Forderung wurde von der beklagten Partei nichts vorgebracht.
In Stattgebung der Revision des Klägers war daher das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wird. Die Revision der beklagten Partei ist aus diesen Gründen nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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