OGH 9ObA129/94

OGH9ObA129/9414.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Mag.Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Yasar A*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, Kliebergasse 1 A, 1050 Wien, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 19.109,26 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.März 1994, GZ 5 Ra 35/94-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 3.November 1993, GZ 46 Cga 181/93f-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.433,60 (darin S 905,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 5.455,68 (darin S 609,28 Umsatzsteuer und S 1.800 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 21.4.1975 bis 3.1.1993 bei der V***** & L***** KG als Maurerhilfsarbeiter beschäftigt. In den Wintermonaten kam es regelmäßig zu witterungsbedingten Arbeitsunterbrechungen. In dieser Zeit arbeitete der Kläger bei keinem anderen Unternehmen; er konnte jeweils damit rechnen, im nächsten Frühjahr bei seinem Arbeitgeber weiterarbeiten zu können. Dies wurde ihm anläßlich des Beginns einer jeden Arbeitseinstellung von seinem Arbeitgeber auch ausdrücklich zugesichert. Vom zuständigen Arbeitsamt wurde grundsätzlich jeweils eine Beschäftigungsbewilligung für die Weiterbeschäftigung des Klägers erteilt. Vom 4.12.1983 bis 30.4.1984 kam es zu einer längeren Arbeitspause, die neben der witterungsbedingten Arbeitsunterbrechung durch einen Krankenstand des Klägers verursacht wurde. Ab 28.5.1991 hatte der Kläger einen Befreiungsschein.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach unstrittigen Betrag von S 19.109,26 netto sA als Differenz zur ausgezahlten Abfertigung. Er habe eine Dienstzeit von mehr als zehn Jahren, so daß ihm ein Abfertigungsanspruch in Höhe von vier Monatsentgelten zustehe. Die beklagte Partei habe ihm aber nur drei Monatsentgelte gezahlt. Sowohl für den Kläger als auch für seinen Arbeitgeber sei es selbstverständlich gewesen, daß der Kläger als Stammarbeiter seine Arbeit im Frühjahr wieder aufnehme. Sein Arbeitgeber habe ihm anfangs ein Zimmer und nach dem Nachzug der Familie sogar eine Wohnung zur Verfügung gestellt, die er durchgehend (auch im Winter) bewohnt habe. Wenn die Arbeit wieder "losgegangen" sei, sei er jeweils zum Arbeitsantritt aufgefordert worden. Lediglich im April 1984 habe er der Aufforderung des Arbeitgebers nicht sofort nachkommen können, da er sich zufolge heftigster Kreuzschmerzen fast einen Monat lang im Krankenstand befunden habe.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Zufolge der langen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom 4.12.1983 bis 30.4.1984 (über 120 Tage) seien die davor liegenden Zeiten für den Abfertigungsanspruch nicht anzurechnen. Eine Karenzierung des Arbeitsverhältnisses des Klägers habe deshalb nicht vorgelegen, weil dieses jeweils durch Fristablauf zufolge Auslaufens der Beschäftigungsbewilligung geendet habe. In den Zeiten, für die wegen Nichtvorliegens einer Beschäftigungsbewilligung keine legale Beschäftigung möglich gewesen sei, habe auch kein "ruhendes" Arbeitsverhältnis bestehen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß beide Teile von einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der darauffolgenden Saison ausgegangen seien. Der Kläger habe seine Arbeit nur vorübergehend ausgesetzt, der Arbeitgeber habe nach der Pause auf ihn zurückgegriffen und der Kläger habe ab diesem Zeitpunkt in gleicher Weise gearbeitet wie früher. Die saisonbedingten Arbeitsunterbrechungen seien daher nur als Karenzierung zu qualifizieren, welche das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, sondern bei dem es nur zu einem Ruhen der gegenteiligen Hauptpflichten gekommen sei. Aufgrund des Ausländerbeschäftigunggesetzes (AuslBG) sei zwar keine legale Beschäftigung des Klägers für die Zeiten der Karenzierung möglich gewesen, der Arbeitgeber habe es jedoch im Sinne des § 29 Abs 2 AuslBG schuldhaft verabsäumt, eine ununterbrochene Beschäftigungsbewilligung zu erwirken, so daß dem Kläger die begehrte Abfertigungsdifferenz als Schadenersatz zustehe.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies; es sprach dazu aus, daß die Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, daß das Arbeitsverhältnis anläßlich der Arbeitspausen in den Wintermonaten nicht aufgelöst worden sei, sondern die festgestellten Erklärungen und Vereinbarungen als echte Aussetzungsvereinbarungen zu werten seien. Arbeitsverträge würden aber nach Ablauf der Beschäftigungsbewilligung nichtig, so daß nach dem Auslaufen der Bewilligung auch ein allenfalls rechtlich noch bestehendes "Restarbeitsverhältnis" nachträglich vernichtet worden sei. In diesem Sinne ergreife die Nichtigkeit nicht nur ein voll aufrechtes, sondern auch ein karenziertes Arbeitsverhältnis. Eine Wertung des Arbeitsverhältnisses des Klägers als ununterbrochen komme daher nicht in Frage.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Ein befristetes Arbeitsverhältnis kann zwar auch dann vorliegen, wenn dessen Ende nicht kalendermäßig fixiert, aber objektiv feststellbar ist; der Endzeitpunkt muß aber der willkürlichen Beeinflussung durch die Vertragsparteien entzogen sein (Schwarz-Löschnigg, ArbR4 189 mwH). Dabei kommt es entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht auf eine generalisierend abstrakte Betrachtungsweise an. Den Feststellungen des Erstgerichts ist zu entnehmen, daß der Kläger nicht nur jeweils Ende Dezember oder Anfang Jänner seine Arbeit eingestellt hat, sondern etwa auch erst am 22.Februar (1980) oder am 27. Februar (1982). Andererseits hat er seine Arbeit nicht nur im März oder April fortgesetzt, sondern auch schon am 20.Jänner (1979) oder am 1.Jänner (1980). Beginn und Ende seiner jeweiligen Tätigkeit waren sohin nicht nur von saisonalen (witterungsbedingten) Gegebenheiten (§ 53 Abs 6 ArbVG) abhängig, sondern von den diesbezüglichen Weisungen des Arbeitgebers.

Mangels ausdrücklicher oder schlüssiger Vereinbarung eines auf "eine Saisondauer" befristeten Arbeitsverhältnisses (SZ 59/56) und mangels einer auf die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses gerichteten Erklärung des Arbeitgebers (etwa Kündigung und schriftliche Zusage auf Wiedereinstellung), ist daher den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß es zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages lediglich zu Aussetzungsvereinbarungen für eine im vorhinein nicht abgrenzbare Arbeitspause gekommen ist. Der Arbeitgeber wollte sich damit die Arbeitskraft des Klägers, über deren Einsatz er verfügen konnte, auf Abruf sichern (Arb 10.738; auch Neurath-Steinbach, AuslBG § 7 Erl 8 f; 9 Ob A 23/92 uva). Es ist daher für die Beurteilung der Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers als ununterbrochen anzusehen ist, entscheidend, ob eine Karenzierungsvereinbarung dem Normzweck des AuslBG widerspricht (§ 879 Abs 1 ABGB; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 41 mwH).

Die §§ 3 ff AuslBG stellen auf die "Beschäftigung" eines Ausländers ab. Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs 2 leg cit die "Verwendung" unter anderem in einem Arbeitsverhältnis, worunter jede "Tätigkeit" in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit zu verstehen ist (vgl Schnorr AuslBG (1976) § 1 Erl 1.3; ders AuslBG2 § 1 Erl 1.3). Die beklagte Partei räumt selbst ein, daß etwa ein tatsächlich konsumierter Urlaub während eines gemäß § 7 Abs 5 BUAG verlängerten Arbeitsverhältnisses keiner Beschäftigungsbewilligung bedürfe. Andererseits hätte für den Arbeitgeber die Möglichkeit bestanden, einen ausländischen Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Arbeit freizustellen, wenn die Beschäftigungsbewilligung abgelaufen war, er aber mit der Verlängerung der Bewilligung rechnen konnte (Schnorr, AuslBG (1976) § 7 Erl 4.2.3). Kommt es aber nur auf die Zulässigkeit der tatsächlichen Beschäftigung an, kann eine Vereinbarung, welche die Beschäftigung ausschließt, dem Normzweck des AuslBG nicht widersprechen. In diesem Sinn wurde bereits entschieden, daß die Vereinbarung einer beschäftigungsfreien Zeit nach Ablauf der Beschäftigungsbewilligung, in der die Arbeits- und Entgeltpflicht suspendiert ist, um das Arbeitsverhältnis dann wieder mit einer neuen Beschäftigungsbewilligung fortzusetzen, mit der öffentlich-rechtlichen Verbotsnorm des § 3 Abs 1 AuslBG nicht im Widerspruch steht. Die verbotene Ausübung einer Tätigkeit ist diesfalls für die bewilligungslose Zeit gar nicht beabsichtigt. Eine echte Karenzierungsvereinbarung für die Zeit der (noch) fehlenden Beschäftigungsbewilligung unterliegt daher nicht der Nichtigkeitssanktion (9 Ob A 51/94 mwH = ecolex 1994, 560).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Arbeitspause des Klägers vom 4.12.1983 bis 30.4.1984 keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses bewirkte, sondern dieses in seinem durch die Karenzierung zulässigen rechtlichen Bestand aufrecht geblieben ist (vgl Migsch aaO Rz 220 ua). Dem Kläger steht somit die begehrte Abfertigungsdifferenz zu.

Die Kostentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte