OGH 7Ob2123/96y

OGH7Ob2123/96y11.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Marianne M*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Krems als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 21.März 1996, GZ 2 R 1015/96-122, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 27. September 1995, GZ 1 P 487/92-109, im angefochtenen Umfang abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist die eheliche Tochter des Andreas M***** und der Renate W*****. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Die Minderjährige befindet sich in der Obsorge der Mutter. Zuletzt wurde der Unterhalt der Minderjährigen mit Beschluß vom 4.5.1994 für die Zeit ab 1.2.1994 in der Höhe von S 2.800 festgelegt. Dabei wurde von einer Bemessungsgrundlage des Vaters von monatlich S 14.000 ausgegangen. Weitere Sorgepflichten trafen den Vater nicht.

Am 4.5.1995 beantragte der Unterhaltssachwalter die Erhöhung des Unterhaltsbeitrages auf S 3.200 ab 1.5.1995 sowie die Verpflichtung des Vaters zur Zahlung des Betrages von S 2.800 "als Sonderbedarf für Schikurskosten" (3.4. bis 8.4.1995). Der Vater verdiene nunmehr monatlich durchschnittlich S 16.500.

Im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Arbeitslosigkeit des Vaters ab Mai 1995 zog der Unterhaltssachwalter den Erhöhungsantrag für die Zeit ab 1.6.1995 zurück und stimmte einer Herabsetzung des monatlichen Unterhaltsbeitrages ab diesem Zeitpunkt auf S 2.000 für die Dauer der Arbeitslosigkeit zu.

Das Erstgericht wies den verbliebenen Erhöhungsantrag für den Monat Mai 1995 ab und verpflichtete den Vater zur Tragung der Schikurskosten von S 2.800 als Sonderbedarf. Der Vater sei bis 28.4.1995 beschäftigt gewesen, beziehe seit 23.5.1995 bis voraussichtlich 9.10.1995 die Arbeitslosenunterstützung von täglich S 330, habe jedoch im April 1995 einen Nettogehalt von S 36.021 (einschließlich aliquoter Sonderzahlungen) erhalten. Der durch die Teilnahme am Schulschikurs entstandene Sonderbedarf sei vom Vater zur Gänze zu zahlen, weil er im April 1995 ein ausreichendes Einkommen bezogen habe. Da der Vater im Mai 1995 im Hinblick auf die im April 1995 erhaltenen Zahlungen keine Arbeitslosenunterstützung erhalten habe, komme eine Unterhaltserhöhung nicht in Frage.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im ausschließlich angefochtenen Umfang über den Sonderbedarf dahin ab, daß es den diesbezüglichen Antrag des Unterhaltssachwalters abwies. Weiters sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage, ob die Kosten eines Schulschikurses zum leistungspflichtigen Sonderbedarf zählten, werde in der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz, aber auch des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich beantwortet. Da das Wesen eines Sonderbedarfes durch die Momente der Individualität sowie der Außergewöhnlichkeit bestimmt werde und einem Bedarf, der, wenn auch nicht laufend, aber doch mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfalle, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht mehr die Wertung als Individualbedarf zuerkannt werde, dürften auch Schulschikurskosten, die doch weitgehend regelmäßig für die Mehrzahl der Schulkinder anfielen, nicht mehr als Sonderbedarf gewertet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Unterhaltssachwalter erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs weist darauf hin, daß der Vater zum Zeitpunkt der Abhaltung des Schulschikurses nur zu einem unter der Belastbarkeitsgrenze und unter dem Regelbedarf liegenden Unterhaltsbeitrag verpflichtet war. Den Kosten für - von vornherein bei Unterhaltsfestsetzungen noch nicht bekannte - Schulveranstaltungen der vorliegenden Art müsse aber auch der Charakter eines Sonderbedarfes zuerkannt werden, weil sie nicht vorausschauend berücksichtigt werden könnten.

Ob die Kosten eines Schulschikurses zum Sonderbedarf gezählt werden können, hat der Oberste Gerichtshof bisher nicht ausdrücklich entschieden. In der Entscheidung 2 Ob 528/90 wurde lediglich ausgesprochen, daß der Umstand, daß die Kosten eines Schulschikurses vom Gericht zweiter Instanz als Sonderbedarf zuerkannt wurden, keine erhebliche Rechtsfrage berühre. Mit der Entscheidung 7 Ob 609/90 wurde ein Revisionsrekurs mit der Begründung zurückgewiesen, daß das Rekursgericht bei der Beurteilung der Frage, ob Schulschikurskosten einen Sonderbedarf darstellen, nicht von der veröffentlichten Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz abgewichen sei. Zuletzt wurde in 5 Ob 524/95 ausgeführt, daß die Kosten einer (mehrtägigen) Klassenfahrt, die - nach ihrer Höhe zu schließen - über die zum gewöhnlichen Schulaufwand gehörenden Kosten eines Wandertages oder einer Exkursion hinausgehen, ihrem Charakter nach mit den Kosten einer Schullandwoche oder eines Schulschikurses vergleichbar seien und unter der Voraussetzung der Belastungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durchaus einen deckungspflichtigen Sonderbedarf darstellen könnten. Davor wurde jedoch den Kosten für eine einem Schulschikurs vergleichbare Schulsportwoche nicht der Charakter eines Sonderbedarfs zuerkannt (ÖA 1993, 144).

Sonderbedarf ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, wenn er in der Person des Kindes begründet ist (7 Ob 579/90; 8 Ob 1593/90; 8 Ob 638/91), durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt wird (EFSlg 67.839; JBl 1995, 784; 5 Ob 524/95), also nicht weitgehend regelmäßig bei der Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt (5 Ob 524/95). Daraus wurde bereits abgeleitet, daß einem Bedarf, der, wenn auch nicht laufend, aber doch mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt, die Wertung als Individualbedarf nicht zuerkannt werden darf (EFSlg 67.839) und als Sonderbedarf daher der - den Regelbedarf übersteigende - Bedarf anzusehen ist, der dem Unterhaltspflichtigen infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewußt außer acht gelassenen Umstände erwächst (8 Ob 638/91; 1 Ob 531/94). Nach diesen Grundsätzen wurden insbesondere ein individueller Gesundheitsbedarf (EFSlg 61.849; EFSlg 67.838), die Kosten für die notwendige außerhäusliche Betreuung des Kindes wegen Behinderung oder Krankheit (JBl 1991, 40), die Kosten für die Berufsausbildung an einem anderen Ort, wenn eine gleichartige Berufsausbildung am Wohnort nicht möglich ist (SZ 63/121; 1 Ob 544/94), die Kosten für den Schulbesuch an einem anderen Ort, wenn damit das Ausbildungsziel im Hinblick auf die besonderen Eigenschaften des Kindes besser erreicht werden kann (1 Ob 531/94), aber auch die Kosten der für die Erreichung des Schulziels notwendigen Sprachferien (SZ 63/81) als vom Unterhaltspflichtigen zu deckender Sonderbedarf gewertet.

Schulschikurse sind nach diesen Kriterien nicht von den Momenten der Außergewöhnlichkeit und der Individualität geprägt. Kosten dafür fallen vielmehr für die Mehrzahl der unterhaltspflichtigen Kinder an. Sie sind demnach - wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat - bei der Bemessung des laufenden Unterhalts zu berücksichtigen.

Soweit der Revisionsrekurs darauf hinweist, daß die Minderjährige im Hinblick auf das Einkommen des Vaters in der Zeit vom 1.7.1994 bis 28.4.1995 nicht ausreichend alimentiert wurde, ist zu entgegnen, daß Unterhalt für die Vergangenheit nicht begehrt wurde. Ob für die vor Eintritt der Arbeitslosigkeit des Vaters liegende Unterhaltsperiode eine Unterhaltserhöhung in Frage kommt, kann daher nicht beurteilt werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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