Spruch:
Der Revisionsrekurs des Vaters wird zurückgewiesen; dem Revisionsrekurs der Minderjährigen wird hingegen Folge gegeben.
Der rekursgerichtliche Beschluß, der, soweit damit die vom Erstgericht beschlossene Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung auf S 8.500 bestätigt wurde, als durch ein zulässiges Rechtsmittel nicht angefochten unberührt bleibt, wird, soweit das Gericht zweiter Instanz die Abweisung des Mehrbegehrens eines monatlichen Unterhalts von S 3.500 bestätigte, ebenso wie der erstinstanzliche Beschluß in diesem Umfang aufgehoben; dem Erstgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Vater war zuletzt aufgrund des Beschlusses des Rekursgerichtes vom 29.10.1991 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 7.000 an seine Tochter verpflichtet.
Das Erstgericht erhöhte die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1.8.1993 auf S 8.500 und wies das Unterhaltsmehrbegehren der Minderjährigen von monatlich S 3.500 ab. Der festgesetzte Unterhaltsbetrag lasse die Minderjährige an den gehobenen Lebensverhältnissen ihres Vaters angemessen teilhaben; auch die zusätzlichen medizinisch indizierten Aufwendungen (Brillen, Kontaktlinsen und die Zahnregulierung) sowie die Kosten für den Reit- und Klavierunterricht fänden darin Deckung.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentlichen Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte aus, die Unterhaltskriterien des § 140 Abs 1 ABGB beruhten einerseits auf allgemeinen gesellschaftlichen Auffassungen und statistisch erhebbaren Erfahrungswerten und andererseits auf individuellen Lebensumständen der Familienmitglieder. Die „grundsätzliche“ Leistungsfähigkeit des Vaters werde selbst von ihm nicht in Abrede gestellt; beide Elternteile lebten als Rechtsanwälte in guten Verhältnissen, an welchen die Minderjährige entsprechend teilhaben solle. Auf die Leistungskomponente müsse daher nicht näher eingegangen werden; im Vordergrund stehe vielmehr die Bedarfskomponente. Soweit der Vater zunächst die Verletzung der ihm nach § 178 ABGB zustehenden Mindestrechte behaupte, weil die Minderjährige trotz seines Widerspruchs eine bestimmte private Schule mit Englisch als Schulsprache besuche, sei ihm entgegenzuhalten, daß im Unterhaltsbemessungsverfahren Verletzungen dieser Mindestrechte überhaupt nicht zu prüfen seien. Im übrigen leiste nach § 140 Abs 2 ABGB jener Elternteil, der den Haushalt führt, in dem das Kind betreut wird, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag. In diesem Verfahren sei weder eine Verknüpfung der Höhe des vom nicht obsorgeberechtigten Elternteil in Geld zu erbringenden Unterhaltsleistung mit der Qualität und Quantität der Pflege- und Erziehungstätigkeit des Obsorgeberechtigten, noch eine ziffernmäßige Bewertung dieser Tätigkeiten und deren Abwägung gegen die Geldalimentation vorgesehen. Nur wenn angesichts der Lebensverhältnisse des Obsorgeberechtigten zu befürchten sei, dieser werde selbst vom Unterhaltsbetrag profitieren und ihn zumindest teilweise zur Bestreitung eigener Bedürfnisse verwenden, seien Erwägungen über dessen finanzielle Lage gerechtfertigt. Daß derartige Überlegungen auf die Mutter zuträfen, unterstelle der Vater wohl selbst nicht. Soweit er bestreite, daß sich die Verhältnisse seit der letzten Unterhaltsbemessung nicht geändert hätten, übergehe er das durch „sprunghafte Fortschritte“ gekennzeichnete Entwicklungsstadium eines Unterhaltsberechtigten im Alter der Minderjährigen. Seither sei eine Steigerung ihrer Bedürfnisse, wofür auch die steigenden schulischen Anforderungen einen Anhaltspunkt böten, eingetreten. Bei unveränderter Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners sei eine Erhöhung grundsätzlich gerechtfertigt. Eine absolute Obergrenze der Unterhaltsbemessung sei dem Gesetz fremd. In der Praxis werde aber ein „Unterhaltsstopp“ vertreten, weil übermäßiger Luxus für den Heranwachsenden „oft mehr Schaden als Nutzen“ bringe und der Eintritt in das Berufsleben dadurch mit Rücksicht auf den üblicherweise bescheidenen Anfangsverdienst psychologisch belastet sein könne. Für die „vernünftigte“ Begrenzung des Unterhaltsbetrags biete sich der Regelbedarf als Orientierungshilfe an, ohne daß eine starre Obergrenze bestehe. Trotz des gehobenen Lebensstandards reiche ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 8.500, der den Durchschnittsbedarf der maßgeblichen Altersgruppe von S 3.370 um einiges übersteige, aus, um die Minderjährige an den Lebensverhältnissen des Vaters angemessen teilhaben zu lassen und die altersgerechten Bedürfnisse in pädagogisch vertretbarem Ausmaß befriedigen zu können. Als wesentliches Argument für die beantragte Unterhaltserhöhung auf monatlich S 12.000 führe die Minderjährige die Kosten der nun von ihr besuchten Privatschule in der für die Schulstufe der Minderjährigen festgestellten Höhe von jährlich S 110.000 ins Treffen. Übertrage die berufstätige Mutter einen Teil ihrer Betreuungsaufgaben, könne sie die Kosten der Betreuung (Halbinternat, Nachmittagsbetreuung usw) außerhalb ihres Haushalts nicht als Sonderbedarf geltend machen. Der Besuch einer Schule mit Mittagsverpflegung und Aufsicht bei Erledigung der Hausaufgaben bringe eine wesentliche zeitliche Entlastung des Obsorgeberechtigten mit sich, sodaß jedenfalls nicht die gesamten mit dem Besuch einer solchen Schule verbundenen Kosten linear auf den Unterhaltsschuldner überwälzt werden dürften. Die Minderjährige habe die dritte Klasse einer privaten AHS nicht positiv abgeschlossen und hätte nicht in die vierte Klasse aufsteigen können. Selbst wenn man sich dem Standpunkt, der Besuch einer Schule mit Englisch als Schulsprache sei pädagogisch notwendig, um der Minderjährigen die psychische Belastung der Klassenwiederholung zu ersparen, nicht verschließe, hätte dies nicht zwangsläufig die Festsetzung eines Unterhaltsbetrags zur Folge, der die Schulkosten und andere Bedürfnisse decke, entfalle doch zumindest ein Teil des Schulgelds auf die Verpflegung, Betreuung und Lernaufsicht, wodurch die Mutter entlastet werde. Aus diesen Erwägungen rechtfertigten die hohen Schulkosten keine weitere Unterhaltserhöhung mehr.
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig; das Rechtsmittel der Minderjährigen ist dagegen zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
A/ Zum Revisionsrekurs des Vaters:
Der Vater bezeichnet die Frage, ob der Unterhalt „im Bereich von Anfangsgehältern“ bemessen werden dürfe, als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (RZ 1991/86; ÖA 1992, 88 ua) sind jedoch betragliche oder in einem bestimmten Vielfachen des Regelbedarfs bezifferte - und damit auch an Anfangsgehältern gebundene - Obergrenzen des Kindes mit den in § 140 ABGB verankerten Bemessungskriterien unvereinbar; diese gestatten keinen allgemeinen „Unterhaltsstopp“. Kindern sind vielmehr jene Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Bestreitung ihrer - an den Lebensverhältnissen des Unterhaltsschuldners zu messenden - Bedürfnisse erforderlich sind (ÖA 1990, 109; RZ 1991/26). Eine erhebliche Rechtsfrage ist dem Revisionsrekurs des Vaters somit nicht zu entnehmen, weshalb dieses Rechtsmittel mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen ist (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm §§ 508 a und 510 ZPO).
B/ Zum Revisionsrekurs der Minderjährigen:
Die Mutter führt namens ihrer nun schon 14jährigen Tochter ins Treffen, das Rekursgericht habe den mit dem Besuch jener Schule, in der die Minderjährige nun mit wesentlich besserem Erfolg unterrichtet werde, verbundenen Aufwand zu Unrecht nicht als bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigenden Sonderbedarf anerkannt. Darunter ist ganz allgemein der den Regelbedarf übersteigende Bedarf zu verstehen, der dem Unterhaltsberechtigten infolge Berücksichtigung der bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewußt außer acht gelassenen Umstände erwächst (SZ 63/81 mwN).
Bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltsschuldners ist die bei der Unterhaltsbemessung als Orientierungshilfe anerkannte Prozentkomponente regelmäßig nicht voll auszuschöpfen (vgl etwa ÖA 1990, 109 ua). Bemessungskriterium ist dann lediglich der Bedarf des Kindes; die Unterhaltsverpflichtung bleibt in solchen Fällen somit hinter jenem Betrag zurück, zu dem der Unterhaltsschuldner angesichts seiner finanziellen Leistungsfähigkeit verpflichtet werden könnte. Soweit jedoch ein durch die besonderen Lebensumstände gerechtfertigter (Sonder-)Bedarf des Kindes anerkannt werden muß, ist die Unterhaltsverpflichtung auch auf die Bestreitung dieser besonderen Bedürfnisse auszudehnen, soweit dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird.
Der Lösung der Frage nach der Verpflichtung des Vaters zur Tragung der als Sonderbedarf geltend gemachten, gewiß überdurchschnittlich hohen Kosten des Privatschulbesuchs seiner Tochter ist vorauszuschicken, daß er bis jetzt seine Leistungsfähigkeit selbst für diesen Aufwand nicht bestritten hat; Erhebungen über sein Einkommen sind deshalb entbehrlich.
Das Gericht zweiter Instanz hat diesem Sonderbedarf vor allem deshalb seine Anerkennung versagt, weil auch die obsorgeberechtigte Mutter durch einen wesentlichen Teil der über den Unterricht hinausgehenden Leistungen der nun von der Minderjährigen besuchten Privatschule - vor allem den Mittagstisch und die Beaufsichtigung der Minderjährigen bei Bewältigung der Hausaufgaben - entlastet worden sei, sodaß eine „lineare“ Überwälzung der Kosten auf den geldalimentationspflichtigen Vater nicht in Frage komme.
Dem hält die Minderjährige entgegen, das Gericht zweiter Instanz habe lediglich die Höhe der Schulkosten erhoben. Dessen übrigen Annahmen seien hingegen tatsachenwidrig, das Gegenteil könne ohne Schwierigkeiten festgestellt werden. Die Minderjährige führt weiters ins Treffen, sie sei - wiewohl ausreichend begabt - bloß infolge ihrer psychischen Belastung durch familiäre Ereignisse und wegen eines Augenleidens außerstande, dem Unterricht in einer herkömmlichen Schule zu folgen. In dem nun gewählten Schultyp könne sie durchaus der bisherigen Schule gleichwertige Leistungen erbringen, weil die Schüler dort nicht dem sonst üblichen, in der Öffentlichkeit ohnedies angeprangerten Leistungsdruck ausgesetzt seien, dafür aber in weit höherem Ausmaß individuell betreut würden. Dazu komme noch, daß sie infolge des Wechsels des Schultyps nicht - wie bei weiterem Besuch einer AHS - die dritte Klasse wiederholen habe müssen und daher auch nicht den damit verbundenen seelischen Belastungen ausgesetzt worden sei.
Die Richtigkeit dieser - von den Vorinstanzen ungeprüft gebliebenen - Behauptungen vorausgesetzt, dürfen die Kosten des Besuchs einer solchen Privatschule nicht von vornherein aus den Fällen des vom Unterhaltsschuldner zu bestreitenden Sonderbedarfs ausgeschieden werden. Der erkennende Senat hat in der in SZ 63/81 veröffentlichten Entscheidung vom 21.5.1990, 1 Ob 585/90, die Kosten für die Teilnahme an Sprachferien selbst im Ausland als Sonderbedarf anerkannt, der dem Unterhaltsschuldner neben seinen regelmäßigen Unterhaltsleistungen überbürdet werden könne, sofern die Teilnahme zur Sicherung des Schulabschlusses notwendig oder aber doch angezeigt erscheine. Umso mehr hat dann aber der Vater auch den mit dem Besuch der Privatschule verbundenen, zugestandenermaßen beträchtlichen Aufwand als Sonderbedarf seiner Tochter zu tragen, wenn die Minderjährige - wie sie behauptet hat - trotz ausreichender Begabung das den Lebensverhältnissen ihrer Eltern zweifelsohne angemessene Ausbildungsziel - die Hochschulreife - angesichts der besonderen Umstände auf diesem Wege besser erreichen könnte.
Das vorinstanzliche Verfahren ist deshalb insoweit mangelhaft geblieben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren durch geeignete Erhebungen - tunlichst auch durch Vernehmung eines Sachverständigen - festzustellen haben, aus welchen Gründen die Minderjährige in der bisher besuchten AHS versagt hat und ob der nun gewählte Schultyp ihren Fähigkeiten gerecht wird. Ferner wird zu ermitteln sein, ob die Minderjährige mit dem Besuch dieser Schule ein der AHS entsprechendes Ausbildungsziel (vor allem also die Hochschulreife) erreichen kann; außerdem wird das Erstgericht noch zu klären haben, ob und bejahendenfalls, in welchem Umfang die obsorgeberechtigte Mutter durch Leistungen der Schule außerhalb des engeren Unterrichts in der ihr überantworteten Obsorge entlastet wird, weil sie für die Bestreitung dieser Bedürfnisse der Minderjährigen aufzukommen hat. Erst danach kann im Sinne der vorangestellten Erwägungen verläßlich beurteilt werden, ob der Vater auch für den Schulaufwand als Sonderbedarf aufzukommen hat und der Erhöhungsantrag somit auch im restlichen Umfang gerechtfertigt erscheint.
Es ist deshalb spruchgemäß zu entscheiden.
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