OGH 1Ob544/94

OGH1Ob544/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Wolfgang L*****, infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch seine Mutter Rosemarie R*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 17. Februar 1994, GZ 2 R 63/94-34, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom 30. Dezember 1993, GZ P 401/78-31, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater hat dem Minderjährigen seit 1.1.1992 monatliche Unterhaltsleistungen von S 6.000 zu erbringen. Damals besuchte dieser die Sporthauptschule seiner Wohnsitzgemeinde. Seit Herbst 1993 besucht er - in Wiederholung der vierten Klasse - die Hauptschule in einer Stadtgemeinde eines anderen Bundeslandes und ist dort in einem Bundeskonvikt untergebracht. Das monatliche Nettodurchschnittseinkommen des Vaters beträgt rund S 70.000.

Der Minderjährige beantragte, den Vater zur Tragung der Jahresplatzgebühr von S 35.000 als Sonderbedarf in zehn monatlichen Teilbeträgen von S 3.500 ab September 1993 zu verhalten; der Vater sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Der mit den Internatskosten entstandene Sonderbedarf sei anzuerkennen, weil er durch die Schulausbildung veranlaßt sei. Die Mutter, die ihren Unterhaltsbeitrag durch die Betreuung des Minderjährigen in ihrem Haushalt leiste, dürfe zur Deckung dieses Bedarfs nicht herangezogen werden; überdies verdiene der Vater ein Vielfaches ihres Einkommens. Aus den laufenden Unterhaltsbeträgen dürften die Internatskosten nicht bestritten werden. Die Erziehung im Internat gereiche dem Minderjährigen zu seinem Vorteil.

Das Gericht zweiter Instanz verpflichtete den Vater - neben den laufenden Unterhaltsleistungen - zu weiteren monatlichen Beträgen von bloß S 1.500 für die Zeit vom 1.9.1993 bis 30.6.1994 zwecks teilweiser Abdeckung der Jahresplatzgebühr des Konvikts, wies das Mehrbegehren von monatlich S 2.000 für den genannten Zeitraum ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, zum laufenden Unterhaltsbedarf eines Kindes könne im Einzelfall ein Sonderbedarf hinzutreten; ob dieser vom Unterhaltspflichtigen zu bestreiten ist, hänge von der Ursache des Sonderbedarfs ab. Ein durch die Betreuung des Kindes außerhalb des Haushalts entstandener Sonderbedarf sei bei der Unterhaltsbemessung dann zu berücksichtigen, wenn er in der Person des Kindes begründet sei. Bei Internatskosten treffe das zu, wenn mit dem Besuch der auswärtigen Schule ein besserer Lernerfolg verbunden sei. Das treffe auch nach den unbedenklichen erstinstanzlichen Feststellungen hier zu. Würden dem Unterhaltsberechtigten über den Regelbedarf hinaus Unterhaltsleistungen erbracht, habe der Unterhaltspflichtige für den Sonderbedarf nur so weit aufzukommen, als diese Aufwendungen die Differenz zwischen dem laufenden Unterhaltsbetrag und dem Regelbedarf überschritten. Der Regelbedarf betrage bei Minderjährigen im Alter von mehr als 15 Jahren monatlich S 4.000, die während des Schuljahrs anfallenden Internatskosten beliefen sich auf monatlich S 3.500. Der dem Minderjährigen laufend gewährte monatliche Unterhalt übersteige den Regelbedarf um S 2.000, so daß die Internatskosten nur im Teilbetrag von monatlich S 1.500 ungedeckt seien. Auch wenn dem Vater nach dessen finanziellen Verhältnissen auch der volle Betrag der Internatskosten auferlegt werden könnte, dürfe er deshalb doch nur zur Bestreitung des Fehlbetrags verhalten werden. Die hier aufgestellte Differenzrechnung könne zwar für jene Fälle, in denen das Kind angesichts der besseren Lebensverhältnisse seiner Eltern Anspruch auf einen bereits über dem Regelbedarf liegenden Unterhaltsbetrag habe, für sich nicht uneingeschränkt Geltung beanspruchen, hier sei aber zu berücksichtigen, daß der Minderjährige während der Unterrichtstage nicht von der Mutter versorgt werde. Es sei daher darauf Bedacht zu nehmen, daß die Internatskosten zum Teil auch die Kosten des Naturalunterhalts enthielten.

Der von der Mutter namens der Minderjährigen zu Protokoll gegebene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der erkennende Senat erst jüngst wieder (1 Ob 531/94) ausgesprochen hat, ist die Unterhaltsverpflichtung, soweit ein durch die besonderen Lebensumstände gerechtfertigter (Sonder-)Bedarf des Kindes anerkannt werden muß, auch auf die Bestreitung dieser besonderen Bedürfnisse auszudehnen, soweit dadurch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners nicht über Gebühr in Anspruch genommen wird; mit Recht haben die Vorinstanzen dies verneint.

Die Kosten der Unterbringung in einem Internat sind dann als Sonderbedarf anzuerkennen, wenn die Erziehung im Internat die Ausbildung des Minderjährigen fördert, eine gleichwertige Ausbildung am Ort, an dem der Obsorgeberechtigte den Minderjährigen in seinem Haushalt betreut, nicht gewährleistet ist und die tägliche Zureise vom Wohnort nicht in Betracht kommt oder aber dem Minderjährigen nicht zugemutet werden darf (SZ 63/121). Das trifft hier nach den Feststellungen der Vorinstanzen schon deshalb zu, weil die Unterbringung des Minderjährigen im Internat dessen persönliche Entwicklung fördert und für dessen bessere Lernerfolge nicht bloß zweckmäßig, sondern geradezu unerläßlich ist.

Schon in SZ 63/81 hat der erkennende Senat klargestellt, daß der vom Unterhaltspflichtigen zu bestreitende Sonderbedarf bei den Regelbedarf erheblich übersteigenden laufenden Unterhaltsleistungen strengen Anforderungen zu unterwerfen ist. Demnach darf der Vater zur Deckung des Sonderbedarfs nur soweit herangezogen werden, als der Unterhaltsberechtigte dartut, daß er trotz der den Regelbedarf beträchtlich überschreitenden Unterhaltsbeträge außerstande wäre, diese Kosten auf sich zu nehmen. Ein solcher Beweis gelänge dem Minderjährigen etwa dann, könnte er dartun, daß der Überhang der laufenden Unterhaltsleistungen des Vaters durch Bestreitung anderen anerkennenswerten Sonderbedarfs ohnedies schon aufgezehrt ist. Derartiges hat der Minderjährige nicht einmal im Revisionsrekurs ins Treffen geführt; er hat sich ausschließlich auf Erwägungen beschränkt, der Vater sei seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend zur Deckung des Sonderbedarfs ohne weiteres imstande, obwohl das Rekursgericht eine weitergehende Verpflichtung des Vaters trotz Bejahung seiner dazu ausreichenden Mittel abgelehnt hatte. Zu Recht wies das Gericht zweiter Instanz auch darauf hin, daß die Mutter durch die Leistungen des Konvikts während der Unterrichtstage in der ihr überantworteten Obsorge entlastet wird, hätte doch sie sonst für die Bestreitung dieser Bedürfnisse des Minderjährigen aufzukommen.

Dem Revisionsrekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Stichworte