Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende und gefährdete Partei, die die Kosten ihres Rechtsmittels endgültig selbst zu tragen hat, hat dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die mit 7.605 S (darin 1.267,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden Klägerin) ist Medieninhaberin der Zeitschrift "W***** B*****". Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter) machte am 5.4.1995 im Hotel Bristol in Wien bei einer Veranstaltung des Liberalen Clubs folgende Äußerung:
"Es ist ungeheuerlich, was hier passiert und was mich besonders irritiert hat, war, daß es einen Tag nachdem man in der Redaktion der A***** eine Hausdurchsuchung vorgenommen hat und die gesamten Adressenlisten mitgenommen hat der Abonnenten, hat eine Redakteurin des W***** B*****, das ist ein sozialistisches Bezirksblatt in Wien, bei einem Bekannten von mir angerufen, der ein Abonnent der A***** ist. Und die Redakteurin sagt, die Sekretärin war am Apparat, ich möchte den Chef, Herrn Soundso, sprechen und die Sekretärin sagt: Er ist nicht da. Worum geht's denn? Sagt sie: "Ja wissen Sie denn nicht, er ist ein Abonnent des rechtsextremen Blattes A*****". Das heißt, einen Tag nach der Hausdurchsuchung hat bereits der politische Gegner die Unterlagen aus dieser Hausdurchsuchung, zumindest die Abonnentenliste in Kopie. Und das halte ich wirklich für DDR-Geist, der da wirksam wird. Das ist DDR-System, so ist es also in der DDR zugegangen, bis ihnen das Volk davongelaufen ist. Und das halte ich also wirklich für untragbar, wie man hier vorgeht. Weil ich glaube, daß man in ganz anderen Bereichen untersuchen sollte. Ich bin wirklich für eine schonungslose Aufklärung, aber nicht für eine gelenkte Aufklärung, wo man aus ideologischen Gründen nur mit einem Auge schaut."
Die Klägerin begehrt, den Beklagten zur Unterlassung der Behauptung zu verurteilen, die Klägerin hätte Unterlagen, die bei einer Hausdurchsuchung in der Redaktion der Zeitschrift A***** beschlagnahmt worden waren, zumindest die Abonnentenliste dieser Zeitschrift in Kopie besessen und hätte diese Abonnentenliste bei journalistischen Recherchen eingesetzt, oder andere Äußerungen gleichen Inhaltes.
Die Behauptungen des Beklagten seien unwahr, zwei Redakteure der Klägerin hätten vielmehr einen Artikel über Inserenten, nicht über Abonnenten der Zeitschrift A***** verfaßt, nachdem sie Recherchen bei Inserenten angestellt hatten. Die beschlagnahmte Abonnentenliste habe sich die Klägerin weder verschafft, noch sei sie ihr sonst zugekommen. Die unwahren Behauptungen des Beklagten gefährdeten wohl offenkundig den wirtschaftlichen Ruf der Zeitschrift. Da bei einem Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf jedenfalls ein unwiederbringlicher Schade vorliege, der in seinen Auswirkungen kaum zu überblicken sei und daher keiner Gefahrenbescheinigung bedürfe, beantragte die Klägerin auch die Erlassung einer mit dem Klagebegehren gleichlautenden einstweiligen Verfügung.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm als bescheinigt an, daß zwei Journalisten der Klägerin für einen Artikel über die Inserenten in der Zeitschrift A***** aus einigen Ausgaben deren Inserenten ermittelten und einige von ihnen telefonisch zu den Inseraten befragten. Dann verfaßten sie einen Artikel, der unter dem Titel "Wer die braune A***** sponsert" in der Ausgabe Nr 4/95 des W***** B***** erschien. Abonnentenlisten der Zeitschrift A***** hat die Klägerin auch nach einer Hausdurchsuchung in der Redaktion der A***** nicht erhalten. Der Beklagte habe durch seine Äußerungen den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin gefährdet. Durch die Verletzung eines absolut geschützten Rechtes drohe der Klägerin ein unwiederbringlicher Schade.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. In den Behauptungen des Beklagten sei zwar der Vorwurf enthalten, daß die bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen durch eine strafbare Handlung (Mißbrauch der Amtsgewalt, Verletzung des Amtsgeheimnisses) in die Hand der Klägerin gekommen seien, der Vorwurf richte sich aber nicht gegen diese. Die passive Teilnahme an der strafbaren Handlung des Mißbrauches der Amtsgewalt und der Verletzung von Amtsgeheimnissen sei nicht strafbar. Das der Klägerin vorgeworfene Verhalten sei weder ehrenrührig noch sonst rufschädigend, jedenfalls sei dies nicht offenkundig. Die Klägerin habe weder behauptet noch bescheinigt, daß die Verbreitung von Unterlagen, die durch eine strafbare Handlung eines Dritten in den Besitz des Verlages oder einer Zeitung gekommen seien, etwa einem journalistischen Ehrenkodex widerspreche oder daß die Klägerin mit Straftätern zusammengewirkt hätte, um den politischen Gegner zu bekämpfen oder um gelenkte Aufklärung zu betreiben.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nach den in § 528 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Frage, ob bei bloßer Schädigung des wirtschaftlichen Rufes im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB unbeschränkt auf eine Gefahrenbescheinigung verzichtet werden kann, über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus Bedeutung zukommt.
Während in der Entscheidung 4 Ob 132/93 (veröffentlicht in MR 1993, 221) erkannt wurde, daß bei einem Eingriff in die Ehre, aber auch bei einem Eingriff in den wirtschaftlichen Ruf einer Person ein unwiederbringlicher Schade drohe, zu dessen Abwendung eine einstweilige Verfügung notwendig erscheine, weil die Auswirkungen einer Ehrverletzung oder Rufschädigung kaum zu überblicken seien und sich durch Geldersatz nicht völlig ausgleichen ließen, vertrat der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 22.2.1996, 6 Ob 34/95, die Ansicht, bei bloßer Schädigung des wirtschaftlichen Rufes im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sei neben der Behauptung im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die nach § 381 Z 2 EO ausdrücklich erforderliche Gefahrenbescheinigung nur dann entbehrlich, wenn nach der Art und Intensität des Eingriffes im konkreten Einzelfall nach der Lebenserfahrung, prima-facie, auf eine Gefährdung des überdies in Geld nicht zur Gänze wiedergutzumachenden wirtschaftlichen Rufes geschlossen werden kann. Dies trifft auf die hier zu beurteilenden Äußerungen keineswegs zu. Ein ehrenrühriges Verhalten wird aus der Sicht des Empfängerkreises der inkriminierten Äußerungen nicht der Klägerin oder ihren Redakteuren, sondern Personen aus dem Lager des politischen Gegners vorgeworfen, die Unterlagen aus einer Hausdurchsuchung an eine sozialistische Zeitschrift weitergegeben hätten. Daß der wirtschaftliche Ruf einer Zeitung durch den Besitz und die journalistische Verwendung von der Amtsverschwiegenheit unterliegenden Tatsachen gefährdet würde oder gar einen in Geld nicht zur Gänze auszugleichenden Vermögensschaden mit sich bringen könnte, ist prima facie keineswegs einsichtig. Das Verfügen über und die Verwertung geheimer Informationen gehört nahezu schon zum journalistischen Alltag einer ganzen Reihe von Zeitungen und Zeitschriften und hat, gerade wenn es um die Aufdeckung von die Öffentlichkeit interessierenden politischen "Skandalen" geht oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens betrifft, für die Zeitung wohl keinen Vermögensnachteil, sondern vielmehr eher eine Auflagensteigerung zur Folge. Das Recherchieren und die Verwertung auch geheimer Informationen wird sogar durch den Gesetzgeber geschützt, der im § 31 Mediengesetz Medieninhaber (Verleger), Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes das Recht einräumt, in einem Verfahren vor Gericht oder einer Verwaltungsbehörde als Zeugen die Beantwortung von Fragen zu verweigern, die die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen und Unterlagen oder die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen betreffen. Dieses Recht darf auch nicht dadurch umgangen werden, daß dem Berechtigten die Herausgabe von Schriftstücken, Druckwerken, Bild- oder Tonträgern oder Datenträgern, Abbildungen und anderen Darstellungen mit solchem Inhalt aufgetragen wird oder diese beschlagnahmt werden. Das Rekursgericht hat daher zu Recht den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.
Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 402, 78 EO sowie §§ 41 und 50 ZPO.
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