OGH 7Ob507/96

OGH7Ob507/9622.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard B*****, vertreten durch Dr.Andreas Konradsheim, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Johann I*****, vertreten durch Dr.Jürgen Zwerger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 100.000 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 25.September 1995, GZ 54 R 112/95-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 6.Februar 1995, GZ 8 C 11/92-39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung von S 78.000 sA als unangefochten unberührt bleiben, werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt lautet:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 6.000 samt 4 % Zinsen seit 12.3.1992 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren von S 94.000 und das Zinsenmehrbegehren (insgesamt 10 % Zinsen ab 1.2.1990) wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die in allen Instanzen mit insgesamt S 52.489,63 (darin S 8.748,27 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer eines PKWs der Marke Talbot-Sunbeam Lotus Baujahr 1980. Der Beklagte wurde mit Versäumungsurteil vom 12.1.1990 zu 6 Cg 12/90 des Erstgerichtes verpflichtet, dem Kläger diesen PKW herauszugeben. Der Verkaufswert des PKWs betrug im Jahr 1990 S 15.000 bis S 16.000 und im März 1992 nicht über S 5.000 bis S 7.000. Zu letzterem Zeitpunkt wäre das Fahrzeug nur von Unternehmungen, die sich auf die Ausarbeitung und Verbesserung von "exotischen" Fahrzeugen befassen, zu erwerben gewesen. Es könnte auch sein, daß sich ein Interessent gefunden hätte, der das Fahrzeug um einen Preis erworben hätte, der im üblichen Handel nicht erzielbar ist.

Mit seiner am 12.3.1992 eingebrachten Klage begehrte der Kläger S 100.000 samt 10 % Zinsen seit 1.2.1990. Er verwies auf das ergangene Versäumungsurteil und behauptete, daß es trotz zahlreicher Exekutionsschritte nicht möglich gewesen sei, die Herausgabe des PKWs zu erlangen. Der Beklagte habe den PKW zur Reparatur übernommen, dann aber keine Reparatur durchgeführt und die Herausgabe des PKWs verweigert. Der Kläger begehre daher das Interesse im Sinn des § 396

EO.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Er sei niemals über den PKW verfügungsberechtigt gewesen. Vielmehr sei der PKW vom Kläger zunächst in der Werkstätte H***** zur Begutachtung nach § 57a KFG abgestellt und in der Folge in die Reparaturwerkstätte des Johann R***** überstellt worden. Der PKW habe nur mehr einen Wert von höchstens S 5.000. Überdies werde Verjährung eingewendet.

Das Erstgericht wies im ersten Rechtsgang das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Gericht zweiter Instanz verneinte das Vorliegen der Verjährung und trug dem Erstgericht die Aufnahme der zum behaupteten Anspruch angebotenen Beweise auf.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren abermals ab, und zwar nunmehr mit der Begründung, daß keine Feststellungen dahin getroffen werden könnten, daß der Beklagte das Fahrzeug zur Reparatur übernommen habe.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil teilweise, und zwar dahin ab, daß es den Beklagten schuldig erkannte, dem Kläger S 22.000 samt 4 % Zinsen seit 1.2.1990 zu zahlen. Hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von S 78.000 sowie des über 4 % hinausgehenden Zinsenbegehrens bestätigte es das Ersturteil. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Interessenklage als nicht gesichert anzusehen sei und sich auch zur Frage der Schadensberechnung verschiedene Anhaltspunkte fänden.

Das Gericht zweiter Instanz führte aus, daß das Versäumungsurteil Bindungswirkung dahin entfaltet habe, daß der Kläger zur Herausgabe des Fahrzeuges an den Beklagten verpflichtet sei, weshalb der Argumentation des Erstgerichtes nicht gefolgt werden könne. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger den PKW zur Reparatur übernommen habe, daß dieser aber dem Auftrag nicht nachgekommen sei und daß der Kläger deshalb vom Vertrag zurückgetreten sei. Da die Rückgabepflicht mit dem Vertragsrücktritt entstanden sei, sei auf den Wert des Fahrzeuges im Zeitpunkt der Vertragsauflösung abzustellen. Das Gericht zweiter Instanz stellte in diesem Zusammenhang egänzend fest, daß der Kläger etwa im Mai 1989 die Auflösung des Vertrages erklärt und die Rückgabe des PKWs verlangt habe. Damals sei der PKW ungefähr S 22.000 wert gewesen. Die Zinsen stünden ebenfalls ab Fälligkeit der Rückgabeverpflichtung zu, seien aber ohnehin erst ab 1.2.1990 begehrt worden.

Der klagsabweisende Teil dieser Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den klagsstattgebenden Teil richtet sich die zulässige und zum Teil auch berechtigte Revision des Beklagten.

Nach insoweit einhelliger neuerer Rechtsprechung kann aus § 368 EO ein materiellrechtlicher Anspruch nicht abgeleitet werden, sondern setzt diese Gesetzesstelle das Bestehen eines Anspruches voraus (SZ 24/55, SZ 43/113 ua), der jedoch im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein kann (§§ 1295, 1323 ABGB). Ebenso ist unstrittig, daß das Interesse zwar auch wahlweise neben der Sachleistung verlangt werden kann und nicht voraussetzt, daß bereits ein Leistungsurteil vorliegt (SZ 27/154 ua), daß aber weder die Leistungsklage noch ein darüber ergehendes Erkenntnis noch die Herausgabeexekution den Verbrauch des Anspruches auf das Interesse bewirkt (MietSlg 30.724/23). Der Kläger muß den negativen Beweis des Nichtbesitzes nicht führen; es obliegt vielmehr dem Beklagten der Nachweis, warum er nicht erfüllen kann (SZ 27/220). Insofern hat das Gericht zweiter Instanz die Voraussetzungen der Interessenklage in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung bejaht.

Die Ansicht, der für die Schadensberechnung maßgebende Zeitpunkt sei jener der Erklärung des Rücktrittes vom Werkvertrag, widerspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung. Der Schaden, den der Kläger erleidet, ist ziffernmäßig der Betrag, den er jeweils braucht, um sich die ihm zugesprochene Sache anzuschaffen (EvBl 1976/227, 470; 8 Ob 529/83; 7 Ob 654/84). Das Interesse des Klägers besteht darin, daß er wirtschaftlich so gestellt wird, wie wenn ordnungsgemäß geleistet worden wäre. Hiebei ist nach einem Teil der Entscheidungen auf den Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Interessenstreit (EvBl 1976/227, 470 mwN), nach anderen Entscheidungen auf den Zeitpunkt der Einbringung der Interessenklage bzw auf jenen Zeitpunkt, in dem sich die Exekution als fruchtlos erweist (SZ 4/119; SZ 5/35), abzustellen, wobei der Grundsatz, daß der Schluß der Verhandlung erster Instanz maßgebend sei, jedenfalls dann als unbillig angesehen wird, wenn - wie insbesondere bei einem Kraftfahrzeug - eine naturgemäße Wertverminderung eintritt (1 Ob 98/65; HS 6347). Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an, wonach im vorliegenden Fall das Interesse mit dem Wiederbeschaffungswert des PKWs im Zeitpunkt der Einbringung der Interessensklage gleichzusetzen ist.

Daß ein darüber hinausgehender Schaden eingetreten wäre (etwa höherer Kapitaleinsatz für Deckungskauf, Entgang einer günstigen Verkaufsgelegenheit), hat der hiefür behauptungs- und beweispflichtige Kläger (vgl Reischauer in Rummel2 II Rz 12 zu § 1332 ABGB) nicht einmal behauptet.

Der Wiederbeschaffungswert ist im Hinblick auf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen über die Wertentwicklung des PKWs zur Zeit der Einbringung der Interessenklage mangels anderer Anhaltspunkte etwa mit dem Verkaufswert gleichzusetzen und wurde gemäß § 273 ZPO mit S 6.000 ausgemittelt. Der Klage war daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit diese nicht bereits in Rechtskraft erwuchsen, im Sinne eines Zuspruches von S 6.000 abzuändern. Zinsen stehen dem Kläger in Anwendung der dargestellten Grundsätze erst ab Klagseinbringung zu.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO. Der letztlich an den Kläger erfolgte Zuspruch war im Verhältnis zum begehrten Betrag geringfügig und hing im wesentlichen von der Ausmittlung durch einen Sachverständigen ab.

Im Revisionsverfahren war hingegen nur mehr ein Betrag von S 22.000 sA strittig. Bei den Kosten des Revisionsverfahrens war daher von einem Obsiegen des Beklagten von etwa 70 % auszugehen, so daß er 40 % seiner tarifmäßigen, auf der Basis von S 22.000 zu berechnenden Kosten zu erhalten hat.

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