OGH 5Ob2085/96w

OGH5Ob2085/96w14.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ruth S*****, vertreten durch Dr.Heinz Glatz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm.Teja A. G*****, vertreten durch Dr.Adolf Kriegler und Dr.Helmut Berger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19.Dezember 1995, GZ 40 R 1095/95s-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 20. September 1995, GZ 9 C 603/94a-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte bewohnt seit 1.Oktober 1990 die Wohnung top 1 im Haus *****. Es handelt sich bei diesem Objekt um eine Eigentumswohnung, die im September 1990 (bei Anschluß des streitgegenständlichen Mietvertrages) im Wohnungseigentum des mittlerweile verstorbenen Dr.Franz S***** stand und mit einem Fruchtgenußrecht zugunsten der mittlerweile ebenfalls verstorbenen Dr.Lieselotte E***** belastet war. Seit Juni 1992 ist die Klägerin (zufolge Einantwortung des Nachlasses ihres Ehemannes, Dr.Franz S*****) Eigentümerin der Wohnung.

Der Beklagte ist über Vermittlung der W*****Gesellschaft m.b.H. Mieter der Wohnung geworden; Dr.Franz S***** trat als Vertreter der Fruchtgenußberechtigten auf. Das entsprechende Mietvertragsformular, das von Dr.Franz S***** ausgefüllt wurde und die Fruchtgenußberechtigte als Vermieterin ausweist, enthält eine Befristung des Mietverhältnisses auf vier Jahre. Es sollte am 1. Oktober 1990 beginnen und am 30.September 1994 ohne weitere Aufkündigung enden. Der Beklagte hat diesen Mietvertrag am 25. September 1990 unterfertigt, zu einer Unterzeichnung des Vertrages von Vermieterseite ist es jedoch nicht gekommen.

Mit der am 25.Oktober 1994 beim Erstgericht eingebrachten Klage hat die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Räumung der streitgegenständlichen Wohnung wegen Ablaufs des Zeitmietvertrages beantragt. Der Beklagte macht jedoch geltend, mangels Unterfertigung des Mietvertrages durch die Vermieterin (oder ihren Vertreter) sei es nie zu einer wirksamen Befristung des Mietverhältnisses gekommen. Er hat daher (ua aus diesem Grund) die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es vertrat die Auffassung, daß es nach dem Zweck der Formvorschrift des § 29 Abs 1 Z 3 MRG, den Mieter vor dem übereilten Abschluß eines Zeitmietvertrages zu schützen, genüge, wenn der Mieter die Befristungsvereinbarung unterzeichnet. Es sei somit ein gültiger Zeitmietvertrag zustandegekommen.

Das Berufungsgericht wies jedoch in Abänderung des Ersturteils das Räumungsbegehren ab. Es führte aus:

Das Gebot der Schriftlichkeit für die Befristung eines Mietvertrages in § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem 2. WÄG) erfordere die Unterschrift sämtlicher Vertragsparteien, also auch die Unterschrift des Vermieters. So habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 6 Ob 92/73 (vgl SZ 46/64) ausgesprochen, daß ein gemäß § 19 Abs 6 MG vereinbarter Kündigungsgrund, der ebenfalls schriftlich vereinbart werden mußte, nur dann wirksam sei, wenn sämtliche Vertragsparteien, also auch der Vermieter, die Vereinbarung unterfertigten. Dies obwohl sich aus dem vereinbarten Kündigungsgrund vornehmlich die Befugnis des Vermieters zur Lösung des Bestandvertrages, somit ein Recht zu seinen Gunsten, ergebe (vgl ähnlich MietSlg 28.388). In einer weiteren Entscheidung (6 Ob 647/82, tw veröffentlicht in MietSlg 34.507) habe der Oberste Gerichtshof ausdrücklich festgehalten, daß § 23 Abs 1 MG - bei sonst mangelnder Berechtigung des Vermieters, auf Räumung des Bestandobjektes wegen Zeitablaufs zu dringen - die Unterfertigung beider Vertragsteile verlange. In der zu 2 Ob 516/87 ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sei dann dahingestellt geblieben, ob der Schutzzweck des § 23 Abs 1 MG jedenfalls auch die Unterfertigung der Vereinbarung durch den Vermieter erfordere. Lediglich in der Entscheidung 1 Ob 569/94 (WoBl 1994/45) habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, daß Zweck des Schriftlichkeitsgebotes in § 29 Abs 1 MRG für den Mieter neben der Schaffung einer Beweisurkunde vor allem der Übereilungsschutz sei. Für den Vermieter beschränke sich dagegen dessen Zweck im Ergebnis auf die Beweiserleichterung. Aus diesem Grund genüge, wenn sich die Geschäftspartner beim Vertragsabschluß vertreten lassen, auf Seite des Vermieters eine auch bloß mündlich oder schlüssig erteilte Bevollmächtigung, während auf Mieterseite die Unterschrift eines schriftlich bevollmächtigten Vertreters zu verlangen sei. Selbst wenn sich der Zweck des Schriftlichkeitsgebotes des § 29 MRG auf Vermieterseite lediglich auf die Beweiserleichterung beschränke, ändere dies nichts daran, daß die gesetzlich angeordnete, auch für den Vermieter keineswegs sinnlose Schriftform für die Durchsetzbarkeit eines vereinbarten Endtermins die Unterschrift sämtlicher Vertragsparteien, also auch die Unterschrift des Vermieters erfordere. Auch die Beweiserleichterung könne nicht als reiner Selbstzweck angesehen werden. Sie diene dem Vermieter genauso wie dem Mieter. Eine vom Vermieter nicht unterfertigte Vertragsurkunde könnte in einem vor Ablauf der Befristung geführten Kündigungsverfahren mit der tatsachenwidrigen Behauptung des Vermieters, eine Befristung sei nicht vereinbart worden, dazu führen, daß eine vorzeitige Aufkündigung erfolgreich ist. Dies, obwohl die vorzeitige Aufkündigung eines befristeten Bestandverhältnisses vor Ablauf der Befristung im allgemeinen nicht zulässig sei (WoBl 1991/83).

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß sich der Oberste Gerichtshof zur streitentscheidenden Rechtsfrage, ob der Regelungszweck des § 29 MRG auch die Unterschrift des Vermieters erfordere, nicht eindeutig geäußert habe.

In der jetzt vorliegenden Revision macht die Klägerin, gestützt auf die zu 1 Ob 569/94 ergangene Entscheidung und die daraus gewonnenen Argumente des Erstgerichtes, vor allem geltend, daß der Zweck des in § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG normierten Formgebotes lediglich die Unterschrift des Mieters, nicht aber auch des Vermieters für die Gültigkeit der Befristungsvereinbarung erfordere. Da der Beklagte immer vom Beharren seines Vertragspartners auf Befristung des Mietverhältnisses wußte, verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn er nun die Gültigkeit der Vereinbarung wegen eines Formmangels bestreite. Im übrigen bedeute das Fehlen einer von Vermieterseite unterfertigten Vertragsurkunde keineswegs, daß nicht doch eine schriftliche Befristungsvereinbarung in Form einer von Dr.S***** unterfertigten Mietvertragsurkunde zustandegekommen sei. Der Revisionsantrag geht dahin, in Abänderung des angefochtenen Urteils die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Vom Beklagten liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, das Berufungsurteil zu bestätigen.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrem Argument, das Fehlen der Unterschrift der Vermieterin auf der dem Gericht vorgelegten Ausfertigung des Mietvertrages schließe das Vorhandensein einer von allen Vertragsparteien unterfertigten Vertragsurkunde keineswegs aus, greift die Klägerin in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen an. Dem Berufungsgericht ist in diesem Zusammenhang auch nicht vorzuwerfen, die in der Berufungsbeantwortung enthaltene Beweisrüge der Klägerin übergangen zu haben, weil in erster Instanz kein Vorbringen über die Unterfertigung eines Mietvertragsdoppels durch den Vertreter der Vermieterin erstattet und im Rechtsmittel auch nicht ausgeführt wurde, auf welches konkrete Beweismittel die von der Klägerin gewünschte Feststellung hätte gestützt werden können. Der einzige zu diesem Beweisthema genannte Zeuge (Oliver B*****) hat einen schriftlichen (von beiden Parteien unterschriebenen) Mietvertrag nie gesehen und bestätigte sogar die Behauptung des Beklagten, daß Dr.S***** nicht zur Übermittlung einer vollständigen Vertragsurkunde bewegt werden konnte. Die Tatsachen- und Beweisrüge war daher gar nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Auch zur Lösung der streitentscheidenden Rechtsfrage, ob eine Befristungsvereinbarung iSd § 29 Abs 1 Z 3 MRG (hier den Fall der lit b leg cit betreffend) von beiden Parteien des Mietvertrages, also auch vom Vermieter, unterschrieben sein muß, um dem gesetzlichen Formgebot zu entsprechen, enthält die Revision kein Argument, das die überzeugenden Entscheidungsgründe der zweiten Instanz widerlegen könnte. Gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO kann sich daher der erkennende Senat auf eine kurze Zusatzbegründung beschränken.

Es entspricht Judikatur und herrschender Lehre, daß bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag dem Formerfordernis der Schriftlichkeit nur dann entsprochen ist, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben (MietSlg 23.074; MietSlg 26.409; WoBl 1989, 49/18 = MietSlg 40.417; 2 Ob 516/87 ua; Gschnitzer in Klang2 IV/1, 273 ff; Rummel in Rummel2, Rz 2 zu § 886 ABGB). Ein dem Schriftlichkeitsgebot unterliegender Vertrag kommt nämlich kraft ausdrücklicher Anordnung des § 886 ABGB erst mit der Unterschrift "der Parteien" zustande. Im besonderen wurde dies zu § 19 Abs 6 MG für die Vereinbarung von Kündigungsgründen (SZ 46/64 = MietSlg 25.362; MietSlg 28.388 ua) sowie zu § 23 Abs 1 MG für Befristungsvereinbarungen (wie sie jetzt auch in § 29 Abs 1 MRG vorgesehen sind) judiziert (6 Ob 647/82, tw veröffentlicht in MietSlg 34.507; idS obiter auch 2 Ob 516/87). Auch die herrschende Lehre ist in diesen Fällen nicht bereit, unter dem Aspekt des Formzweckes (der zweifellos vor allem dem Mieter gilt und ihn vor Übereilung schützen soll: vgl MietSlg 28.388; MietSlg 31/29; EWr I/29/5; WoBl 1994, 188/45 ua) Abstriche zu machen (vgl Rummel aaO). Die teleologische Reduktion von Formvorschriften ist überhaupt mit größter Vorsicht zu handhaben (vgl Wilhelm in ecolex 1994, 159 zu 1 Ob 525/93).

Nun hat schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß eine Befristungsvereinbarung nicht nur beim Mieter, sondern auch beim Vermieter besondere Pflichten erzeugt. Im Abschluß eines Mietvertrages auf bestimmte Zeit liegt nämlich ein stillschweigender Kündigungsverzicht für die vereinbarte Vertragsdauer (MietSlg 22.160; MietSlg 35.212; WoBl 1991, 136/83 mit zust Anmerkung von Call; EWr I/29/3; vgl Würth in Rummel2, Rz 1 zu § 1113 Rz 7 zu § 1116 ABGB). Er hat zur Folge, daß weder Vermieter noch Mieter vor Ablauf der Vertragsdauer kündigen können; sie sind vielmehr auf besonders gravierende Auflösungsgründe, die eine Aufrechterhaltung des Mietvertrages unzumutbar machen, beschränkt. Damit ist jede Befristungsvereinbarung ein zweiseitig verbindlicher Vertrag, bei dem das Formgebot der Schriftlichkeit gemäß § 886 ABGB nur durch die Unterschrift aller Parteien erfüllt werden kann. Auch wenn sich die Bedeutung des in § 29 Abs 1 MRG normierten Schriftlichkeitsgebotes für den Vermieter praktisch in der Erleichterung des Beweises erschöpft, mit dem Mieter die von keiner Kündigung abhängige Auflösung des Mietverhältnisses durch Zeitablauf vereinbart zu haben, zumal der schlichte Kündigungsverzicht des Vermieters nicht als formbedürftig angesehen wird, besteht kein Anlaß, vom Erfordernis seiner Unterschrift für die Gültigkeit einer solchen Befristungsvereinbarung abzusehen, da alle Interessen (etwa auch das Interesse des Mieters, sich gegen eine vorzeitige Kündigung zu wehren) im Auge zu behalten sind. Hätte der Gesetzgeber wirklich nur den Übereilungsschutz des Mieters beim Abschluß von Zeitmietverträgen bezweckt (idS offenbar 9 Ob 702/91, vgl aber EWr I/29/5; WoBl 1994, 188/45 ua), hätte er sich - dem Beispiel des § 1346 Abs 2 ABGB folgend - mit der Unterschrift des Mieters begnügen können, statt die in § 886 ABGB mit der Unterschrift "der Parteien" typisierte Schriftlichkeit anzuordnen.

Aus der schon vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung 1 Ob 569/94 = WoBl 1994, 188/45 läßt sich für den gegenständlichen Standpunkt der Revisionswerberin nichts gewinnen, weil sie nur das Problem behandelt, ob auch die Bevollmächtigung desjenigen, der einen Zeitmietvertrag für den Vermieter unterfertigt, dem Gebot der Schriftlichkeit unterliegt. Hier sind Judikatur und Lehre eher geneigt, nach dem konkreten Formzweck zu differenzieren und auf die Einhaltung der Schriftform zu verzichten, wenn die Formvorschrift für den Vertretenen bloß die Feststellung des Inhalts eines Rechtsgeschäftes, nicht aber die Feststellung der Ernstlichkeit seines rechtsgeschäftlichen Willens und seinen Übereilungsschutz bezweckt (vgl SZ 57/118 ; Stanzl in Klang2 IV/1, 806; Strasser in Rummel2, Rz 5 zu § 1005 ABGB mwN; Rummel aaO, Rz 10 zu § 886 ABGB). Eine Aussage, daß bei zweiseitig verbindlichen Verträgen, die dem Schriftlichkeitsgebot unterliegen, schlechthin von der Unterschrift einer Partei (sei es auch nur ihres Vertreters) abgesehen werden könne, wenn der Schutzzweck des Formgebotes vornehmlich dem anderen Vertragsteil gilt, enthält die genannte Entscheidung nicht; sollte sie herauszulesen sein, wäre ihr nicht zu folgen.

Letztlich wendet die Revisionswerberin noch ein, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn sich der Beklagte trotz Kenntnis des Willens seines Vertragspartners, den er auch durch seine Unterschrift auf dem ausgefüllten Vertragsformular akzeptierte, auf die Ungültigkeit der Befristungsvereinbarung berufe. Ein solches Verhalten verstößt jedoch nicht gegen die guten Sitten, weil das allgemeine Interesse an der Einhaltung des Formzwanges der Vertragstreue vorgeht (Stanzl aaO, 616; SZ 45/35). Ob bei arglistigem Vorgehen (oder auch schuldhafter Irreführung über die Formbedürftigkeit des Vertrages) anders zu entscheiden wäre (vgl Rummel aaO, Rz 17;

Gschnitzer/Faistenberger/Barta ua, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts2, 742 f), kann dahingestellt bleiben, weil der Beklagte keinem derartigen Vorwurf ausgesetzt ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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