OGH 8ObA221/95

OGH8ObA221/9528.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Ingrid Schwarzinger und Hofrat Mag.Kurt Resch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Fritz W*****, vertreten durch Dr.Stefan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö***** R*****, vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.November 1994, GZ 3 Ra 46/94-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.Juni 1994, GZ 42 Cga 46/94z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß in Punkt 1 lit b des Urteilsspruchs nach den Worten "Zuschuß zur Gesamtpension" die Worte "(Differenz zwischen der nach Art III Pensionszuschußregulativ errechneten Gesamtpension und der ASVG-Pension)" eingefügt werden.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

5.706 (einschließlich S 951 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Strittig ist die Auslegung des Art II Z 4 des Pensionszuschußregulativs (PZR) der beklagten Partei, das als Vertragsschablone anzusehen ist, die im vorliegenden Fall unstrittig im Wege der Einzelvereinbarung zum Inhalt des Dienstvertrages des seit mehr als 35 Jahren bei der beklagten Partei beschäftigten Klägers wurde.

In Art II des PZR ist unter der Überschrift "Voraussetzungen für die Anwartschaft auf einen Zuschuß" unter Z 4 festgehalten:

"Hat ein Dienstnehmer mindestens 35 effektive Dienstjahre im Unternehmen verbracht, so hat er - auch wenn zu diesem Zeitpunkt eine Zuerkennung der Alterspension von Seiten der Pensionsversicherungsanstalt noch nicht erfolgt ist - Anspruch auf eine Pension nach dem Pensionszuschußregulativ.

Der Dienstnehmer ist in diesem Fall jedoch verpflichtet, durch freiwillige Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge bei der Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch auf Alterspension zu wahren. Der entsprechende Nachweis für die freiwillige Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge ist halbjährlich dem Unternehmen vorzulegen."

Der Zuschuß besteht nach Art III Z 4 PZR in dem Unterschiedsbetrag zwischen den Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung samt allfälligen Zulagen zuzüglich sämtlicher Bezüge aus bestehenden oder bestandenen Dienstverhältnissen einerseits und der nach Pkt. 1. und 2. ermittelten Gesamtpension andererseits.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß ihm eine Pension nach dem PZR unabhängig von der in Art II Z 4 Abs 2 festgehaltenen Verpflichtung, durch freiwillige Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge bei der Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch auf Alterspension zu wahren und einen entsprechenden Nachweis hierüber zu erbringen, zustehe.

Die beklagte Partei stellte sich auf den Standpunkt, daß die Unterlassung der Weiterversicherung durch den Frühpensionisten den Entfall ihrer Leistungspflicht zur Folge habe, weil es sich bei der Weiterversicherung um eine Anspruchsvoraussetzung handle.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren eingeschränkt statt. Sie stellten fest, daß der in Art II Z 4 PZR festgehaltene Anspruch des Klägers auf eine Pension nach dem Pensionszuschußregulativ nach Verbringung von mindestens 35 effektiven Dienstjahren im Unternehmen, und zwar auch, wenn zu diesem Zeitpunkt eine Zuerkennung der Alterspension von Seiten der Pensionsversicherungsanstalt noch nicht erfolgt sei, unabhängig von der im folgenden Absatz festgehaltenen Verpflichtung, durch freiwillige Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge bei der Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch auf Alterspension zu wahren und den entsprechenden Nachweis über die freiwillige Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge halbjährlich dem Unternehmen vorzulegen,

a) nur insoweit bestehe, als hiedurch eine Erhöhung der Alterspension nach ASVG eintrete;

b) mit der Maßgabe bestehe, daß bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Weiterzahlung und zur Erbringung des Nachweises sich der Zuschuß zur Gesamtpension auf jenen Betrag reduziere, der bei freiwilliger Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge und dadurch erhöhter Alterspension seitens der beklagten Partei zur Auszahlung gelangen müßte.

Das Mehrbegehren, daß der Anspruch nach dem PZR völlig unabhängig von der freiwilligen Weiterversicherung bestehe, wiesen sie unbekämpft ab, sodaß Gegenstand des Revisionsverfahrens nur mehr das aus dem oben wiedergegebenen Spruch ersichtliche Feststellungsbegehren ist.

Rechtliche Beurteilung

1. Es liegen weder die von der beklagten Partei behauptete Nichtigkeit (die allerdings im Revisionsantrag keinen entsprechenden Niederschlag findet) noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor. Das angefochtene Urteil leidet weder am Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO noch an dem des § 405 ZPO, dessen Verletzung im übrigen hilfsweise auch als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht wird (§ 510 Abs 3 ZPO). Im einzelnen ist hiezu zu bemerken:

Der Begründung des Urteils ist mit der notwendigen Deutlichkeit zu entnehmen - und die beklagte Partei gesteht auch zu, daß dies die "sinnvollste Deutung" wäre -, daß mit der in Pkt. 1. b) des Urteilsspruches enthaltenen Formulierung "Zuschuß zur Gesamtpension" der Differenzbetrag zwischen der nach Art III PZR errechneten Gesamtpension und der ASVG-Pension gemeint ist (vgl die diesbezüglich eindeutige Fassung des Art III Z 4 PZR). Das Urteil leidet daher an keinem die Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmangel. Es ist aber dennoch zweckmäßig, den Urteilsspruch selbst zu verdeutlichen, sodaß der berufungsgerichtliche Urteilsspruch diesbezüglich ergänzt wurde.

Die Vorinstanzen haben nicht ein "aliud" zugesprochen (und damit gegen § 405 ZPO verstoßen), sondern ein "minus", in dem sie aussprachen, daß der Anspruch auf Pension nach dem PZR unabhängig von der freiwilligen Weiterversicherung nur unter den in den Punkten a) und b) genannten Einschränkungen besteht. Dem Kläger gebührt demnach im Falle der nichtfreiwilligen Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge nicht mehr der volle, sich aus Art III PZR ergebende Betrag, sondern dieser wird auf jenen Betrag reduziert, der bei freiwilliger Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge und dadurch erhöhter Alterspension seitens der beklagten Partei zur Auszahlung gelangen müßte.

Es fehlt auch nicht das unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemachte rechtliche Interesse iSd § 228 ZPO. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nicht, ob der Kläger im Hinblick auf sein Alter überhaupt noch eine Gesamtpension nach dem PZR in Anspruch nehmen könnte und ob ihm eine solche unabhängig von der freiwilligen ASVG-Weiterversicherung gebührte, sondern ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß ihm bei nichtfreiwilliger Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge ein Zuschuß der beklagten Partei gebührt. An dem Feststellungsinteresse des Klägers hieran kann kein Zweifel bestehen, vertritt doch die beklagte Partei den Standpunkt, daß der Kläger im Falle der Unterlassung der freiwilligen Weiterversicherung den Anspruch auf den Zuschuß, dh die Differenz zwischen der nach Art III PZR errechneten Gesamtpension und der ASVG-Pension, zur Gänze verliert. Der Kläger muß daher zur Vermeidung eines allfälligen Gesamtverlustes seines Zuschusses seitens der beklagten Partei bis zur rechtskräftigen Klärung dieser Frage entweder von der Inanspruchnahme der Frühpension Abstand nehmen oder die Pensionsversicherungsbeiträge "freiwillig" weiterzahlen.

2. Da auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese zu verweisen (§ 48 ASGG).

Zu den bereits bekannten und vom Berufungsgericht zutreffend beurteilten rechtlichen Einwänden der Revisionswerberin ist zusammengefaßt zu bemerken:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner E 9 ObA 136/93, DRdA 1994, 314, aussprach, ist das PZR der beklagten Partei nach den für Verträge geltenden Regeln der §§ 914 f ABGB auszulegen, wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, daß die Betriebsvereinbarung erst durch die stillschweigende Unterwerfung der Streitteile Gegenstand des Einzelarbeitsvertrages des Klägers mit der beklagten Partei wurde. Maßgeblich ist daher nicht das seinerzeitige Regelungsverhalten der Partner der freien Betriebsvereinbarung, sondern das Erklärungsverhalten der beklagten Partei im Rahmen der Anwendung der freien Betriebsvereinbarung aus der Sicht des Klägers als Erklärungsempfänger. Da weder behauptet noch bewiesen wurde, daß für den Kläger aus dem Erklärungsverhalten der beklagten Partei eine vom Inhalt der Urkunde abweichende Erklärungsbedeutung zu erschließen gewesen sei, ist die Absicht der Parteien im Rahmen der rechtlichen Beurteilung allein aus der Urkunde nach dem objektiven Aussagewert des Textes und dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung im Zusammenhalt mit dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln. Der Zweck der strittigen Regelung des Art II Z 4 Abs 2 liegt - wie auch die beklagte Partei stets betont (vgl bereits ON 3 S 5 ff) - darin, daß einerseits dem Dienstnehmer eine möglichst hohe Gesamtpension verschafft und andererseits die Zuschußleistung der beklagten Partei so gering wie möglich gehalten werden sollte, indem im Wege der Verpflichtung des Dienstnehmers zur freiwilligen Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge erreicht werden sollte, daß dieser eine möglichst hohe Sozialversicherungspension erhält, wodurch sich der von der beklagten Partei zu bezahlende Differenzbetrag zur Gesamtpension entsprechend verringert. Unter Bedachtnahme auf diesen Regelungszweck - die Zuschußleistung der beklagten Partei so gering wie möglich zu halten - sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß der nach zumindest 35 effektiven Dienstjahren erworbene Anspruch auf eine Pension nach dem ZPR nicht dadurch zur Gänze wegfällt, daß der Dienstnehmer seiner in Art II Z 4 Abs 2 dieser Bestimmung enthaltenen Verpflichtung zur Weiterversicherung nicht nachkommt, sondern daß sich die Zuschußleistung der beklagten Partei zur Gesamtpension auf jenen Betrag reduziert, der bei pflichtgemäßer Weiterversicherung des Dienstnehmers von ihr zu erbringen gewesen wäre. Es widerspräche redlicher Vertragsauslegung, den Text des PZR in dem Sinne zu interpretieren, daß der Dienstnehmer durch die Verletzung seiner Verhaltenspflicht nach Art II Z 4 Abs 2 (Unterlassung der freiwilligen Weiterversicherung) seinen Anspruch gegenüber der beklagten Partei auf einen Zuschuß zu seiner ASVG-Pension zur Gänze verlieren sollte. Eine Verletzung dieser Verhaltenspflicht rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des oben wiedergegebenen Zweckes der Regelung lediglich eine Reduzierung des Zuschusses auf das Ausmaß, das die beklagte Partei bei Einhaltung der Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers zu erbringen hätte. Jede weitere Einschränkung und erst recht der vollständige Verlust des Anspruches auf die Zuschußpension wäre eine nicht gerechtfertigte "Bestrafung" des Dienstnehmers, die der Verletzung seiner Verhaltenspflicht in keiner Weise adäquat wäre; der Dienstgeber wäre um den ersparten Betrag "bereichert".

Ob für die Dauer der Säumnis des Arbeitnehmers die Gesamtpension, die ihm zwischen seiner Pensionierung bei der beklagten Partei und der Zuerkennung einer ASVG-Alterspension zustünde, entfallen könnte, kann dahingestellt bleiben, weil - wie die beklagte Partei selbst mehrfach betont - der Kläger wegen seines fortgeschrittenen Alters überhaupt nicht mehr in den Genuß einer Gesamtpension kommen kann, da er bereits Anspruch auf eine ASVG-Pension hat.

Die zweifellos gegebenen administrativen Erschwernisse der beklagten Partei (die sie aber nicht näher präzisiert), sind nicht dermaßen gravierend, daß sie die von ihr angestrebte Auslegung der strittigen Bestimmung des PZR rechtfertigen könnten. Mittels der nun allgemein verwendeten Computertechnik ist es der beklagten Partei durchaus zumutbar, die hypothetische ASVG-Pension des Klägers, die er bei freiwilliger Weiterzahlung der Pensionsversicherungsbeiträge erhalten hätte, und die sich daraus ergebende geringere Zuschußleistung ihrerseits zu berechnen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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