Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 9.5.1959 geborene, bei der beklagten Partei krankenversicherte Klägerin hat zwischen 29.7.1993 und 6.5.1994 35 Behandlungseinheiten Psychotherapie bei der Psychotherapeutin Dr. Gabriele F*****in Anspruch genommen. Der von der Beklagten für diese Leistung verrechnete Kostenersatz beträgt laut Bescheid vom 19.7.1994 samt anteiliger Umsatzsteuer S 10.740,--. Bei einer Berechnung nach dem Honorierungssystem für psychotherapeutische Leistungen erbringender Vertragsärzte würde dieser Kostenersatz S 11.343,11 samt anteiliger Umsatzsteuer betragen (Differenz S 603,11).
Der Betrag von S 10.740,-- wurde bereits an die Klägerin überwiesen.
Mit der gegen den genannten Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, die ihr durch Inanspruchnahme von psychotherapeutischer Behandlung entstandenen Kosten zu bezahlen. Die Notwendigkeit psychotherapeutischer Behandlung werde von der Beklagten nicht bestritten. Die Klägerin habe 1993 für eine Einzelsitzung zu 60 Minuten S 600,-- plus MWSt und 1994 S 700,-- bezahlen müssen. Zwischen der Beklagten und der Berufsgruppe der Psychotherapeuten gäbe es keine vertraglichen Regelungen. Solche gäbe es jedoch in den Verträgen zwischen Krankenversicherungsträgern und Ärztekammern für von Ärzten erbrachte Leistungen der Psychotherapie mit höherer Honorierung. Gemäß § 59 B-KUVG hätte Ersatz in der Höhe der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages gebührt, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre. Die Beschränkung des Kostenersatzes auf S 300,-- nach der Krankenordnung sei verfassungsmäßig bedenklich und bedeute eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Psychotherapeuten und Ärzten. Im weiteren brachte die Klägerin präzisierend vor, daß sie einen Kostenersatz von S 11.343,11 anstelle des zuerkannten Betrages von S 10.740,-- geltend mache.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wiederholte ihren im Bescheid eingenommenen Standpunkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da mit der Berufsgruppe der Psychotherapeuten kein Vertrag zustandegekommen sei, habe die Beklagte nach § 60 a B-KUVG die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten. Ein Arzt sei nicht ein einem Psychotherapeuten vergleichbarer Vertragspartner, sondern es bestehe ein qualifizierter Unterschied: der Arzt sei berechtigt, auch alle anderen ärztlichen Leistungen zu erbringen. In der geringfügig unterschiedlichen Honorierung könne eine Verfassungswidrigkeit nicht erblickt werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Gegen die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei Annahme der Unbedenklichkeit der anzuwendenden Normen werde in der Berufung nichts vorgebracht. Im übrigen sehe sich das Berufungsgericht nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof die von der Klägerin angeregte Aufhebung der Z 4 des Anhanges zu Punkt 10 a der Krankenordnung der Beklagten sowie des Satzteiles "für den Bereich einer Berufsgruppe" im ersten Satz des § 60 a B-KUVG zu beantragen. Es sei jedenfalls möglich, daß Ärzte, die gleichzeitig auch eingetragene Psychotherapeuten seien, psychotherapeutische Leistungen erbringen. Daß in diesem Rahmen Gesamtverträge zwischen der Ärztekammer einerseits und dem Krankenversicherungsträger andererseits geschlossen würden, die eine bestimmte Honorierung vorsehen, erscheine jedenfalls unbedenklich. Durch die Änderung der §§ 338 Abs 1 und 339 Abs 2, 3 und 4 ASVG habe die gesetzliche Grundlage für die Aufnahme vertraglicher Beziehungen zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen und den Psychotherapeuten geschaffen werden sollen. In bestehende Verträge hinsichtlich der Beziehungen zu den freiberuflich tätigen Ärzten habe durch die Neuregelung nicht eingegriffen werden sollen. Dem Gedanken, die Gleichstellung der psychotherapeutischen Behandlung iS des § 135 Abs 1 Z 3 ASVG mit ärztlicher Hilfe müsse eine gleiche Honorierung im Rahmen von Gesamtverträgen mit Ärzten und Psychotherapeuten nach sich ziehen, könne nicht gefolgt werden. Ärzte, die zur Erbringung psychotherapeutischer Leistungen berechtigt seien, und die übrigen Psychotherapeuten gehörten nicht zwangsläufig einer Berufsgruppe an, innerhalb derer eine Gleichbehandlung zwingend geboten wäre. § 60 a B-KUVG beeinträchtige auch nicht die Erwerbsausübungsfreiheit der Psychotherapeuten: abgesehen davon, daß auch nicht jeder Arzt Anspruch auf ein Vertragsverhältnis zu einem Sozialversicherungsträger habe, sei nicht zu erkennen, inwieweit für Psychotherapeuten generell eine Einschränkung der Berufsausübung durch eine den Kostenersatz an den Versicherten einschränkende Norm begründet werden könnte. Das Berufungsgericht sprach schließlich aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Honorierung der Psychotherapieleistungen fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie regt an, der Oberste Gerichtshof möge die Aufhebung der Z 4 des Anhanges zu Punkt 10 a der Krankenordnung der Beklagten in der Fassung der amtlichen Verlautbarung 102/1992 vom 15.1.1992, SozSi 1992, 528 ff, sowie die Aufhebung des Satzteiles "für den Bereich einer Berufsgruppe" im ersten Satz des § 60 a B-KUVG durch den Verfassungsgerichtshof beantragen und begehrt im übrigen die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 1 Abs 2 ÄrzteG umfaßt die Ausübung des ärztlichen Berufs jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere auch die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Geistes- und Gemütskrankheiten und die Behandlung solcher Zustände (Z 1 und 3). Die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes ist ausschließlich den praktischen Ärzten und den Fachärzten vorbehalten (§ 2 Abs 1 ÄrzteG). Soweit Psychotherapie auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, ist sie demnach auch von der ärztlichen Berufsberechtigung umfaßt (Mazal, Psychotherapie und Medizin, RdM 1994, 99 [101]).
Durch das PsychotherapieG, BGBl 1990/361 wurde der Gesundheitsberuf des Psychotherapeuten als freier Beruf geschaffen. Nach seinem § 1 Abs 1 ist die Ausübung der Psychotherapie die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundung des Behandelten zu fördern. Zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie ist gemäß § 11 berechtigt, wer die im Gesetz vorgeschriebene Ausbildung absolviert hat.... und in die Psychotherapeutenliste eingetragen worden ist. Gemäß § 24 Abs 2 des Gesetzes ist die Ausübung der Psychotherapie keine nach den Bestimmungen des ÄrzteG ausschließlich Ärzten vorbehaltene Tätigkeit. Diese Bestimmung enthält die notwendige legistische Klarstellung des Verhältnisses zum ÄrzteG (RV 1256 BlgNR 17. GP), weil Psychotherapie nach der Legaldefinition auch Krankenbehandlung sein kann, nunmehr aber nicht mehr allein den Ärzten vorbehalten ist (Kierein/Pritz/Sonneck, PsychologenG-PsychotherapieG 165). Der 4. Senat des Obersten Gerichtshofes hat in seiner Entscheidung vom 31.1.1995, 4 Ob 125/94 (= RdM 1995, 67 mit Anm von Kopecky) ausgeführt, das PsychotherapieG enthalte keine Bestimmung, wonach die Ausübung der Psychotherapie ausschließlich den nach diesem Gesetz zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigten Psychotherapeuten vorbehalten sei. Ärzte, die im Rahmen ihrer Berufsberechtigung Geistes- und Gemütskrankheiten psychotherapeutisch behandeln, würden daher nicht gegen das PsychotherapieG verstoßen; zur Ausübung dieses Zweiges ihrer Berufsberechtigung bedürften sie daher auch nicht der zur Ausübung der Psychotherapie genannten Erfordernisse, insbesondere nicht der Eintragung in die Psychotherapeutenliste. Im besonderen Fall könne daher einem Facharzt für Kinderneuropsychiatrie nicht unter Berufung auf Bestimmungen des PsychotherapieG untersagt werden, selbständige Psychotherapieleistungen anzubieten oder zu erbringen (anderer Auffassung Scholz, psychotherapeutische Leistung durch Ärzte, SozSi 1994, 591).
Eine abschließende Erörterung dieses Problems ist jedoch im vorliegenden Fall entbehrlich. Auszugehen ist davon, daß Verträge zwischen den freiberuflich tätigen Psychotherapeuten und dem beklagten Krankenversicherungsträger nicht bestehen. Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner oder die eigenen Einrichtungen der Versicherungsanstalt zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner aufzuwenden gewesen wäre (§ 59 Abs 1 B-KUVG). Stehen andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung, so hat die Beklagte in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten. Die Beklagte hat dabei das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit festzusetzen (§ 60 a B-KUVG). Im Rahmen der Krankenbehandlung ist der ärztlichen Hilfe gleichgestellt eine psychotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß § 11 des PsychotherapieG zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie berechtigt sind, wenn nachweislich vor oder nach der ersten, jedenfalls vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung innerhalb desselben Abrechnungszeitraumes eine ärztliche Untersuchung stattgefunden hat (§ 63 Abs 1 Z 3 B-KUVG). Hinsichtlich der Höhe des Kostenzuschusses hat der Gesetzgeber damit keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses satzungsmäßig festzulegen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte auch unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit den Kostenzuschuß für die Behandlung durch einen nichtärztlichen Psychotherapeuten ab 1.1.1992 mit S 300,-- für eine Einzelsitzung zu 60 Minuten festgelegt (Anhang zu Pkt 10 a der Krankenordnung). Der angefochtene Bescheid entspricht der geltenden Rechtslage.
Die ausführlichen Darlegungen in der Revision sind nicht geeignet, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Zuschußregelung oder die Verfassungsmäßigkeit des § 60 a B-KUVG zu erwecken. Ob die mit den Trägern der sozialen Krankenversicherung abgeschlossenen Gesamtverträge mit Ärzten in bezug auf die Vereinbarung selbständiger Psychotherapieleistungen durch Ärzte nichtig seien, ist im vorliegenden Fall nicht zu prüfen, weil diese Verträge hier nicht anzuwenden sind. Eine unzulässige Diskriminierung von selbständigen Psychotherapeuten gegenüber Ärzten, die nicht Psychotherapeuten sind, kann sich im vorliegenden Fall aus der unterschiedlichen Honorierung schon deshalb nicht ergeben, weil diese Unterschiede (wie der vorliegende Fall zeigt) minimal sind: bei einer Berechnung nach dem Honorierungssystem für psychotherapeutische Leistungen erbringende Vertragsärzte würde der Kostenersatz für 35 Behandlungseinheiten nur um S 603,11, also für eine Behandlungseinheit nur um rund S 17,-- höher sein als die im Bescheid festgesetzte Ersatzleistung. Wenngleich sozialversicherungsrechtlich die Leistung der selbständigen Psychotherapeuten der ärztlichen Hilfe gleichgestellt werden sollte, ist eine geringfügig unterschiedliche Honorierung schon deshalb nicht gleichheitswidrig, weil die gesetzliche Gleichstellung des § 63 Abs 1 B-KUVG voraussetzt, daß nachweislich vor oder nach der ersten, jedenfalls vor der zweiten psychotherapeutischen Behandlung eine ärztliche Untersuchung iS des § 1 Abs 2 Z 1 ÄrzteG stattgefunden hat. Allein aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich, daß Psychotherapeuten im Verhältnis zu Ärzten, die nach ärztlichem Berufsrecht die Psychotherapie ausüben dürfen, keine entsprechenden Vertragspartner iS des § 59 Abs 1 B-KUVG sind. Der Senat sieht sich daher nicht veranlaßt, die von der Klägerin gewünschten Verordnungs- und Gesetzesprüfungsanträge an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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