OGH 1Ob1/96

OGH1Ob1/9627.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Astrid B*****, vertreten durch Dr.Philipp E. Lettowsky, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Gerhard S*****, vertreten durch Dr.Andreas Schöppl, Rechtsanwalt in Salzburg, sowie die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 300.000 S sA und Feststellung (Streitwert 100.000 S), aus Anlaß der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 8.November 1995, GZ 1 R 156, 158/95-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25.Mai 1995, GZ 6 Cg 87/94-28, in der Hauptsache bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß der Revision der klagenden Partei werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen.

Die Kosten aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Entlang der Waffenstillstandszone (Grenzlinie) zwischen Syrien und Israel erstreckt sich von Norden nach Süden die nur wenige Kilometer breite AOS-Zone (Area of Separation), in der Truppen der Vereinten Nationen (UN) stationiert sind, sowie daran westlich und östlich anschließend die AOL-Zone (Area of Limitation), in der ein internationales Beobachtungsteam eingesetzt ist. Zur Friedenssicherung besteht in der AOS-Zone ein den Vereinten Nationen unterstelltes „Force-Kommando“ (UNDOF), dem das österr. Bataillon (AUSBATT) mit vier Kompanien im nördlichen Abschnitt („Golan-Höhen“) und das finnische Bataillon (FINBATT) im südlichen Abschnitt unterstellt sind. Jedes Bataillon bzw jede unterstellte Kompanie verfügt über eine „Eingreiftruppe“ für Hilfeleistungen in Notfällen.

Am 7.Juni 1991 unternahm der beklagte Offizier - als zur Hilfeleistung für die Vereinten Nationen ins Ausland entsandter Angehöriger des österreichischen Bundesheeres, stellvertretender Kompaniekommandant der (dem FINBATT benachbarten) 2.Kompanie/AUSBATT und Kommandant einer solchen „Eingreiftruppe“ - eine Patrouillenfahrt mit einem im Eigentum der Vereinten Nationen stehenden und als solchem gekennzeichneten, geländegängigen „Pinzgauer“-Lkw. Zweck derartiger Patrouillenfahrten ist es, das Einsatzgebiet der österreichischen und finnischen Kompanien kennenzulernen, um die notwendige Geländekenntnis für den Ernstfall zu gewährleisten, Präsenz zu zeigen und mit der Bevölkerung Kontakt zu halten, um umfassende Informationen zu gewinnen. Der Beklagte hatte bereits zweimal in der „finnischen Zone“ eine Patrouillenfahrt durchgeführt. Vor jeder Patrouillenfahrt ist die Genehmigung des zuständigen Bataillonskommandanten einzuholen und vom Lenker ein sogenanntes „Daily Trip Ticket“ mit der gewählten Route auszufüllen. Da jeder Stützpunkt beim Passieren eines UN-Einsatzfahrzeugs darüber Aufzeichnungen führt, ist gewährleistet, daß jede Fahrt nachvollzogen werden kann. Eine Patrouillenfahrt dauert etwa von 09.00-17.00 Uhr; besichtigt werden dabei der Grenzverlauf, die sogenannten syrischen „Polizeistellungen“, israelische Kasernen, Minenfelder sowie die in der österr. Zone liegende, nicht mehr bewohnte Stadt Quneitra (Kuneitra), wo sich vorwiegend syrische Polizeistellungen befinden. Entlang der Route befinden sich auch Stätten von kulturellem Interesse wie die Römerbrücke oder der Grenzfluß im Dreiländereck Syrien-Israel-Libanon.

Teilnehmer der von Norden nach Süden, teilweise durch die AOL-Zone führenden Patrouillenfahrt am 7.Juni 1991 waren außer dem Beklagten als Fahrzeuglenker fünf Soldaten, darunter über sein Ersuchen der damals Dienst habende Kraftfahrzeugunteroffizier des AUSBATT und die Klägerin als seine damalige Lebensgefährtin. Es ist kein Einzelfall, daß an solchen Fahrten Privatpersonen teilnehmen. Angehörige von UN-Soldaten haben die Möglichkeit, bei solchen Patrouillenfahrten mitzufahren, jedoch müssen derartige Besuche bei den UN-Einsatztruppen sowohl von den Vereinten Nationen als auch von der syrischen Regierung genehmigt werden; jeder Besucher erhält eine Besucheridentitätskarte. Der zuständige Kommandant genehmigte die Teilnahme der Klägerin als Privatperson an dieser Fahrt. Voraussetzung dafür war ihr Verzicht auf die Haftbarmachung der Vereinten Nationen im Fall eines Unfalls. Der Beklagte hatte die Genehmigung des Bataillonskommandanten eingeholt und ein „Daily Trip Ticket“ ausgefüllt.

Bei der Fahrt wurde die vom Beklagten vor Fahrtantritt gewählte Route eingehalten, das Gebiet besichtigt und die mitfahrenden Kommandanten eingewiesen. An der Römerbrücke wurde angehalten, um Gelegenheit zum Fotografieren zu geben. In Quneitra wurden die einzelnen syrischen „Polizeistellungen“ kontrolliert, worüber ein wöchentlicher Rapport zu schreiben war, und ebenso zwei Minenfelder. Nach einem Imbiß in einem Lokal in Quneitra kam der Beklagte auf der Heimfahrt auf der Straße Damaskus-Quneitra von der Straße ab; der Lkw überschlug sich der Länge nach. Dabei wurde ein Soldat getötet, die übrigen Insassen einschließlich der Klägerin wurden schwer verletzt. Das gegen den Beklagten eingeleitete Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt.

Die Klägerin begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes 300.000 S sA als Schmerzengeld und Verdienstentgang sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle wie immer gearteten zukünftigen Ansprüche aus dem Unfall mit der Begründung, daß den Beklagten aus im einzelnen genannten Gründen das Alleinverschulden am Verkehrsunfall anläßlich der Ausflugsfahrt, die keine Dienstfahrt gewesen sei, treffe.

Der Beklagte wendete unter anderem mangelnde Passivlegitimation ein, weil er als Organ des Rechtsträgers gehandelt habe. Der als Nebenintervenient auf Seiten des Beklagten zugelassene Bund beantragte, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen, in eventu sie als unbegründet abzuweisen. Falls sich eine Haftung ergäbe, würde diese in den Hoheitsbereich der Vereinten Nationen fallen.

Die Erstrichterin wies das Klagebegehren ab, weil die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben im In- und Ausland, wie das Lenken von Heereskraftfahrzeugen, eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze darstelle, wenn die Fahrt aufgrund eines Dienstbefehls erfolge und zumindest die unmittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt vorbereite oder sonst im Dienste der Erreichung der eigentlichen hoheitlichen Zielsetzung stehe und einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweise. Da der Beklagte nachgewiesen habe, daß der Unfall bei einer Dienstfahrt geschehen sei, stelle sich das Handeln des Beklagten (Lenken eines Lkws) zum Zweck der Erkundigungen als hoheitliches Handeln eines österreichischen Bundesheerangehörigen im Auslandeinsatz auf Ersuchen einer internationaler Organisation dar. Das Organ selbst hafte dabei nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Es erwog im wesentlichen, daß der Beklagte als Fahrzeuglenker hoheitlich gehandelt habe. Grundsätzlich sei der ordentliche Rechtsweg für eine Klage gegen das Organ unzulässig und eine solche Klage daher an sich mit Beschluß zurückzuweisen (§ 9 Abs 5 AHG). Die Bestimmung komme aber nicht zur Anwendung, wenn sich - wie hier - im Verfahren über einen nicht auf das AHG gestützten Schadenersatzanspruch herausstelle, daß der Beklagte als Organ in Vollziehung der Gesetze gehandelt habe; das Begehren sei dann als sachlich nicht berechtigt abzuweisen. Da die Klägerin ihren Anspruch auf einen bestimmten Klagegrund (§ 1295 ABGB) gestützt und klargestellt habe, keine Amtshaftung in Anspruch zu nehmen (AS 113), habe das Erstgericht das zu Unrecht gegen das nichthaftungspflichtige Organ erhobene Klagebegehren richtigerweise abgewiesen.

Aus Anlaß der Revision der klagenden Partei muß das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für einen Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Der örtliche Geltungsbereich des AHG ist dabei nicht auf das Gebiet der Republik Österreich beschränkt; der Rechtsträger haftet auch für hoheitliches Organhandeln im Ausland (SZ 55/17 mwN).

Erforderlich für die Anwendung des Amtshaftungsgesetzes im Bereich des Bundesheers ist eine Tätigkeit in Vollziehung der Gesetze (JBl 1973, 155 = ZVR 1973/180; 2 Ob 199/75; zuletzt 1 Ob 35/95). Die Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben geschieht jedoch schon grundsätzlich in Vollziehung der Gesetze (VfSlg 10.409/1985 ua; 1 Ob 35/95; JBl 1992, 532 = ÖBl 1993, 139 = MuR 1992, 156 mit Anm von Walter = GRURInt 1992, 930; SZ 60/264, SZ 59/112 = JBl 1986, 730 ua; Schragel AHG2 Rz 84, 302). Abgesehen von den schon in Art 79 Abs 1 und 2 B-VG aufgezählten Kompetenzen können dem Bundesheer nach Art 79 Abs 3 B-VG weitere Aufgaben nur durch Bundesverfassungsgesetz übertragen werden. Eine solche Anordnung trifft das Bundesverfassungsgesetz vom 30.Juni 1965 BGBl 173 über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen (im folgenden BVG BGBl 1965/173), das folgende hier relevante Bestimmungen enthält:

„§ 1. Die Bundesregierung ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrats und unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität Österreichs (BVG BGBl 1955/211) dem Ersuchen einer Internationalen Organisation um Hilfeleistung durch Entsendung einer Einheit in das Ausland zu entsprechen, die aus Angehörigen des Bundesheeres, Angehörigen der Wachkörper des Bundes und Personen ... auf Grund freiwilliger Meldungen gebildet werden kann.

§ 2. (1) Für jede gemäß § 1 ins Ausland entsendete Einheit ist ein Vorgesetzter zu bestellen; ...

(2) Der Vorgesetzte ist berechtigt, den Mitgliedern der Einheit im Ausland Weisungen (Artikel 20 Abs. 1 B-VG) zu erteilen und die ihm zustehende Weisungsbefugnis anderen Mitgliedern der Einheit zu übertragen. Inwieweit der Vorgesetzte bei der Verwendung der Einheit selbst an die Weisungen (...) der Organe der internationalen Organisation gebunden ist und inwieweit Organe einer solchen Organisation den Mitgliedern der Einheit (§ 1) unmittelbar Weisungen für ihre Verwendung erteilen dürfen, bestimmt sich nach dem zwischen der Republik Österreich und der internationalen Organisation über die Hilfeleistung abgeschlossenen Staatsvertrag. Liegt kein solcher Staatsvertrag vor oder enthält der Staatsvertrag keine oder keine ausreichenden Bestimmungen über die Verwendung der Einheit, so hat die Bundesregierung dem Vorgesetzten Weisungen für die Verwendung der Einheit zu erteilen. ...

§ 3. Die Mitglieder der Einheit sind verpflichtet, den Weisungen des Vorgesetzten und hinsichtlich der Verwendung nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 auch den Weisungen der internationalen Organisation im Ausland Folge zu leisten. Widersprechen einander Weisungen des Vorgesetzten und unmittelbar erteilte Weisungen der internationalen Organisation, so haben die betroffenen Mitglieder der Einheit die Weisungen des Vorgesetzten zu befolgen.........

§ 5. Welche österreichischen Rechtsvorschriften die Mitglieder der Einheit im Ausland anzuwenden haben, hat die Bundesregierung in jedem Einsatzfall durch Verordnung zu bestimmen. Dies gilt nicht für Rechtsvorschriften, die schon nach der bestehenden Rechtslage auch im Ausland oder auf im Ausland gesetzte Tatbestände anzuwenden sind. ...“

Mit dem Bundesgesetz vom 14.Juli 1965 BGBl 233 (idgF) über die Entsendung von Angehörigen des Bundesheeres zur Hilfeleistung in das Ausland (AuslandseinsatzG - AuslEG) wurde für solche Auslandseinsätze eine neue Art des außerordentlichen Präsenzdienstes auf freiwilliger Basis geschaffen und wurden die den besonderen Umständen der Organisationsform und des Einsatzes im Ausland entsprechenden Abweichungen von den im Inland geltenden Regelungen des Heeresgebührengesetzes und des Heeresdisziplinargesetzes normiert. Der erste Einsatz einer derartigen Einheit - der Begriff des BVG BGBl 1965/173 deckt sich nicht mit dem in den militärischen Dienstvorschriften gebrauchten gleichlautenden Ausdruck (Ermacora/Kopf/Neisser, Wehrrecht2 I, 96) - in Zypern beruht auf dem Notenwechsel über den Abschluß eines Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Dienst österreichischer Kontingente im Rahmen der Streitkräfte der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens in Cypern, BGBl 1966/60. Über die Entsendung einer österreichischen Einheit auf die „Golan-Höhen“ besteht dagegen ein solcher im Bundesgesetzblatt veröffentlichter Notenwechsel zwar nicht, Grundlage des seither wiederholt verlängerten Einsatzes auf den „Golan-Höhen“ ist jedoch jeweils ein Notenwechsel zwischen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Außenminister sowie ein entsprechender Ministerratsbeschluß. Dabei werden die im Notenwechsel BGBl 1966/60 festgelegten Grundsätze über Status (Anhang I) und Dienstvorschriften für die Streitkräfte der Vereinten Nationen (Anhang II), das heißt für den Dienst der den Vereinten Nationen zur Verfügung gestellten nationalen Kontingente (Einheiten), weiter angewendet.

Walter/Mayer (Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Rz 755) vertreten dazu die Auffassung, bei den auf Ersuchen einer internationalen Organisation ins Ausland entsendeten Einheiten handle es sich zwar nicht um Einheiten des österreichischen Bundesheeres; sie seien indes österreichische Staatsorgane, die zur Setzung von Staatsakten außerhalb des Staatsgebiets ermächtigt seien, weshalb ihre verfassungsrechtliche Verankerung im Sinne des Art 3 B-VG notwendig gewesen sei. Auch nach Ermacora/Kopf/Neisser (aaO 94) und Rauter (Die österreichische Wehrgesetzgebung, 109) treten Angehörige des Bundesheeres, erfüllen sie im Ausland Aufgaben, dort als Träger österreichischer Hoheitsgewalt auf. Die Klägerin will dementgegen aus dem Gedanken des „funktionellen“ Organbegriffs - nach dem bei funktionellem Handeln eines organisatorisch einem bestimmten Rechtsträger zugeordneten Organs für einen anderen Rechtsträger letzterer haftbar sei - ableiten, die Tätigkeit des Beklagten sei ausschließlich den Vereinten Nationen und nicht auch der Nebenintervenientin zuzurechnen. Nun unterstand zwar das AUSBATT, dem der Beklagte als stellvertretender Kompaniekommandant der 2.Kompanie/AUSBATT angehörte, im Unfallszeitpunkt in der Tat dem „Force Kommando“ UNDOF, die Frage, ob auch dann Amtshaftung (der Nebenintervenientin) eintreten könnte, wenn das Organ zwar funktionell nur für eine internationale Organisation tätig, organisatorisch jedoch - weil von der Republik Österreich entsandt und wohl auch abberufbar - diesem Rechtsträger zurechenbar ist, muß indes im vorliegenden Fall nicht geprüft werden: Zutreffend erkannte nämlich schon die zweite Instanz, aus der Weisungsbefugnis von Vorgesetzten der Vereinten Nationen (gemeint nach Punkt 11., 12. u.a. des Anhangs II des Notenwechsels BGBl 1966/60) könne noch nicht darauf geschlossen werden, daß der Beklagte als Angehöriger des österreichischen Bundesheers ins Ausland aus dem Vollzugsbereich der Nebenintervenientin entlassen worden sei. Bleiben solche Organe österreichische Staatsorgane, die zur Setzung von Staatsakten außerhalb des Staatsgebiets ermächtigt sind, treten sie also weiterhin als Träger österreichischer Hoheitsgewalt auf, so bleibt die Nebenintervenientin auch während deren Auslandeinsatzes weiterhin deren Rechtsträger, und zwar nicht bloß in organisatorischer Hinsicht, sondern die Organe werden auch funktionell für sie tätig: So ist für die ins Ausland entsandte Einheit von der Bundesregierung bzw. dem zuständigen Bundesminister ein Vorgesetzter zu bestellen (§ 2 BVG BGBl 1965/173), der den Angehörigen dieser Einheit auch Weisungen (Befehle) erteilen kann. Widersprechen Weisungen dieses Vorgesetzten solchen von Organen der internationalen Organisation, so gehen die Weisungen des nationalen Vorgesetzten vor, der der Bundesregierung nach Beendigung des Einsatzes auch Bericht zu erstatten hat (vgl §§ 3 und 5 dieses Bundesverfassungsgesetzes). Daraus folgt: Fügt ein Angehöriger des österreichischen Bundesheeres als Mitglied einer auf Ersuchen einer internationalen Organisation ins Ausland entsandten Einheit jemand einen Schaden zu, so ist jedenfalls dann österreichisches Amtshaftungsrecht anzuwenden (vgl dazu auch Schragel aaO Rz 235), wenn der Schaden bei der Verrichtung eines solchen Organs eintrat, die in einem hinreichend engen Zusammenhang mit den Aufgaben, mit welchen die Einheit betraut ist, steht.

Nach ständiger Rechtsprechung gehört das Lenken eines Heereskraftfahrzeugs zur Erfüllung der dem Bundesheer übertragenen gesetzlichen Aufgaben, sofern die Fahrt die unmittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt zumindest vorbereitet oder sonst im Dienst der Erreichung der eigentlichen hoheitlichen Zielsetzung steht und einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit den hoheitlichen Aufgaben aufweist (SZ 48/17). Die Mitnahme von Privatpersonen schadet der Qualifikation als Dienstfahrt nicht (ZVR 1973/180 mwN). Diese Grundsätze sind auch hier anwendbar, war doch die Fahrt, bei der sich der Verkehrsunfall ereignete, entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine Privatfahrt: Jedenfalls nach den den Obersten Gerichtshof bindenden vorinstanzlichen Feststellungen ist von einer Patrouillen- und damit einer Dienstfahrt auszugehen. Ob auch eine „recreation tour“, für deren Vorliegen manches sprechen mag, eine Dienstfahrt gewesen wäre, kann damit hier ungeprüft bleiben. Der Beklagte lenkte somit den Lkw der Vereinten Nationen angesichts des festgestellten Zwecks der Fahrt in Vollziehung der Gesetze, ist doch selbst rein faktisches Verhalten bei Vorliegen eines hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhangs mit der hoheitlich zu vollziehenden Aufgabe nach ständiger Rechtsprechung als hoheitlich anzusehen (zuletzt 1 Ob 35/95, 1 Ob 49, 54/95) und der Tätigkeitsbereich, der die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zum Gegenstand hat, einheitlich als hoheitlich anzusehen, auch wenn einzelne Teile dieser Aufgaben so erfüllt werden, wie sie für sich genommen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von jedermann wahrgenommen werden könnten (1 Ob 2/94 = JBl 1994, 556). In wessen Eigentum der vom Beklagten gelenkte Lkw stand, ist unerheblich.

Erfolgte aber die Unfallfahrt, einerlei ob dem Beklagte dazu ein Einzelbefehl oder ein durch den Dienstplan ausgesprochener Befehl seines Vorgesetzten erteilt worden war, in Vollziehung der Gesetze und handelte der Beklagte demnach als Organ hoheitlich, ist nicht nur dessen Schadenersatzhaftung gemäß § 1 Abs 1 AHG zu verneinen, sondern es ist zufolge § 9 Abs 5 AHG gegen ihn als Organ auch die Beschreitung des Rechtswegs unzulässig (1 Ob 50/95, 1 Ob 49, 54/95 mwN). Der schuldige Lenker kann in einem solchen Fall vom Geschädigten nicht direkt belangt werden, weil das vom Gesetz dem Träger der Amtsstellung bei hoheitlichem Handeln eingeräumte Privileg des § 9 Abs 5 AHG als eine Art von „Immunität“ gegen eine direkte klageweise Inanspruchnahme durch einen Geschädigten durchbrochen wäre. Gerade das soll aber verhindert werden. Dem entspricht auch die Rechtsprechung, daß ungeachtet der vom Organ dem Geschädigten gegenüber abgegebenen Erklärung, sich zum Ersatz des Schadens zu verpflichten, dem Geschädigten der Rechtsweg gegen das Organ verschlossen bleibt (zuletzt 1 Ob 50/95 mwN; Vrba/Zechner, Kommentar zum Amtshaftungsrecht 234).

In der Entscheidung 1 Ob 49, 54/95 hat der erkennende Senat mit eingehender Begründung dargelegt, daß der Streitgegenstand auch für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 9 Abs 5 AHG maßgebend sei. Die Konsequenz dieser Rechtswegunzulässigkeit läßt sich nicht dadurch vermeiden, daß der Kläger einen auf dem allgemeinen bürgerlichen Recht beruhenden Anspruchsgrund vorzuschieben versucht (JBl 1994, 556; 1 Ob 49, 54/95). Die rechtliche Beurteilung des Streitgegenstands obliegt nämlich allein dem Gericht. Dieser Auffassung hat der Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 50/95 ausdrücklich aufrecht erhalten. Daraus folgt, daß der Rechtsweg nur dann zulässig ist, wenn ein Rechtsgrund durch entsprechende Tatsachen vorgetragen wird, der eine Inanspruchnahme des Beklagten ungeachtet der Bestimmungen der § 1 Abs 1 iVm § 9 Abs 5 AHG zuläßt. Maßgebend ist insoweit nicht eine entsprechende Rechtsbehauptung der klagenden Partei, sondern der geltend gemachte und allein durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand. Es ist somit bei der gemäß § 9 Abs 5 AHG erforderlichen Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs gegen ein Organ jeweils zu untersuchen, ob die klagende Partei die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt, wobei es für die prozessualen Konsequenzen der Bejahung eines solchen absoluten Prozeßhindernisses ebensowenig darauf ankommt, ob sich dieses bereits aus der Klageerzählung ergibt oder erst im Lauf des Verfahrens offenkundig wird, ob - entgegen früherer Rechtsprechung und entgegen Schragel (AHG2 Rz 262 mwN) - das Klagebegehren ausdrücklich auf Amtshaftung gestützt oder wie hier gerade nicht gestützt wird und ob der Anspruch in merito zu Recht besteht.

Die Unzulässigkeit des Rechtswegs ist als Mangel einer absoluten Prozeßvoraussetzung gemäß § 240 Abs 3 ZPO in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft einer Sachentscheidung wahrzunehmen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 101, 731 ff) und als Nichtigkeitsgrund von den Rechtsmittelinstanzen aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels aufzugreifen (Kodek in Rechberger, § 477 ABGB Rz 1 f mwN zur Rechtsprechung; Fasching aaO Rz 733).

Die Kostenentscheidung fußt auf § 51 Abs 2 ZPO. Im vorliegenden Fall kann es der Klägerin nicht als Verschulden angelastet, daß sie das Verfahren trotz eines bestehenden absoluten Prozeßhindernisses einleitete und fortsetzte, weil der erkennenden Senat erst jüngst von einer Rechtsprechung abging.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte