OGH 9ObA2014/96h

OGH9ObA2014/96h14.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Manhard (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Erwin Niemitz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert P*****, Angestellter, ***** vertreten durch DDr.Elisabeth Steiner ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Ferdinand Bruckner, Rechtsanwalt in Korneuburg, als Masseverwalter im Konkurs der Firma Erwin L*****, wegen S 106.615,38 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.August 1995, GZ 8 Ra 92/95-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13.März 1995, GZ 17 Cga 106/94h-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war beim Gemeinschuldner vom 17.10.1993 bis 7.5.1994 im Bereich Einkauf und Lagerverwaltung beschäftigt. Über dessen Vermögen wurde zu 6 Sa 2/94 des Landesgerichtes Korneuburg am 10.2.1994 das Ausgleichsverfahren, mit Beschluß vom 17.3.1994 zu 6 S 12/94 des Landesgerichtes Korneuburg der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. In der Tagsatzung vom 25.3.1994 erklärte der Masseverwalter den Fortbetrieb des Unternehmens nur bis 6.5.1994 bei Vorlage einer Kaution von S 800.000 bis 5.4.1994 zu bewilligen. Die Kaution wurde vom Gemeinschuldner nicht erlegt. In der Folge wurde der Betrieb nur insofern aufrecht erhalten, als auslaufende Baustellen zu Ende geführt und keine neuen Aufträge angenommen wurden. Mit Schreiben vom 25.3.1994 kündigte der Masseverwalter unter Hinweis auf die Konkurseröffnung das Dienstverhältnis des Klägers unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist per 7.5.1994 gemäß § 25 KO auf. Mit Schreiben des Klägers vom 3.5.1994 erklärte er sich arbeitsbereit, jedoch werde er unter Wahrung seiner Rechte mit 18.5.1994 gemäß § 25 KO aus dem Unternehmen austreten. Lohnbefriedigung erfolgte bis Ende April 1994. Offen sind noch Gehalt vom 1.6. bis 30.6.1994, Urlaubsentschädigung, Spesenersatz und Sonderzahlungen.

Der Kläger begehrt S 106.615,38 netto als Masseforderung. Der Masseverwalter hätte lediglich per 30.6.1994 kündigen können. Die Kündigung zum 7.5.1994 sei fristwidrig.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Kündigung durch den Masseverwalter in § 25 KO begründet sei und eine Bindung an Kündigungstermine nicht bestehe.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß die Klageforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es vertrat die Rechtsansicht, daß § 25 KO in der Fassung des IRÄG 1994 zur Anwendung komme, zum Zeitpunkt der Kündigung weder eine Anordnung noch eine Bewilligung der Schließung des Unternehmens im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 leg cit vorlag, so daß die Kündigung fristwidrig erfolgte. Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei daher der innerhalb des dritten Monates nach Konkurseröffnung erklärte Austritt des Klägers maßgeblich. Im Falle des vorliegenden Anschlußkonkurses sei Art VIII IRÄG analog anzuwenden, wonach im vorliegenden Fall § 25 KO in der Fassung des IRÄG 1994 auf das nach dem 28.2.1994 eingeleitete Verfahren anzuwenden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und führte rechtlich aus, daß es im Sinne der Übergangsbestimmung des Art VIII Abs 3 IRÄG 1994 auf den Einleitungsbeschluß ankomme und daß das in dieser Gesetzesbestimmung genannte Verfahren das Konkursverfahren sei. Die Übergangsbestimmungen regeln das Inkrafttreten der Novellen sowohl der Konkursordnung als auch der Ausgleichsordnung. Soweit sie § 25 KO betreffen, seien sie dahin zu verstehen, daß diese Bestimmung in der novellierten Fassung auf alle Konkursverfahren Anwendung zu finden hat, die nach dem 28.2.1994 eingeleitet wurden. Es käme nicht darauf an, ob dem Konkursverfahren ein Ausgleichsverfahren vorangegangen sei. Die Gehaltsforderungen des Klägers seien nach Konkurseröffnung entstanden. Sie seien Masseforderungen.

Gegen dieses Urteil richtet sich das als außerordentliche Revision bezeichnete Rechtsmittel der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und dem Antrag, in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist schon deshalb im Sinne des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig, weil es sich um eine Streitigkeit handelt, bei dem der Streitgegenstand nicht nur 50.000 S übersteigt, sondern bei der auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses deshalb strittig ist, weil widerstreitende Behauptungen über die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtswirkungen der Konkurseröffnung treten mit dem Beginn des Tages ein, an dem das Konkursedikt an der Gerichtstafel angeschlagen wird (§ 2 Abs 1 KO). Nach § 2 Abs 2 KO sind nur die nach der Konkursordnung vom Tag der Konkurseröffnung zu berechnenden Fristen vom Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu berechnen. Die sonstigen Rechtswirkungen des Konkurses sind nicht auf den Zeitpunkt der Ausgleichseröffnung zurückzubeziehen (EvBl 1977/30, JBl 1984, 495). Daß ein Konkurs auch als Anschlußkonkurs eröffnet werden kann, ändert nichts an seiner Eigenschaft als Konkurs. Die Übergangsbestimmung des Art VIII Abs 3 IRÄG 1994, wonach die am 1.3.1994 in Kraft getretene Bestimmung des § 25 KO in der Fassung des IRÄG 1994 (BGBl 1994/153) auf Verfahren anzuwenden ist, die nach dem 28.2.1994 eingeleitet wurden, ist nach dem klaren Aussagegehalt der Übergangsbestimmung nur auf Konkursverfahren zu beziehen (weil § 25 KO eine konkursrechtliche Regelung ist), die nach dem 28.2.1994 eingeleitet wurden, ohne daß es darauf ankommt, ob der Konkurs als Anschlußkonkurs eröffnet wird.

Einer Ausnahme von der generellen Regelung der Art VIII Abs 3 IRÄG 1994, erster Satz, daß auf den Zeitpunkt des Einleitungsbeschlusses abzustellen ist, wie im Falle der Wiederaufnahme des Konkurses (§ 158 Abs 2 KO), bei dem der Tag des Wiederaufnahmsbeschlusses maßgeblich ist, bedurfte es deshalb, weil bereits ein Konkursverfahren einer Wiederaufnahme des Konkurses vorausgegangen ist. Ohne diese Ausnahmebestimmung könnte § 25 KO in der Fassung des IRÄG 1994 nicht angewendet werden, wenn der Einleitungsbeschluß vor dem 1.3.1994 erlassen wurde. Daraus läßt sich für den Anschlußkonkurs, dem kein Konkursverfahren vorausging, nichts gewinnen, weil hier nur der Einleitungsbeschluß maßgeblich ist. § 25 KO idF IRÄG 1994 kommt sohin zur Anwendung.

Im vorliegenden Fall ist die Kündigung durch den Masseverwalter nicht in § 25 Abs 1 KO in der Fassung IRÄG 1994 begründet, weil sie nicht innerhalb des in § 25 Abs 1 Z 2 leg cit angeführten dritten Monats nach Konkurseröffnung vorgenommen wurde. Sie löste aber dennoch das Arbeitsverhältnis des Klägers mit 7.5.1994, so daß ein allfälliger Austritt des Klägers mit 18.5.1994 nicht mehr von Bedeutung ist.

Während § 46 Abs 1 Z 3 KO idF IRÄG 1994 Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung als Masseforderungen ansieht, sind Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit § 25 Abs 1 KO Konkursforderungen. Letztere im Zusammenhang und im Rahmen der Regelung des § 25 Abs 1 KO enthaltene Bestimmung gilt nur für Ansprüche aus einer Beendigung nach § 25 Abs 1 KO (Holzer/Reissner - Neuerungen im Insolvenzrecht, DRdA 1994, 461 [472], Holzapfel in Feldbauer-Durstmüller/Stiegler, Krisenmanagement Früherkennung - Sanierung - Insolvenzrecht 229; Bauer, Arbeitnehmeransprüche:

Konkurs- oder Masseforderungen, ZIK 1995, 42 [43]; DRdA 1995/13 [Reissner]; 9 ObA 134/95). Forderungen des Arbeitnehmers, soweit sie nicht laufendes Entgelt für die Zeit nach Konkurseröffnung oder Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen betreffen, in die der Masseverwalter eingetreten ist (§ 46 Abs 1 Z 4 KO), können nach der in § 46 KO enthaltenen taxativen Aufzählung der Masseforderungen (Holzer/Reissner, aaO 472; Bauer aaO 45; SZ 50/82, SZ 54/100) auch solche sein, die aus Rechtshandlungen des Masseverwalters resultieren (§ 46 Abs 1 Z 5 KO). Rechtshandlungen des Masseverwalters können neben Rechtsgeschäften jeder Art und einem rechtlich relevanten Verhalten des Masseverwalters auch Unterlassungen sein, soweit sie Verbindlichkeiten hervorbringen (Bartsch/Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 254; Bartsch/Pollak I 3, 280 Holzapfel aaO 229, Bauer aaO 46, 9 ObA 134/95).

Der Oberste Gerichtshof hat zu 9 ObA 134/95 (WBl 1996, 75 [Liebeg]) es dahingestellt gelassen, ob bei Beendigungsansprüchen, die nicht aus einer Beendigung nach § 25 Abs 1 KO resultieren, eine analoge Anwendung des § 25 Abs 1 letzter Satz KO dahin geboten wäre, daß diese Ansprüche auch als Konkursforderungen anzusehen sind.

In 9 ObA 157/95 und 9 ObA 200/95 hat der Oberste Gerichtshof die analoge Anwendung des § 25 Abs 1 letzter Satz KO auf Ansprüche, die auf einen Austritt des Arbeitnehmers aus anderen Gründen als des § 25 Abs 1 KO beruhen, bejaht. Damit folgte der Oberste Gerichtshof Bauer, Arbeitnehmeransprüche: Konkurs- oder Masseforderungen? ZIK 1995, 42 [46 f], wonach nur jene Forderungen, die anläßlich einer Vertragsauflösung gemäß § 25 KO oder aufgrund eines Austrittes des Arbeitnehmers aus anderen Gründen der Konkurseröffnung entstehen als Konkursforderungen zu qualifizieren sind und Holzer/Reissner (Neuerungen im Insolvenzrecht, DRdA 1994, 461 [473]).

Im vorliegenden Fall beendete die Kündigung des Masseverwalters, die keine begünstigte im Sinne des § 25 Abs 1 KO war das Arbeitsverhältnis, sodaß auch ein Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers nicht auf § 25 Abs 2 KO, der nur auf Lösungen nach § 25 Abs 1 KO Bedacht nimmt, gestützt werden kann.

Ein berechtigter Austritt eines Arbeitnehmers kurz nach Konkurseröffnung wegen Entgeltrückstandes muß nicht immer von einer Rechtshandlung des Masseverwalters veranlaßt sein. Die bisherige Praxis sah trotz des engen Wortlautes des § 46 Abs 1 Z 3 KO aF die daraus ohne Zutun des Masseverwalters entstehenden Beendigungsansprüche als Konkursforderungen an (Holzer/Reissner aaO 473). Durch das IRÄG wollte der Gesetzgeber an der alten Rechtslage nichts wesentliches ändern (JAB 1475 BlgNR 18.GP, 1; Bauer aaO, 46 f), sodaß sich die analoge Anwendung des § 25 Abs 1 letzter Satz KO auf diese Ansprüche anbietet, zumal ohne Analogieschluß die außerhalb der besonderen Auflösungsmöglichkeiten des § 25 KO entstehenden Beendigungsansprüche von § 25 Abs 1 letzter Satz KO nicht umfaßt wären (Bauer aaO, 45). Der Zweck der Regelung des IRÄG, vor allem die Fondsmittel, nicht jedoch auf Kosten der Arbeitnehmer, zu vergrößern ist durch die Qualifizierung dieser austrittsabhängigen Beendigungansprüche als Konkursforderung erfüllt. Einerseits sind die Ansprüche der Arbeitnehmer durch den Sicherungszeitraum des § 3 Abs 1 IESG geschützt, zum anderen bleibt dem Insolvenzausfallgeldfonds durch eine Analogie zu § 25 Abs 1 letzter Satz KO zumindest die von der Praxis auch schon früher angenommene Konkursquote (Bauer aaO, 47).

Anders ist die Rechtslage aber bei einer Kündigung durch den Masseverwalter, die nicht auf § 25 Abs 1 KO gegründet und sohin fristwidrig ist. Diese begründete bei den hier offenen Ansprüche ab Ende April 1994 Masseforderungen, die unter § 46 Abs 1 Z 5 KO fallen, weil die Kündigung als Rechtshandlung des Masseverwalters im Sinne eines rechtlich relevanten Verhaltens, das Verbindlichkeiten erzeugt, zu verstehen ist (Bauer aaO, 46; Holzer/Reissner aaO 473; WBl 1996, 75 [Liebeg]). Für die analoge Anwendung des § 25 Abs 1 letzter Satz KO für diesen durch § 46 Abs 1 Z 5 KO geregelten Fall besteht daher mangels einer Gesetzeslücke kein Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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