OGH 6Ob1040/95

OGH6Ob1040/9525.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Kellner, Dr.Schwarz und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr.Manfred M*****, vertreten durch Berger, Kolbitsch, Vana, Kowarzik, Rechtsanwälte in Wien, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Dr.Michael G*****, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufes, hier wegen einstweiliger Verfügung (Streitwert 300.000 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 23.Oktober 1995, GZ 1 R 184/95-24, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Rekurs wird gemäß §§ 402 und 78 EO, § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK beachtet und sind auch nicht von der seit der Entscheidung 6 Ob 18/94 ständig vertretenen Rechtsansicht des erkennenden Senates abgewichen. Es trifft zu, daß der Persönlichkeitsschutz von Politikern insofern eingeschränkt ist, als die Grenzen der zulässigen Kritik aus den in der obgenannten Entscheidung genannten Gründen bei ihnen weiter gezogen sind als bei Privatpersonen, die Grenze aber dort zu ziehen ist, wo unabhängig von den zur Debatte gestellten rein politischen Verhaltensweisen ein persönlich vorwerfbares unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen wird und bei Abwägung der Interessen ein nicht mehr vertretbarer Wertungsexzeß vorliegt.

Diese großzügige Auslegung des Grundrechtes auf freie Meinungsäußerung und damit ein eingeschränkter Persönlichkeitsschutz darf aber nicht in gleicher Weise auf andere Personen, wie etwa Beamte eines von einem Politiker geführten Ministeriums erweitert werden. Denn auch ein Spitzenbeamter, der im Rahmen seines Tätigkeitsbereiches, soweit ihm dies nicht die Amtsverschwiegenheit verbietet, im politischen Meinungsstreit zu aktuellen Themen nach den Ansichten und Zielen der Regierung über seinen Aufgabenbereich Stellung beziehen muß, hat dabei nicht "Politik zu machen". Er ist vielmehr an die Weisungen des Ressortministers gebunden und verpflichtet, sein Amt unter disziplinärer Verantwortung unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch zu besorgen und hat darauf zu achten, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben gewahrt bleibt. Seine Aufgabe ist es, Gesetze und Verordnungen, mag an diesen Kritik seitens politischer Gruppierungen mit anderen Wertvorstellungen und Zielen auch gerechtfertigt sein, zu vollziehen; deren Inhalt und Zielsetzungen hat er nicht verantwortlich zu vertreten. Dies bedeutet nicht, daß im Interesse einer freien, demokratischen Diskussion Kritik an der Amtsführung eines Spitzenbeamten nicht erlaubt wäre; sie muß allerdings in einer Form vorgebracht werden, die nicht das absolut geschützte Recht auf Ehre verletzt und, soferne sie, wie hier, einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthält, erweislich wahr sein. Diesen Anforderungen aber entspricht die Äußerung des Beklagten, der Kläger führe im Innenministerium ein Regime der Inhumanität und Menschenverachtung und der Geringschätzung für den Rechtsstaat, nicht. Diesem veröffentlichten Vorwurf, der nicht nur gegen den zuständigen Ressortminister, sondern unter ausdrücklicher Namensnennung auch gegenüber dem Kläger persönlich erhoben wurde, ist geeignet, beim Empfängerkreis der veröffentlichten Mitteilung den Eindruck zu erwecken, der Kläger übe sein Amt fortgesetzt (Regime der Inhumanität und der Geringschätzung für den Rechtsstaat) rechtsmißbräuchlich aus. Er enthält nicht nur ein Werturteil, sondern auch einen nachprüfbaren Tatsachenkern, für dessen Richtigkeit der Beklagte beweispflichtig, im Provisorialverfahren bescheinigungspflichtig ist. Diese Bescheinigung ist dem Beklagten nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen ausführlichen Sachverhalt nicht gelungen. Die Äußerung des Beklagten erfüllt daher die Tatbestände des § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB.

Stichworte