OGH 8ObA291/95

OGH8ObA291/9518.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Univ.Prof.Dr.Franz Schrank und Herbert Wolf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erich O*****, vertreten durch Dr.Hans Jalowetz, Dr.Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.H*****OHG, *****, vertreten durch Dr.Viktor Michitsch, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 91.238,89 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Mai 1995, GZ 7 Ra 119/94-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.August 1994, GZ 33 Cga 47/94-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben den festgestellten Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, sodaß es gemäß § 48 ASGG ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles zu verweisen.

Ergänzend ist anzumerken:

Die Revisionswerberin entfernt sich mit ihrem Vorbringen zur Anwendbarkeit der Bestimmung des § 82a lit.a GewO 1859 in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt. Danach steht fest, daß die Ehegattin des Klägers bereits am 18.10.1991 der Beklagten dessen Erkrankung bekanntgab sowie daß der Kläger am 25.10.1991 (daß das in der erstinstanzlichen Entscheidung angeführte Datum 27.10.1991 auf einem offenkundigen Irrtum beruht, wurde im angefochtenen Urteil ausführlich dargelegt) der Beklagten eine Bestätigung über die Untersuchung in einem Sanatorium übergab und ihr mitteilte, daß wegen einer Lösungsmittelvergiftung weitere Untersuchungen erforderlich sein würden. Auch war der Beklagten nach den Feststellungen im Zeitpunkt der Abfertigung des Schreibens vom 23.12.1991, mit welchem die Beklagte dem Kläger eine Frist zur Bekanntgabe des Grundes seines Fernbleibens setzte, widrigenfalls der unberechtigte Austritt angenommen würde, bekannt, daß sich der Kläger wegen einer Lösungsmittelvergiftung im Krankenstand befand. Schließlich steht fest, daß der Kläger wegen seiner Erkrankung seit 1.8.1992 eine Invaliditätspension bezieht, sodaß von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit oder Gesundheitsgefährdung, die den Kläger zum Austritt gemäß § 82a lit.a GewO 1859 (in Geltung gemäß § 376 Z 47 GewO 1973) berechtigt, auszugehen ist (vgl. ArbSlg 10.671; ArbSlg 11.095). Die von der Rechtsprechung (DRdA 1985/13; ArbSlg 10.671) aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abgeleitete Aufklärungspflicht über seine Gesundheitsbeeinträchtigung erfordert lediglich, daß der Arbeitnehmer auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung von solcher Intensität hinweist, die ihn zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistungen unfähig macht. Eine Verpflichtung, die Gesundheitsbeeinträchtigung zu diesem Zeitpunkt auch nachzuweisen, besteht nicht. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht mehr auf einen überraschenden Austritt des Arbeitnehmers berufen. Ab Zugang der Verständigung muß der Arbeitgeber damit rechnen, daß der Arbeitnehmer sein Dienstverhältnis vorzeitig beenden könnte. Es liegt ausschließlich am Arbeitgeber, diese Konsequenzen durch Zuweisen oder Anbieten einer anderen Beschäftigung zu vermeiden. Einer weiteren Initiative oder Aufforderung des Arbeitnehmers bedarf es dazu nicht (ArbSlg 11.095).

Nach den Feststellungen hat der Kläger unmittelbar nach den ersten Untersuchungen im Sanatorium gegenüber der Beklagten auf das Vorliegen einer Lösungsmittelvergiftung und das Erfordernis weiteren Krankenstandes hingewiesen. Damit ist er aber, obschon die Arbeitsunfähigkeitsanzeige erst am 13.12.1991 an die Beklagte übersandt wurde, seiner Aufklärungspflicht rechtzeitig und ausreichend nachgekommen. Das Schreiben der Beklagten vom 23.12.1991 konnte daher keine weiteren Wirkungen entfalten, da die Beklagte auch bei Unterbleiben einer rechtzeitigen Antwort des Klägers nach Treu und Glauben nicht darauf vertrauen konnte, der Kläger wolle das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als jenem der Berufskrankheit beenden.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin steht diesem Verfahrensergebnis auch nicht die Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen Urteiles entgegen. Dort begehrte der Kläger die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Dienstverhältnisses. Dieses Begehren wurde mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, daß der Kläger nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen wäre, dem genannten Schreiben seiner Dienstgeberin unverzüglich zu widersprechen. Die Beklagte habe das Verhalten des Klägers nur dahin verstehen können, daß er an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses kein weiteres Interesse habe.

Die neuere Rechtsprechung nimmt neben der unmittelbaren Rechtskraftwirkung eine inhaltliche Bindungswirkung des Vorprozesses für den Folgeprozeß an, wenn zwar keine Identität der Begehren vorliegt, aber gewisse Fälle der Präjudizialität gegeben sind. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der rechtskräftig entschiedene Anspruch Vorfrage für den neuen Anspruch ist, also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit der neuen Klage begehrten Rechtsfolge gehört. Häufigster Fall der bindenden Wirkung der materiellen Rechtskraft von Präjudizialentscheidungen ist in diesem Zusammenhang die Wirkung des Urteils über einen Zwischenantrag auf Feststellung. Ein Sonderfall der Präjudizialität liegt dann vor, wenn durch die Vorentscheidung die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für das neue Begehren verneint wurden, wenn also ein im Gesetz begründeter Sachzusammenhang zwischen den beiden Begehren besteht und dieser inhaltliche Zusammenhang so eng ist, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen zur entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RZ 1977/49; SZ 52/151; SZ 55/74; JBl 1990, 52; 4 Ob 574/94). Hiebei ist von ausschlaggebender Bedeutung, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis als Ganzes Gegenstand der Entscheidung im ersten Prozeß war. Wenn hingegen bestimmte Tatsachen im Vorprozeß nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens bildeten, sondern lediglich eine Vorfrage darstellten, dann kommt der Entscheidung dieser Vorfrage im Vorprozeß keine bindende Wirkung im folgenden Prozeß zu (RZ 1989/96; JBl 1995, 458). Die Annahme, daß auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozeß selbständig rechtskräftig werden könnten, würde den Zwischenantrag auf Feststellung völlig entwerten und überdies dem Wortlaut des § 411 ZPO widersprechen, wonach präjudizielle Rechtsverhältnisse dann rechtskräftig entschieden werden, wenn sie zum Inhalt eines Zwischenfeststellungsantrages gemacht wurden. Wären Vorfragen ohnehin bindend festgestellt, wäre dieser Halbsatz überflüssig (vgl Frauenberger in JBl 1994, 483, 484; JBl 1995, 458).

Auch die Annahme im Vorprozeß, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei aufgrund unberechtigten Austrittes gelöst worden, stellt eine derartige der Rechtskraft nicht fähige Vorfrage dar. Das Klagebegehren auf Feststellung des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses hätte auch aufgrund anderer Einwendungen, etwa jener, der Kläger sei berechtigt wegen Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 82a lit.a GewO 1859 ausgetreten, abgewiesen werden müssen. Beide Vorinstanzen haben daher zu Recht eine Bindung an das im Vorprozeß ergangene Urteil verneint.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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