OGH 2Nd508/95

OGH2Nd508/9521.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf und Dr.Tittel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael F*****, wohnhaft bei der Kindesmutter Ingrid F*****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Wien-Favoriten wird genehmigt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde am 4.Juli 1990 einvernehmlich geschieden. Nach dem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich steht die Obsorge hinsichtlich des Minderjährigen der Kindesmutter zu.

Mit Schriftsatz vom 19.7.1995 beantragte der Kindesvater, der Kindesmutter die Obsorge zu entziehen und ihm zu übertragen, weil die Mutter beabsichtige, nach Wien zu ziehen und eine neue Ehe einzugehen.

Am 14.August 1995 beantragte die Kindesmutter, den Kindesvater zur Leistung eines monatlichenn Unterhaltes für den Minderjährigen in der Höhe von S 6.000 anstelle von bisher S 2.800 zu verpflichten.

Seit September 1995 wohnt der Minderjährige mit seiner Mutter in Wien.

Der Kindesvater erklärte am 5.9.1995 vor dem Bezirksgericht Villach, den Obsorgeübertragungsantrag vorläufig noch nicht zurückziehen zu wollen, jedoch einverstanden zu sein, wenn dieses Verfahren "nicht unbedingt forciert werde".

Das Bezirksgericht Villach traf mit Beschluß vom 2.Oktober 1995 eine Besuchsrechtsregelung, die sich im wesentlichen auf das Einvernehmen der Kindeseltern stützte und übertrug gleichzeitig die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache dem Bezirksgericht "Wien-Favoriten", weil der Minderjährige nunmehr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dessen Sprengel habe.

Das Bezirksgericht Favoriten lehnte eine Übernahme des Verfahrens vor Erledigung des Obsorgeübertragungsantrages des Vaters bzw des Unterhaltserhöhungsantrages der Mutter ab.

Das Bezirksgericht Villach legte den Akt zur Genehmigung der Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Favoriten vor.

Die Übertragung ist gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht kann nach § 111 JN von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Pflegebefohlenen gelegen erscheint. In der Regel ist nämlich ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung. Da der Lebensmittelpunkt des Minderjährigen nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichtes Favoriten liegt, ist dieses am besten geeignet, im Interesse des Kindeswohles erforderliche Maßnahmen zu setzen (1 Nd 501/92). Offene Anträge sprechen im allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenen Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (5 Nd 512/92, 8 Nd 505/93, 4 Nd 501/94). Insbesondere hängt es von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung über einen offenen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (5 Nd 502/95). Davon kann aber bezüglich der offenen Anträge über die Zuteilung der Obsorge bzw über den Unterhaltserhöhungsantrag keine Rede sein. Nach der Aktenlage fanden zu diesen Anträgen keinerlei Beweisaufnahmen statt. Darüber hinaus hat der Kindesvater seinen Antrag auf Übertragung der Obsorge zwar nicht ausdrücklich zurückgezogen, doch erklärt, einverstanden zu sein, daß dieses Verfahren nicht forciert werde. Da keinerlei Hinweise dafür bestehen, daß eine Entscheidung durch das bisher zuständige Gericht zweckmäßiger wäre und durch Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht Villach an das Bezirksgericht Favoriten die wirksame Handhabung des dem Minderjährigen zugedachten pflegschaftsbehördlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, war die Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.

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