OGH 5Ob539/95

OGH5Ob539/9519.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Theresia W*****, vertreten durch Dr.Charlotte Böhm ua Rechtsanwältinnen in Wien, wider die beklagte Partei Harald K*****, vertreten durch Dr.Herbert Gradl, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen Widerruf einer Schenkung (Streitwert S 100.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Berufungsgericht vom 9.August 1995, GZ 29 R 58/95-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 30.Dezember 1994, GZ C 698/94 f-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin Theresia W***** ist die Schwester der Gertrude K*****. Diese hat zwei Söhne, Adolf und Alexander K*****; der Beklagte ist der Sohn des Adolf K*****, der Großneffe der Klägerin.

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 5.6.1992 schenkte Gertrude K***** der Klägerin die Liegenschaft EZ ***** KG ***** im Ausmaß von 23759 m2 mit dem Haus Seestraße 57 als Anerkennung für geleistete Pflege und Betreuung. In dem am 3.7.1992 errichteten Testament setzte darüber hinaus Gertrude K***** die Klägerin als Universalerbin ein, bezüglich ihrer Söhne verfügte sie, daß diese nicht einmal den Pflichtteil erhalten sollten, weil Alexander bereits zu ihren Lebzeiten Vorausempfänge erhalten und Adolf ihr in ihrer schweren Krankheit nicht beigestanden habe. Am selben Tag errichtete die Klägerin eine letztwillige Verfügung, mit dem sie dem Beklagten eine Hälfte der geschenkten Liegenschaft vermachte.

Am 31.7.1992 verstarb Gertrude K***** und hinterließ einen Reinnachlaß von S 33.023,99 an Bargeld. Im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung verzichteten Adolf und Alexander K***** auf ihr Pflichtteilsrecht für sich und ihre Nachkommen. Ein Monat danach, am 6.11.1992, schenkte die Klägerin dem Beklagten eine Hälfte der ihr geschenkten Liegenschaft mittels notariellem Schenkungsvertrag. Im Vertrag wurde festgehalten, daß die Klägerin weiterhin berechtigt sei, die Räume im Obergeschoß zu vermieten, während die Räume im Erdgeschoß dem Beklagten zur Benützung, aber nicht zur Vermietung zur Verfügung stehen sollten.

Mit ihrer am 2.8.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an der geschenkten Liegenschaftshälfte einzuwilligen, und begründete dies damit, daß sie den Schenkungsvertrag vom 6.11.1992 rechtswirksam widerrufen habe. Der Beklagte habe sich ihr gegenüber groben Undanks schuldig gemacht.

Er habe nicht nur ihr gegenüber Verpflichtungen (zur Grundstücks- und Hausbetreuung) nicht zugehalten, er beschimpfe sie und ihren Ehemann heftigst, mache sie für den Tod der Gertrude K***** verantwortlich und sei schließlich ihr gegenüber tätlich geworden. Am 20.7.1993, nachdem sie ihm wegen seines gesellschaftlichen Umgangs Vorhaltungen gemacht habe, habe er ihr mit den Worten "Halt die Gosche, sonst schmier ich dir eine" das Wort verboten. Da sie sich das Wort nicht verbieten habe lassen, habe er ihr schließlich mit der Faust auf den Mund geschlagen und mit dem Fuß in die Kniekehle getreten, sodaß sie an der Lippe eine Platzwunde und in der Kniekehle einen Bluterguß erlitten habe. Diesbezüglich sei der Beklagte rechtskräftig gemäß § 83 Abs 2 StGB verurteilt worden.

Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein: Die Mißhandlung der Klägerin, weshalb er verurteilt worden sei, könne ihm weder objektiv noch subjektiv als grober Undank zum Vorwurf gemacht werden. Es seien nur geringfügige Verletzungen entstanden; die Klägerin habe ihn daran gehindert, seine Verpflichtungen bezüglich des Hauses ordnungsgemäß nachzukommen, indem sie ihm weder Auskünfte erteilt, noch den Zutritt zu den Räumen gestattet habe. Sie habe vielmehr ihre Verpflichtungen aus dem Schenkungsvertrag verletzt; sie habe ihm unberechtigte Vorwürfe gemacht, er sei beispielsweise mit Drogenhändlern in Kontakt getreten. Daraus sei eine Auseinandersetzung entstanden, im Laufe derer die Klägerin mit einem Holzstecken (Besenstiel) auf ihn losgegangen sei. Er sei wenige Tage nach einer schweren Gesichtsoperation möglicherweise überreizt, aber auch erhöht schutzbedürftig gewesen, er habe sich daher gegen die Angriffe der Klägerin wehren müssen, wobei dies allenfalls zu einer Überreaktion geführt habe. Auch die Klägerin habe seine Verhaltensweise nicht als groben Undank empfunden; sie habe im Rahmen des Strafverfahrens in der Hauptverhandlung erklärt, seine Anzeige eigentlich nicht gewollt zu haben. Die Klägerin beanspruche weiterhin die ausschließlich Nutzung der Räume im Erdgeschoß und verwehre dem Beklagten jede Änderung im Inneren des Hauses. Deshalb sei es wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen. Aus diesem einmaligen Vorfall könne nicht auf das Vorliegen eines berechtigten Widerrufsgrundes geschlossen werden. Im übrigen liege ja eine Schenkung gar nicht vor. Die Klägerin habe sich im Rahmen des Schenkungsvertrages zahlreiche Befugnisse vorbehalten; sein Onkel habe im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens auch darauf bestanden, den auf der Liegenschaft befindlichen Fischteich weiterhin lebenslang unentgeltlich benützen zu können, und hätten Adolf und Alexander K***** im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens zu seinen Gunsten auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichtet. Ihre Pflichtteilsansprüche hätten die Hälfte des gesamten Nachlasses ausgemacht, wobei bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche die am 5.6.1992 geschenkte Liegenschaft einzubeziehen gewesen wäre. Adolf und Alexander K***** hätten daher im Ergebnis auf ihre Pflichtteilsansprüche nur deshalb verzichtet, weil der Beklagte zumindest die Hälfte der Liegenschaft bekommen sollte. Ein weiteres Indiz hiefür sei es, daß die Klägerin am Tage der Errichtung des Testaments der Gertrude K***** vom 3.7.1992 ihrerseits eine letztwillige Verfügung errichtet habe, aufgrund derer der Beklagte diesen ihre Liegenschaftshälfte erhalten solle.

Adolf und Alexander K***** seien als Folge ihrer Berufstätigkeit nicht imstande gewesen, ihre Mutter zu pflegen, die nur die Klägerin (ihre Schwester) in ihrer Nähe geduldet habe. Der Schenkungsvertrag vom 6.11.1992 sei daher eigentlich keine Schenkung, sondern eine Abgeltung des Pflichtteilsanspruches von Adolf und Alexander K***** gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging von dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt aus und stellte aufgrund des Strafaktes darüber hinaus fest, daß der Beklagte mit rechtkräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 18.10.1993 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 2 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Er hat am 20.7.1993 der Klägerin in Mißhandlungsabsicht einen Faustschlag auf den Mund und einen Tritt in die rechte Kniekehle versetzt, wodurch die Klägerin eine Abschürfung an der Unterlippe mit leichter Schwellung sowie eine kleinhandtellergroße Blutunterlaufung in der rechten Kniekehle erlitt. Vorher hatte die Klägerin den Beklagten wegen eines Fernsehauftritts, der ihrer Meinung nach Schande über die Familie gebracht hätte, zur Rede gestellt und Anstalten getroffen, mit einem Stock auf ihn loszugehen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß die Voraussetzungen für den Widerruf der Schenkung gemäß § 948 ABGB erfüllt seien. Der Beklagte sei verurteilt worden, weil er sich nicht nur darauf beschränkt habe, den Angriff der Klägerin abzuwehren, sondern seinerseits zum Gegenangriff übergegangen sei und in Mißhandlungsabsicht auf die Klägerin eingeschlagen habe. Von einer bloßen Abwehrhandlung und einer dadurch bedingten fahrlässigen Verletzung der Klägerin könne keine Rede sein, die Vorgangsweise des Beklagten werde weder durch das zänkische und angriffslustige Verhalten der Klägerin, noch dadurch entschuldigt, daß sie ihm die zustehende Benützung der Erdgeschoßräume verweigert habe. Die Streitsucht und Angriffslust der Klägerin habe ihn nicht berechtigt, zum Gegenangriff überzugehen, gegen die übrigen Pflichtverletzungen der Klägerin hätte er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen können.

Der vom Beklagten geltendgemachte Pflichtteilsverzicht seines Vaters und seines Onkels zu seinen Gunsten ändere am Charakter der Schenkung nichts, weil die Pflichtteilsforderung eine Geldforderung sei, sodaß der Beklagte allein deshalb nicht Hälfteeigentümer der Liegenschaft hätte werden müssen und können.

Der gegen dieses Urteil vom Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge, es hob das angefochtene Urteil wegen Feststellungsmängeln auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es bewertete weiters den Entscheidungsgegenstand mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

Rechtlich führte es aus, eine Schenkung könne wegen groben Undanks widerrufen werden, wenn sich in der strafbaren Handlung des Beschenkten grober Undank im Sinne der allgemein gebräuchlichen Bedeutung dieses Wortes geäußert habe. Es müsse sich demnach im Verhalten des Beschenkten gegenüber dem Schenker eine nach der allgemeinen sittlichen Auffassung der Bevölkerungskreise, denen beide Teile zuzurechnen sind, verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit äußern. Dieses subjektive Vorwurfselement des Tatbestandes dürfe nicht außer acht gelassen werden; es sei rechtlicher Ausfluß moralischer Verantwortlichkeit. Für die Zurechnung eines sich äußerlich als grober Undank darstellenden Verhaltens des Beschenkten gegenüber dem Schenker sei auch das Bewußtsein des Beschenkten erforderlich, dadurch dem Schenker eine Kränkung zuzufügen; darüber hinaus könne das Verhalten des Beschenkten nicht nur für sich, isoliert vom Verhalten des Schenkers, betrachtet werden; vielmehr könnte es sich im Einzelfall auch als eine entschuldbare Reflexwirkung des Verhaltens des Schenkers gegenüber dem Beschenkten darstellen. Es könnte etwa von Bedeutung sein, daß der Beschenkte unter dem Eindruck einer schweren Reizung durch den Schenker gestanden sei und der zufolge ein über das erlaubte Maß hinausgehendes Verhalten gesetzt habe. Eigene, selbst unter Umständen schwere Verfehlungen des Schenkers gegenüber dem Beschenkten entkleideten zwar nicht ohne weiteres eine schwere Verfehlung des Beschenkten ihres Charakters als grober Undank, denn es sei das Verhalten beider Teile unter Berücksichtigung des besonderen moralischen Verpflichtungsverhältnisses zu beurteilen, in welchem der Beschenkte zum Schenker stehe, schlechthin irrelevant seien solche Verfehlungen des Schenkers gegenüber dem Beschenkten jedoch nicht. Ob das Verhalten des Beschenkten beim Schenker eine rechtlich beachtliche Kränkung herbeigeführt habe, sei nach der sittlichen Vorstellungswelt des Schenkers und danach zu bewerten, ob die Bevölkerungskreise, denen er nach seiner sozialen Stellung zuzurechnen sei, eine derartige Kränkung des Schenkers hätten annehmen dürfen (SZ 48/68 mwN).

Aus diesen Grundsätzen ergebe sich, daß die Handlung des Beklagten nicht isoliert betrachtet werden dürfe, vielmehr seien die Vorgeschichte, die zu diesem Vorfall geführt habe, und die konkreten Umstände desselben, für die Gesamtbeurteilung der Frage der Gröblichkeit des Undankes erheblich. Die objektive Voraussetzung für den Widerruf der Schenkung, nämlich das Vorliegen einer strafbaren Handlung im Sinne des § 948 Satz 2 ABGB sei vorhanden, ob besondere Umstände die Verantwortlichkeit des Beklagten oder die Annahme einer beachtlichen Kränkung der Klägerin auszuschließen geeignet seien, könne jedoch aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei der Gewichtung des Vorwurfes der strafbaren Handlung sei auch zu berücksichtigen, welches zänkische und angriffslustige Verhalten die Klägerin an den Tag gelegt habe, inwieweit sie durch längere Zeit den Kläger an der Ausübung seiner Rechte behindert und ihm ungerechtfertigte Vorwürfe gemacht habe. Dieses ergebe sich aus den Feststellungen nicht, weshalb das Urteil wegen sekundärer Feststellungsmängel aufzuheben sei. Nicht zu folgen sei den Überlegungen des Erstgerichtes, der Pflichtteilsverzicht von Alexander und Adolf K***** im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nach Gertrude K***** sei ohne Bedeutung. Auch diese Umstände gehörten zum "Umfeld" des Widerrufsgrundes, da das Verhalten beider Teile unter Berücksichtigung des Verpflichtungsverhältnisses des Geschenkgebers zum Beschenkten zu beurteilen sei (Schubert-Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 948). Zum anderen berufe sich der Beklagte darauf, daß "eigentlich" keine Schenkung vorliege. Es hätten nämlich Adolf und Alexander K***** im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nur deshalb gegenüber der Klägerin als Alleinerbin auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichtet, weil ohnehin die Liegenschaftshälfte letzten Endes dann ihm zukommen sollte. Die Errichtung des Schenkungsvertrags nach Pflichtteilsverzicht habe Adolf K***** als sinnvoller angesehen, auch der Onkel sei einverstanden gewesen und in die Errichtung des Schenkungsvertrags insoweit involviert, als er sich selbst Rechte am auf der Liegenschaft liegenden Fischteich vorbehalten habe.

Bedenke man, daß nach einem Teil der Lehre und Rechtsprechung der Verzicht als solcher im allgemeinen ein Verfügungsgeschäft darstellt, welches eines Titels bedürfe (Rummel in Rummel, Kommentar zum ABGB, 2. Auflage, Rz 1 zu § 1444 ABGB), ein anderer Teil der Rechtsprechung und Lehre den Pflichtteilsverzicht als einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erben ansehe, kraft dessen ersterer auf sein Forderungsrecht auf Auszahlung eines Geldbetrags in Form eines Schulderlasses (§ 1444 ABGB) verzichtet, wobei dieser Vertrag auch durch schlüssige Annahme durch den Erben zustandekommen könne (NZ 1977, 124), so werde deutlich, daß dem behaupteten und auch tatsächlich geschehenen Pflichtteilsverzicht des Adolf und des Alexander K***** vom 6.10.1992 jedenfalls eine schuldrechtliche Causa in ihrem Verhältnis zur Klägerin zugrundeliegen müsse. Dem gesamten Vorbringen des Beklagten ließe sich gerade noch entnehmen, daß diese schuldrechtliche Causa nicht ihrerseits in einer Schenkung oder Anerkennung ihrer Enterbung, sondern in einer Vereinbarung mit der Klägerin bestanden hätte, wonach er, der Beklagte, die Hälfte der mit Schenkungsvertrag vom 5.6.1992 der Klägerin zugekommenen Liegenschaft erhalten sollte. Sollte sich diese Behauptung als zutreffend erweisen, also Theresia W***** dem Adolf und dem Alexander K***** als Gegenleistung für ihren Pflichtteilsverzicht tatsächlich die Übertragung einer Liegenschaftshälfte an den Beklagten versprochen haben (was nach dem zeitlichen Ablauf nicht ausgeschlossen erscheine), so könnte diese Vereinbarung zwischen Alexander und Adolf K***** einerseits und Theresia W***** andererseits als echter Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB verstanden werden. Demnach hätten, entgegen dem Erstrichter, Adolf und Alexander K***** dem Beklagten nicht lediglich ihre schuldrechtliche Position (mithin den Geldanspruch, den der Pflichtteilsanspruch darstellt) übertragen, vielmehr hätte der Beklagte aufgrund dieser Vereinbarung ein Recht auf Übertragung der Liegenschaftshälfte selbst erworben, welches Recht einer Leistungskondiktion der Klägerin gemäß § 1435 ABGB, gestützt auf den Wegfall der Schenkung als rechtfertigende Causa, entgegenstehen könnte, da sich diesfalls die Schenkung lediglich als Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit der Theresia W***** gegenüber Adolf und Alexander K***** einerseits und Harald K***** andererseits darstellen könnte. Sofern sich daher aufgrund des zu ergänzenden Verfahrens neuerlich die grundsätzliche Berechtigung des Schenkungswiderrufs durch die Klägerin herausstellen sollte, werde sich das Erstgericht auch mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beklagten auseinanderzusetzen haben (soferne Pflichtteilsansprüche des Adolf und Alexander K***** überhaupt bestanden hätten).

Die Klägerin habe eine gegen sie gerichtete, zumindest mit dolus eventualis vorgenommene Mißhandlung am Körper und daraus fahrlässig zugefügte Verletzungen zum Anlaß für den Schenkungswiderruf genommen. Zwar müsse nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine strafbare Handlung an sich noch nicht unbedingt Anlaß zur Berechtigung zum Schenkungswiderruf sein, was sich für Ehrenbeleidigungen oder den in SZ 48/68 behandelten Ehebruch von selbst verstehe, zur Frage, ob eine Körperverletzung gemäß § 83 Abs 2 StGB jedenfalls, also unabhängig von den sonstigen Umständen, den Schenkungswiderruf wegen der Schwere der Verfehlung rechtfertige, habe der Oberste Gerichtshof - soweit für das Berufungsgericht überblickbar - noch nicht Stellung genommen. Da dieser Frage in allen Fällen, in welchen sich der Beschenkte auf solche Begleitumstände berufe, unabhängig vom Einzelfall erhebliche Bedeutung zukomme, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig zu erklären gewesen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag ihn abzuändern und das Urteil des Erstgerichtes zu bestätigen.

Der Beklagte beantragte in seiner Rekursbeantwortung dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist - allerdings aus einem anderen als in der Begründung des Zulassungsausspruches des Berufungsgerichtes angeführten Grund - zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurswerberin vertritt in Ausführung der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Frage die Ansicht, daß eine Verurteilung wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs 2 StGB jedenfalls einen Widerrufsgrund bilde, sodaß es der vom Berufungsgericht vermißten ergänzenden Feststellungen nicht bedürfe. Damit wird aber von der Klägerin weder zu einer die Zulässigkeit des Rekurses rechtfertigenden erheblichen Rechtsfrage Stellung genommen, noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bei der Auslegung des Begriffes des "groben Undankes" iS des § 948 ABGB aufgezeigt. Denn der Oberste Gerichtshof hat zu der hier relevierten Frage bereits eindeutig Stellung genommen. So hat er in der Entscheidung vom 10. Oktober 1994, 10 Ob 1528/94, folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 948 ABGB kann eine Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte gegen seinen Wohltäter eines "groben Undankes" schuldig macht; darunter wird eine gerichtlich strafbare Verletzung an Leib, Ehre, Freiheit oder Vermögen verstanden. Damit eine Schenkung wegen groben Undanks widerrufen werden kann, ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Stanzl in Klang2 IV/1, 621; Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 948; Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts9 I 350 mwN; EvBl 1974/39; SZ 48/68 ua) überdies noch erforderlich, daß sich in der strafbaren Handlung des Beschenkten grober Undank in der allgemein gebräuchlichen Bedeutung dieses Wortes äußert; es muß eine verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit vorliegen. Für die Zurechenbarkeit ist auch das Bewußtsein erforderlich, dem Geschenkgeber eine Kränkung zuzufügen (vgl NZ 1988, 13). Diese Grundsätze gelten nicht nur im Falle eines Ehebruches als Grund des Widerrufes (1 Ob 643/89), sondern ebenso im Falle anderer strafbarer Handlungen wie etwa übler Nachrede gemäß § 111 StGB (6 Ob 540/83) oder Körperverletzung nach § 83 StGB (4 Ob 606/88, teilweise veröffentlicht in JBl 1989, 446 und EFSlg 59.983 ff)."

Im Hinblick auf diese klaren Rechtsauführungen des Obersten Gerichtshofes, welchen sich der erkennende Senat anschließt, bedarf es keiner neuerlichen Stellungsnahme des Obersten Gerichtshofes dahin, daß die von der Lehre und Rechtsprechung zu § 948 ABGB entwickelten Grundsätze auch im Falle einer Verurteilung des Beschenkten wegen Körperverletzung nach § 83 StGB begangen gegenüber dem Geschenkgeber gelten.

Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze zutreffend dargestellt, sodaß es dazu keiner weiteren Ausführungen bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO). Da das Erstgericht seiner Entscheidung abgesehen von seinen Feststellungen aus dem Strafakt bloß den außer Streit gestellten Sachverhalt zugrundegelegt hat, die Streitteile sich jedoch zur Frage des Vorliegens "groben Undankes" bzw zur Widerlegung dieser Behauptung auf eine Vielzahl von gegenseitigen Verhaltensweisen, Vorfällen und innere Vorgänge (wie etwa Verzeihung) berufen haben, kann in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Rechtssache noch nicht spruchreif ist, es vielmehr - im Rahmen des Prozeßvorbringens - noch ergänzender Feststellungen bedarf, insbesondere über die Vorgeschichte, die zu dem Vorfall am 20.7.1993 führte, die besonderen Umstände, die für die diesbezügliche Verantwortlichkeit des Beklagten und die Annahme einer beachtlichen Kränkung der Klägerin, bzw den Ausschluß einer solchen bedeutsam sein können, aber auch über das sonstige Verhalten der Klägerin dem Beklagten gegenüber (Behinderung des Beklagten bei der Ausübung der ihm vertraglich eingeräumten Rechte, ungerechtfertigte Vorwürfe), kein Rechtsirrtum erblickt werden. Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteiles gelangt.

Die Klägerin wendet sich im Rahmen ihrer Rechtsrüge aber auch gegen die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht zur Frage der rechtlichen Relevanz des vom Vater sowie vom Onkel des Beklagten im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens nach Gertrude K***** erklärten Verzichtes auf ihren Pflichtteilsanspruch; sie meint dazu, daß den Argumenten des Erstgerichtes zu folgen und auf den Pflichtteilsverzicht nicht weiter einzugehen sei. Damit zeigt sie aber eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf, von deren Lösung die Entscheidung dieses Rechtsstreites abhängt und zu der der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht deutlich Stellung genommen hat.

Der Beklagte erstattete bereits in erster Instanz ein Vorbringen dahin, daß eine Schenkung gar nicht vorliege und begründete dies mit konkret angeführten Vorgängen im Verlassenschaftsverfahren nach Gertrude K*****, die in ihrer Gesamtheit zu dem Schluß führen, sein Vater und sein Onkel hätten auf ihre Pflichtteilsansprüche nur im Hinblick darauf verzichtet, daß er, Beklagter zumindest die Hälfte der Liegenschaft bekommen werde. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Vorbringen, zu dem das Erstgericht keine näheren Feststellungen getroffen hatte, eingehend auseinandergesetzt und ist dabei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß - die Erweislichkeit der Richtigkeit dieses Vorbringens des Beklagten vorausgesetzt - die Vereinbarung zwischen dem Vater und dem Onkel des Beklagten einerseits und der Klägerin anderseits, wonach die Klägerin den beiden als Gegenleistung für ihren Pflichtteilsverzicht die Übertragung einer Liegenschaftshälfte an den Beklagten versprochen habe, als echter Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB verstanden werden könnte, und der Beklagte aufgrund dieser Vereinbarung ein Recht auf Übertragung der Liegenschaftshälfte erworben hätte, das der Leistungskondiktion der Klägerin gemäß § 1435 ABGB, gestützt auf den Wegfall der Schenkung als diese rechtfertigende Causa entgegenstehen könnte, wenn sich der Schenkungsvertrag lediglich als Erfüllung einer Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber dem Vater und dem Onkel des Beklagten einerseits und dem Beklagten anderseits darstellte. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren die Richtigkeit dieser Behauptungen des Beklagten ergeben, so wäre die Rechtssache im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif.

Soweit das Berufungsgericht darüber hinaus es als klärungsbedürftig erachtet, ob die Pflichtteilsansprüche tatsächlich bestanden haben, ist ergänzend folgendes zu erwägen:

Die vom Beklagten bestrittene Berechtigung der Gertrude K*****, ihren Söhnen letztwillig auch den Pflichtteil zu entziehen ist nur dann nicht zu hinterfragen, wenn es tatsächlich zu der vorerwähnten Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Söhnen der Erblasserin gekommen sein sollte, denn nur einer solchen Vereinbarung köme eine Bereinigungswirkung hinsichtlich der Frage zu, ob den Söhnen der Erblasserin der Pflichtteil zu Recht entzogen wurde. Andernfalls könnte der im Verlassenschaftsverfahren abgegebene Pflichtteilsverzicht für die Klägerin ein zusätzliches Motiv für ihren Schenkungsentschluß gewesen sein, falls sie nach den näheren Umständen Schwierigkeiten bei der Erbringung des ihr obliegenden Beweises für das Vorliegen der behaupteten Enterbungsgründe hätte befürchten müssen (vgl Eccher in Schwimann, AGBG III, Rz 1 zu § 771). Eine Beurteilungshilfe könnte in der Behauptung des Beklagten zu finden sein, wonach die Klägerin am Tag der Testamentserrichtung durch Gertrude K***** selbst eine letztwillige Verfügung errichtete, in der sie dem Beklagten eine Hälfte der ihr geschenkten Liegenschaft vermachte. Zweifel an einer Motivation der Klägerin zur Vornahme einer Schenkung durch den erwähnten Verzicht wären wohl dann angezeigt, wenn sich die Behauptung der Klägerin bewahrheiten sollte, Gertrude K***** habe ihr die Liegenschaft als Anerkennung für geleistete Pflege und Betreuung geschenkt. Sollten die Verzichtserklärungen kein Motiv für die Schenkung gewesen sein, so hätten sie bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens groben Undankes außer Betracht zu bleiben, zumal sie dann kein Grund für ein minderes Maß der der Klägerin gebührenden Dankbarkeit sein könnten.

Im Hinblick darauf, daß das Erstgericht über den außer Streit stehenden Sachverhalt und seine Feststellungen aus dem Strafakt hinaus das weitere Parteienvorbringen nicht erörtert hat, erscheint es nicht angezeigt, über die Gewichtung der einzelnen zur Beurteilung des Vorliegens groben Undankes maßgeblichen Umstände nähere Überlegungen aufzustellen.

Es kann noch gesagt werden, daß die in der Rechtsprechung hervorgehobene Notwendigkeit einer "Gesamtbeurteilung" aller Umstände (6 Ob 540/83, 6 Ob 1543/94) und der Abwägung der beiderseitigen Verhaltensweisen (SZ 48/68) die Anwendung der Grundsätze des von der Lehre entwickelten "Beweglichen System" nahelegen, eine Lehre, die bewußt macht, in welchem Ausmaß eine zusammenfassende Würdigung des Zusammen- und Gegenspiels mehrerer, häufig in sich quantitativ abstufbarer Wertungsgesichtspunkte zu erfolgen hat (Bydlinski in Rummel, ABGB2, Rz 13 zu § 6).

Aus all diesen Gründen konnte dem Rekurs kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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