OGH 5Ob542/95

OGH5Ob542/9512.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brauerei J***** AG, ***** vertreten durch Dr.Ernst Grubeck, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, wider die beklagte Partei Bruno H*****, Gastwirt, ***** vertreten durch Dr.Josef M. Danler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, wegen S 159.000,-- s.A. (Reststreitwert im Revisionsverfahren: S 126.600,-- s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 18.Juli 1995, GZ 1 R 182/95-28, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. März 1995, GZ 9 Cg 142/93b-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.370,-- (darin enthalten S 1.395,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte ist Gastwirt und betreibt die ganzjährig geöffnete Gastwirtschaft B*****, die sich auf 1.810 m Höhe im Gemeindegebiet von N***** befindet.

Die Streitteile schlossen am 12.1.1988 einen Bier- bzw Getränkebezugsvertrag, der von der Klägerin formuliert wurde und im wesentlichen folgende streitentscheidende Bestimmungen enthält:

".... Sie erhalten von uns zur Errichtung Ihres gastwirtschaftlichen Betriebes einen einmaligen, nicht rückzahlbaren und zinsenlosen Zuschuß in der Höhe von S 200.000,-- plus 20 % MWSt S 40.000,--, insgesamt S 240.000,-- ....

Sie werden mit diesem Betrag (S 200.000,-) auf einem Konto separato belastet und erhalten jährlich, beginnend mit 1.1.1988, eine Gutschrift in der Höhe von S 13.500,-- (14 Raten a S 13.500,--, 15. bzw letzte Rate S 11.000,--), sodaß Sie uns nach Ablauf von 15 Jahren, das ist am 31.12.2002, aus diesem Titel nichts mehr schulden.

Sie verpflichten sich für dieses Entgegenkommen, in Ihrem gastgewerblichen Betrieb ausschließlich und ununterbrochenen Bier unserer Brauerei zu beziehen und zu verkaufen und jeden Bezug und Verkauf eines anderen Bieres - auch Import-Bieres/Weizenbieres bei Schadenersatzpflicht zu unterlassen. Dieselbe Verpflichtung übernehmen Sie auch ausschließlich und ununterbrochen für alle von uns erzeugten oder vertriebenen alkoholfreien Getränke, d.h., daß Sie ohne unsere Zustimmung keine Konkurrenzgetränke führen bzw. verkaufen dürfen. Die gegenständliche Bier- und alkoholfreie Getränkebezugsverpflichtung gilt auf die Dauer dieser Vereinbarung bzw. bis die Gesamtmenge von 2.000 hl Bier und alkoholfreie Getränke erreicht ist.

Sollten Sie den gastgewerblichen Betrieb länger als zwei Monate geschlossen halten oder vor Ablauf dieser Vereinbarung gänzlich auflösen, ist der nicht rückverrechnete Betrag an uns umgehend zurückzuzahlen. Falls Sie den gastgewerblichen Betrieb weiterverpachten, verkaufen oder vererben, ist diese Vereinbarung vollinhaltlich an den Nachfolger zu überbinden. Bei Nichteinhaltung der Bezugsverpflichtung für Bier und alkoholfreie Getränke sind wir berechtigt, den zu diesem Tag nicht rückverrechneten und daher offenen Betrag sofort fällig zu stellen bzw zur Verfügung gestelltes Leihinventar umgehend zurückzufordern ....".

In der Folge buchte die Klägerin von der Belastung des Beklagten jährlich S 13.500,-- ab. Bis einschließlich Ende des Jahres 1993 wurden so insgesamt S 67.500,-- abgebucht. Die jährliche Gutschrift erfolgte im nachhinein.

Der Beklagte bezog folgende Mengen an Getränken:

1988 20,64 hl Bier und 12,49 hl Limonade

1989 22,70 hl Bier und 12,93 hl Limonade

1990 22,80 hl Bier und 14,38 hl Limonade

1991 22,50 hl Bier und 10,34 hl Limonade

1992 23,00 hl Bier und 18,94 hl Limonade

1993 (Jänner) 4,70 hl Bier und 1,68 hl Limonade.

Die Lieferungen der Klägerin, die erst ab einer Bestellmenge von 50 bis 60 Kisten durchgeführt wurden, erfolgten von einem Depot der Klägerin in N***** aus. Seit März 1993 unterhält die Klägerin dieses Depots nicht mehr und führt keine Getränkelieferungen in das S***** mehr durch. Die Schließung des Depot geht auf einen Vorschlag von Unternehmensberatern zurück, während die Geschäftsführung der Klägerin selbst das Depot bis dahin nicht als unwirtschaftlich betrachtet hatte. Die Unternehmensberater waren über Verlangen der Stiftung, in die die klagende Partei nach dem Tod der Eigentümerin im Jahre 1989 im Sinne eines Testamentes eingegliedert worden war, beigezogen worden.

Eine Weiterbelieferung des Beklagten wäre nach Schließung des Depots in N***** lediglich von S***** oder L***** aus möglich gewesen.

Am Freitag nachmittag und am Samstag wurden von der Klägerin keine Lieferungen durchgeführt. Bei winterlichen Wegverhältnissen, wenn die B***** nur mit einem Geländefahrzeug zu erreichen war, ersuchte der für die Auslieferung zuständige Mitarbeiter der Klägerin jeweils den Transportunternehmer E*****, die Getränke auf die Alm zu liefern. Die Alm war somit im Winter nur unter erschwerten Bedingungen belieferbar.

Daß der Beklagte im Sommer 1991 30 bis 40 Kisten G***** Limonaden und einige Kisten S***** Mineralwasser, die nicht von der Klägerin stammten, auf der Alm gehabt und verkauft hätte, war nicht feststellbar, wie auch nicht feststellbar war, daß er damals 100 Kisten F***** Bier gekauft hätte, wovon im Herbst 1991 noch 40 bis 50 Kisten vorhanden gewesen wären.

Im Jahre 1992 bezog der Beklagte drei- oder viermal F***** Bier. Im Sommer 1992 stellte der Auslieferer der Klägerin fest, daß der Beklagte 16 bis 20 Kisten gelagert hatte; zwei- oder dreimal stellte er das Vorhandensein einer etwas kleiner Menge von 5 bis 15 Kisten Bier beim Beklagten fest.

Ende des Jahres 1992 wandte sich der Beklagte an Direktor B***** der Klägerin, wobei über eine Aufhebung des Bierbezugsvertrages gesprochen wurde. Für diesen Fall hätte die Klägerin die Bezahlung eines Betrages von S 150.000,-- zuzüglich USt verlangt. Die hierüber von der Klägerin verfaßte Erklärung unterfertigte der Beklagte aber nicht.

Am Montag, dem 28.12.1992 ordnete der Beklagte telefonisch im Depot der Klägerin in N***** eine Getränkelieferung, die er noch vor Silvester benötigt hätte. Der Depotleiter Rudolf K***** gab ihm die Antwort, daß vor Silvester nicht mehr geliefert werden könne. Daraufhin bestellte der Beklagte beim Biederdepot der F***** Brauerei in N***** 50 Kisten Bier und 20 Kisten sonstige Getränke. Zuvor wollte er nur einige Kisten bestellen, wurde aber von dem im Depot arbeitenden Erwin G***** darauf hingewiesen, daß er eine größere Menge bestellen müsse, widrigenfalls die B***** nicht beliefert werde.

Am 18.1.1993 bestellte der Beklagte im Depot der Klägerin erneut Getränke, die auch ausgeliefert wurden. Die letzte Getränkelieferung der Klägerin an den Beklagten erfolgte am 31.1.1993, wobei er bei dieser Gelegenheit informiert wurde, daß er ab März nicht mehr beliefert werden könne.

Am 15.2.1993 wollte die Kellnerin Anneliese L***** im Depot der Klägerin eine Getränkelieferung bestellen. Ihr wurde aber beschieden, daß das S***** nicht mehr beliefert werde. In der Folge bestellte der Beklagte im Depot N***** der F***** Brauerei 39 Kisten Bier und 22 Kisten an sonstigen Getränken. Die F***** Brauerei wäre wohl interessiert gewesen, den Beklagten auf der B***** ab 1993 mit Bier zu beliefern. Allerdings bezieht der Beklagte seit 15.2.1993 Z***** Bier von einem im S***** gelegenen S*****markt. Dort bezahlt er für den Liter Bier etwas weniger als bei der Klägerin, muß aber die Getränke selbst auf die Alm liefern. Nicht feststellbar ist, ob und in welcher Höhe dem Beklagten hiefür Transportkosten entstehen. Neben der B***** betreibt der Beklagte auch ein Hotel in N*****, für welches er Bier (vornehmlich Faßbier) vom Depot N***** der F***** Brauerei erhält.

Seitens der Klägerin bestand der Wunsch, der Beklagte solle jeweils montags bestellen. Der Beklagte hat auch häufig am Montag bestellt, worauf dann oft am Mittwoch die Lieferungen durchgeführt wurden. Fallweise bestellte der Beklagte aber auch erst gegen Ende der Woche hin. Bis zur Bestellung vom 28.12.1993 wurde der Beklagte auch jeweils rechtzeitig beliefert.

Mit Schreiben vom 8.3.1993 begehrte die klagende Partei vom Beklagten wegen Nichteinhaltung der vertraglichen Vereinbarung einen Betrag von S 150.000,-- zuzüglich MWSt bis spätestens 17.3.1993.

Die Klägerin arbeitet mit Bankkredit, der seit 1.1.1993 in der Höhe von zumindest S 216.000,-- aushaftet und der einschließlich Spesen mit durchschnittlich 11 % zu verzinsen ist.

Gegenstand des Rechtsstreites, der sich bereits im zweiten Rechtsgang befindet, ist eine am 18.5.1993 beim Erstgericht eingebrachte Klage, mit der die Klägerin vom Beklagten (derzeit noch) S 159.000,-- s.A. verlangt. Sie begründete dieses Begehren zunächst wie folgt:

Da der Beklagte seine Verpflichtung, gegen Gewährung eines Zuschusses von S 240.000,-- ausschließlich und ununterbrochen Getränke von der Klägerin zu beziehen, nicht eingehalten und Getränke anderer Firmen vertrieben habe, sei die Klägerin berechtigt, den nicht rückverrechneten und offenen Betrag sofort fällig zu stellen und ihre Kreditkosten aus dem Titel des Schadenersatzes zu fordern. Dem Vertragsverhältnis sei eine Gesamtmenge von 2.000 hl Bier und alkoholfreie Getränke zugrunde gelegt worden, sodaß sich aufgrund der bisher abgenommenen Getränkemengen ein nicht rückverrechneter Betrag von S 180.000,-- zuzüglich S 36.000,-- USt, insgesamt also eine Forderung von S 216.000,-- zuzüglich 11 % Zinsen seit 1.1.1993 ergebe (zufolge einer rechtskräftigen Teilabweisung des Klagebegehrens im ersten Rechtsgang ging es dann - wie bereits erwähnt - im zweiten Rechtsgang nur noch um S 159.000,-- s.A.).

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei stets bestrebt gewesen, die Getränke ausschließlich von der Klägerin zu beziehen, doch sei die Belieferung immer schlechter und schleppender geworden, sodaß er letztlich gezwungen gewesen sei, sich die erforderlichen Getränke bei der F***** Brauerei zu besorgen. Er habe die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt auf unzureichende Lieferungen und wegen einer Auflösung des Bierbezugsvertrages angesprochen, doch sei es nicht zur Vertragsauflösung gekommen. Mit Schreiben vom 12.3.1993 habe er schließlich eine Bestellung diverser Getränke bei der Klägerin aufgegeben, doch habe ihn diese nicht mehr beliefert.

Der erste Rechtsgang endete damit, daß dem Erstgericht eine Ergänzung des Verfahrens zur Klärung der Frage aufgetragen wurde, ob die Klägerin den nach der (damaligen) Aktenlage erkennbaren einzigen Grund für die vorzeitige Auflösung des Getränkebezugsvertrages, die im Sommer 1992 festgestellten Fremdlieferungen an den Beklagten, durch das Schreiben vom 8.3.1993 bzw die Einbringung der gegenständlichen Klage fristgerecht geltend gemacht hat. Sollte dies der Fall sein, stünden der Klägerin die ab dem Zeitpunkt der Vertragsaufhebung vereinbarungsgemäß rückzubuchenden Beträge samt USt aus dem Titel der Bereicherung zu; andernfalls wäre das Klagebegehren abzuweisen (Beschluß des OGH vom 8.11.1994, 5 Ob 557/94).

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin ergänzend vor, daß ihr Geschäftsführer erst im Sommer 1992 Kenntnis von den massiven Verstößen des Beklagten gegen den Getränkebezugsvertrag erhalten habe. Nachdem sich die Klägerin mit dem Beklagten deswegen in Verbindung gesetzt habe, habe dieser den Wunsch geäußert, den Vertrag aufzuheben, weil er mit einer anderen Brauerei in Geschäftsverbindung habe treten wollen. Als Alternative habe der Beklagte in Aussicht gestellt, die Klägerin könne auch sein Hotel beliefern. Deshalb habe die Klägerin nicht sofort von ihrem Auflösungsrecht Gebrauch gemacht, sondern erst nach Scheitern der Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsauflösung bzw eine allfällige Belieferung des Hotels des Beklagten. Aufgrund der fehlenden Bestellungen in den Monaten Oktober bis Dezember 1992 habe sich die Klägerin schließlich gezwungen gesehen, vom Auflösungsrecht Gebrauch zu machen, weil das Verhalten des Beklagten als Hinhaltetaktik beurteilt worden sei.

Bei ordnungsgemäßer Einhaltung des Getränkebezugsvertrages hätte der Beklagte bis Frühjahr 1993 rund 666 hl Getränke abnehmen müssen. Tatsächlich habe er aber nur 200,3 hl abgenommen. Die Differenz von 495,97 hl zur abzunehmenden Mindestmenge bedeutet für die Klägerin einen Umsatzentgang von S 515.470,27, sodaß das Klagebegehren auch auf den Titel des Schadenersatzes diesbezüglich gestützt werde.

Die Klägerin habe aus betriebswirtschaftlichen Gründen ihr Depot in N***** im Frühjahr 1993 schließen müssen. Das nächstgelegene Depot befinde sich in L*****. Unter diesen Umständen sei eine Belieferung des Beklagten praktisch unmöglich geworden. Im Frühjahr 1993 sei dann die Belieferung des Beklagten tatsächlich beendet worden und dieser habe auch keine weiteren Bestellungen mehr vorgenommen. Dadurch habe sich der beklagte zumindest stillschweigend mit der Vertragsbeendigung abgefunden.

Der Beklagte bestritt dies und machte geltend, daß ein auf die Fremdlieferungen im Sommer 1992 (die er nach wie vor in Abrede stellte) gestütztes Kündigungsrecht verschiegen sei. Zu Gesprächen mit der Klägerin sei es im Dezember 1992 gekommen, weil der Beklagte mit der Lieferung der Klägerin - wegen ihrer Verspätung - nicht mehr zufrieden gewesen sei. Bei diesem Gespräch sei der Beklagte auf die Fremdbierbezüge gar nicht angesprochen worden, sondern es sei eine allenfalls einvernehmliche Auflösung erörtert worden. Zu dieser sei es aber nicht mehr gekommen. Bereits Anfang 1993 sei dem Beklagten mitgeteilt worden, daß er von der Klägerin nicht mehr beliefert werde. Unrichtig sei auch, daß der Klägerin Absatzmöglichkeiten für das Hotel des Beklagten in Aussicht gestellt worden seien. Für dieses Hotel habe nämlich schon seit 1991 ein anderer Bierbezugsvertrag bestanden. Bereicherungsrechtliche Ansprüche (aus der Rückabwicklung des gegenständlichen Vertrages) stünden der Klägerin nicht zu, weil eine wirksame Vertragsauflösung bislang nicht vorliege und der Beklagte auch keinen neuen Bierbezugsvertrag abgeschlossen habe. Der Beklagte sei auch gar nicht bereichert, weil er zwar für den Liter Bier etwas weniger als bei der Klägerin bezahle, das Bier jedoch selbst transportieren müsse, was allenfalls sogar Schadenersatzansprüche zu Gunsten des Beklagten auslöse (die Höhe dieser Schadenersatzansprüche wurde indes trotz Aufforderung des Erstgerichtes nie näher präzisiert). Eine Belieferung durch die Klägerin sei nach wie vor möglich und nicht unwirtschaftlich, sodaß aus diesem Grunde eine einseitige Vertragsauflösung nicht statthaft sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs in seinen wesentlichen Details wiedergegebenen Sachverhalts (der auch bereits die im zweiten Rechtsgang gewonnenen Verfahrensergebnisse enthält) teilweise statt. Es verurteilte den Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von S 126.000, samt 11 % Zinsen seit 1.2.1995 und wies das Mehrbegehren (unbekämpft) ab:

Die Fremdgetränkebestellungen des Beklagten vom 28.12.1992 bzw 15.2.1993 seien ihm nicht als Vertragsverletzung anzulasten, weil die Klägerin bei diesen Anlässen den Beklagten nicht beliefert habe. Er habe sich deswegen anderweitig eindecken müssen. Eine Vertragsverletzung liege allerdings im Jahre 1992 (gemeint im Sommer) vor, wo der Beklagte ohne eine solche Notwendigkeit Fremdgetränke von anderen Lieferanten zugekauft habe. Die Klägerin wäre deshalb grundsätzlich berechtigt gewesen, den Vertrag aufzulösen und den nicht rückverrechneten Betrag fällig zu stellen; allerdings sei ihr Verhalten als schlüssiger Verzicht auf das Auflösungsrecht aus diesem Grunde zu werten, weil sie ca ein halbes Jahr nach der Vertragsverletzung untätig geblieben sei und den Beklagten bis 31.1.1993 auch noch beliefert habe. Damit sei von einer Verwirklichung des Kündigungsrechtes auszugehen.

Die Klägerin habe als Grund für die Vertragsauflösung allerdings auch die Schließung ihres Depots in N***** geltend gemacht. Grundsätzlich könne sich zwar niemand auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen solcher Umstände berufen, die der eigenen Sphäre angehören; bei langfristigen Verträgen wie dem vorliegenden sei jedoch davon auszugehen, daß ihnen betriebswirtschaftliche Risken innewohnen und diese auch dem Vertragsabschluß zugrunde gelegt worden seien. Daß die sofortige Vertragsauflösung einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle, könne nicht gesagt werden. Die Belieferung sei nicht willkürlich, sondern aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen eingestellt worden, wobei diese Überlegungen wiederum nicht der Klägerin, sondern der Stiftung zuzurechnen seien, in die die Klägerin eingegliedert worden sei. Der Beklagte habe sich zuvor anderweitig und ohne zwingenden Grund mit Getränken versorgt, was bei seiner Schutzwürdigkeit im Zuge der Auflösung auch zu berücksichtigen sei, selbst wenn dies kein Auflösungsrecht der Klägerin mehr begründe. Wenn auch eine Weiterbelieferung des Beklagten nach Depotschließung grundsätzlich möglich sei, stelle der diesbezüglich hohe Aufwand eine weitaus größere Härte für die Klägerin als für den Beklagten die Vertragsauflösung dar. Damit sei die Auflösung des Vertrages gerechtfertigt und der Rückforderungsanspruch der Klägerin im Sinne des § 1435 ABGB gegeben, dies allerdings erst seit 1.2.1995 und im Ausmaß von S 105.500,-- zuzüglich USt. Diese Summe könne sich nicht aus der im Vertrag festgelegten Gesamtmenge von 2.000 hl Bier ergeben, weil es sich dabei nicht um eine Mindestabnahmeverpflichtung gehandelt habe. Da die Gutschriften jeweils am Jahresende im Nachhinein erstellt worden seien, sei vielmehr gemäß § 914 ABGB auch die Rückverrechnungsvereinbarung in diesem Sinn zu verstehen. Somit hätte die Klägerin aufgrund des bis zum 1.2.1995 aufrechten Vertrages noch für sieben Jahre je S 13.500,-- abzubuchen gehabt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Beklagten erhobenen Berufung - die klagende Partei ließ die teilweise Abweisung ihres Begehrens unbekämpft - statt und änderte das Endurteil dahin ab, daß es unter Einschluß des unbehaupteten Teils das Klagebegehren - soweit es noch aufrecht war - zur Gänze abwies. Es führte aus:

Im Sinne der Ausführungen des Höchstgerichtes im Aufhebungsbeschluß ON 20 (5 OB 557/94) seien die wechselseitigen Verpflichtungen der Streitteile aus dem gegenständlichen Getränkebezugsvertrag als Dauerschuldverhältnis zu beurteilen, das in analoger Anwendung des § 1118 ABGB bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden könne (vgl hiezu etwa auch JBl 1983, 321 = EvBl 1983/12 mwN). Die Möglichkeit einer außerordentlichen Aufkündigung werde damit begründet, daß auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse im besonderen Maße empfindlich für die Veränderungen der für den Vertrag maßgebenden Verhältnisse seien, da es auch den sorgfältigsten Parteien nicht möglich sei, für alle Wechselfälle der undurchschaubaren Zukunft vorzusorgen, sodaß sie im besonderen Maß des Schutzes der Rechtsordnung bedürften (JBl 1982, 142 und 1983, 321 wie vor unter Hinweis auf Bydlinski in Klang2 IV/2, 200). Die Auflösung sei möglich, wenn ein Ereignis eintrete, das die Fortführung des Dauerschuldverhältnisses unzumutbar mache (JBl 1982, 142 und 1983, 321; Mayrhofer, JBl 1974, 598). Ein idS wichtiger Grund sei etwa in einer nachträglichen Erschwerung der geschuldeten Leistung, selbst wenn die Erschwernis nicht so weit ging, daß die Leistung rechtlich als unmöglich angesehen werden mußte, erblickt worden (SZ 48/77 und 31/116; JBl 1983, 321 ua). Diese Möglichkeit einer außerordentlichen Auskündigung habe auch für Bierbezugsverträge zu gelten, wenn die Einhaltung eines Vertrages durch außerhalb der Verantwortung des Verpflichteten liegende Umstände erheblich gefährdet wurde und ihm deshalb nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten sei (SZ 48/77; JBl 1983, 321; JBl 1992, 517).

Geboten sei eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien, des Bestandinteresses und des Auflösungsinteresses. Dabei werde das Bestandinteresse des Brauunternehmens dann höher zu veranschlagen sein, wenn die Vorleistung im Vergleich zur Abnahmeverpflichtung überwiegt, weil dann die Beschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit des Abnehmers erträglich sein werde. Dessen Interesse werde dann überwiegen und zu wahren sein, wenn die Leistung des Brauunternehmens im Verhältnis zur Abnahmeverpflichtung, insbesondere auch zum Grad der Anspannung des Abnehmers für die Erfüllbarkeit, geringer sei und daher die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Abnehmers schwerer beeinträchtigt werde, sodaß geradezu eine sachlich nicht begründete Abhängigkeit zum Brauereiunternehmen angenommen werden müsse. Bei dieser Beurteilung seien die Anschauungen des redlichen Geschäftsverkehrs zu beachten (JBl 1983, 321; JBl 1992, 517). Zu berücksichtigen seien sowohl Gründe auf Seiten des Abnahmepflichtigen als auch allgemeiner neutraler Natur, die für einen - hier relevierte - schwache Abnahmeverpflichtung maßgeblich hätten sein können. Eine allfällige Pattstellung in der beiderseitigen Interessenlage müßte durch die Berücksichtigung von Faktoren aufgelöst werden, die sich aus der Lehre von der Geschäftsgrundlage gewinnen ließen und dort relevant seien, nämlich die Voraussehbarkeit des gegen die Vertragsbindung geltend gemachten Umstandes und dessen Zugehörigkeit zur Herrschaftssphäre eines der Vertragspartner. Je besser bei Vertragsabschluß für die Kontrahenten der für die Auflösung geltend gemachte Umstand voraussehbar gewesen sei und je vollständiger er allein aus der Sphäre des auflösungswilligen Partners stamme, umso stärker sei die Stabiliät der Vertragsbindung und umso größere Anforderungen seien an die Gewichtigkeit des Auflösungsgrundes zu stellen (JBl 1992, 517).

Selbst wenn man von dem hier eher günstigeren Fall der erwähnten Pattstellung zugunsten der Klägerin ausgehe, tendierten ihre Einwendungen letztlich allein dahin, daß sie mangels Rentabilität der Belieferung des Beklagen den Bierbezugsvertrag nicht mehr beihalten wolle, wobei die wirtschaftliche Entscheidung ganz allein ihrer eigenen Sphäre zuzurechnen sei und der Beklagte keinen Einfluß auf diese Entscheidung gehabt habe.

Ob eine allfällige Unrentabilität des Depots in N***** für die Klägerin bei Vertragsabschluß schon voraussehbar gewesen sei oder nicht, könne insoweit dahingestellt bleiben, als es ihr durchaus möglich gewesen wäre, für diesen Fall eine zulässige Kündigungsmöglichkeit im Vertrag vorzusehen (vgl für einen Arbeitsvertrag auf bestimmte Zeit Arb 10.215; DRdA 1986, 323 = JBl 1986, 331; RdW 1994, 87). Gehe man zudem davon aus, daß nach den gescheiterten Auflösungsverhandlungen der Beklagte ungeachtet des davorliegenden Minderbezuges nunmehr offenbar bestrebt gewesen sei, seiner Abnahmeverpflichtung nachzukommen, müsse die Verweigerung der Annahme von Bestellungen und die Ablehnung jeglicher Weiterbelieferung zusammenfassend allein zu Lasten der Klägerin gewertet werden. Nicht übersehen werden dürfe auch, daß es bei der Lage des Betriebes des Beklagten und aufgrund der aktenkundigen Zustellprobleme für den Beklagten sicher nicht einfach sein werde, zu denselben Bedingungen (insbesondere Zulieferung auf die Alm) einen Geschäftspartner zu finden. Dabei spiele es keine Rolle, daß sich der Beklagte derzeit mit der eigenen Zustellung behelfen müsse, die ungeachtet des günstigeren Bierpreises bei Abwägung aller Gesamtumstände auch in Betracht zu ziehen sei. Die Interessenabwägung bezogen auf den im zweiten Rechtsgang geltend gemachten Auflösungsgrund gehe entgegen der Ansicht des Erstgerichtes allein zu Lasten der Klägerin, sodaß aus diesem Grund eine wirksame Auflösung nicht vorliege und damit eine Rückforderung des verlorenen Zuschusses im noch streitgegenständlichen Umfang nicht rechtens sei. Beide Parteien seien weiter an den Bierbezugsvertrag gebunden, und es werde nunmehr am Beklagten gelegen sein, in angemessener Art und Weise entsprechende Lieferungen von der Klägerin abzuberufen. Sollte er dies nicht tun, ohne daß die Klägerin wiederum ungerechtfertigt die Belieferung verweigert, müßte geprüft werden, ob dies nicht unter Umständen eine Vertragsverletzung des Beklagten darstelle und dann eine außerordentliche Kündigung rechtfertige (vgl WBl 1989, 160).

Im übrigen habe das Erstgericht das Verhalten der Klägerin nach den festgestellten vertragswidrigen Bierbezügen des Beklagten im Sommer 1992 zutreffend so gewertet, daß sie ein Auflösungsrecht verwirkt habe. Ungeachtet der von beiden Streitteilen ins Auge gefaßten einvernehmlichen Auflösung des Dauerschuldverhältnisses habe sich nämlich die Klägerin nicht etwa das Auflösungsrecht wegen der dargestellten Vertragesverletzungen vorbehalten, sondern diese im Zuge der Auflösungsgespräche offenbar nicht einmal erwähnt. Dazu komme, daß der Beklagte nach Scheitern der Auflösungsgespräche von der Klägerin ohne irgendwelche Vorbehalte oder Mahnungen weiter beliefert worden sei, bis die Klägerin letztendlich ihr Depot schloß und die Lieferungen an den Beklagten einstellte. Dieses Verhalten sei vom Erstgericht zu Recht als ein Verzicht auf das Auflösungsrecht beurteilt worden.

Auch von einer einvernehmlichen Auflösung des Dauerschuldverhältnisses könne keine Rede sein. Zum einen seien die diesbezüglichen Gespräche um die Jahreswende 1992/93 gescheitert. Dann habe der Beklage seine Bestellungen bei der Klägerin fortgesetzt, die ihn teils beliefert, teils wegen Schließung ihres Depots nicht mehr beliefert und dies dem Beklagten auch mitgeteilt habe. Ungeachtet der von der Klägerin letztlich im März 1993 erklärten vorzeitigen Auflösung des Vertrages habe der Beklagte auf weiteren Lieferungen bestanden, sodaß bei Betrachtung aller Umstände (§ 863 ABGB) von einer einvernehmlichen, schlüssigen Auflösungsvereinbarung nicht ausgegangen werden könne.

Zusammenfassend sei somit von einer rechtswirksamen einseitigen Auflösung des Vertrages durch die klagende Partei ebensowenig auszugehen wie von einer einvernehmlichen Auflösung.

Auch Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes (die das Berufungsgericht von sich aus in seine rechtlichen Erwägungen einbezog), stünden der daraus resultierenden Verneinung des Klagsanspruches nicht entgegen.

Dort sei ein dem gegenständlichen Vertrag vergleichbarer Vertragstyp

(nämlich der Bierlieferungsvertrag) im sekundären Gemeinschaftsrecht

ausdrücklich geregelt. Der Abschluß und die teilweise Abwicklung des

hier zu beurteilenden Bierbezugsvertrages lägen vor dem Inkrafttreten

des EWRA am 1.1.1994 (BGBl 909/1993) bzw vor dem Beitrittsvertrag

Österreichs zur EU (BGBl 1995/45), aufgrund dessen der EGV mit

1.1.1995 für Österreich wirksam geworden sei. Die Folgen des hier zu

beurteilenden Bierbezugsvertrages reichten allerdings in den

Geltungsbereich des EWRA bzw des EGV hinein. Da nunmehr die

rechtswirksame Auflösung des Vertrages verneint worden sei, sei er in

seiner abgeschlossenen Form zwischen den Parteien (weiter)

abzuwickeln, sollten nicht weitere rechtliche Hindernisse

entgegenstehen. Es sei somit zu prüfen, inwieweit der

Bierbezugsvertrag im Hinblick auf die durch den EWRA und den BGV

eingetretene Gesetzesänderung und unter Beachtung der jeweiligen

Übergangsbestimmungen zu beurteilen sei. Im Falle einer

Gesetzesänderung sei nämlich unter Beachtung der Übergangsregelungen

der in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Gesetzes reichende

Teil eines Dauerrechtsverhältnisses nach dem neuen Gesetz zu

beurteilen (vgl JBl 1989, 447 = SZ 62/34 ua). Für den Inhalt und die

Auflösung des Dauerrechtsverhältnisses gelte das neue Gesetz ebenso

wie für die Rechtsfolgen (Koziol/Welser, Grundriß 110, 32 mwN; idS

auch Bydlinski in Rummel2, Rz 1 zu § 5 mwN; zur Auswirkung der neuen

Rechtslage im Wettbewerbsrecht siehe im übrigen auch 4 Ob 88/94 = ÖBl

1994, 279 = MR 1994, 249 = ecolex 1995, 35 = WBL 1995, 21 = RdW 1995,

15 = ÖJZ-LSK 1995/38-41).

Daß der EWR-Vertrag ebenso wie der EGV als sogenanntes gemeinschaftliches Primärrecht unmittelbar in Österreich anwendbar, also auch von den Gerichten anzuwenden seien, stehe außer Frage (vgl 4 Ob 88/94 mwN). Ebenso sei aber auch die Verordnung Nr. 1984/83 der Kommission vom 22.6.1983 über die Anwendung des Art 85 Abs 3 des Vertrages (EGV) auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen anzuwenden (Fassung vor dem Beitrittsvertrag Amtsblatt Nr.L173 vom 30.6.1983, Seite 5 in der Fassung Amtsblatt Nr. L302 vom 15.11.1985, Seite 23). Bei dieser Verordnung handle es sich um sogenanntes gemeinschaftliches Sekundärrecht, welches (auch) zufolge der zitierten Vertragswerke, die eine Übernahme zusätzlich ausdrücklich statuierten, anzuwenden sei.

Die zitierten gemeinschaftlichen Rechtsquellen, nämlich Art 85 EGV bzw der inhaltlich gleichlautende Art 53 EWRA iVm der Verordnung der Kommission Nr. 1984/83 würden sich - vereinfacht gesprochen - mit verbotenen Vereinbarungen befassen, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Dabei könnten auch Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, an denen nur Unternehmen aus einem Mitgliedstaat beteiligt sind, das Merkmal der Eignung zur Handelsbeeinträchtigung im Sinn des § 85 Abs 1 EGV erfüllen. Denn auch wenn Absprachen ausschließlich zwischen Unternehmen aus ein und demselben Mitgliedstaat und nur für den nationalen Markt getroffen werden, werde der zwischenstaatliche Handel berührt, sobald die Absprache auch nur teilweise Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten erfasse, Rückwirkungen auf Importe oder sogar auf die Möglichkeiten der beteiligten Unternehmen habe, eine geschäftliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Eine solche Wettbewerbsbeeinträchtigung sei jedenfalls gegeben, wenn sich ein Kartell auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates beziehe; es könnten aber auch wirtschaftlich unbedeutende Verträge zwischen Unternehmen aus demselben Mitgliedstaat wettbewerbsrechtlich relevant sein, indem sie sich in umfassende Netze gleichartiger Verträge einordnen, zur Errichtung von Handelsschranken beitragen und die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung erschweren, was vor allem auch für Bierlieferungsverträge gelte. Allerdings sei hiebei in besonderem Maße auf das Merkmal der Spürbarkeit einzugehen (vgl Schröter in Von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Handbuch des europäischen Rechtes, Rz 146 und 147 zu Art 85; ebenso Emmerich in Dauses, Handbuch des EG Wirtschaftsrechtes, H I Rz 87; EuGH - Stergios Delimitis/Henningerbräu, Rechtssache C 234/89 , Urteil 28.2.1991, SLG 1991, S. I-935).

Eine zivilrechtliche Folge von Verstößen gegen das Kartellverbot sei die Nichtigkeit (Teilnichtigkeit) der getroffenen Vereinbarung. Der Nichtigkeitsbegriff des Gemeinschaftsrechtes knüpfe zwar an den Institutionen des innerstaatlichen Rechtes der Mitgliedstaaten an, sei aber durch die Übernahme in den EGV zu einem Begriff des Gemeinschaftsrechtes geworden. Dabei komme es auf die gemeinschaftliche Zielsetzung der Vorschrift an. Nationale Besonderheiten beim Verständnis der Nichtigkeit von Rechtsgeschäften blieben hier außer Betracht. Eine solche Nichtigkeit (insbesondere jene nach Art 85 Abs 2 EGV) bedeute, daß die mit der Vereinbarung angestrebte rechtliche Bindung nicht eintrete. Infolgedessen stehe es dem betroffenen Unternehmen von Anfang an frei, sich so zu verhalten, als wenn die wettbewerbsbeschränkende Absprache niemals getroffen worden wäre. Die Nichtigkeit sei damit ein gleichermaßen einfaches wie wirksames Mittel zur Sicherung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Beteiligten. Diese zivilrechtliche Nichtigkeit ergebe sich aus dem Vertrag selbst. Sie trete automatisch und ohne Vermittlung durch eine vorhergehende Entscheidung ein. Für die Anwendung des Art 85 Abs 2 EGV seien die Gerichte der Mitgliedstaaten ausschließlich zuständig, wobei ihre Entscheidung deklaratorischen Charakter habe. Die Feststellung der Nichtigkeit erfolge von Amts wegen, sobald die Tatsachen bekannt werden, welche die Unwirksamkeit der Vereinbarung oder des Beschlusses begründen (vgl Schröter, aaO, Rz 158 bis 161 zu Art 85; idS auch Koch in Grabitz/Hilf, KommzEU, Rz 138 f zu Art 85).

Die Prüfung der einschlägigen Übergangsbestimmungen des EWRA bzw des EU-Beitrittsvertrages ergebe jedoch, daß vorliegendenfalls die zitierte Vereinbarung (noch) nicht unter den Aspekten des Gemeinschaftsrechtes zu beurteilen sei und demgemäß auch eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht nicht in Betracht komme. Die zitierte Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22.6.1983 sei zum einen durch BGBl Nr. 909/1993 teilweise abgeändert worden, und zwar in Anhang XIV (Wettbewerb) B (Ausschließlichkeitsverträge) Zl. 3. Festgelegt sei des weiteren in BGBl Nr. 909/1993 im Protokoll 21 Art 4 und 5, daß die Norm des Art 53 Abs 1 EWRA bzw wohl auch die damit zusammenhängende, bereits mehrfach zitierte Verordnung Nr. 1984/83 auch auf Vereinbarungen nicht anzuwenden sei, die bereits bei Inkrafttreten des EWR Abkommens bestanden haben (was hier der Fall sei), soweit bestimmte Kriterien gegeben seien (Art 5 Abs 2). Diese Kriterien umschreibe Art 4 Abs 2 lit a BGBl Nr. 909/1993 unter anderem dahingehend, daß Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen nicht dem zitierten Wettbewerbsverbot des Art 53 Abs 1 EWRA widersprächen, wenn an ihnen nur Unternehmen aus einem EG-Mitgliedstaat oder aus einem EFTA-Staat (was hier der Fall sei) beteiligt sind und die Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen nicht die Ein- oder Ausfuhr zwischen den Vertragsparteien betreffen. Vertragsparteien seien gemäß Artikel 1 (in der Urschrift der Entscheidung richtig: 2) lit c des EWRA im Falle der Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten: die Gemeinschaft und die EG-Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft oder die EG-Mitgliedstaaten. Die jeweilige Bedeutung sei im Einzelfall aus den einschlägigen Bestimmungen dieses Abkommens und aus den Zuständigkeiten der Gemeinschaft bzw der Mitgliedstaaten, wie sie sich aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ergeben.

Aus der Textierung des hier zu beurteilenden Bierlierferungsvertrages sei ein direkter Einfluß auf den Import/Export im vorangeführten Sinne nicht zu ersehen, weil sich der Vertrag mit Import oder Export gar nicht befasse.

In Anhang III (Wettbewerb) D (Gruppenfreistellungsvereinbarungen) Zl 2 BGBl 1995/45 sei die Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 durch einen Art 15a folgenden Inhalts ergänzt worden:

"Das Verbot des Art 85 Abs 1 des Vertrages gilt nicht für Vereinbarungen, die zum Zeitpunkt des Beitrittes Österreichs, Finnlands, Norwegens und Schwedens bestanden und infolge des Beitrittes in den Anwendungsbereich des Art 85 Abs 1 des Vertrages fallen, sofern sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt des Beitrittes so geändert werden, daß sie den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechen. Dieser Artikel gilt jedoch nicht für Vereinbarungen, die zum Zeitpunkt des Beitrittes bereits in den Anwendungsbereich des Art 53 Abs 1 des EWR-Abkommens fallen."

Daß letzteres nicht zutreffe, sei bereits dargetan worden. Im übrigen befasse sich diese Bestimmung mit der Gültigkeit von sogenannten Beitrittskartellen (vgl hiezu Schröter aaO, Rz 175 f zu Art 85 und Gleiss/Hirsch, Komm zum EG-Kartellrecht4, Rz 1727 f). Abzustellen sei indes nach der österreichischen, hier maßgeblichen Rechtslage darauf, welcher Sachverhalt am Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz vorgelegen sei; dieser Zeitpunkt stelle die maßgebeliche Zäsur für die rechtliche Beurteilung dar. Er sei noch innerhalb der vorzitierten Übergangsfrist für die u.U. notwendige Abänderung des Vertrages gelegen, sodaß ausgehend von diesem Zeitpunkt (noch) nicht gesagt werden könne, daß die Vereinbarung auch gemeinschaftsrechtlich nichtig gewesen wäre. Diese Nichtigkeit wäre - ginge man nicht vom Standpunkt der noch gegebenen Gültigkeit der Vereinbarung aus - nach den vom EuGH in der bereits zitierten Rechtssache Delimitis/Henningerbräu (offenbar zu ergänzen: vorgegebenen Kriterien) zu prüfen. Dazu bedürfte es aber einer umfassenden Verfahrensergänzung, die indes nicht notwendig sei.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechtes im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage vorliege.

Die klagende Partei hat gegen das Urteil des Berufungsgerichtes fristgericht Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Streitfalls erhoben. Sie vertritt den Standpunkt, daß die mangelnde Rentabilität einer Weiterbelieferung des Beklagten nach Auflösung des Getränkedepots in N***** sehr wohl als wichtiger Grund für die Auflösung des streitgegenständlichen Getränkebezugsvertrages anzuerkennen gewesen wäre, weil bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen auch die geringe Menge der vom Beklagten bis zum Jahresende 1992 abgenommenen Getränke und sein vertragwidriger Fremdbezug berücksichtigt hätten werden müssen; im übrigen sei - entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - der streitgegenständliche Getränkebezugsvertrag schon jetzt als eindeutig (teil-)nichtig iSd Art 85 Abs 2 EUV zu erkennen, weil er die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung für Alleinbezugsverträge nicht erfülle und auch nicht fristgerecht bei der Überwachungsbehörde des EWR angemeldet bzw EU-konform gemacht worden sei. Damit stehe der klagenden Partei ein Bereicherungsanspruch (aus der notwendigen Rückabwicklung) zu. Der Revisionsantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung so abzuändern, daß der Beklagte schuldig erkannt wird, der Klägerin S 159.000,-- samt 11 % Zinsen seit 1.1.1993 zu zahlen; in eventu solle das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werden.

Vom Beklagten liegt dazu eine fristgerecht erstattee Revisionsbeantwortung mit dem Antrag vor, die Revision entweder mangels Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben.

Die Revision erweist sich als unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist daran zu erinnern, daß jener Teil des erstgerichtlichen Urteils ON 23, mit dem das Klagebegehren im Umfang von S 32.400,-- samt 11 % Zinsen seit 1.1.1993 sowie 11 % Zinsen aus S 126.600,-- vom 1.1.1993 bis 1.2.1995 (richtig: 31.1.1995) abgewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen ist. Soweit die Klägerin jetzt erneut diese Forderung geltend macht, steht der Behandlung ihres Rechtsmittels das Prozeßhindernis des § 411 Abs 2 ZPO entgegen (vgl Rechberger in Rechberger, Rz 2 zu § 411 ZPO).

Was die Frage betrifft, ob die mit der Auflassung des Getränkedepots in N***** verbundenen Schwierigkeiten der Klägerin, ihre Lieferverpflichtung gegenüber dem Beklagten zu erfüllen, eine Aufhebung des Vertrages rechtfertigen, hat schon das Rekursgericht zu erkennen gegeben, daß es darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickt. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes werden in ihren zutreffend belegten grundsätzlichen Aussagen (vgl nur JBl 1992, 517) von der Klägerin auch gar nicht in Zweifel gezogen; sie rügt lediglich, daß bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen die mangelnde Vertragstreue des Beklagten nicht berücksichtigt worden sei.

Die richtige Gewichtung entscheidungsrelevanter Umstände bei einer gebotenen Interessenabwägung wirft idR - so auch hier - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, weil das Ergebnis immer nur für den konkreten Fall gültig sein kann, also keinen wesentlichen Beitrag zur Rechtsentwicklung erwarten läßt. Probleme der Rechtssicherheit, wie sie sich nach der Judikatur des OGH zu den Zulässigkeitskriterien des § 502 Abs 1 ZPO aus einer eklatanten Fehlbeurteilung ergeben können (vgl RZ 1994, 138/45), spricht die Rechtsmittelwerberin selbst nicht an. Ein revisibler Beurteilungsfehler des Berufungsgerichtes könnte daher hinsichtlich der Gewichtung des geltend gemachten Vertragsausfhebungsgrundes nur darin liegen, einen für die Interessenabwägung wichtigen Umstand überhaupt nicht beachtet und damit das Gebot einer Gesamtbeurteilung verletzt zu haben. Auch das trifft jedoch nicht zu. Das Berufungsgericht hat sich ausdrücklich zur Notwendigkeit einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen bekannt (S. 15 des Berufungsurteils); daß es dabei die geringen Mengen der vom Beklagten bis zum Jahresende 1992 abgenommenene Getränke und seinen Fremdbezug im Sommer 1992 (anders als das Erstgericht, das damit die Schutzwürdigkeit des Beklagten entscheidend geschwächt sah: S 22 des Urteils ON 23) wegen der Fortsetzung ungetrübter Geschäftsbeziehungen zwischen den Streitteilen als nicht ausreichend erachtete, um die "Pattstellung" der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Beklagten zu verschieben, läßt keine Überschreitung des eingeräumten Beurteilungsspielraums erkennen. Ob die klagende Partei einen ausreichend wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses hatte, könnte daher vom OGH nur im Zusammenhang mit der Lösung einer anderen entscheidungswesentlichen Rechtsfrage geklärt werden.

Eine solche Rechtsfrage erblickte das Berufungsgericht in der

Notwendigkeit, neues Gemeinschaftsrecht anzuwenden (und auszulegen);

in Wahrheit hat jedoch die Lösung des Streitfalls eine Beschäftigung mit dem Geinschaftsrechts gar nicht erfordert.

Es trifft zu, daß Getränkebezugsverträge, die die Kriterien der

Einzel- oder Gruppenfreistellung nicht erfüllen, nichtig iSd Art 85

EGV sein können und daß diese Nichtigkeit - wie vom Berufungsgericht

im Detail dargelegt wurde - absolut wirkt (Schröter in Von der

Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-Vertrag4, Rz 163 zu Art

85; Grill in Lenz, Kommentar zu dem Vertrag zur Gründung der

Europäischen Gemeinschaften, Rz 33 zu Art 85 ua). Dementsprechend

wäre die Nichtigkeit - allenfalls nach Befassung der Kommission oder nach Einholung einer Vorabentscheidung (Grill in Lenz aaO, Rz 34) - von Amts wegen festzustellen, falls nicht (wie letztlich vom Berufungsgericht angenommen) Übergangsvorschriften die Anwendung des Art 85 EGV auf den konkreten Streitfall ausschließen. Jene Teile des Vertrages, die den Verbotstatbestand erfüllen, hätten keinerlei rechtliche Wirkungen zwischen den Vertragsparteien und auch nicht gegenüber Dritten (Schröter aaO).

Die mittelbaren Zivilrechtsfolgen verbotswidrigen Handelns sind allerdings im Gemeinschaftsrecht nicht geregelt. Sie sind dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedsstaaten zu entnehmen (Grill in Lenz aaO, Rz 35 zu Art 85 unter Hinweis auf die Judikatur der EnG 4; Schröter aaO, Rz 157 zu Art 85). Dementsprechend ist es - zumindest auf Österreich bezogen - der privatautonomen Entscheidung der Parteien anheimgestellt, welche Unterlassungs-, Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche sie aus der Nichtigkeit eines nach Art 85 EGV wettbewerbswidrigen Vertrages ableiten. Sie können sich auf einzelne Ansprüche beschränken, den Rechtsgrund ihres Begehrens festlegen oder auch überhaupt auf solche Ansprüche verzichten.

Im konkreten Fall geht es um (vertraglich näher definierte) Bereicherungsansprüche, die die Klägerin aus der außerordentlichen Kündigung (und der daraus resultierenden Rückabwicklung) des Getränkebezugsvertrags vom 12.1.1988 abgeleitet hat, weil der Beklagte seine Verpflichtung zum ausschließlichen und ununterbrochenen Bierbezug im Sommer 1992 vereltzte und dann im März 1993 - durch die Schließung des Getränkedepots in N***** - die Vertragserfüllung für die Klägerin unzumutbar geworden sei. Auf die Nichtigkeit des Getränkebezugsvertrages gemäß Art 85 EGV hat sich die Klägerin (anders als der Gast in dem dem EuGH zu Vorabentscheidung vorgelegten Fall Stergios Delimits gegen Henninger Bräu AG, C-234/89 ) nie berufen, sondern vielmehr als einzigen Klagegrund die Vertragsverletzung des Beklagten und betriebliche Veränderungen im eigenen Bereich angegeben.

Nach stRsp ist es im vom Verhandlungsgrundsatz beherrschten streitigen Verfahren nicht notwendig, ja dem Gericht sogar verwehrt, auf Klagegründe einzugehen, die die klagende Partei nicht geltend gemacht hat (vgl zuletzt GesRZ 1995, 187). Die Parteien bestimmen den Inhalt und die Auswirkungen ihrer Sachanträge, also nicht nur, über welchen Anspruch sie ein Urteil begehren, sondern auch, auf Grund welcher Tatsachen die Entscheidung gefällt werden soll (RZ 1979, 62 ua). Wenn das Gericht einen anderen Klagegrund als den von der klagenden Partei vorgebrachten zur Urteilsgrundlage nimmt, begründet dies ähnlich wie im Fall des § 405 ZPO einen Verfahrensmangel (SZ 42/138; HS 15/13). Diese Bindung an den Streitgegenstand wird von der Judikatur sogar dann angenommen, wenn die klagende Partei zwar umfangreiches, mehrere Rechtsgründe des geltend gemachten Anspruchs abdeckendes Tatsachenvorbringen erstattet, sich jedoch auf einen bestimmten Rechtsgrund für ihr Begehren festgelegt hat (vgl Rechberger in Rechberger, Rz 16 vor § 226 ZPO und die dort angeführte Judikatur).

Damit bestand für das Berufungsgericht, was der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung zu Recht rügt, gar kein Anlaß, einer allfälligen Nichtigkeit der streitgegenständlichen Vereinbarung unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten nachzugehen. Es hatte nicht über unmittelbare Auswirkungen des Vertrages auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zu entscheiden (was schon kraft Gemeinschaftsrechtes ein Eingehen auf die Gültigkeit des Vertrages erfordert hätte), sondern war mit der Geltendmachung mittelbarer zivilrechtlicher Folgen befaßt, die nicht mit einem Verstoß gegen die Verbotsnorm des Art 85 EGV, sondern mit der Rechtsfolgenregelung nach einer in analoger Anwendung des § 1118 ABGB erklärten vorzeitigen Vertragsauflösung begründet wurden. Somit hängt die Entscheidung des Rechtsstreites in Wahrheit gar nicht von der Lösung von Rechtsfragen ab, die das Gemeinschaftsrecht aufwirft.

Die Relevanz der an den OGH herangetragenen Rechtsfragen für die Entscheidung des Rechtsstreites gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen, die § 502 Abs 1 ZPO für die Revision verlangt (vgl WoBl 1991, 212/129). Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, zumal der Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes den OGH nicht bindet (§ 500 Abs 4 ZPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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