Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 11.437,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 1.10.1972 schloß die Klägerin, die damals ungarische Staatsbürgerin war, mit dem damaligen österreichischen Botschafter in Ungarn einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Stubenmädchen in der Österreichischen Botschaft in Budapest. Gemäß Punkt 1 des Vertrages solle auf das Arbeitsverhältnis ungarisches Recht zur Anwendung kommen. Der Vertrag trägt neben der Unterschrift des Botschafters auch den Rundstempel der Österreichischen Botschaft. Das Arbeitsverhältnis wurde auch im Arbeitsbuch der Klägerin eingetragen. Die Klägerin arbeitete in der Folge als Stubenmädchen in der Residenz des Botschafters, wurde aber auch bei offiziellen Anlässen zur Gästebetreuung im Service herangezogen und mußte fallweise Telephondienst versehen. Nach der Bestellung eines anderen Botschafters übernahm dieser per 1.2.1978 das bereits vorhandene Personal von seinem Vorgänger. Am 11.3.1978 erlitt die Klägerin bei einem Autounfall anläßlich einer Privatfahrt an einem dienstfreien Wochenende schwere Verletzungen und befand sich im Anschluß daran bis 10.9.1978 im Krankenstand. Mit Schreiben vom 1.9.1978 kündigte der Botschafter das Dienstverhältnis der Klägerin mit dem Tag der ärztlichen Gesundschreibung auf. Die Klägerin teilte jedoch ihre Gesundschreibung per 10.9.1978 dem Botschafter nicht mit, sondern reiste nach Österreich, um hier eine Unfallklinik aufzusuchen, wo sie zur stationären Durchuntersuchung aufgenommen wurde. Mit Schreiben vom 18.9.1978 erklärte der Botschafter, daß der Nichtantritt des Dienstes durch sie als Arbeitsverweigerung zu werten sei und sprach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung aus. Dieses Schreiben erreichte die Klägerin. Die Klägerin wandte sich zunächst nicht an die Arbeitsschiedskommission in Budapest. Erst nach ihrer Eheschließung in Österreich (seither ist sie auch österreichische Staatsbürgerin) wandte sie sich im Frühjahr 1979 an die Arbeitsschiedskommission, doch wurden ihr dort keine schriftlichen Unterlagen ausgefolgt; es wurde ihr lediglich eine "negative Auskunft" erteilt. Der Grund für die negative Auskunft steht nicht fest.
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 22.8.1979 erhobenen Klage letztlich die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis aufrecht fortbestehe sowie die Zahlung eines Betrages von 287.495,33 S an Entgelt für die Zeit nach dem Ausspruch der ihrer Meinung nach ungerechtfertigten Kündigung bzw Entlassung. Sie sei unberechtigt während ihres Spitalsaufenthaltes gekündigt bzw entlassen worden. Nach ungarischem Recht sei die Kündigung eines Arbeitnehmers während seiner Erkrankung unzulässig.
Die beklagte Partei wendete vorerst ein, es habe zwischen den Streitteilen nie ein Arbeitsverhältnis bestanden, ein solches sei vielmehr nur zwischen der Klägerin und dem Botschafter persönlich begründet worden. Sie sei nach der Gesundmeldung mit Schreiben vom 19.9.1978 in Übereinstimmung mit der ungarischen Rechtsordnung gekündigt worden.
Außer Streit steht, daß auf das Arbeitsverhältnis ungarisches Recht Anwendung zu finden hatte (auch 4 Ob 127/82).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da im Arbeitsbuch die Österreichische Botschaft als Arbeitgeber eingetragen sei, stehe die Arbeitgebereigenschaft der beklagten Partei fest. Die Klägerin hätte jedoch nach ungarischem Recht in Bekämpfung der Auflösungserklärungen vom 1.9.1978 bzw 19.9.1978 innerhalb einer 15-tägigen Frist die Arbeitsschiedskommission anrufen müssen. Deren Beschlüsse wären dann vor einem Gericht in Budapest anfechtbar gewesen. Da das Einstellen von Hauspersonal bzw die Beendigung solcher Dienstverhältnisse nicht zum hoheitlichen Handeln gehöre, wäre die Durchführung dieses Verfahrens gegen die beklagte Partei auch in Ungarn möglich gewesen. Mangels Anrufung der ungarischen Schiedskommission innerhalb der 15-tägigen Frist sei der Anspruch der Klägerin verfallen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Auszugehen sei von der Geltung ungarischen Arbeitsrechtes; für eine erstmals in der Berufung behauptete Rückverweisung auf österreichisches Recht bestehe nach den Verfahrensergebnissen kein Anhaltspunkt. Danach finde auf das gegenständliche Dienstverhältnis das II.Gesetz aus 1967 über das Gesetz der Arbeit, die Verordnung Nr 9/1967/X8/MüM - im folgenden kurz VO Nr 9) und die Verordnung Nr 34/1967/X7/korm (im folgenden kurz VO Nr 34) Anwendung. Gemäß § 29 Abs 4, § 33 Abs 4 VO Nr 34 hat sich der Dienstnehmer mit seinem Begehren auf Ungültigerklärung der Kündigung bzw Entlassung zunächst an ein Arbeitsschiedsgericht zu wenden. Brächte er dennoch die Klage gegen die Kündigung unmittelbar beim Gericht für Arbeitswesen ein, würde sie als unzulässig zurückgewiesen. Das Verfahren vor dem Arbeitsschiedsgericht werde durch einen Antrag eingeleitet (§ 64 VO Nr 34). Das Arbeitsschiedsgericht sei verpflichtet, die ihm vorgelegte Sache grundsätzlich aufgrund einer öffentlichen Verhandlung durch Beschluß zu erledigen. Gemäß § 17 Abs 1 der VO Nr 9 könne die Beschwerde binnen der Verjährungszeit erhoben werden, ausgenommen die in Abs 2 genannten Fälle, in denen die Beschwerde binnen 15 Tagen einzureichen sei. Zu diesen Fällen gehörten unter anderem laut lit b die Beschwerden bei Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Werde die Einreichungsfrist von einer Partei versäumt, so könne dies bei nicht selbst verschuldeter Säumnis entschuldigt werden. Werde die "Berufung" wegen der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder wegen eines aus Disziplinargründen erfolgten Entlassungsbeschlusses vom Arbeitnehmer erst nach Ablauf von 6 Monaten eingereicht, so könne er nicht die Wiederherstellung seines Arbeitsverhältnisses und seine weitere Beschäftigung in seinem ursprünglichen Arbeitsbereich fordern (§ 18 VO Nr 9). Gegen den Beschluß des Arbeitsschiedsgerichtes, das gemäß § 63 VO Nr 34 über die strittigen Fragen bezüglich der Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber entscheide, könne von beiden Teilen gemäß § 65 leg cit beim Gericht für Arbeitswesen vom Tage der Wirkamkeit binnen 6 Monaten ein neues Verfahren beantragt werden. Nach 3 Jahren ab Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses könne ein neues Verfahren nicht eingeleitet werden.
Aus dieser Rechtslage ergebe sich, daß die Klägerin auf der Grundlage des ungarischen Rechtes vor Befassung des Arbeitsgerichtes ein ungarisches Arbeitsschiedsgericht hätte anrufen müssen. Dies habe sie vorerst unterlassen. Erst im Frühjahr 1979 habe sie beim Arbeitsschiedsgericht vorgesprochen, doch sei es nicht zur Einleitung eines Verfahrens gekommen. Der Umstand, daß sie bei einer Nachfrage eine negative Auskunft erhalten habe, könne jedoch die nach den ungarischen Vorschriften für die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens notwendige Entscheidung des Arbeitsschiedsgerichtes nicht ersetzen. Da die Klägerin weder binnen 15 Tagen noch binnen einer sonstigen Frist einen Antrag gegen die beklagte Partei beim Arbeitsschiedsgericht gestellt habe, brauche auf die offenbar auf § 6 IPRG abstellenden Überlegungen der Berufung zum ordre public nicht eingegangen werden; die Institutionalisierung einer der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgelagerten Schiedsgerichtsbarkeit in Arbeitsrechtssachen verstoße keineswegs gegen den ordre public. Zufolge der Unterlassung der Anrufung des Arbeitsschiedsgerichtes fehlte dem Anspruch der Klägerin die Klagbarkeit, zumal es sich bei den diesbezüglichen Vorschriften nicht nur um prozessuale Normen handle. Die Klage sei daher zu Recht abgewiesen worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Ein Nichtigkeitsgrund wird nicht aufgezeigt. Die Klägerin wendet sich mit ihren Ausführungen zu diesem Revisionsgrund dagegen, daß die Vorinstanzen zu Unrecht ihre Ansprüche nicht auf der Grundlage des anzuwendenden ungarischen Rechtes geprüft hätten. Damit wird jedoch keine Nichtigkeit, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
Die Unterlassung der Aufnahme der in der Revision genannten Beweismittel wurde in der Berufung nicht als Mangel des Verfahrens erster Instanz gerügt. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß Verfahrensmängel erster Instanz, die in der Berufung nicht gerügt wurden, mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (SZ 23/352; SSV-NF 1/68 uva). Ein Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen des Rechtsmittels ist dem Revisionsgericht daher verwehrt.
Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.
Die Klägerin wendet sich nicht gegen die inhaltliche Richtigkeit der von den Vorinstanzen herangezogenen ungarischen Rechtsvorschriften. Sie erachtet sich im wesentlichen dadurch beschwert, daß aus der Anordnung des ungarischen Rechtes über die vor Geltendmachung des Anspruches vor Gericht notwendige Anrufung der Arbeitsschiedskommission den Schluß gezogen wurde, daß der Anspruch der Klägerin wegen nicht fristgerechter Geltendmachung bei dieser Einrichtung verfristet sei; tatsächlich handle es sich bei diesen Bestimmungen um solche des formellen Rechtes, die bei Geltendmachung des Begehrens in Österreich auf den Anspruch der Klägerin ohne Einfluß bleiben.
Dem kann nicht beigetreten werden. In der Entscheidung 9 Ob A 12/95 führte der erkennende Senat aus, daß bei der Lösung der Frage, welchem Tatbestand des österreichischen Kollisionsrechtes eine ausländische Sachnorm entspricht, unabhängig von der vom fremden Recht getroffenen Einordnung grundsätzlich auf die Qualifikation nach österreichischen Sachnormen Bedacht zu nehmen sei (siehe Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts 26 ff). Für die Normen des Arbeitsverfassungsrechtes über den Kündigungsschutz, gelte das Territorialitätsprinzip (siehe Schwimann aaO 136 f sowie 141 f;
Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 II 250;
Marhold in Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II 140 f; Rebhahn, Österreichisches Arbeitsrecht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, Strasser-FS [1983], 59 ff [75 und 77]). Hier spricht vieles dafür, daß die fraglichen Normen des nach der getroffenen Rechtswahl anzuwendenden ungarischen Sachrechts nicht dem Individualarbeitsrecht, sondern dem Betriebsverfassungsrecht im Sinne des II.Teiles des ArbVG angehören. Bezüglich der Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Kündigung oder Entlassung wird dem Arbeitnehmer durch die zitierten Bestimmungen mit dem binnen 15 Tagen einzubringenden Antrag an die Arbeitsschiedskommission ein Rechtsbehelf zur Verfügung gestellt, der der Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung oder Entlassung nach den §§ 105 bzw 106 und 107 ArbVG (bzw im Zeitpunkt des - vor Inkrafttreten des ASGG erfolgten - Ausspruches der hier gegenständlichen Auflösungserklärung der Antragstellung beim Einigungsamt) vergleichbar ist. Darauf weisen nicht nur die kurze Frist für die Geltendmachung des Anspruches, sondern auch die von der Arbeitsschiedskommission zu prüfenden Kriterien - es sind im wesentlichen soziale Kriterien zu berücksichtigen - hin.
Es kann jedoch unerörtert bleiben, ob die vom ungarischen Recht vorgesehene Anrufung des Arbeitsschiedsgerichtes eine Voraussetzung für die Geltendmachung der Ansprüche vor einem österreichischen Gericht bildet. Auch wenn man diese Bestimmung als dem formellen Recht angehörig nicht für anwendbar erachtet, wäre für die Klägerin hieraus nichts gewonnen. Es bliebe jedenfalls die Voraussetzung, daß der Anspruch im Fall der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses innerhalb von 15 Tagen zu erheben ist. Dabei handelt es sich jedenfalls um eine materiellrechtliche Bestimmung, die auch bei Geltendmachung des Anspruches in Österreich einzuhalten ist. Andernfalls ist der Anspruch - ähnlich wie bei Versäumung der Fristen des § 105 ff ArbVG - verfristet.
Da die Klage erst am 22.August 1979 und damit fast ein Jahr nach dem Zeitpunkt der Kündigungs- bzw Entlassungserklärung eingebracht wurde, ist sie verspätet erhoben. Die Klägerin kann daher ihr Begehren auf Feststellung des weiteren aufrechten Bestandes ihres Dienstverhältnisses nicht mehr geltend machen; damit fehlt auch eine Grundlage für die daraus abgeleiteten Leistungsansprüche.
Da dem Anspruch der Klägerin damit auch dann keine Berechtigung zukommt, wenn man die Möglichkeit der unmittelbaren Erhebung der Klage in Österreich bejaht, erübrigt es sich auf die Ausführungen der Revision zur Zuständigkeitsregelung der "Vienna Convention on the Law of Treaties" wie auch die Erörterungen des Rechtsmittels über die Zumutbarkeit der Verweisung der Klägerin auf die Inanspruchnahme der Rechtsschutzeinrichtungen in Ungarn im Hinblick auf die damalige politische Situation einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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