OGH 9ObA12/95

OGH9ObA12/9529.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Warnung und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Karl F*****, Produktmanager, ***** vertreten durch Dr.Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die beklagte Partei S***** GmbH & Co KG, ***** Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 2,634.911,80 S brutto sA (Revisionsstreitwert 2,282.411,80 S brutto), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.November 1994, GZ 7 Ra 58/94-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Februar 1994, GZ 22 Cga 185/93b-47, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 26.186 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.364 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger absolvierte bei der B***** GmbH in Kapfenberg bzw deren Rechtsnachfolgerin die Schlosserlehre und besuchte während seiner 25-jährigen Tätigkeit im Betrieb die Höhere Technische Lehranstalt in Kapfenberg. Zuletzt war er bei der B***** GmbH als Produktmanager tätig. Die beklagte Partei ist ein in der Pulvermetallurgie tätiges Spezialunternehmen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei bot dem damals noch bei der B***** GmbH beschäftigten Kläger eine Tätigkeit als Produktmanager für die beklagte Partei an und übermittelte ihm einen Vertragsentwurf, der über Wunsch des Klägers in einigen Punkten geändert und sodann von beiden Teilen unterfertigt wurde. Weder im unterfertigten Vertrag noch im Vertragsentwurf war vorgesehen, daß der Kläger ein bestimmtes Umsatzvolumen erzielen sollte; derartiges wurde auch nicht mündlich vereinbart. Im schriftlichen Vertrag, den der Kläger mit Beginn seiner Tätigkeit für die beklagte Partei am 1. September 1990 unterfertigte, wurde vereinbart, daß der Kläger als Produktmanager die Vertriebs- und Werbebemühungen der beklagten Partei insbesondere durch Vermittlung der für die Produkteinführung nützlichen Kontakte und die fachliche Unterrrichtung der Kunden fördern solle. Im Vertragsgebiet Republik Österreich übernahm der Kläger neben dem Produktmanagement auch den exklusiven Vertrieb der Produkte. Der Kläger war verpflichtet, die Kunden regelmäßig zu besuchen und Informationen über ihre Bonität einzuholen, sowie sich über die Marktsituation zu unterrichten und der beklagten Partei darüber laufend zu berichten. Ferner hatte der Kläger über Verlangen der beklagten Partei persönlich an Verkaufs- oder Werbeveranstaltungen teilzunehmen und ihm von der beklagten Partei benannte Kunden im Vertragsgebiet sowie auch außerhalb dieses Gebietes zu besuchen. In der Gestaltung und Einteilung der Arbeitszeit war der Kläger, soweit es die Erfüllung der übernommenen Pflichten gestattete, trotz der Vereinbarung der Zusammenarbeit in Form eines Anstellungsverhältnisses frei, wobei die Parteien von einem Zeitaufwand von wöchentlich 38,5 Stunden ausgingen. Weiters wurde vereinbart, daß der Kläger von seinem Wohnsitz in Kapfenberg aus, auf Verlangen der beklagten Partei aber von Fall zu Fall auch am Sitz ihres Unternehmens oder an den von ihr genannten Orten, tätig werden sollte. Der jährliche Urlaubsanspruch des Klägers wurde mit 25 Arbeitstagen festgelegt. Der Vertrag enthält ferner einen detaillierten Pflichtenkatalog des Klägers als Produktmanager; so hatte der Kläger in Abstimmung mit der beklagten Partei die Konzeption für die Produktgruppen, Zielmärkte, Produktsortiment und Kundenstruktur und die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Konzeption festzulegen, den Absatz, Umsatz und Ertrag kurz- und mittelfristig zu planen, bei Erstellung von Erzeugungs-, Verkaufs- und Lagerprogrammen sowie bei Festlegung von Forschungs- und Entwicklungsprodukten mitzuarbeiten, Preisvorschläge für die einzelnen Märkte sowie für Schlüsselkunden zu erstatten, in Abstimmung mit der beklagten Partei ein produktbezogenes Werbekonzept zu erstellen, im Rahmen des Verkaufs der Vertragsprodukte die Akquisition, Offertlegung, Auftragseinholung und -bearbeitung, Terminverfolgung und Erledigung von Reklamationen zu besorgen; ferner hatte der Kläger Kundenlisten zu erstellen, bei technischen und kaufmännischen Fachseminaren mitzuarbeiten, produktspezifische Vertreterschulungen durchzuführen, regelmäßig an Fachseminaren teilzunehmen und regelmäßig an die Geschäftsleitung der beklagten Partei zu berichten. Schließlich sollten bis zum 31.Oktober eines jeden Jahres die Vertragsparteien eine gemeinsame Verkaufsplanung für das nächste Jahr erstellen. Als Vergütung wurden 10.100 DM monatlich, 13 mal jährlich und eine Provision von 3 % aus sämtlichen von der beklagten Partei im Gebiet der Republik Österreich getätigten Umsätzen und von den vom Kläger geförderten Verkäufen außerhalb dieses Gebiets vereinbart. Weiters hatte die beklagte Partei dem Kläger die angemessenen Reisekosten und Spesen zu ersetzen. Für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses wurde dem Kläger jede Konkurrenztätigkeit untersagt. Für die Dauer dieses Wettbewerbsverbotes hatte die beklagte Partei dem Kläger eine Entschädigung von 50 % der bisher bezogenen Vergütung zu leisten. Ferner wurde die Geheimhaltung aller im Rahmen der Zusammenarbeit gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse und für den Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung eine Vertragsstrafe von 50.000 DM vereinbart. Als Endtermin des Vertragsverhältnisses wurde der 30.Juni 1995 festgelegt. Nach Ablauf dieses Termins war eine Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zum Monatsende vorgesehen. Als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus dem Vertrag wurde München, als anzuwendendes Recht deutsches Recht vereinbart.

Die beklagte Partei richtete dem Kläger in Kapfenberg ein Büro ein. Der Kläger hatte nicht nur für den Vertrieb der Produkte der beklagten Partei, sondern auch dafür zu sorgen, daß sie - etwa durch Umformen und Walzen - weiterverarbeitet wurden. Damit wurden die B***** GmbH in Kapfenberg und ein jugoslawisches Unternehmen betraut.

Mitte September 1990 hielt der Kläger einen Vortrag vor Mitarbeitern der beklagten Partei. Der Vortrag war nicht flüssig und enthielt nach Ansicht des Geschäftsführers der beklagten Partei einige Fehler.

Mit Fax vom 14.Februar 1991 übermittelte der Kläger der beklagten Partei eine Umsatzplanung für 1991 über einen Betrag von 1,993.000 S. Dazu führte er aus, daß fast bei allen besuchten Kunden bereits andere Stähle in Verwendung seien, weshalb nur ein Verdrängungswettbewerb stattfinden könne. Die beklagte Partei verwies darauf, daß sie bei einzelnen Produkten keine Mitbewerber habe und zeigte sich verwundert über den Rückgang des Umsatzes bei dem Kunden B*****. Die Umsatzplanung wurde jedoch nicht revidiert. Der Kläger befolgte die Weisungen des Geschäftsführers der beklagten Partei, erklärte aber, daß er mit dem vorgegebenen Rabatt einen bestimmten Auftrag nicht erlangen könne.

Mit Schreiben vom 4.Juli 1991 wies die beklagte Partei den Kläger darauf hin, daß für das erste Jahr ein Umsatzvolumen von 1,000.000 DM vorgesehen gewesen sei, wobei der Kläger allein das Potential des Kunden B***** auf 1,000.000 DM im Jahr veranschlagt habe. Aber nicht einmal mit diesem Betrag seien die Betriebskosten des Klägers abgedeckt. In seinem Schreiben vom 14.Februar 1991 habe die Kläger die Umsatzplanung auf 2,000.000 S revidiert; die beklagte Partei habe dem widersprochen. Nun zeige sich, daß auch diese Umsatzerwartung nicht erreicht werde, da die Firma B***** ihren Auftrag reduziert habe. Die beklagte Partei müsse die Zusammenarbeit überdenken, wenn der Kläger im ersten Jahr das erwartete Umsatzminimum von 1,000.000 DM nicht erreichen sollte.

Daraufhin übermittelte der Kläger mit Fax vom 14.Juli 1991 die von der beklagten Partei gewünschte Umsatzplanung für das zweite Halbjahr 1991. Er habe sich in den letzten Monaten seiner Akquisitionstätigkeit auf Großkunden konzentriert und - namentlich genannte - Unternehmen für Aufträge gewonnen; diese Großkunden stellten ihre Produktion aber nur schrittweise auf die Erzeugnisse der beklagten Partei um. Die Umsatzplanung sah für das zweite Halbjahr 1991 ein Umsatzvolumen von 3,251.400 S vor.

Mit Schreiben vom 15.Juli 1991 erklärte die beklagte Partei daraufhin, daß sie diese Umsatzplanung nicht überzeuge und sie aufgrund des bisher erzielten Umsatzes nicht für realisierbar halte. Die beklagte Partei mache deshalb von ihrem fristlosen Kündigungsrecht Gebrauch und betrachte das Vertragsverhältnis mit Ablauf des Monats August 1991 als beendet.

Der Kläger erzielte während seines Dienstverhältnisses einen Umsatz von 93.061 DM; auch andere Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei erzielten ähnliche Umsätze wie der Kläger.

Im Juni 1991 betreute der Kläger für die beklagte Partei von Mittwoch bis Sonntag einen Messestand in Frankfurt und leistete hiebei am Samstag und Sonntag Überstunden.

Neben dem Monatsgehalt von 10.100 DM erhielt der Kläger von der beklagten Partei noch den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, den er an den zuständigen österreichischen Sozialversicherungsträger weiterleitete.

Das Gehalt für Juli und August 1991 wurde dem Kläger nicht mehr ausgezahlt. Ebensowenig erhielt er die vereinbarte 3 %ige Provision.

Der Kläger konsumierte lediglich fünf Arbeitstage Urlaub. Der von ihm gewünschte Urlaubskonsum von Mitte Juli bis Ende August 1991 wurde ihm von der beklagten Partei verwehrt.

Als der Vertreter des Klägers darauf hinwies, daß ihm aufgrund des befristeten Dienstverhältnisses Entgelt bis 31.12.1995 zustehe, antwortete die beklagte Partei, daß sie zu der vertraglichen Bindung nur dadurch bewogen worden sei, daß ihr der Kläger einen Umsatz von mindestens 1,000.000 DM als gesichert hingestellt habe. Der Kläger habe die beklagte Partei daher bei Vertragsabschluß über seine Fähigkeiten und Handelsbeziehungen arglistig getäuscht, weshalb der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag angefochten werde.

Mit am 4.September 1991 beim Sozialgericht München eingebrachter Klage begehrte die beklagte Partei gegenüber dem Kläger die Feststellung, daß das gegenständliche Dienstverhältnis infolge fristloser Kündigung und Anfechtung durch die (dortige) Klägerin zum 31. August 1991 beendet werde und dem (dortigen) Beklagten folgende Ansprüche nicht zustünden: Gehalt für Juli und August 1991 von je

10.100 DM, Provisionszahlung von 2.791 DM, Urlaubsentschädigung von 10.775,78 DM, Überstundenentgelt für Messeteilnahme von 2.642,47 DM, Arbeitgeberanteil zur österreichischen Sozialversicherung für August 1991 von 868,10 DM, Konventionalstrafe von 50.000 DM, Kündigungsentschädigung von 833.958,06 DM, Urlaubsentschädigung für das Urlaubsjahr 1991/92 von 12.433,71 DM. Das Verfahren über die Klage, die an das Arbeitsgericht München überwiesen wurde, ist noch anhängig.

Nach Beendigung des Dienstverhältnisses durch die beklagte Partei war der Kläger bis 30.September 1993 arbeitslos. Seit 1.Oktober 1993 ist er mit einem Gehalt von 30.000 S brutto beschäftigt.

Weiters vertreibt der Kläger seit dem Jahre 1992 als freiberuflicher Vertreter Produkte der Gustav G***** Edelstahlwerke GmbH in R*****. Dieses Unternehmen stellt andere Erzeugnisse her als die beklagte Partei und hat auch einen anderen Kundenkreis. Ferner vertreibt der Kläger seit 1.Mai 1992 auch Produkte der H***** AG, eines Konkurrenzunternehmens der beklagten Partei. Der Kläger stellte diesem Unternehmen keinerlei Unterlagen der beklagten Partei zur Verfügung. Insgesamt erzielte der Kläger aus diesen Tätigkeiten von Juli 1992 bis Oktober 1992 Provisionen von 42.857,60 S, von November bis Dezember 1992 10.200 S und von Februar bis Juli 1993 17.880,64 S.

Mit der vorliegenden am 30.September 1991 eingebrachten Klage machte der Kläger folgende Ansprüche geltend:

Gehalt für Juli und

August 20.200 DM 154.650,20 S

Provision für den Zeitraum

vom 1.9.1990 bis 31.8.1991

(3 % des Umsatzes von

93.061 DM) 2.791 DM 19.676,50 S

Überstundenentgelt für

Juni 1991 2.642,47 DM 18.629,41 S

Urlaubsentschädigung für

20 nicht konsumierte

Urlaubstage im Urlaubsjahr

1990/91 9.946,97 DM 70.126,13 S

Konventionalstrafe 50.000 DM 352.000,-- S

Kündigungsentschädigung für

drei Monate inklusive Sonder-

zahlungen 35.429,28 DM 249.776,42 S

Urlaubsentschädigung für das

ab 1.9.1991 beginnende

Urlaubsjahr 10.941,66 DM 87.657,63 S

Summe 953.016,36 S

Mit am 8.Februar 1993 eingelangten Schriftsatz dehnte der Kläger sein Begehren um folgende Positionen aus:

Kündigungsentschädigung bzw

laufendes Entgelt vom 1.12.1991

bis 31.1.1993 14 Monate a 11.809,76 DM

= 165.336,64 DM entsprechend

1,165.623,30 S abzüglich

anzurechnenden Einkommens von

53.057,61 S 1,112.565,70 S

Urlaubsentschädigung für das

ab 1.9.1992 beginnende

Urlaubsjahr 12.433,70 DM 87.657,61 S

1,200.223,30 S

Mit am 23.Juli 1993 eingelangtenSchriftsatz dehnte der Kläger sein Begehren noch wie folgt aus:

laufendes Entgelt bzw Kündigungsentschädigung

vom 1.2. bis 31.7.1993 DM 11.809,76 x 6 =

70.858,56 DM, entsprechend 499.552,84 S

abzüglich des anzurechnenden Einkommens

von 17.880,64 S 481.672,20 S

Summe 2,634.991,80 S.

Der Kläger begehrte daher 2,634.991,80 S samt 4 % Zinsen aus 953.016,36 S vom 1.9.1991 bis 7.2.1993, aus 2,153.239,60 S vom 8.2.1993 bis 22.7.1993 und aus 2,634.911,80 S seit 23.7.1993.

Der Kläger brachte vor, auf das Dienstverhältnis sei österreichisches Recht anzuwenden, weil es für den Arbeitnehmer günstiger sei. Nach deutschem Recht löse die unberechtigte Entlassungserklärung das Dienstverhältnis nicht auf, der Arbeitnehmer könne nur auf Fortsetzung des Dienstverhältnisses beharren; nach österreichischem Recht müsse hingegen ein durch die Auflösungserklärung unzumutbar gewordenes Dienstverhältnis nicht fortgesetzt werden. Aus Gründen prozessualer Vorsicht stütze der Kläger seine Ansprüche auch auf Entgeltfortzahlung nach deutschem Recht. Vor Vertragsabschluß sei zwischen den Streitteilen ein Mindestumsatz von 1,000.000 DM weder vereinbart worden, noch habe der Kläger die Erreichung dieses Umsatzes zugesichert. Die Konkurrenzklausel komme nicht zur Anwendung, weil die beklagte Partei das Dienstverhältnis vor Ablauf der Vertragszeit unberechtigt gelöst habe. Die Firma G***** sei keine Konkurrentin der beklagten Partei, zur Firma H***** bestehe nur ein marginales Konkurrenzverhältnis. Kundenlisten der beklagten Partei habe der Kläger diesem Unternehmen nicht zur Verfügung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 19.5.1993 begehrte der Kläger für den Fall, daß auf die Rechtssache deutsches Recht anzuwenden sei, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage, weil dem Klagevertreter erst Mitte Mai 1993 bekannt geworden sei, daß nach deutschem Recht binnen drei Wochen nach Zugehen der Kündigung Kündigungsschutzklage einzubringen sei. Für diesen Fall begehrte der Kläger die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses über den 31.August 1991 hinaus und die Bezahlung von 2,153.239,60 S sA aus aufrechtem Dienstverhältnis. Der Kläger stütze sein Begehren nach wie vor auf österreichisches Recht und nur in eventu auf deutsches Recht (AS 251).

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das vereinbarte deutsche Recht sei anzuwenden, weil es für den Arbeitnehmer günstiger sei. Es gebe dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, auf der Durchsetzung des Dienstverhältnisses zu beharren und billige ihm sogar bei Nichterfüllung einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu. Die Kündigung des Vertrages sei berechtigt gewesen, weil der Kläger die vertraglich zugesicherten Umsatzvorgaben nicht erfüllt habe. Der Kläger habe die beklagte Partei über die Aussichten der Realisierung des versprochenen Umsatzes arglistig getäuscht. Der Kläger sei nicht imstande gewesen, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen und habe mit den Mitarbeitern der beklagten Partei nicht kooperiert. Bei einem Vortrag in Deutschland habe er nicht einmal den Text zusammenhängend vom Blatt lesen können, was vor den versammelten Mitarbeitern und Kunden einen verheerenden Eindruck hinterlassen habe. Bei den Firmen G***** und H***** handle es sich um Konkurrenten der beklagten Partei. Die Zusammenarbeit mit ihnen stelle eine grobe Vertragsverletzung dar; hiefür gebühre der beklagten Partei eine Vertragsstrafe von 100.000 DM, die aufrechnungsweise eingewendet werde. Überdies habe der Kläger diesen Firmen vertrauliche Kundenlisten der beklagten Partei zur Verfügung gestellt, wodurch der beklagten Partei ein Millionenschaden entstanden sei, der ebenfalls als Gegenforderung eingewendet werde. Schließlich habe der Kläger diesen Unternehmen auch noch ihm überlassene Berichte über sämtliche von der beklagten Partei entwickelten Produktionsmethoden zur Verfügung gestellt.

In ihrer Stellungnahme zum Schriftsatz des Klägers vom 19.Mai 1993 - in dem dieser die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Kündigungsschutzklage beantragt und in eventu die Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses über den 31.August 1991 hinaus sowie an Lohnfortzahlung aus dem aufrechten Dienstverhältnis 2,153.239,60 S sA begehrt hatte - wandte die beklagte Partei ausdrücklich die Verjährung des Anspruches auf Lohnfortzahlung ein (ON 42). Darüber hinaus sprach sich die beklagte Partei gegen die beantragte Wiedereinsetzung aus und wies auf die in § 5 des deutschen Kündigungsschutzgesetzes getroffene Sonderregelung über die Zulassung verspäteter Kündigungsschutzklagen hin, die die Anwendung der prozessualen Bestimmungen über die Wiedereinsetzung ausschließe.

Dem Kläger wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage bewilligt. Weiters wies das Erstgericht die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Streitanhängigkeit mit Beschluß vom 13.Februar 1992 zurück. Dieser Beschluß wurde vom Rekursgericht bestätigt.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit 2,634.911,80 S zu Recht, die Gegenforderung der beklagten Partei hingegen nicht zu Recht besteht und gab dem auf Zahlung von 2,634.911,80 S sA gerichteten Klagebegehren statt.

Die von den Streitteilen getroffene Gerichtsstandvereinbarung sei gemäß § 9 ASGG unzulässig. Gemäß § 44 Abs 1 IPRG seien Arbeitsveträge nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer die Arbeit gewöhnlich verrichte. Gemäß Abs 3 dieser Bestimmung sei eine Rechtswahl nur beachtlich, wenn sie ausdrücklich getroffen worden sei und von den zwingenden Bestimmungen des nach Abs 1 anzuwendenden Rechts nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abweiche. Stelle man die österreichische Rechtslage über die Auflösung befristeter Dienstverhältnisse und die daraus resultierenden Ansprüche des Arbeitnehmers der deutschen Rechtslage gegenüber, ergebe sich, daß das österreichische Recht für den Arbeitnehmer günstiger sei. Nach österreichischem Recht könne ein befristetes Dienstverhältnis vom Arbeitgeber einseitig nur durch Entlassung beendet werden. Sei die Entlassung ungerechtfertigt, könne der Arbeitnehmer das Entgelt begehren, das ihm bis zum fiktiven Ende des Dienstverhältnisses gebührt hätte. Nach deutschem Recht könne ein befristetes Dienstverhältnis durch außerordentliche Kündigung beendet werden, gegen die der Arbeitnehmer binnen drei Wochen eine auf Fortbestand des Dienstverhältnisses gerichtete Kündigungsschutzklage einbringen könne. Er müsse daher am Arbeitsverhältnis festhalten, obwohl er hinausgeworfen worden sei. Nur wenn das Kündigungsschutzverfahren ergebe, daß die Kündigung unberechtigt und sozialwidrig gewesen sei, könne der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen und bei einem Alter von unter 55 Jahren im günstigsten Fall 12 Monatsentgelte Abfindung erhalten. Auch die österreichischen Bestimmungen über die Konkurrenzklausel seien für den Arbeitnehmer günstiger, weil bei Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber ohne schuldhafte Veranlassung durch den Arbeitnehmer die Rechte daraus nur dann geltend gemacht werden könnten, wenn sich der Arbeitgeber zur Weiterzahlung des vollen Entgelts verpflichte. Nach deutschem Recht sei eine Konkurrenzklausel mit einer Dauer von zwei Jahren möglich; der Arbeitgeber müsse nur das halbe Entgelt weiterzahlen.

Da der Kläger die beklagte Partei bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht getäuscht habe und ein Mindestumsatz nicht vereinbart worden sei, liege jedenfalls kein Entlassungsgrund nach § 27 AngG vor.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes, soweit er der Klage mit einem Betrag von 2,282.411,80 S brutto sA stattgab und änderte es im übrigen im Sinne der Abweisung des Mehrbegehrens von 352.500 S sA ab. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, daß in Frage kommenden Regelungen des österreichischen Arbeitsrechtes günstiger seien als jene des deutschen Rechtes und daher die getroffene Rechtswahl unbeachtlich sei. Ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des befristeten Dienstverhältnisses sei nicht vorgelegen. Einen Verjährungseinwand habe die beklagte Partei nur dem Eventualbegehren auf Entgeltfortzahlung aus dem aufrechten Dienstverhältnis nach deutschem Recht entgegengesetzt, nicht aber dem auf Kündigungsentschädigung nach österreichischem Recht gerichteten Hauptbegehren. Zu Recht wende sich die beklagte Partei nur gegen die Zuerkennung der Konventionalstrafe, die sich nur auf die in § 5 des Dienstvertrages genannten Verletzungen des Konkurrenzverbotes und der Geheimhaltungspflicht durch den Kläger beziehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da die Kollisionsnorm des § 44 IPRG an das Vorliegen eines Arbeitsvertrages anknüpft, ist dieser (eigene) Tatbestandsbegriff zunächst nach inländischem Sachrecht zu beurteilen (siehe Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts, 20). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin lag die für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses maßgebliche persönliche Abhängigkeit des Klägers vor, da der Kläger einem weitgehenden Weisungsrecht der beklagten Partei unterworfen war. Der Kläger war verpflichtet, die Kundschaft regelmäßig zu besuchen und der beklagten Patei laufend über seine Tätigkeit zu berichten, hatte über Verlangen der beklagten Partei an Verkaufs- und Werbeveranstaltungen teilzunehmen, produktspezifische Vertreterschulungen durchzuführen, an Fachseminaren teilzunehmen, bei Erstellung von Erzeugungs-, Verkaufs- und Lagerprogrammen mitzuarbeiten, war auf Verlangen der beklagten Partei verpflichtet, auch an anderen Orten als an seinem Wohnsitz in Kapfenberg tätig zu sein und hatte einen bestimmten Urlaubsanspruch, den er nur im Einvernehmen mit der beklagten Partei konsumieren durfte. Für das Vorliegen eines Angestelltendienstverhältnisses spricht auch die Vereinbarung eines relativ hohen Fixums und der Spesenersatz durch den Arbeitgeber sowie die Vereinbarung einer Konkurrenzklausel (siehe Martinek/M.u./W.Schwarz AngG7 55 ff).

Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, die Wahl deutschen Arbeitsrechts sei beachtlich, weil es insgesamt günstiger sei als das österreichische Recht, ist ihr zu erwidern, daß die deutsche Rechtsordnung dem entlassenen (bzw nach der deutschen Terminologie außerordentlich gekündigten) Arbeitnehmer mit der binnen drei Wochen einzubringenden Kündigungsschutzklage nach § 4 des deutschen Kündigungsschutzgesetzes (dKSchG) einen Rechtsbehelf zur Verfügung stellt, der der Klage auf Unwirksamerklärung der Entlassung nach den §§ 106 und 107 ArbVG entspricht. Da nun bei der Lösung der Frage, welchem Tatbestand des österreichischen Kollisionsrechtes eine ausländische Sachnorm entspricht, unabhängig von der vom fremden Recht getroffenen Einordnung grundsätzlich auf die Qualifikation nach österreichischen Sachnormen Bedacht zu nehmen ist (siehe Schwimann aaO 26 ff), ist davon auszugehen, daß das nach der getroffenen Rechtswahl anzuwendende deutsche Sachrecht nicht dem Individualarbeitsrecht, sondern dem Betriebsverfassungsrecht im Sinne des II.Teiles des ArbVG angehört. Da die Verweisung nach § 44 IPRG nur den privatrechtlichen Bereich des Arbeitsrechtes umfaßt, nicht aber die Normen des Arbeitsverfassungsrechtes über den Kündigungsschutz, für die das Territorialitätsprinzip gilt (siehe Schwimann aaO 136 f sowie 141 f; Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht3 II 250; Marhold in Mayer-Maly/Marhold Österreichisches Arbeitsrecht II 140 f; Rebhahn, Österreichisches Arbeitsrecht bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, Strasser-FS [1983], 59 ff [75 und 77]). In diesem Zusammenhang ist auch noch darauf hinzuweisen, daß die Regelung des § 4 dKSchG auch verfahrensrechtliche Elemente aufweist, für die grundsätzlich die lex fori gilt (siehe Fasching ZPR2 Rz 2400).

Da nun das gewählte deutsche Arbeitsrecht für die Frage der Ansprüche des Klägers aus dem durch die ungerechtfertigte Entlassung beendeten befristeten Arbeitsverhältnis demnach zu keinen in Österreich anwendbaren deutschen Sachnormen führt, ist die Rechtswahl jedenfalls für diese Frage gemäß § 44 Abs 3 IPRG unbeachtlich und gemäß § 44 Abs 1 IPRG österreichisches Arbeitsrecht anzuwenden.

Da nach dem anzuwendenden österreichischem Arbeitsrecht ein befristetes Arbeitsverhältnis auch durch eine unberechtigte Entlassung aufgelöst wird (siehe Kuderna Entlassungsrecht2 31, insbesondere Anm 3), haben die Vorinstanzen dem Kläger zutreffend die geltend gemachten Ersatzansprüche nach § 29 AngG zuerkannt.

Die Ausschlußfrist des § 34 AngG wird nicht von Amts wegen, sondern wie die Verjährung nur über Einwand des Beklagten wahrgenommen (siehe Martinek/M.u./W.Schwarz AngG7 694 mwH). Einen Verjährungseinwand hat nun die beklagte Partei - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - nicht dem primär erhobenen Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung nach österreichischem Recht, sondern lediglich dem erst in einem späteren Verfahrensstadium eventualiter geltend gemachten Anspruch auf Lohnfortzahlung nach deutschem Recht entgegengesetzt.

Auf die aus der Verletzung der Konkurrenzklausel abgeleitete Gegenforderung kommt die Revisionswerberin nicht mehr zurück, so daß es erübrigt, zur Frage des auf diese Klausel anzuwendenden Rechtes Stellung zu nehmen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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