OGH 4Ob68/95

OGH4Ob68/9521.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11.Mai 1995, GZ 3 R 52/95-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.Jänner 1995, GZ 38 Cg 186/94b-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.845 S bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 3.307,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 526 Abs 2, letzter Satz, ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses gegen seinen abändernden Beschluß liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO hier nicht vor:

Wie schon das Rekursgericht im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (WBl 1989, 277 = ÖBl 1990, 23 - weißer Arbeitsmantel; WBl 1993, 58 - SENSODYNE F, jeweils mwH; VwGH 5.11.84 in LMR2 BaPiSmo 28 uva; zuletzt etwa ÖJZ 1995, 514/88) ausgeführt hat, ist für die Beurteilung, ob ein auch beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln (hier: Zahncremen) wegen seiner suggestiven Wirkung gemäß §§ 9 Abs 1 lit b, 26 Abs 2 LMG per se verbotener Hinweis auf ärztliche Empfehlungen (4 Ob 1033/94) vorliegt, die Verkehrsauffassung maßgebend. Danach kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob der in den Inseraten der Beklagten enthaltene Slogan "Ihr Zahnarzt wird es Ihnen danken" als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung zu werten ist, darauf an, wie diese Werbung vom Verkehr aufgefaßt wird. Die für die Beurteilung von Werbeankündigungen zu § 2 UWG entwickelten Grundsätze sind auch hier heranzuziehen; entscheidend ist demnach der Gesamteindruck der Ankündigung, wie er sich bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise ergibt (WBl 1989, 277 = ÖBl 1990, 23 - weißer Arbeitsmantel; WBl 1993, 58 - Sensodyne F).

Ob die durch die beanstandeten Inserate der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise daraus den von der Klägerin behaupteten Eindruck eines - verbotenen - Hinweises auf eine ärztliche Empfehlung gewinnen konnten, ist somit - ebenso wie die Frage der Irreführungseignung nach § 2 UWG - keine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 502; ÖBl 1984, 79 - Humanic-"Flohmarkt"; ÖBl 1985, 163 - Sport-K-Räumungsverkauf; JBl 1986, 192; 4 Ob 358/87; 4 Ob 98/88; 4 Ob 141/90; 4 Ob 171/90; 4 Ob 78, 79/91; 4 Ob 9/93; 4 Ob 100/93; 4 Ob 1016/94; 4 Ob 1072/94 uva). Deren Verneinung durch das Rekursgericht hält sich jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und kann die Rechtssicherheit schon deshalb nicht beeinträchtigen, weil der Sinngehalt der gebräuchlichen Redewendung "Der oder Die (zB Dein(e) Kind(er), Dein(e) Erbe(n) wird(werden) es Dir danken!" (nur) darin liegt, daß sich diese Person(en) über ein bestimmtes Verhalten (eine Maßnahme) des solcherart Angesprochenen "freuen" werden.

Wird aber der beanstandete Slogan von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Hinweis auf eine ärztliche Empfehlung verstanden, ist auch nicht zu sehen, wieso in seiner Verwendung eine sittenwidrige (§ 1 UWG) Umgehung des Verbotes gesundheitsbezogener Angaben im Sinne des § 9 Abs 1 lit b LMG liegen sollte.

Abgesehen davon, sieht zwar die Kosmetika-Richtlinie 76/768/EWG (ua) auch Vorschriften über die Werbung vor, sie enthält aber keinerlei absolute Werbeverbote. Gegen das "per-se-Verbot" des § 9 Abs 1 lit b LMG könnten daher aus Gründen des EU-Rechts verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne einer "Inländerdiskriminierung" bestehen (vgl dazu Gladt, § 9 LMG 1975 als verfassungswidrige Regelung gleicher Wirkung iS des Art 30 EGV?, ÖBl 1995, 195 ff [201 f]). Dies zwingt jedenfalls bereits zu einer verfassungskonformen - strikten - Auslegung des § 9 Abs 1 lit b LMG dahin, daß von diesem absoluten Werbeverbot nicht auch "mittelbare" Empfehlungen durch nachträgliches "Gutheißen" erfaßt sind.

Diese Erwägungen führen bereits zur Zurückweisung des Revisionsrekurses (§§ 78, 402 Abs 4 EO; § 510 Abs 3, letzter Satz, § 528 a ZPO).

Die Beklagte hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf diesen Zurückweisungsgrund hingewiesen; die Klägerin hat ihr daher gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO, §§ 41, 50 Abs 1 ZPO die Kosten der Rechtsmittelgegenschrift zu ersetzen.

Stichworte