OGH 9ObA111/95

OGH9ObA111/9511.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes und Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Dietmar Strimitzer und Mag.Kurt Retzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert H*****, Techniker, ***** vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V***** AG, ***** vertreten durch Dr.Peter Hierzenberger ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2,578.000,-- brutto abzüglich S 333.757,-- netto sA (im Revisionsverfahren S 2,092.225 brutto abzüglich S 333.757,-- netto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.September 1994, GZ 34 Ra 73/94-101, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.September 1993, GZ 4 Cga 203/93p-91, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung können allfällige Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht für nicht gegeben erachtet wurden, nicht neuerlich in der Revision als Mängel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden (SZ 27/4; SZ 60/157; SZ 62/88; ÖBl 1984, 109; RZ 1989/16; RZ 1992/57; DRdA 1991/10; infas 1994 A 49; ecolex 1994, 781; RdW 1995, 226 uva).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob dem Kläger die geltendgemachten Ansprüche zustehen, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers, daß er seinen Anspruch auf eine zusätzliche freiwillige Abfertigung auf eine betriebliche Übung bei der Beklagten stützen könne, so daß durch die Nichtgewährung das Gleichbehandlungsgebot verletzt worden sei, entgegenzuhalten:

Nach den für den Obersten Gerichtshofes bindenden Feststellungen der Vorinstanzen bestand bei der Beklagten weder eine Übung, daß bereits abgefertigte Dienstzeiten von Arbeitnehmern als Arbeiter bei der nachmaligen Angestelltenabfertigung nochmals berücksichtigt wurden, noch dahin, daß Arbeitnehmern, die länger als 30 Jahre beschäftigt waren, generell doppelte Abfertigungen gezahlt wurden. Festgestellt ist lediglich, daß die Beklagte 1986 und 1987 in wirtschaftliche Schwierigkeiten kam, die eine Strukturänderung erforderlich machten. Diese Probleme veranlaßten eine Personalreduktion, die im Jahre 1987 im Rahmen eines als "Aktion 59" bezeichneten Sozialplans durchgeführt wurde. Dabei sollten jene Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres standen, in Pension gehen. Die Aktion betraf sohin nur jene Arbeitnehmer, die knapp vor ihrer Pensionierung standen. Die doppelte Abfertigung sollte in diesen Fällen als Überbrückungshilfe dienen. Tatsächlich wurde eine Reihe von Arbeitnehmern im Alter von 58 bis 59 Jahren gekündigt und in dieser Form ("Zuckerl") abgefunden. Der Kläger, der im Zeitpunkt seiner Kündigung durch die Beklagte am 22.11.1988 aber erst rund 50 Jahre alt war, kann aus dieser Maßnahme schon deshalb keine Ansprüche ableiten, weil ihn die "Aktion 59" nie betroffen hatte und der Sozialplan zielgerichtet auf die Überbrückung wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Jahre 1987 abgestellt war. Auch die in der Revision als "Ausnahmen" angeführten ehemaligen Angestellten der Beklagten Friedrich B***** und Gerhard H***** wurden im Alter von 58 Jahren im Rahmen des Sozialplans 1987 gekündigt. Soweit diesen als weiteres "Zuckerl" auch ihre Dienstzeiten als Arbeiter bei der Ermittlung der Abfertigung angerechnet wurden, hat die Beklagte das Gleichbehandlungsgebot gegenüber dem Kläger dadurch schon aufgrund der aufgezeigten Besonderheiten der "Aktion 59" nicht verletzt. Abgesehen davon könnte selbst eine sachlich nicht berechtigte Bevorzugung einer Minderheit nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen (vgl SZ 67/15 mwH).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen führten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten in den Jahren 1986 und 1987 am 24.3.1987 auch zu einer Betriebsvereinbarung, mit der ein grundsätzliches Einverständnis zu einer Entgeltkürzung um 8,5 % für die Zeit vom 1.4.1987 bis 31.3.1988 erzielt wurde. Die Angestellten wurden einzeln zum Vorstand gerufen, wo sie die Vereinbarung über die Entgeltreduktion unterzeichneten. Nachdem bereits zwei Angestellte, die der Reduktion nicht zugestimmt hatten, gekündigt worden waren, unterschrieb auch der Kläger diese Vereinbarung (Beil 19). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers war diese einvernehmliche verschlechternde Vertragsänderung für die Zukunft, die gegen kein gesetzliches oder kollektivvertragliches Gebot verstieß, auch unter dem Aspekt einer sonstigen Kündigung zulässig und wirksam (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 I 86; Arb 10.303; SZ 62/47; Arb 10.913 uva).

Daraus folgt, daß dem - für seine Dienstzeiten als Arbeiter bereits abgefertigten - Kläger im Sinne des Art VII Abs 3 ArbAbfG für seine Angestelltenzeit iVm §§ 4 Z 7 und 16 Z 4 des einschlägigen Kollektivvertrags eine Abfertigung in Höhe des neunfachen Monatsentgelts zusteht. Die bereits vom Berufungsgericht widerlegten und im Revisionsverfahren wiederholten Ausführungen des Revisionswerbers, daß die Beklagte einen längeren Bemessungszeitraum für die Abfertigung selbst anerkannt habe, sind aktenwidrig (vgl S 64 und 68). Die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß aufgetragene ergänzende Erörterung der Differenzen bei der Abfertigung und Kündigungsentschädigung ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Der Kostenvorbehalt ist in § 52 ZPO begründet.

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