OGH 5Ob102/95

OGH5Ob102/9526.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin S***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Heidi Bernhart, Rechtsanwältin in Wien, betreffend Eintragungen in der EZ *****, infolge Revisionsrekurses der Ö***** Gesellschaft m. b.H., ***** vertreten durch Dr.Wolfram Themmer, Dr.Martin Prunbauer und Dr.Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 31. März 1995, AZ 46 R 2067/94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 23.August 1994, TZ 4464/94, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Am 1.8.1994 begehrte die Antragstellerin unter Vorlage eines mit allen formellen Verbücherungsvoraussetzungen versehenen Kaufvertrages vom 8.6.1994, des Rangordnungsbeschlusses TZ 3486/94 vom 17.6.1994 und einer UB des FA für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien vom 24.6.1994 die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an der EZ ***** in dem zu TZ 3486/1994 angemerkten Rang sowie die Löschung des unter CLNR 5 a im Rang 3960/1994 angemerkten einstweiligen Veräußerungs- und Belastungsverbotes (11 Cg 196/94z des HG Wien).

Mit Beschluß vom 23.8.1994, TZ 4464/94, gab das Erstgericht diesem Antrag statt.

Ein dagegen von der Ö***** Gesellschaft m.b.H., der Verbotsberechtigten aus dem zu TZ 3960/1994 angemerkten Veräußerungs- und Belastungsverbot, erhobener Rekurs blieb erfolglos. Er war darauf gestützt, daß die Verbotsberechtigte bereits vor der Antragstellerin, und zwar am 18.5.1994, die verfahrensgegenständliche Liegenschaft von der damaligen Eigentümerin gekauft und - alarmiert durch die zu TZ 3486/1994 eingetragene Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung - beim HG Wien am 30.6.1994 die Erlassung einer einstweiligen Verfügung erwirkt habe, mit der der vormaligen Liegenschaftseigentümerin die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung verboten und dazu noch aufgetragen wurde, den angemerkten Rangordnungsbeschluß gerichtlich zu hinterlegen. Aus der Entscheidung 5 Ob 16/94 = JBl 1994, 691 leitete die Rekurswerberin ab, daß sowohl die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin als auch die Löschung des einstweiligen Veräußerungs- und Belastungsverbotes hätte abgelehnt werden müssen, doch hielt dem das Rekursgericht entgegen:

Das Problem der Gut- oder Schlechtgläubigkeit der Antragstellerin bei der Verbücherung ihres Eigentumsrechtes stelle sich nicht. Mit Hoyer, JBl 1994, 645 ff, sei vielmehr davon auszugehen, daß im Rahmen des § 440 ABGB die Gutgläubigkeit des bei einer Doppelveräußerung zuvorkommenden Verbücherungswerbers gar keine Rolle spiele, weil beide konkurrierenden Erwerber ihren Titel vom selben Vormann, nämlich vom früheren Eigentümer, ableiten, sodaß ein Erwerb vom Nichtberechtigten ohnehin nicht in Betracht komme. Alle anderen Fragen der Doppelveräußerung, vor allem auch die des Schadenersatzes, könnten nicht Gegenstand des Grundbuchsverfahrens sein. Dieses sei ein reines Akten- und Urkundenverfahren. Durch das auf den Einreichungszeitpunkt des Gesuches abzustellenden Rangprinzip (§ 29 GBG) - von seltenen Ausnahmen abgesehen - sei das Grundbuchsgericht gezwungen, ohne Zwischenerledigungen auszukommen (§ 95 Abs 1 GBG). Konsequenterweise gebe es im Grundbuchsverfahren auch nur ein einseitiges Rechtsmittelverfahren mit striktem Neuerungsverbot (§ 122 Abs 2 GBG). Das dem österreichischen Recht eigene Prinzip der kausalen Tradition dinglicher Rechte (§ 425 ABGB) finde im Prinzip des bücherlichen Vormanns (§§ 21 bis 25 GBG) sein Korrelat, das bei originärem außerbücherlichen Erwerb dennoch die - allenfalls durch Klage zu erzwingende - titelmäßige Herleitung einzutragender Rechte vom bücherlichen Vormann erzwinge. Das beschränke die Prüfungsmöglichkeit und -befugnis des Grundbuchsrichters.

Darüber hinaus sei für eine im Range einer Anmerkung der Rangordnung vorzunehmende Einverleibung der Buchstand im Zeitpunkt der Ranganmerkung entscheidend. Konsequent eröffne § 57 GBG über rechtzeitig gestellten Antrag dem Eintragungswerber die Löschung der Zwischeneintragungen. Im gegenständlichen Fall sei somit der Grundbuchsstand der Priorität der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung maßgeblich; die später angemerkte einstweilige Verfügung durch ein an den Doppelverkäufer gerichtetes Veräußerungs- und Belastungsverbot sei unbeachtlich und antragsgemäß zu löschen gewesen.

Was den Auftrag zur gerichtlichen Hinterlegung des Rangordnungsbeschlusses und die vermeintliche Kenntnis der Antragstellerin hievon betreffe, hänge es von der Rechtsstellung des Inhabers dieses Rangordnungsbeschlusses ab, ob die Abnahme erreicht werden kann. Befinde sich der Beschluß nicht in den Händen des Gegners der gefährdeten Partei, sondern bei einem Dritten, könne die Abnahme oder das Verbot einer Herausgabe nur dann erreicht bzw durchgesetzt werden, wenn ihn der Dritte - insbesondere als Bevollmächtigter des Gegners - ausschließlich für diesen aufbewahrt. Befinde sich die Beschlußausfertigung hingegen vertragsgemäß beim anderen Käufer der Liegenschaft, komme eine einstweilige Verfügung wegen dessen eigener Rechte nicht in Frage (Konezny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung, 347). Schon mangels Kenntnis, in wessen Gewahrsame sich der Rangordnungsbeschluß befunden hat, aber auch, weil die Gutgläubigkeit des Verbücherungswerbers keine Rolle spiele, sei der Auftrag an den ehemaligen Eigentümer zur gerichtlichen Hinterlegung des Rangordnungsbeschlusses im gegenständlichen Fall unbeachtlich.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde mit einem Abweichen von der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes begründet.

Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs wiederholt die Rechtsmittelwerberin unter Bezugnahme auf die Entscheidung 5 Ob 16/94 ihre Argumentation, daß das Gesuch der Antragstellerin, auf Grund des späteren Kaufvertrages, ihr Eigentumsrecht an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft einzuverleiben, mangels Gutgläubigkeit hätte abgewiesen werden müssen. Unabhängig davon hätte die Löschung des einstweiligen Veräußerungs- und Belastungsverbotes abgelehnt werden müssen, weil es dazu einer Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch das Handelsgericht Wien bedurft hätte. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Eintragungsgesuches der Antragstellerin abzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, daß der vorliegende Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet, daß die sowohl der Antragstellerin als auch der Revisionsrekurswerberin verkaufte Liegenschaft im Zeitpunkt des zweiten Veräußerungsgeschäftes (an die mit der Verbücherung ihres Eigentumsrechtes zuvorgekommene Antragstellerin) streitverfangen war. Auch von einem Exekutionstitel des Ersterwerbers gegen den Veräußerer, der letzteren zur Übereignung der Liegenschaft verpflichtet, ist keine Rede. Gerade daran wurden aber in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 25.1.1994, 5 Ob 16/94, im Hinblick auf § 234 ZPO und § 9 EO rechtliche Konsequenzen geknüpft, die die Revisionswerberin wegen des anders gelagerten Sachverhaltes keinesfalls für sich in Anspruch nehmen kann. Ob die der genannten Entscheidung zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen angesichts der massiven Kritik der Lehre (Welser, Posterior tempore, potior iure, NZ 1994, 73; Wilhelm, Kauf bricht Grundbuch, ecolecx 1994, 305; Hoyer, Gilt § 440 ABGB noch? Oder: Was leistet das Grundbuchsverfahren für das materielle Recht, JBl 1994, 645; Rechberger-Oberhammer, § 234 ZPO - einfach kompliziert, ecolex 1994, 456) und ihrem Verständnis des § 234 ZPO insgesamt zu revidieren sein werden, ist hier nicht abschließend zu entscheiden; es sind nur jene Punkte zu behandeln (und wie sich zeigen wird: zurechtzurücken), die den Anlaßfall unmittelbar berühren.

Richtig weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, daß aus der Entscheidung 5 Ob 16/94 herausgelesen werden könnte, es spiele für den Rechtserwerb des zuvorkommenden Verbücherungswerbers bei der Doppelveräußerung einer Liegenschaft keine Rolle, ob er auf Grund eines in seinen Händen befindlichen Rangordnungsbeschlusses einen Rang für die Einverleibung seines Eigentumsrechtes in Anspruch nehmen kann, der vor dem Rang eines bereits angemerkten einstweiligen Veräußerungsverbotes liegt. Herrschende Lehre und Rechtsprechung vertreten jedoch dazu übereinstimmend den Standpunkt, daß ein Veräußerungsverbot in keinem Fall die Einverleibung eines Rechtes im Range einer dem Veräußerungsverbot vorgehenden bücherlichen Rangordnungsanmerkung hindert (JBl 1962, 50 ua), ohne daß es auf den Zeitpunkt des zu verbüchernden Rechtsgeschäftes ankäme (SZ 19/141; Heller-Berger-Stix, Kommentar zur EO, 2750; Hoyer in NZ 1994, 291). Die Wirkung der Anmerkung der Rangordnung wird nämlich durch eine auf Grund einer einstweiligen Verfügung erfolgte nachträgliche Eintragung eines Veräußerungsverbotes nicht beeinträchtigt; letzteres wirkt nicht gegen denjenigen, zu dessen Gunsten bereits eine Rangordnungsanmerkung erfolgt ist (SZ 23/370; SZ 24/151; JBl 1962, 501 ua). Diese gefestigte Judikatur sollte durch die auf andere Rechtsfragen konzentrierte Entscheidung 5 Ob 16/94 nicht in Frage gestellt werden; es blieb offensichtlich aus einem Versehen unbeachtet, daß der im Grundbuch eingetragene Zweiterwerber der Liegenschaft schon auf Grund seines besseren Rangs über eine im Grundbuchsverfahren unumstößlichen Rechtsposition verfügte, sodaß Erwägungen darüber, ob eine Anmerkung der Rangordnung den im Zeitpunkt dieser Anmerkung (noch) bestehenden guten Glauben konservieren kann (vgl König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren, Rz 91 und 94), gar nicht anzustellen gewesen wären. Soweit der Entscheidung 5 Ob 16/94 implicite Gegenteiliges zu entnehmen ist, wird dieser Rechtsstandpunkt nicht aufrechterhalten; er vermag den Antrag der Revisionsrekurswerberin, die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Antragstellerin rückgängig zu machen, nicht zu begründen.

Auch die in der Entscheidung 5 Ob 16/94 (wenn auch nur obiter) zum Ausdruck gebrachte, von der Revisionsrekurswerberin gegen die Löschung des einstweiligen Veräußerungs- und Belastungsverbotes vorgetragene Rechtsmeinung, eine derartige Anmerkung habe bis zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch das sie erlassende Gericht im Grundbuch zu bleiben, kann nicht aufrechterhalten werden. Diese Rechtsauffassung entspricht zwar - ohne das vorhin erörterte Rangproblem zu beachten - der Judikatur des erkennenden Senates (NZ 1965, 12; vgl auch RPflSlgG 2407), wurde jedoch von Hoyer bereits in NZ 1994, 291 (in einer Anmerkung zur Entscheidung 5 Ob 12/94) als überprüfungsbedürftig bezeichnet und nunmehr vom selben Autor (Gilt § 440 ABGB noch? Oder: Was leistet das Grundbuchsverfahren für das materielle Recht, JBl 1994, 646) überzeugend zurechtgerückt. Demnach bleibt die einstweilige Verfügung zwar aufrecht, solange sie nicht vom erlassenden Gericht aufgehoben wird (oder aus anderen Gründen außer Kraft tritt); richtet sich jedoch das einstweilige Veräußerungsverbot zufolge einer unbedingt rechtswirksamen Übereignung der verbotsbetroffenen Liegenschaft nicht mehr gegen den Liegenschaftseigentümer (sondern ausschließlich gegen dessen Vormann), steht der den Grundbuchstand berichtigenden Löschung der Verbotsanmerkung gemäß § 57 Abs 1 GBG nichts im Wege. Auch in diesem Punkt fehlt somit der Revisionsrekurswerberin ein Argument für die Stattgebung ihres Abänderungsbegehrens.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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