Spruch:
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Über die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit ist in der gemäß §§ 10 und 11 Abs 1 ASGG angeordneten Besetzung zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Begründung
Der im Sprengel des Erstgerichtes wohnhafte Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage von der in der Schweiz ansässigen beklagten Partei den Klagsbetrag mit dem Vorbringen, die Parteien seien im Herbst 1994 übereingekommen, daß er für die beklagte Partei ab November 1994 als Niederlassungsleiter in Wien tätig werde. In der Folge habe ihm die beklagte Partei mitgeteilt, daß sie vorläufig keine neue Niederlassung gründe, wodurch das bereits vereinbarte Angestelltenverhältnis hinfällig geworden sei. Der Kläger habe aber sein damaliges Dienstverhältnis bereits aufgekündigt und erleide dadurch einen beträchtlichen Schaden. Außerdem habe er für die Kostenkalkulation für die geplante Niederlassungsgründung bereits beträchtliche Zeit investiert. Er begehre daher das vereinbarte Entgelt für die Monate November und Dezember 1994 sowie für seine Leistungen bei der Kostenkalkulation einen Pauschalbetrag von S 20.000.
Bei der ersten Tagsatzung meldete die beklagte Partei die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit an.
Das Erstgericht wies in einem durch den Vorsitzenden des erstgerichtlichen Senates unter Berufung auf § 11 a ASGG allein gefaßten Beschluß die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Der für die Inanspruchnahme des Gerichtsstandes nach § 4 Abs 1 Z 1 lit a ASGG maßgebliche Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Arbeitnehmers müsse während des Arbeitsverhältnisses bestehen oder bestanden haben.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahingehend ab, daß es die von der beklagten Partei erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit abwies.
Es prüfte vorweg von Amts wegen, ob Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO vorliege oder ob das Erstgericht zutreffend durch den Vorsitzenden ohne Beiziehung fachkundiger Laienrichter entscheiden durfte. Es bejahte diese Frage. Der Vorsitzende habe gemäß § 11 a Abs 1 Z 4 lit e ASGG allein entscheiden dürfen. Es sah nämlich das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit, über welche Einrede das Erstgericht mit seiner Beschlußfassung implicite entschieden habe, als einen besonders qualifizierten Fall der fehlenden örtlichen Zuständigkeit an. Im übrigen bejahte es die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes (Näheres S 5 f des angefochtenen Beschlusses). Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zu, weil der Frage der Gerichtsbesetzung im Falle der Einrede der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit grundsätzliche Bedeutung zukomme.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Untergericht zu verweisen, in eventu die angefochtenen Entscheidungen erster und zweiter Instanz als nichtig aufzuheben und die Rechtssache und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen und hilfsweise, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage als unzuständig wegen Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit zurückgewiesen werde.
Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist mangels Vorliegens oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Gerichtsbesetzung bei Entscheidungen über die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit zulässig und im Sinne des ersten Eventualbegehrens auch berechtigt.
Hierüber hat der Oberste Gerichtshof als Dreier-Senat ohne Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zu entscheiden, selbst wenn der Vorsitzende des Erstgerichtes die Entscheidung unzulässigerweise gemäß § 11 a Abs 3 Z 2 ASGG allein gefällt hat (RV 1654 BlgNR 18. GP 15; Fink, ASGG 50).
Durch die ASGG-Nov 1994 wurde § 11 a ASGG neu eingefügt, durch den die Befugnisse des Vorsitzenden des Gerichtes erster Instanz wesentlich erweitert wurden. Dadurch sollte die in der ursprünglichen Fassung des ASGG enthaltene, wiederholt kritisierte Überbetonung des Laienelementes zumindest abgeschwächt werden. Grund dafür war, daß bei den in § 11 a ASGG bezeichneten Entscheidungen überwiegend rein rechtliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sind, bei denen die Bedeutung der den Laienrichtern zugeschriebenen branchenspezifischen Kenntnisse in den Hintergrund tritt (Fink aaO 42 f mwN).
Die Entscheidung über die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit ist in § 11 a ASGG nicht erwähnt. Erwähnt ist - als einziger in Betracht kommender verwandter Fall - in Abs 1 Z 4 lit e dieser Bestimmung lediglich, daß der Vorsitzende außerhalb einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung auch über die örtliche und sachliche Unzuständigkeit sowie über die Überweisung einer Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Gericht entscheiden könne.
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes handelt es sich bei der Frage der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit nicht nur um einen besonders qualifizierten Fall der fehlenden örtlichen Unzuständigkeit. Sie ist ein Prozeßhindernis eigener Art, deren Rechtsfolgen eigenständig in § 42 JN geregelt sind. Sie ist jederzeit von Amts wegen zu beachten und kann gemäß § 42 Abs 2 JN sogar noch nach Rechtskraft der Entscheidung aufgegriffen werden. Schon allein hieraus zeigt sich, daß dieser Einrede weit größere Bedeutung wie die der mangelnden örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit zukommt. Wird die Klage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen, kann der Kläger sein Recht im Inland überhaupt nicht mehr verfolgen; er ist gezwungen, im Ausland zu klagen, während bei fehlender örtlicher Zuständigkeit die Rechtssache auf Antrag oder von Amts wegen (§ 38 Abs 2 ASGG) an ein anderes nicht offenbar unzuständiges Gericht im Inland überwiesen wird. Zur Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit kann es überhaupt nur ganz ausnahmsweise kommen (vgl § 38 Abs 2 ASGG). Bei Zurückweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit bleibt dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit, die Rechtssache erfolgreich im Inland geltend zu machen (vgl Fink aaO 47).
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 11 a ASGG eine taxative Aufzählung enthält, die keiner erweiterten Interpretation zugänglich ist. Der Frage der inländischen Gerichtsbarkeit kommt - wie oben aufgezeigt - eine derart wesentliche Bedeutung zu, daß es nicht als ein Versehen des Gesetzgebers angesehen werden kann, auch diesen Fall zu erwähnen. Nach Meinung des erkennenden Senates hat der Gesetzgeber vielmehr folgerichtig die Entscheidung über die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit nicht in die Hände des Vorsitzenden des erstgerichtlichen Senates allein gelegt, zumal in diese Entscheidung häufig wesentliche materiellrechtliche Aspekte miteinbezogen werden müssen, sodaß die den Laienrichtern zugeschriebenen branchenspezifischen Kenntnisse nicht als völlig bedeutungslos abgetan werden können. Aus diesem Grund kann auch nicht damit argumentiert werden, daß Zweck der Neuregelung des § 11 a ASGG gewesen sei, Laienrichter von der Lösung rein verfahrensrechtlicher Fragen zu entlasten.
Die Entscheidung über die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit hat daher unter Beiziehung der fachkundigen Laienrichter zu erfolgen.
Da der Vorsitzende hierüber unzulässigerweise allein entschieden hat, ist der erstgerichtliche Beschluß und das darauf aufbauende Verfahren gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig. Es ist auch nicht gemäß § 37 Abs 1 ASGG geheilt - wobei dahingestellt bleiben kann, ob eine derartige Heilung infolge Nichterwähnung des § 11 a ASGG in dieser Bestimmung möglich ist (verneinend RV aaO; bejahend Fink aaO 43) -, weswegen die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht die Entscheidung über die Frage der Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit unter Beiziehung der fachkundigen Laienrichter aufzutragen ist, ohne daß der Oberste Gerichtshof bereits jetzt inhaltlich zur Frage der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit Stellung zu nehmen hätte.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO, da diese Entscheidung nicht über einen selbständigen Zwischenstreit endgültig abspricht.
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